Archive for Oktober, 2009

Zur Revolverblättrigkeit des Kölner Stadtanzeigers


28 Okt

Wer Zweifel an der Revolverblättrigkeit des Kölner Stadtanzeigers hegte, dem wurde mit der heutigen Ausgabe wieder Mores gelehrt. Die Aufmacherseite des Kölner Lokalteils suhlte sich wieder in Raub- und Mordgeschichten wie weiland Hamann mit dem Hackebeilchen.

Senior von Räubern verletzt

Frau die Tasche entrissen

Millionenverluste für Anleger

So lauten die Überschriften einer Zeitung, die sich ständig Mühe gibt, die eigene Heimatstadt mit der Bronx verwechseln zu machen. Dann kommt dazu natürlich noch der „Archiveinsturz“ und, vielleicht die schlimmste Räuberpistole, ein Verweis auf das neue Mottolied der Karnevalssängerin Marie-Luise Nikuta.

Wie nahe Zeitungmachen und Verbrechen sich stehen, dafür bot auch der Sportteil des Kölner Stadtanzeigers wieder ein Beispiel. Oder wie anders als kriminell kann man den Umgang mit der deutschen Sprache nennen:

Der Regionalligist aus Trier war chancenloser als es das Ergebnis aussagt.

Über den Kommafehler in diesem Satz wollen wir mal hinwegsehen.

Stefan Aust wird "GQ Mann des Jahres 2009“


28 Okt

Das Herren-Witz-Blatt „GQ“ kürt den Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust zum „GQ Mann des Jahres“. Das Magazin, das nackte Frauen gerne so darstellt, als ob sie noch etwas anhätten, prämiert damit einen Journalisten, der die Wahrheit gerne so darstellt, als ob sie schon nackt wäre. Hoffentlich muss Stefan Aust sich dafür nicht entkleiden.

Stefan Aust wird „GQ Mann des Jahres 2009“ in der Kategorie Medien – Stefan Aust, GQ, Medien – GQ.com

Auch Fotos kämpfen mit Problemen


28 Okt

Jetzt hat es auch die Fotos erwischt. Die neue semiprofessionelle Fotokamera der Fa. Canon, Eos 7, „kämpft mit Problemen“, wie es heißt. Der Kampf hat allerdings keine ungleichen Partner, denn die Kamera kämpft hauptsächlich mit sich selbst. Bei der Serienbildaufnahme – immerhin 8 Fotos pro Sekunde soll der Mikrochip der Kamera verarbeiten können – zeigt sich, wohin der Geschwindigkeitswahn der Computerwelt geführt hat.

Nach Angaben von Canon USA sind „kaum sichtbare“ Reste des Vorgängerfotos auf dem aktuellen Bild sichtbar. Die Fehler fallen stärker ins Auge, wenn die Bilder nachträglich nachbearbeitet werden, zum Beispiel wenn mit Hilfe einer Tonwertkorrektur Schatten aufgehellt werden.

„Kaum sichtbar“ ist übrigens nicht nur fotografisch, sondern auch sprachlich eine Schande. Denn entweder ist etwas sichtbar oder nicht. Kaum auf dem Markt, schon wieder vermurkst: So wird ein Schuh draus.

Spiegelreflexkamera Canon 7D kämpft mit Problemen – Golem.de

Lammert greift ARD und ZDF an


27 Okt

Stell dir vor, der Bundestag konstituiert sich und keiner sieht zu. Die Eröffnung der neuen Legislaturperiode wurde von den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern nicht im Hauptprogramm übertragen. den neu gewählten Bundestagspräsidenten Norbert Lammert erzürnt das sehr:

„Mit souveräner Sturheit“ stellten die öffentlich-rechtlichen Sender Unterhaltung vor Information, dabei hätten sei das „üppig dotierte Privileg“ dem besonderen Informationsauftrag geschuldet. Insofern sei die Programmentscheidung „im wörtlichen Sinne bemerkenswert“.

Lammert greift ARD und ZDF an – Kölner Stadt-Anzeiger

Radio Vatikan als Geheimsender


27 Okt

Ein ganz bemerkenswertes Dokument zum Thema Macht und Ohnmacht der Medien ist das Interview, das der Spiegel mit dem Leiter der deutschsprachigen Redaktion bei Radio Vatikan geführt hat. Man muss dazu vielleicht noch anmerken, dass die katholische Kirche sich, wieder ausweislich Spiegel-Informationen, den Luxus dieses Radiosenders mindestens 42 Millionen Euro im Jahr kosten lässt.

SPIEGEL: Darf man als Journalist bei Radio Vatikan überhaupt Kritik an der katholischen Kirche üben?

Gemmingen: Radio Vatikan informiert über die Kirche, kommentiert wenig, kritisiert nicht. Wer bei Radio Vatikan arbeitet, ist mit seinem Arbeitgeber solidarisch.

SPIEGEL: Waren Sie Teil einer Propagandamaschine?

Gemmingen: Wir betreiben sicher eine besondere Art von Journalismus in der Berichterstattung über den Vatikan und die Weltkirche. Wie viele andere Journalisten auch haben wir die „Schere im Kopf“, sind aber keine Pressesprecher des Papstes.

SPIEGEL: Konnten Sie im Vatikan frei recherchieren?

Gemmingen: Kardinäle oder Bischöfe geben auch mal Interviews. Dokumente erhalten nur Historiker aus den schon zugänglichen Archiven.

SPIEGEL: Braucht man Radio Vatikan?

Gemmingen: Radio Vatikan ist eine Zugabe. Man braucht es nicht. Wir sind ein Geheimsender. Leider ist es der katholischen Kirche aber nicht gelungen, den Kanal selbst unter praktizierenden Katholiken bekannt zu machen. Das zeigt die Ohnmacht des Vatikans. Er hat überhaupt keine Macht. Der Vatikan ist medial machtlos im Vergleich zu den großen Meinungsmachern.

„Radio Vatikan ist ein Geheimsender“ – Artikel – SPIEGEL WISSEN – Lexikon, Wikipedia und SPIEGEL-Archiv

Fernbedienung defekt: Was dann?


23 Okt

Was tun, wenn die Fernbedienung des Fernsehgeräts defekt ist? Diese Frage bewegte die Journalisten der Zeitschrift Reader’s Digest. Sie ließ eine repräsentative Umfrage anfertigen, deren Ergebnis nun feststeht:

Das Fernsehen gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen. Was aber tun, wenn die Fernbedienung plötzlich ausfällt: Wird das eingeschaltete Programm dann weitergeschaut, auch wenn es langweilig ist, oder steht man auf, um am Apparat umzuschalten? Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag des Magazins Reader’s Digest (November-Ausgabe) entscheiden sich 89 Prozent fürs Aufstehen, um umzuschalten.

Schlussfolgerung: Elf Prozent der Deutschen schauen lieber eine langweilige Fernsehsendung statt sich zu erheben und umzuschalten oder gar, horribile dictu, auszuschalten. So jedenfalls verkündet es die Zeitschrift selbst in ihrer Pressemitteilung. Allerdings: Die Quintessenz des Artikels ist eine ganz andere:

Auch ein anderer Aspekt der Umfrage beweist, dass die Deutschen alles andere als  Bewegungsmuffel sind. So gaben 77 Prozent an, sie würden die Treppe und nicht den Aufzug nehmen, wenn es darum geht, die Höhe zwischen zwei Stockwerken zu überwinden.

Was also möchte Reader’s Digest uns eigentlich sagen? Sind die Deutschen nun zu faul, um selbst den größten Fernsehquatsch zu vermeiden? Oder sind sie in Wahrheit gar keine „Bewegungsmuffel“? Die Antwort kennt nur der Wind …

Presseportal: Reader’s Digest Deutschland – Fernbedienung defekt: Elf Prozent schauen lieber ein langweiliges Programm statt sich zu erheben

Gäste schützen vor Torheit nicht


21 Okt

Auch Gastbeiträge in Tageszeitungen schützen nicht vor groben sprachlichen Patzern. So in dem Beitrag des Arztes Dietrich Grönemeyer in der heutigen SZ:

Und wann wäre die Gelegenheit dazu gegebener als jetzt …

Gegebener? Liest denn kein Redakteur mehr vorher, was da veröffentlicht wird? Gerade Gäste haben ein bisschen Schutz verdient: Auch vor dem eigenen Irtum.

Süddeutsche Zeitung: Krise beschert Konzept


19 Okt

Die Wirtschafts-, Anzeigen- und Zeitungskrise hat offensichtlich auch ihr Gutes: Der Süddeutschen Zeitung, angeblich ja eine der „besten Zeitungen Deutschlands“, beschert die Krise nämlich etwas, was ihr offenbar bislang abging, nämlich ein „journalistisches Konzept“:

Die „Süddeutsche Zeitung“ muss offenbar acht bis zehn Millionen Euro einsparen. Der Betrag soll nach dem Willen des Herausgeberrats mit einem journalistischen Konzept erlöst werden.

Obwohl es doch bisher auch ohne ging …

Meedia: „SZ“ will Lokales bündeln

Von Porno bis Ökofleisch


19 Okt

Darauf hat die Medienwelt gewartet: Ein feministischer Porno-Filmpreis. Die Initiatorin ist auch nicht einfach so ebensolche, nein, sie ist „Sexpertin“ und Vertreiberin von „Sexklusivitäten“. Interessanter als dieser Umstand ist allerdings das Interview, das das „Medienhandbuch.de“ mit ihr geführt hat. Denn dort taucht eine Frage auf, die in ihrer Mehrbezüglichkeit schöner ist, als jede Antwort zum Thema es sein kann:

Sind Verbraucherinnen und Verbraucher Ihrer Erfahrung nach bereit, ähnlich wie beim Ökofleisch, höhere Preise für bessere Qualität zu bezahlen?

Ist das nicht schön?

„Wir wollen den Pornomarkt revolutionieren“ | medienhandbuch.de

Fälschungen in der Wissenschaft


14 Okt

Die Naturwissenschaften gelten gemeinhin als Bereich, der der experimentellen Erkenntnis vor der rein buchbezogenen hermeneutischen den Vorzug gibt. Ein Grund, warum zum Beispiel Doktorarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern regelmäßig viel kürzer sind als in Geisteswissenschaften: „Bücher bilden Gelehrte, Broschüren bilden Menschen“, wie man schon im 18. Jahrhundert sagte. Eine auffällige Kontraindikation ist allerdings der Umstand, dass ausgerechnet in den Naturwissenschaften das Problem der wissenschaftlichen Fälschung virulent ist. Die Obsession der Veröffentlichung ist dann eben auch in den Naturwissenschaften so groß, dass selbst ohne greifbares Ergebnis eine Publikation hergestellt werden muss: Die wissenschaftliche Erkenntnis wird fiktionalisiert. Dass damit das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Aktivität, die sich vorgeblich gegen reine Hermeneutik richtete, sich selbst zum Objekt hermeneutischer statt naturwissenschaftlicher Analyse macht, hat bei allem Degout auch eine gewisse feine Ironie. In der Zeitschrift Universitas findet sich ein Aufsatz zu diesem Thema (pdf).

Universitas

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter