Archive for Mai, 2010

Lena Meyer-Landrut: Erste Todesopfer


31 Mai

Statistik1 Der Grandpix-Sieg der 19-jährigen Abiturientin Lena Meyer-Landrut hat erste Todesopfer gefordert. So etwa vermeldet der Kölner Stadtanzeiger:

14,69 Millionen Fernsehzuschauer in Deutschland schauten sich am Samstagabend den Sieg der 19-Jährigen beim Eurovision Song Contest in Oslo live im Fernsehen an, wie die ARD am Sonntag mitteilte. Dies entsprach einem Marktanteil von 49,1 Prozent

14 Millionen Zuschauer sind also praktisch die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Das bedeutet nach Adam Riese, dass in Deutschland summa summarum knappe 30 Mio. Menschen leben. Kolportiert wurden uns aber doch stets über 80 Mio. Einwohner? Wo sind die anderen 50 Millionen hin? Herzinfarkt vor dem Fernsehgerät? Totgesungen? Ins Grab gegrölt? Oder von den Medienredakteuren des Kölner Stadtanzeigers hingemeuchelt?

Oder soll den Medienzahlen des Stadtanzeigers eine andere Berechnungsgrundlage zugrunde liegen? Welche könnte das sein? Die Zahl der Haushalte in Deutschland kann es nicht sein, denn die beträgt 39,6 Millionen —  also weit mehr als die knapp 30 Millionen, die von der Quotenstatistik genannt werden. Die Zahl der Fernsehgeräte kann es auch nicht sein, die liegt laut statistischem Bundesamt bei rund 55 Millionen Geräten. Wahrscheinlich ist es vielmehr so, wie auch der EPD Mediendienst heute in einer Glosse mutmaßt, dass bei Fernsehquoten den Medienjournalisten alle mathematischen Sicherungen durchbrennen und sie zu „Quotenidioten“ werden:

Immer mehr gleichen sich die täglichen Quotenmeldungen der Sportberichterstattung an. Dass gleich mehrere Filme an einem Tag „Tagessieger“ werden oder gar „Gold“ holen können, liegt daran, dass es auch bei den Marktanteilen unterschiedliche Disziplinen gibt: Die Aufführung der „Fantastic Four – Rise of the Silver Surfer“ hatte am Sonntagabend die meisten Zuschauer in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Der „Tatort“ wiederum war beim Gesamtpublikum ab drei Jahren am erfolgreichsten.

Die Quotenberichte sind die Meldungen von der täglichen Medienfront. Sie künden davon, wer am Vorabend die Schlacht um das Publikum gewonnen hat. Und die Quotenberichterstatter in den Onlinemedien überbieten sich in der Blumigkeit der Metaphern, wenn es gilt, einen Erfolg oder Misserfolg zu beschreiben. So sind erfolgreiche Sendungen mindestens „ein großer Hit“, oder sie „räumen so richtig ab“. War die Quote dagegen schlecht, war der Film ein „Reinfall“.

Zahlen suggerieren Objektivität. Auch deswegen sürzen sich Journalisten so gern auf sie. Doch ihre Einschätzung ist wie immer eine Frage der Perspektive: Ein Marktanteil von zehn Prozent kann für den einen Quotenmelder enttäuschend sein, während der andere von „sagenhaften 9,8 Prozent“ schreibt.

Auch andere Sicherungen sind nach dem Schlager-Sieg nicht mehr sicher, zum Beispiel sprachliche. Jedenfalls beim Kölner Stadtanzeiger, der schreibt:

EWelcher Ort ist der geeignetste für die größte TV-Unterhaltungsshow der Welt?

Und welcher Ort ist der am meisten geeignetste für katastrophale Sprachpannen? Da ist sicherlich der Kölner Stadtanzeiger am meisten geeignetst.

Lena beschert der ARD eine Rekord-Quote – Kölner Stadt-Anzeiger

Lena: Fräuleinwunder oder Medienkreatur?


31 Mai

noten  Ja, ich weiß: Dann ist man wieder der Miesmacher! Aber dennoch muss die Bemerkung erlaubt sein, dass die taumelnde Erregungswelle, die das Land und seine Medien ob eines Sieges der 19-jährigen Lena Meyer-Landrut bei einem Schlagerfestival erfasst hat, nicht anders denn mit seinem nach wie vor tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex erklärt werden kann: Das Ausland hat uns doch lieb, Germany twelve points!  Nur gut, dass die Abiturientin bzw. ihre Produzenten den für Ausländer nahezu unaussprechlichen Nachnamen fortgelassen haben. Landshut, Landshut? War das nicht dieses von Terroristen entführte Flugzeug? Auch diese Schmach wurde mithilfe eines Satelliten ausgemerzt.

Dass die gute Lena zwar für einiges gut ist, nicht aber unbedingt fürs Singen, so etwas geht im eurovisionären Tsunami natürlich schon mal unter. Aber Miesmacher gibt es ja immer:

Ihr authentischer Gesang wird im Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest allerdings kritisiert: „In ‚Satellite‘ und bei den meisten Songs, die sie bei Raab gesungen hat, setzt sie ihre Singstimme nicht wirklich ein. Es ist eine Art Sprechgesang“, äußerte Jane Comerford kürzlich in einem „Spiegel“-Interview. Die bekannte Gesangslehrerin und Frontfrau der Band Texas Lightning hat selbst schon Erfahrungen auf dem internationalen Parkett des ESC gemacht.

Und auch, ob Lena wirklich das bescheidene nette Mädchen ist, als das sie selbst sich in den Medien inszenieren lässt, darf in der allgemeinen nationalen Euphorie nicht gefragt werden, wiewohl die Hannoveranerin genug Anlass dazu gegeben hat, sich zu überlegen, ob sie nicht einfach nur rattenscharf auf Medienpräsenz war und ihren Exhibitionismus im Zweifel nicht nur mittels öffentlichem Sprechgesang befriedigt:

Erotische Spielchen im Wasser: Die Bilder der RTL-Fiktions-Doku „Helfen Sie mir!“ zeigen Lena Meyer-Landrut (18), wie Gott sie schuf. Doch was steckt hinter Lenas Nackt-Auftritt?

Ja, was steckt wohl dahinter? Womöglich ein Mädchen, dass so geil aufs Fernsehen ist, dass sie auch blank zieht? Natürlich nicht. Die F.A.Z. hat vorgemacht, wie die Nation diese anderen Umstände zu bewerten hat:

Es muss ein Skandal her, es braucht Sex and Crime, es muss auch die letzte jugendliche Lichtgestalt in den Dreck gezogen und mit bigotten Kommentaren überzogen werden.

In der Mediengesellschaft werden die zu „Lichtgestalten“, die im Scheinwerferkegel stehen. Die im Schatten sieht man nicht.

Nach Oslo ist vor Köln? – Kölner Stadt-Anzeiger

Der Bundespräsident und die Militarisierung der Verkehrspolitik


28 Mai

Manche wünschen sich ja, Bundespräsident Köhler möge sich häufiger zu Wort melden. Andere wiederum wünschen sich, dass er öfter einmal schweigen würde. Vor allem jetzt gerade, wo er in der Öffentlichkeit mal wieder durch Äußerungen aufgefallen ist, die Wohlwollende als unbedacht, Kritiker aber als von entwaffender Ehrlichkeit bezeichnen. Der deutsche Präsident äußerte nämlich,

dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege …

Wie ist in diesem Zusammenhang zu verstehen, dass Köhler sich ebenfalls dieser Tage beim Weltverkehrsforum in Leipzig zu Wort meldete und wie folgt äußerte:

Für Bundespräsident Host Köhler sind dies Beispiele für eine verfehlte Verkehrspolitik. Er fordert eine Neuausrichtung: Angesichts der rasant wachsenden Verkehrsströme rund um den Globus müsse es …

… auch militärische Einsätze im Inland geben? Eine Militarisierung des Bundesverkehrswegeplans? Mit Starfightern gegen Billigflieger? Herr Präsident, äußern Sie sich! Sprechen Sie Klartext! Wir folgen Ihnen!

Köhler fordert neue Verkehrspolitik – mz-web.de

Google stoppt Streetview-Autos


27 Mai

Das Abfotografieren kompletter urbaner Landschaften, das der US-amerikanische Internet-Konzern Google euphemistisch „Streetview“ nennt, ist vorerst gestoppt. Als Grund gibt Google die „versehentlich“ über WLan-Netze aufgezeichneten Daten an. Zuvor hatte die deutsche Verbraucherministerin Ilse Aigner verkündet, dass der Dienst Streetview in Deutschland wegen der vielen Proteste und Klagen wohl nicht vor 2011 online gehen kann. Der Branchendienst Meedia weiß noch mehr:

Der Widerstand gegen Google Streetview aus den Reihen der Politik war schon vor der peinlichen Daten-Panne enorm und hat nun nochmals zugenommen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte Google eine Frist gesetzt, in der er eine Äußerung zu den Daten-Speicherungen erwartet. Google-Sprecher Kay Oberbeck sagte den Stuttgarter Nachrichten, die Stilllegung der Streetview-Autos sei keine Reaktion auf das Ultimatum des bayerischen Innenministers. Der Streetview-Stopp erfolge weltweit, weil Google die Daten-Panne untersuchen und das Vertrauen der Nutzer zurückgewinnen wolle. Laut Google-Sprecher Oberbeck wurde der Streetview-Stopp bereits vor zwölf Tagen im Google-Blog kommuniziert.

Liest man in dem genannten Blog der Fa. Google nach, erfährt man, Google habe die aufgezeichneten Daten in keinem Google-Produkt verwendet („we never used that data in any Google products“). Das ist allerdings eine sehr weiche Formulierung: Schon zuvor bemängelten ja deutsche Datenschützer, es handle sich bei Streetview um eine Vorratsdatenspeicherung, deren zukünftige Zwecke noch gar nicht bekannt seien und die womöglich einst ökonomisch für Google höchst bedeutsam sein könnten.

Meedia: Google stoppt Streetview weltweit

Erster Mensch mit Computervirus infiziert


27 Mai

Dass der Mensch auf den Wurm gekommen ist, beispielsweise auf den Bücherwurm, wurde andernorts schon ausführlich beschrieben. Nun aber ist der Wissenschaft ein neuer Coup gelungen. Computerviren sind nicht länger auf Computer beschränkt: Der erste Mensch, ausgerechnet ein Forscher der Universität von „Reading“, hat sich mit einem solchen Erreger infiziert:

In Großbritannien, an der Universität von Reading, hat sich Dr.Mark Gasson den Titel als „erster Mensch, der mit einem Computer-Virus infiziert ist“ verschafft. Dazu hat sich Gasson einen überarbeiteten RFID-Chip in die Hand implantiert, wie er sonst zur Identifizierung von Tieren verwendet wird. Im Code des Chips hatte er einen Virus eingebaut. Das RFID-Implantat des Forschers aus der Cybernetic Intelligence Research Group war mit Lesegeräten verbunden, die an Zugängen an Universitätsräumen installiert bzw. in seinem Mobil-Telehon eingebaut sind. Zudem war es – wie bei den mit RFID-Tags bestückten Tieren – möglich, ihn anhand des Implantats zu identifizieren, zu orten und seine Wege zu verfolgen. 

Dem Wissenschaftler gelang es auch, den Virus weiterzugeben und RFID-Lesegeräte zu infizieren:

Der infizierte Chip steckte das Hauptsystem an, das mit ihm kommunizierte. Wären noch andere Geräte mit dem System verbunden, hätte sich der Virus auch dorthin übertragen.

Der menschliche Computervirus ist also auch ansteckend.

Telepolis mnews: Erster Mensch mit Computervirus infiziert

Literarischer Frühjahrsputz?


26 Mai

Die besondere Qualität des Qualitätsjournalismus besteht auch darin, in aller Öffentlichkeit Fragen zu stellen, die eigentlich überhaupt niemand sich stellt. In dieser Kunst hat es die Wochenzeitung Die Zeit besonders weit gebracht. In dieser Woche stellt sie sich und uns allen Ernstes folgende Frage:

Gibt es Klassiker, die sich überholt haben? Ist Weltliteratur völlig unabhängig von Moden, Zeiten und Geschmack? Junge deutsche Autoren prüfen den Literaturkanon.

Ein Schelm, wer ernsthaft Solches behaupten wollte. Aber das ficht Die Zeit nicht an. Und die bemühten Antwortgeber auch nicht. Wiewohl: Wie sollte es anders als mühselig sein, Fragen zu beantworten, die sich nicht stellen. Da findet jemand Die Rättin von Günter Grass nicht gut? Wie billig! Da schreibt jemand:

Kein gutes Gedicht hinterließ Erich Fried . Es ist, was es ist – um des lieben Frühlings willen, raus damit aus dem Regal.

Gute Güte! Das ist kernige Literaturkritik! Und Jung-Autor Clemens Setz aus Österreich urteilt über Ingeborg Bachmann:

So viele Leute, nein, im Grunde fast alle, die ich kenne, lieben und verehren Ingeborg Bachmanns Malina . Ich nicht. Die Leute lesen es und loben hinterher jedes Mal dasselbe: die wunderbare Art, mit der dargestellt wird, wie das weibliche Ich (denn das ist die Hauptfigur in diesem Buch und nicht mehr, keine dreidimensionale Figur) an der männlich dominierten Welt zugrunde geht. Und ich verstehe sogar, warum sich so viele Leute darüber freuen – und freue mich leider nie mit. Denn dieser Roman ist in seiner ungenauen, mal rezitativartigen, mal pathetisch überhöhten Hilflosigkeitsprosa für mich wirklich kaum zu ertragen.

Auf Fragen, die sich nicht stellen, erhält man eben auch Antworten, die auf nichts antworten. Denn mal im Ernst: Niemand liebt Malina. Niemand lobt das Buch und vor allem: niemand liest es. Bachmanns Roman ist genau so, wie der Jungautor es beschreibt, und im Grunde würde vermutlich selbst die Autorin, würde Ingeborg Bachmann selbst der Beschreibung zustimmen.

Und womit haben wir eigentlich eine Suada von solch erlesener Ausgewogenheit, literarischer Kennerschaft und Feinsinnigkeit verdient, wie sie uns die 1982 geborene Autorin Nora Bossong auftischt:

Ach, Herr Brecht, zweieinhalbtausend Gedichte sind zu viel. Gedichte sollten nicht zur Massenware werden, das gilt auch für die Marxisten unter ihnen. Sie waren immer aktuell, so aktuell, dass ich die Zeitlosigkeit dazwischen gar nicht finde. Die Subtilität, nebenbei bemerkt, auch nicht. Lehrer lieben Sie. Und Schüler haben Sie zu lieben, gefälligst! Lieber Herr Brecht, Sie sind überall, und Sie sind überall berühmt. Hätte Sie eine solche Monokultur, von außen betrachtet, nicht auch skeptisch gemacht? Sie wussten alles, und Sie wussten alles besser, und Sie wussten es, noch ehe das erste Wort auf dem Papier stand. Eine Aussage, die vor den Worten feststeht und ihnen nur aufgedrängt wird, halte ich für eine dubiose Federführung, bei der die Worte lediglich als Kanonenfutter herhalten.

Brecht hätte sehr wohl darauf zu antworten gewusst, und nicht nur er hätte die Antwort auf diesen literarischen Schulmädchenreport im voraus gekannt. Aber wie die meisten Klassiker kann auch Herr Brecht sich leider nicht mehr wehren: Das macht die Klassikerkritik der Nachgeborenen (oh pardon, ein Brechtismus!) so schal und peinlich. Ach nein, da lese ich doch lieber die Klassiker.

Literatur – Rezensionen, Debatten und Porträts | ZEIT ONLINE

Todesurteil für den Tatort


26 Mai

Tatort001  Bei aller Kritik: Man muss ja auch mal loben. Zum Beispiel dieses Kleinod von Medienjournalismus, das völlig unerwartet in der Fernsehprogrammbeilage Prisma zu finden war. Darin macht sich der Autor mit dem Kürzel „dh“ Gedanken über den Niedergang der ARD-Krimireihe „Tatort“.

Denn was sehen wir? Kleinkrimis mit der einlullenden Wohligkeit eines Absackers! Das Wochenende geht, der Tatort trägt die rote Laterne der Müdigkeit. Man sieht vertraute Gesichter bei bedeutungsvoll unsinnigen Handlungen und der Andeutung eines Scherzes, dann und wann.

Verblüffung ruft auch hervor, dass die ARD-Programmmacher es unerklärlicherweise immer noch schaffen, die erste Riege bundesdeutscher Schauspieler für die Sendereihe zu verpflichten. Denn die Untersuchungen der Fernsehmorde führen, wie ebenfalls der Prisma-Rezensent sehr richtig vermerkt, zum Tod jeder Schauspielkunst:

Eva Mattes ist eine der besten deutschen Schauspielerinnen, aber als Bodensee-Kommissarin muss sie jene Fernsehregel beherzigen, die der gute Horst Tappert für seinen Derrick vorgab: nur nicht schauspielern!

Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm schafft das; sie kann nicht anders. Aber um die Matthes ist es schade.

Warum es diese Krimireihe im Deutschen Fernsehen überhaupt noch gibt, erklärt sich vermutlich nur mit einer der ältesten Krimiregeln, nämlich dass die Täter regelmäßig zum Tatort zurückkehren.

prisma.de: Mitten im Schwarm

Googles Pacman-Spiel kostet Firmen Geld


25 Mai

Googlepacman  Zu besonderen, vor allem Computer-affinen Gedenktagen erscheint das Logo des Internet-Suchdiensts Google als sogenanntes „Doodle“. Der Schriftzug erscheint dann in einer grafisch geänderten Version und ist „clickable“: Auf der folgenden Seite erscheinen dann Suchergebnisse zu dem erinnerten Ereignis. In der letzten Woche aber war alles anders, wie der Branchendienst Meedia zu berichten weiß:

Am vergangenen Freitag ersetzte Google sein Logo 48 Stunden lang mit einem Pacman-Spiel. Damit wollte der Internet-Konzern den 30. Geburtstag des Videospiel-Klassikers würdigen. Der Clou: Das Pacman-Logo war nach einem Klick auf „Insert Coin“ komplett spielbar. Das hatte Folgen.

Die Folgen dieser lustigen Idee waren nämlich wirtschaftlicher Art. Wie der US-Blog Rescue Time errechnet hat, wurden durch das Pacman-Logo-Spiel insgesamt 4,82 Mio. Stunden an Zeit vernichtet.

Basis der Berechnung ist die durchschnittliche Verweildauer von Google-Nutzern bei der Suchmaschine. Normalerweise würden Nutzer durchschnittlich viereinhalb Minuten pro Tag bei der Suchmaschine verbringen. Am Tag des Pacman-Logos stieg die durchschnittliche Verweildauer um 36 Sekunden. Klingt nach wenig, aber bei der Masse der Google-Nutzer summiert sich das auf 4,82 Mio. Stunden. Bei einem angenommenen durchschnittlichen Stundensatz von 25 Dollar würde der finanzielle Schaden des Pacman-Logos 120,5 Mio. US-Dollar betragen.

Das klingt schon viel. Umgerechnet in die Größenordnungen des Googleversums bewegen wir uns aber in noch ganz anderen Dimensionen:

Die Leute von Rescue Time haben dann gleich noch ausgerechnet, dass man mit dieser Summe alle 19.835 Google-Mitarbeiter (inklusive Larry Page und Sergey Brin) für sechs Wochen komplett beschäftigen könnte. Noch teurer wäre das Pacman-Logo gekommen, wenn man den Durchschnittslohn von Google-Mitarbeitern als Basis nimmt. Dann hätte das Pacman-Logo 298,8 Mio. US-Dollar an Kapital vernichtet

Und das ist noch nicht alles. Wie die österreichische Zeitung Der Standard zu berichten weiß, hat das Google-Pacman-Spiel zeitweise auch den Internetbrowser Mozilla lahm gelegt.

Doch womit man dabei offenbar nicht gerechnet hatte, waren die durch diesen „Google Doodle“ entstehenden Nebeneffekte: Denn viele NutzerInnen der Suchmaschine konnten mit dieser Idee so gar nichts anfangen, und wunderten sich woher denn plötzlich die bislang unbekannten Geräusche aus ihrem Computer kamen. Verschlimmert wurde die Lage noch dadurch, dass diese Töne anfangs auch ausgegeben wurden, wenn die Google-Seite nur im Hintergrund geöffnet war oder durch einen iFrame in einer Erweiterung eingebunden wurde. Was folgte waren recht reale Probleme für die Browser-Hersteller, so wurde Mozilla geradezu mit Anfragen überhäuft. Das Ganze nahm solche Ausmaße an, dass die Firefox-Support-Seite teilweise kaum mehr zu erreichen war. Zwar reagierte man auf die Beschwerden schnell mit einem aufklärenden Artikel, dieser benötigte wegen der Server-Belastung aber mehr als eine Stunde bis er auf der Seite tatsächlich auftauchte.

In der Sprache der Computer-Hacker ist das eine Denial-of-Service-Attacke gewesen, die mittlerweile wieder behoben wurde: „Surviving Pacman“ ist im Netz bereits zum geflügelten Wort geworden.

Wer den wirtschaftlichen Schaden selbst noch ein bisschen vergrößern möchte: Google hat dem Spiel an diesem Ort eine dauerhafte Heimat im Netz gegeben.

Meedia: Was Googles Pacman-Spiel Firmen kostete

Kalter Kaffee beim Kölner Stadt-Anzeiger


25 Mai

Espressomaschine Dass von Journalisten man nichts geschenkt bekommt, außer man vergilt es ihnen durch eine Gegenleistung, ist eine so altbekannte Regel, dass es nicht anders sein kann, als dass sie auch für den Kölner Stadtanzeiger gelte. Der nämlich lässt durch seine Reporterin Susanne Hengesbach Kaffee an unschuldige Passanten verteilen, nur um an eine Story zu kommen:

Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zum Kaffee einlädt?

Ja, was erzählen sie denn? Und vor allem: Was trinken sie denn? Die Einladung zu einem Kaffee, gerade in deutschen Großstädten, birgt so viele Fallstricke gerade auch sprachlicher Art, dass es an ein Wunder grenzte, wenn nicht ausgerechnet der Kölner Stadtanzeiger auch hinein tappen würde. Und siehe da:

Nachdem er seine Latte Macchiato bestellt hat, erzählt er mir, dass er momentan mit der Planung eines Studios beschäftigt ist.

Darauf sollte man doch als Reporterin gefasst sein: Die Leute lassen sich eben nicht mehr Filterkaffee in Kännchen servieren, sondern diesen ganzen neumodischen Kram — con letsche, Café Olé oder eben auch die berüchtigte Latte. So viel Recherche sollte darum einer Reporterin zuzutrauen sein, dass es korrekterweise „der Latte“ zu heißen habe. Denn dass im Italienischen die Milch („latte“) männlich konju- oder dekliniert wird, wäre, wenn es noch eines Beweises bedürfte, auch aus dem Adjektiv „macchiato“ mit seinem End-„o“ zu schließen, müsste eine weibliche Latte doch“macchiata“ sein, was auch Stadtanzeiger-Redakteurinnen mit rudimentären Latein-Kenntnissen sich zusammenreimen könnten, sofern das Erlernen kultivierter Sprachen noch zum Portfolio von Stadtanzeiger-Redakteuren gehörte. Sollte es sich, wie man allfällig mutmaßen könnte, um eine der berühmten Freud’schen Fehlleistungen handeln, die Leute bei der italienischen Kaffee-Spezialität an nichts als eine gute deutsche „Latte“ denken lässt, ist der Lapsus nicht kleiner, denn gerade diese, die Latte, sollte doch eigentlich männlichen Geschlechts sein, was ganz nebenbei die feministische Linguistik in große Schwulitäten bringt. Aber lassen wir fürderhin diese Quisquilien und beschäftigen wir uns weiter mit dem genannten Artikel im Kölner Stadtanzeiger. Was darin steht, hat ein eifriger Kommentator im Internet-Angebot des Kölner Stadtanzeigers sehr schön auf den Punkt gebracht und bedarf keiner Ergänzung:

24.05.2010 | 22.10 Uhr | RainerHohn
Das liest sich so flüssig und spannend wie der Aufsatz einer Fünftklässlerin zum Thema: „Was ich in den Sommerferien erlebt habe“.

Großvater Schulz lebt jetzt zufrieden – Kölner Stadt-Anzeiger

Abschalten mal anders


20 Mai

Von wegen: alle wollen immer unbedingt ins Fernsehen. Dem Drang auf die Mattscheibe haben die Protestler in Griechenland jetzt eine klare Absage erteilt. Es haben nämlich, wie n-tv berichtet,

zur Abwendung des Staatsbankrotts landesweite Streiks der Ärzte und der Journalisten begonnen. In Krankenhäusern wurden alle Sprechstunden abgesagt. Nur dringende Fälle wurden behandelt. Seit 5.00 Uhr gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr.

Und es kommt sogar noch besser:

Als Folge des Streiks wird es am Freitag keine Zeitungen geben. Auch die nationale Nachrichtenagentur ANA wird für 24 Stunden bestreikt.

Dass auf diese Weise von den Streiks und Protesten niemand erfahren kann, haben die Demonstranten vielleicht nicht ausreichend bedacht. Oder wollen sie einfach das Elend nicht mehr sehen, dass sich ihnen täglich via TV darstellt? Auch in Bangkok richtet sich der Protest nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen das Fernsehen. Warum wohl? Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet:

Sie steckten gegen 20 Gebäude in Brand, darunter (…) den Sitz eines Fernsehsenders, in dem rund 100 Menschen eingeschlossen wurden. Sie mussten laut örtlichen Medien von Helikoptern gerettet werden.

War es kritische Solidarität oder schlicht Schadenfreude, dass "örtliche Medien” den Vorfall aufgegriffen haben? Und vor allem: Waren auch Deutsche unter den Opfern?

Keine Nachrichten und Zeitung: Streik lähmt Griechenland – n-tv.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter