Dass das Internet vor allem zur Demokratisierung der Medienlandschaft beigetragen habe, ist eine der nicht totzukriegenden Mythen des Medienzeitalters. So ist in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zu lesen:
Internet und Mobiltelefonie werden von Entwicklungspolitikern und Hilfsorganisationen mittlerweile als Aspekt der Grundbedürfnisse definiert, da diese Demokratie förderten .
In Wahrheit ist die Kluft zwischen Demokratie und medialer Wirklichkeit kaum größer zu denken.Und die genannte Online-Enzyklopädie Wikipedia ist dafür selbst das beste Beispiel. So ist am selben Orte unter dem Lemma Demokratisierung zu lesen:
Wissen ist im 21. Jahrhundert fast jedem in westlichen Kulturkreisen sehr schnell zugänglich und muss nicht mehr mühsam aus Bibliotheken zusammengesucht werden, deren Zugang auch nicht immer gegeben ist. Dank dem Internet, Web 2.0-Angeboten wie Wikipedia kann sich jeder Wissen aneignen.
Mal völlig davon abgesehen, dass mir überhaupt nicht einleuchtet, was am Besuch einer Bibliothek „mühsam“ sein soll: Wikipedia ausgerechnet scheint nicht gerade ein Hort fröhlicher Selbstbestimmung zu sein. Das zeigt das Exempel, dass Telepolis dieser Tage publik gemacht hat. Die Spitzenkandidatin der Partei Die Linke bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, Bärbel Beuermann, darf bei Wikipedia nicht vorkommen:
Die effizienteste Manipulation von Medien ist das Verschweigen, was zu selektiver Wahrnehmung führt. Gerade im politischen Bereich zeichnen sich Medien für ihr Fingerspitzengefühl aus, wenn sie mediale Chancengleichheit mit journalistischer Distanz wahren. Ausgerechnet das der Form nach in demokratischen Strukturen organisierte Mitmach-Lexikon Wikipedia versagte hier nicht nur selbst, sondern hinderte sogar Dritte an der Anlage eines Artikels über eine Spitzenpolitikerin einer Partei, die bei der letzten Bundestagswahl in NRW über 8% der Wählerstimmen erhielt und gute Aussichten auf Einzug in den Landtag hat – vielleicht sogar auf eine Regierungsbeteiligung.
Ausschlußkriterium sind laut Wikipedia angebliche Relevanz-Gesichtspunkte, an denen schon viele andere Einträge der laut Selbstbekundung zur Demokratisierung beitragenden Online-Enzyklopädie. Doch steht nicht die Relevanz einer Politikerin, sondern die einer Online-Enzyklopädie in Frage, wenn die Spitzenkandidatin bei einer Wahl im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland nicht der Erwähnung würdig erscheint — ganz unabhängig übrigens davon, was man von ihr oder ihrer Partei halten mag. Darf man hier von Zensur sprechen? Man muss! Lesen wir in Wikipedia nach, was Zensur bedeutet:
ein politisches Verfahren, um Inhalte zu kontrollieren
Es gibt nur eine echte Form von Demokratie, nämlich die direkte Demokratie: Leute treffen sich und stimmen sich ab. Alles andere ist Schwindel.
TP: Muss Bärbel Beuermann nackt einen Molotowcocktail auf die Düsseldorfer Staatskanzlei werfen?