Also wie nun: Die Meldung ging wie auf einer geschmeidigen Puddingspur einmal durch die Gazetten unseres Globus. Junk food macht also süchtig. Das Internetportal „nachrichten.de“ brachte die Meldung direkt unter dem Rubrum „Junkfood, Heroin, Pommes frites“, und zitierte munter drauf los:
Wer sich hemmungslos mit fetter Wurst, Fritten oder auch Kuchen mit Sahne vollstopft, kann nach Erkenntnis von US-Forschern genauso abhängig werden wie ein Drogen-Junkie. Das Hirn spielt Fettleibigen, die den Konsum von kalorienreichem, ungesundem Essen nicht lassen können, den gleichen Streich wie Rauchern, Sex-, Heroin- und Kokainsüchtigen, berichten Paul J. Kenny und Paul M. Johnson im Fachjournal „Nature Neuroscience“.
Ähnliches bis Gleichlautendes fand sich, stellvertretend, auch hier:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/18/0,3672,8060050,00.html
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,686101,00.html
… und viele mehr. Auch, was unter Junkfood eigentlich so genau zu verstehen ist, wird aufgeklärt:
Wissenschaftler sagen auch, dass Junk Food, also Chips, Hamburger, Würstchen oder Kuchen, also alles, was viel Salz, Zucker oder Fett enthält, süchtig macht.
Einiges wird bei dieser Meldung allerdings auch unter den Esstisch fallen gelassen. Zum Beispiel, dass Fett und Zucker (sprich: Kohlenhydrate) zu den Hauptbestandteilen der Ernährung gehören. Zusammen mit Eiweiß machen sie den Großteil unserer Ernährung aus und sind schlicht unverzichtbar. Zu sagen, man sei süchtig nach Fett, Kohlenhydraten und Eiweiß ist also nichts anderes als zu sagen, man möchte nicht gerne verhungern. Auch wird in den meisten Meldungen verschwiegen (außer im Kölner Stadtanzeiger, der an dieser Stelle endlich einmal zu loben ist), dass die Experimente mit Ratten, um die es geht, sich nicht auf den Menschen übertragen lassen.
Aber keine Sorge, davon dass Pommes oder Käsekuchen per se süchtig machen, kann keine Rede sein. Es geht um einen Versuch mit Ratten, die aber ohnehin dazu neigen, mit dem Fressen nicht mehr aufzuhören. Erst recht, wenn es ihnen gut schmeckt. Forscher vom Scripps Research Institute im US-Bundesstaat Florida haben eine Gruppe von männlichen Nagern regelrecht gemästet.
Der journalistische Reflex, „fast food“ generell als „ungesund“ darzustellen und damit auf eine breite Zustimmungsbasis beim Lesepublikum zu treffen, ist dennoch fahrlässig, weil schon seit Jahrjahrzehnten widerlegt. So hat ein normales „BigMäc“-Menü nicht mehr Kalorien als ein gutbürgerliches Mittagessen und hält sich auch im durchschnittlichen täglichen Kalorienbedarf mit jenem die Waage. Darauf hat schon vor 10 Jahren Walter Krämers „Lexikon der populären Irrtümer“ hingewiesen. Unter dieser Adresse kann sich jeder die Kalorienzahl gängiger Fastfood-Menüs selbst ausrechnen und zum eigenen Verbrauch in Beziehung setzen. Umgekehrt ist es auch im Journalismus opinio communis, welcher Typ von Ernährung der richtige, „gesunde“ sei. Dass hierbei stets Askese-Überlegungen mitschwingen, die eher christlichen als ökotrophologischen Ursprungs sind, ist kaum von der Hand zu weisen, wenn man etwa einmal Udo Pollmers Buch „Krank durch gesunde Ernährung“ konsultiert. Doch das würde ja alles Recherche bedeuten, und die ist bei Journalisten verhasst wie nichts sonst. Alles in allem also eine ziemlich fette Fehlinformation. Prost Mahlzeit!