Archive for Februar 11th, 2009

Tagesschau online: Angriff der Killer-Viren


11 Feb

Da veranstaltet tagesschau.de einen Chat mit der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, und dann wundert man sich, dass besagter Chat zum Ziel von Hackerangriffen wurde.

„Kurz vor Ende haben Unbekannte den Chat mit maschinellen Massenanfragen gestört. Der Chat, den tagesschau.de gemeinsam mit politik-digital.de veranstaltete, war für einige Minuten aus dem Internet nicht erreichbar“.

Und nicht nur das: die Angreifer legten auch noch antisemitische und antiisraelische Züge an den Tag, was tagesschau.de offenbar überraschte:

„Bereits vor Beginn gingen bei den Moderatoren zahlreiche antisemitische und antiisraelische Beiträge ein. Insbesondere am Abend und in der Nacht vor dem Chat mussten die Moderatoren bereits zahlreiche Beiträge mit antisemitischem und antiisraelischem Inhalt filtern. Die Moderatoren überprüfen die Beiträge vor der Veröffentlichung grundsätzlich auf Hasspropaganda, Unterstellungen und nicht belegbare Tatsachenbehauptungen.“

Was hatte tagesschau.de denn erwartet? Mehr Sachverstand und auch mehr Coolness legte da die Zentralrätin, Charlotte Knobloch, an den Tag:

„Knobloch reagierte auf die Chat-Störung gelassen. Das überrasche sie nicht, sagte sie im Gespräch mit tagesschau.de. Sie habe damit eher bereits gerechnet.“

Man möchte Frau Knobloch danken. Sie versteht offensichtlich mehr vom Internet und von politischen Diskussionen als die Medienprofis der Tagesschau.

Cross-Promotion in deutschen Medien


11 Feb

Cross-Promotion, das bedeutet: Die Benutzung verschiedener Medien, um denselben Inhalt zu bewerben, und das unter einem und demselben Mediendach. Also, wenn zum Beispiel im redaktionellen Teil des Kölner Stadtanzeigers für KStA-TV Werbung gemacht wird. Über dieses Verfahren, das so weit um sich gegriffen hat, das es als die conditio sine qua non der deutschen Medienbranche inkl. ihrer öffentlich-rechtlichen Erscheinungsformen gelten kann, hat nun der Evangelische Pressedienst einen interessanten Artikel veröffentlicht:

„Natürlich sollten Journalisten besser wissen, dass ein solches Gebaren nicht in Ordnung ist. Tun sie vielleicht auch. Macht aber nichts, denn Eigenwerbung – die freilich nicht als solche gekennzeichnet wird – findet trotzdem statt, sie ist sogar schon so allgegenwärtig, dass man sie gerne übersieht. Man will schließlich lieber nicht so genau hingucken, wenn sich ein Berufsstand gerade selbst ins Aus befördert. Wenn etwa die „Süddeutsche Zeitung“ ihre Redakteure dazu bringt, Verlagswerbung zu dichten und diese im redaktionellen Teil zu platzieren; wenn in öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen und Magazinen eigene Produktionen besonders ausführlich und intensiv begleitet werden; wenn Anne Will mit ihren Gästen nach dem „Tatort“ über die Arbeitsbedingungen bei Billig-Discountern diskutiert, die gerade Thema des Krimis waren oder wenn die TV-Magazine der Privaten ohnehin aus fast nichts anderem bestehen als der Berichterstattung über „Popstars“, „DSDS“ und Dschungelcamp.“

Der Beispiele fielen einem ja noch mehr ein: dass die Tagesschau über solche Boxkämpfe berichtet, die im eigenen (ARD-) Programm stattfinden (über die anderen aber nicht!); dass das Verlesen der Lottozahlen in Nachrichtensendungen mit der Übertragung ihrer Ziehung korrespondiert; oder dass das eigene Personal quer durch die eigenen Programme gereicht wird, egal wie qualifiziert man dafür ist. Haarsträubend war schon, dass kürzlich in einer Maischberger-Sendung ein Quizmoderator nur wegen dieser seiner Tätigkeit als „Bildungsexperte“ verkauft wurde, wiewohl er unumwunden zugab, in der Schule nur mit schlechten Leistungen geglänzt zu haben.

Daneben gibt es aber auch ein Phänomen, das ich „negative Cross-Promotion“ nennen möchte, die absichtsvolle Auslassung von Inhalt, wenn die Verbreitung dem eigenen Programm und Unternehmensziel schaden würde. Dazu zählt insbesondere, dass in der Tagesschau-Ausabe samstags abends in der Unterbrechung der ARD-Sportschau keine Fußballergebnisse genannt werden, wiewohl dies in einer samstäglichen nachrichtensendung doch eigentlich ein Muss wäre. Aber man will sich ja sein schönes eigenes und teueres Programm nicht demolieren.

Auf ein weiteres neues Phänomen geht der epd-Artikel ein: Wie neuerdings nämlich Weblogs genutzt werden, um sein eigenes Medium in Szene zu setzen:

Die schönen Zeiten, als man Blogs noch las, um zu anderen Blogs oder Texten anderer Autoren ge- und verleitet zu werden, scheinen zu Ende zu gehen. Auch in den einstigen „Online-Tagebüchern“, die sich teilweise zu ordentlichen Aufmerksamkeitsumverteilern gemausert hatten und eben deswegen den ordentlichen Medien gefährlich zu werden drohten, greift die Unsitte des Schottendichtmachens um sich.

Nun empfehlen also nicht mehr nur „Welt Online“ und „Sueddeutsche.de“ vor allem die Welt-Online- respektive Sueddeutsche.de-Artikel, sondern pflegen auch immer mehr Blogs, um zuallererst die eigenen Inhalte zu verlinken. „Ähnliche Artikel“ nennt sich die zugehörige Funktion. Eine glatte Lüge, denn „ähnliche Artikel“ meint eigene Artikel. Die Professionalisierung der Blogs bringt es offenbar mit sich, dass auch hier die thematische Selbstreferenzialität zur systematischen mutiert.“

„Lüge“ ist hier noch ein höflicher Ausdruck. Es handelt sich um Betrug.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter