Archive for Januar 20th, 2009

Fernsehen fördert die Zeitungskrise


20 Jan

Nichts vielleicht kann die Krise auf dem Zeitungsmarkt stärker dokumentieren, als die Art und Weise, wie Zeitungen sich zu Werbefähnchen für Fernsehformate machen. Diese Werbefähnchen im Winde recken sich nämlich regelmäßig nach dem dümmlichsten, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Die Bildzeitung mutiert zum Reklameheft für eine Show namens „Dschungelcamp“. Und der Kölner Express publiziert auf seinen Internetseiten eine Kolumne, die sich mit nichts anderem als der neuesten „big brother“-Produktion beschäftigt. Ein Autor namens „Online-Oli“ vertritt hier etwas, was sich selbst „Deutschlands härteste Big-Brother-Kolumne“ nennt. Hart an dieser Kolumne ist allerdings, neben völlig unzureichenden Deutschkenntnissen, vor allem das Gemächt des Autors.

„Heiß, heißer, Annina. Die gute Nachricht: Unser Porno-Sternchen ist wieder gesund. Die noch bessere Nachricht: Jetzt geht es so RICHTIG rund!“

Dann gibt Online-Oli richtig Gas. Bis zur kalten Vergasung wird die deutsche Sprache auf dem Felde der Unehre geopfert, um am Gashebel der Wortspielmaschine auch das letzte bisschen Grips, das ein deutsches Presseprodukt haben könnte, ins Gas zu schicken:

„Annina mit Körbchengröße G. G wie Gas – denn genau das gibt sie! Auf einer abendlichen Mottoparty im Haus wurde die Porno-Maus nicht nur heftigst von Sascha angeflirtet, sondern zog auch noch richtig blank!“

„Pornös“, um ein Wortspiel von Online-Oli zu gebrauchen, ist der Text des Kölner Express selbst. Und hätte besagte Anna Körbchengröße Z, könnten wir dann in der Onlineausgabe der Kölner Zeitung aus dem Hause Dumont auch Alliterationen lesen wie „Z wie Zyklon B“? Oder ist Deutschlands „härteste Kolumne“ in Wahrheit w wie weich, w wie weiche Birne oder w wie Wahrnehmungsstörungen durch zu viel Fernsehkonsum? Feststeht: Wer solche Zeitungen liest, der braucht keine. Fernsehen reicht, und das ist schon schlimm genug, denn was die Fernsehlandschaft hier aufweist, ist mit dem Landschaftsschutz auch nicht zu vereinen.

Sich selbst interviewen


20 Jan

Lügenbaron Münchhausen hat die Kunst entwickelt, sich selbst am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Dieses Kunststück haben noch nicht viele zu wiederholen verstanden. Nur Journalisten haben einen Weg gefunden, das Husarenstück des Lügenbarons zu wiederholen: Sie interviewen sich selbst. Neuestes Beispiel ist das vorgebliche Mutterschiff aller Nachrichtenorgane, die ARD Tagesschau. Auf deren Internetseite ist ein Interview mit „Wahlexperte Jörg Schönenborn“ über den Ausgang der hessischen Landtagswahl zu lesen. Allerdings ist Schönenborn nicht irgend ein neutraler Beobachter, sondern Chefredakteur des größten ARD-Senders, nämlich des WDR, und als solcher führt er sonst selbst in der Tagesschau die Interviews. Eines unterscheidet diesen kleinen Zaubertrick, also die Verwandlung des Interviewers in den Interviewten, dann doch von der erwähnten Münchhausiade: Wer sich selbst interviewt, der gerät nur immer tiefer in den Sumpf.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter