Archive for August, 2010

Kleine montägliche Presseschau: Ererbte Dummheit und ihre Vorbilder


30 Aug

Dass Theo „Gottmitihm“ Sarrazin, dessen Nachname sich so auffällig auf „Muezzin“ reimt und schon deswegen die ein oder andere narzisstische Störung vermuten lässt, mit seiner pathetischen Haltung des „es muss doch endlich mal jemand sagen“ nur die alte Theorie von der repressiven Toleranz bestätigt, lässt doch andererseits nicht darüber hinwegsehen, dass der Mann mit einer These doch recht hat: Seine Theorie von der Erblichkeit von Intelligenz und Dummheit, von ihm selbst in die Worte gekleidet …

„Wir werden auf natürlichem Wege durchschnittlich dümmer“

… bestätigt er doch selbst auf eindrucksvolle Art und Weise. Viel Gutes jedenfalls scheint dem kleinen Theo nicht in die Wiege gelegt worden sein.

Ähnliches muss auch für die Autoren des Spiegel gelten, die in der heutigen Ausgabe sich der „Sexaffäre des Bayern-Profis Franck Ribéry“ annehmen durften und ihr Elaborat überschreiben mit:

Der Sexskandal von Franck Ribéry (…) zeigt, dass es immer noch Fußballer gibt, die sich ihrer Vorbildfunktion nicht bewusst sind.

Leute, die mit dem Ferrari zur Arbeit fahren, um den Rest des Werktages in kurzen Hosen zu verbringen, sollen Vorbilder sein? Mutmaßlich für „unsere Jugend“? Vielleicht mag das für die Sprösslinge von Hamburger Magazinjournalisten gelten, sicherlich aber nicht für Otto Normalfußballfan. Für den sind Profifußballer bei aller Bewunderung doch immer noch zu viel verdienende Millionarios und Söldner, die ihren Job mehr recht als schlecht tun und schon beim Interview am Spielfeldrand ihre begrenzten intellektuellen Fähigkeiten unter Beweis … ach, siehe oben.

Fakten zu Sarrazins Thesen: Die Mär von der vererbten Dummheit – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wissenschaft

Immer aktuell: der Kölner Stadtanzeiger


26 Aug

Auch wenn man regionalen Tageszeitungen kritisch gegenüber steht, muss man doch ehrlichkeitshalber feststellen, dass sie auch über entlegene Lebensbereiche immer höchst aktuell berichten. Zum Beispiel der Kölner Stadtanzeiger, und das abseitige Lebensthema heißt Fernsehprogramm. Da ist in der heutigen Ausgabe zu lesen:

TV AKTUELL
Markus Lanz
23 Uhr, ZDF
Gäste:
Peter Zwegat, Deutschlands bekanntester Schuldnerberater. Nina Hagen, Sängerin, Schauspielerin und Songwriterin. Jürgen Kuhl, „Der Dollarfälscher“.

Toll. Das ist eine wichtige Information. Nur aktuell ist sie leider nicht. War nämlich gestern. Heute ist bei „Lanz“ zu sehen:

* Andreas Laun, Weihbischof in Salzburg, der es für nicht abwegig
      hielte, wenn es Gott war, der die Loveparade gestraft hätte, weil
      sie „objektiv Sünde und eine Einladung zur Sünde“ sei.
* Desiree Nick, Kabarettistin, die früher mal Religion gelehrt hat
* Katharina Saalfrank, bekannt als rtl-„Supernanny“, eine Pfarrerstochter, die sich in Ihrem Elternhaus wohl gefühlt hat
* Ulli Schauen, Autor des Kirchenhasser-Breviers.

Naja, kann ja mal vorkommen.

Schlagzeilen – Nachrichten – Kölner Stadt-Anzeiger

Schwarzgelb gegen Königsblau: BvB-Fans lassen Schalke pixeln


25 Aug

BVBkissenklein  Beschweren ist das eine, kreativ nutzen ist das andere: Fans von Borussia Dortmund wollen den geplanten neuen Dienst Google Streetview nutzen, um ihrem Erzrivalen eins auszuwischen. Sie haben bei der Internetfirma beantragt, die Arena auf Schalke pixlen zu lassen. Google hatte allen Gegnern ihres neuen Dienstes acht Wochen Gelegenheit eingeräumt, um das eigene Haus von der öffentlichen Beobachtung durch die internetgemeinde ausnehmen zu lassen. Doch offenbar funktioniert das nicht nur mit dem eigenen Haus, wie der Internetdienst Meedia zu berichten weiß:

Google schreibt auf seiner Seite zur Antragstellung zwar eindeutig: „Dieser Dienst steht ausschließlich Personen zur Verfügung, die Eigentümer eines Gebäudes/Grundstückes in Deutschland sind oder dieses bewohnen und es vor der Veröffentlichung von Street View unkenntlich machen möchten.“ Und weiter erklärt der Suchmaschinen-Gigant: „Da wir einem Missbrauch dieses Dienstes vorbeugen müssen, ist eine Verifizierung Ihrer Angaben erforderlich. Dazu schickt Google Ihnen einen Verifizierungscode an die angegebene Postanschrift sowie eine E-Mail mit einem zur Verifizierung benötigten Link. Über diesen Link können Sie den Vorgang abschließen.“

Das Problem ist jedoch: Die Postanschrift an die der Brief mit dem Freischaltcode geschickt wird, muss nicht der, des zur Unkenntlichmachung beantragten Gebäudes entsprechen. So ist es möglich sich die Verifizierungspost an eine beliebige Adresse schicken zu lassen.

Das lässt natürlich ganz neue Einsatzmöglichkeiten von Googles Spionagedienst erahnen! Endlich sind der bösen Energie keine Grenzen mehr gesetzt und der Nachbarschaftsstreit kann sich vom Maschendrahtzaun ins Internet verlagern. Da sage noch einer, die Neuen Medien hätten nicht auch positive Seiten!

schwatzgelb.de | Nachricht von „Google maps – Street View“

Markwort verhinderte Artikel über Ribéry-Skandal


24 Aug

Dass er in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem als Journalistenschauspieler erscheint, hat Helmut Markwort sich selbst zuzuschreiben: Als Darsteller seiner selbst in einer fingierten Redaktionskonferenz des unnötigsten Wochenmagazins aller Zeiten, Focus, mit seinem grenzdebilen „Fakten, Fakten, Fakten“ lieferte er Munition jetzt schon für mehrere Generationen von Kabarettisten und Comedians. Dass der Focus mit wahrhaftigem Journalismus irgendetwas zu tun hat, kann nur der behaupten, der Journalismus allgemein für eine durch und durch verlotterte Veranstaltung hält, und wird auch hierin neuerdings von Marktwort munitioniert:

Der scheidende Focus-Chefredakteur Helmut Markwort hat einen Artikel über Sex-Skandal um Franck Ribéry verhindert. Das berichtete das Hamburger Abendblatt am Freitag unter Berufung auf Angaben von Redaktionsmitgliedern. Einem Bericht von Sueddeutsche.de zufolge hat der Burda-Verlag dies inzwischen bestätigt.

Pikant daran ist, dass Markwort auch im Aufsichtsrat des FC Bayern München sitzt, also dem Arbeitgeber von Ribéry.

Meedia: Bestätigt: Markwort verhinderte Artikel über Ribéry-Skandal

Kölner Stadt-Anzeiger erfindet den Jahrgangsroman


24 Aug

Dass gute Literatur etwas für die Feinschmecker unter den Lesern ist, hat sich in kulinarischen Kreisen ja herumgesprochen. Der Kölner Stadtanzeiger — eines der wenigen Qualitätsblätter, deren Qualität darin besteht, sich kein eigenes Feuilleton zu leisten und die Kulturberichterstattung auf die hinteren Seiten des Sportteils zu verbannen — hat nun den Jahrgangsroman erfunden. Anlässlich Philipp Meyers Debütroman „Rost“ vermeldet er:

In den USA wurde der Roman als einer der besten seines Jahrgangs gefeiert.

Wenn jetzt schon Romane einen Jahrgang haben, dann ist klar, dass die Gutenberg-Galaxie irgendwie in die Jahre gekommen ist.

Kölner Stadt-Anzeiger – ePaper

Der Bürgerkrieg in unseren Handys


23 Aug

Es gibt unter den durch das Medienzeitalter ausgelösten Depressionen auch solche, für die ein rasches Antidot nicht leicht bei der Hand ist. Da gefriert einem doch das Blut in den Adern, wenn man liest wie am vergangenen Wochenende in der F.A.Z., dass wichtige Rohstoffe für unsere schöne neue Welt aus elektronischen Gadgets mit Bürgerkrieg etwa in Afrika bezahlt wird.

Neben Blei, Kadmium und ähnlich toxischen Stoffen enthalten unsere alltäglichen Begleiter wie Mobiltelefone, Kameras und Laptops auch Metalle, die an sich unbedenklich sind: Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Und doch sind gerade diese die ethisch bedenklichsten, ja blutigsten, nämlich sofern sie – was für einen großen Prozentsatz zutrifft – aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammen. Bewaffnete Gruppen, von denen es nach Schätzung des Botschafters der Demokratischen Republik Kongo in den Vereinigten Staaten, Faida Midifu, etwa fünfundzwanzig gibt, darunter ugandische, ruandische und burundische Rebellengruppen sowie korrupte nationale Armee-Einheiten, zwingen die Bevölkerung unter grauenhaften Bedingungen zum Abbau der Bodenschätze, welche dann zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt gelangen.

Von „Bluthandys“ sprechen bereits Nichtregierungsorganisationen wie das „EnoughProject“, „Human Rights Watch“ oder „Global Witness“. Hier muss Druck vonseiten der Verbraucher auf die Hersteller ausgeübt werden wie von jenem kritischen Geist, der Apple-Chef Steve Jobs eine Email schrieb und schon nach einer Stunde per SMS Antwort von Jobs persönlich erhielt, in der davon die Rede war, dass man die Lieferanten verpflichte, „conflict few materials“ zu liefern. Doch gebe es keine Garantie, und es sei chemisch noch nicht möglich, den Ursprung der Mineralien bis zur Mine zurückzuverfolgen. Intrikat ist schon Jobs‘ stillschweigende semantische Verschiebung von „conflict free“ in „conflict few“, für die er von der Netzgemeinde bereits gehörig Prügel einstecken musste. Aber auch die Behauptung der Nichtnachweisbarkeit ist so nicht aufrechtzuerhalten:

Den „Coltan-Fingerprint“, einen forensischen Nachweis, der die Herkunft der Tantalerzkonzentrate durch Abgleich mit einer riesigen Datenbank eindeutig zu lokalisieren vermag, hat die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in dreijähriger Arbeit entwickelt. Ebendies wurde hierzulande vor einem halben Jahr als großer Durchbruch gefeiert. Doch erklärt der zuständige Forscher Frank Melcher im Gespräch mit dieser Zeitung, die Technik sei zwar prinzipiell einsatzbereit, werde aber nicht eingesetzt.

Den ganzen Artikel gibt es bei FAZ-online zu lesen:

Krieg in Kongo: Auf der dunklen Seite der digitalen Welt – Digitales Denken – Feuilleton – FAZ.NET

Der Frosch: ein Medium?


20 Aug

Zu den Aporien des Medienzeitalters gehört es, nicht so genau definieren zu können, was eigentlich ein Medium so genau sein soll. Stefan Münker und Alexander Roesler fassen die Diskussion in ihrem Suhrkamp-Buch Was ist ein Medium? zusammen:

Ein Stuhl, Rad, ein Spiegel (McLuhan), eine Schulklasse, ein Fußball, ein Wartezimmer (Flusser), das Wahlsystem, der Generalstreik, die Straße (Baudrillard), ein Pferd, das Dromedar, der Elefant (Virilio), Grammophon, Film, Typewriter (Kittler), Geld, Macht und Einfluss (Parsons), Kunst, Glaube und Liebe (Luhmann).

Kein Wunder, dass da selbst ein Frosch als Medium bezeichnet werden kann. Diesen interessanten Gedankengang verfolgt nämlich im selben Buch Medienforscher Stefan Rieger. Der Naturforscher Luigi Galvani experimentierte im 18. Jahrhundert als einer der ersten mit Elektrizität. Als er einst einen Frosch sezierte, soll die Spitze eines Skalpells eine Verbindung zur Elektrisiermaschine hergestellt haben, und siehe: Die Schenkel des toten Froschs erwachten zum Leben und zuckten. Galvani hatte die „animalische Elektrizität“ entdeckt und der Frosch galt fortan als Medium des Stroms:

_frosch_medium001

Den zugehörigen Vortrag Riegers kann man sich auch im Internet ansehen:

http://www.formatlabor.net/media/Rieger-Vortrag.mp4

Wie darf man das Fernsehen kritisieren, Teil 2: Oliver Kalkofe


19 Aug

clip_image002 Ich gehöre nicht zu den größten Bewunderern des Oliver Kalkofe und finde nachhaltig, dass er seine beste Zeit einst beim Frühstyxxradio von Radio ffn in den frühen 90ern hatte. Manchmal gar scheint es mir, als ob gerade die über ihn und seine Medienverrisse am lautesten lachen, über die er sich gerade lustig macht. Das ist natürlich auch eine Kunst.

Neulich fiel mir sein Buch Geschafft! Wir sind blöd! Kalkofes letzte Worte in die Hände, eine Sammlung von Kolumnen, die er regelmäßig in einer Fernsehillustrierten veröffentlicht. Und ich muss sagen: Ich habe doch an einigen Stellen herzhaft gelacht. Dann wieder wurde ich aber auch nachdenklich. Im Einleitungstext nämlich schreibt Kalkofe:

Wer es sich inzwischen leisten kann, abzuschalten, der tut es. Wer genug Geld für Kino oder Videothek hat oder gar das so gern zitierte „gute Buch“ zu benutzen weiß, der hat sich längst von seinem alten Kumpel Fernsehen verabschiedet. Oder bestellt sich seeine DVDs aus dem Ausland, um erstaunt mitzuerleben, wie vor allem in Amerika und England in den letzten Jahren einige der fantastischsten TV-Produkte aller Zeiten entstanden sind.

Und dann folgt eine Liste, die wohl nach Meinung Kalkofes für das „gute Fernsehen“ stehen soll:

Die Sopranos, 24, Lost, Deadwood, Six Feet Under, Prison Break, Boston Legal, Heroes, Arrested Development, The Office, Doctor Who, Little Britain, Extras – die Liste ist endlos.

Mal davon abgesehen, dass der Großteil dieser Formate auch im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden und man eine Videothek deswegen nicht konsultieren gemusst hätte (außer natürlich man steht auf Filme in Originalsprache, aber das ist ein anderes Thema und so eine Videothek muss man auch erstmal finden — überhaupt muss man ja heute eine Videothek erstmal finden!): Ist doch irgendwie auffällig, dass Oliver Kalkofe beim Thema „Gutes Fernsehen“ ausschließlich Unterhaltungssendungen einfallen. Nachrichten, Features, Dokumentationen, politische Sendungen kommen im Kalkofe-Kosmos offensichtlich nicht vor. Obwohl gerade hier das deutsche Fernsehen, namentlich das öffentlich-rechtliche, unter Umständen gegen die internationale Konkurrenz gar nicht abfallen müsste. Jedenfalls ist die berühmte BBC-Dokumentation auch nicht mehr das, was sie einmal war. Re-Enactment, alberne Grusel-Ausleuchtung, sich selbst inszenierende Journalistendarsteller — das sind die Neuerungen, die wir in diesem Bereich der Insel zu verdanken haben. Und an bahnbrechende Fernsehdokumentationen aus den USA kann ich mich in den vergangenen 10 Jahren gar nicht erinnern. Auffälligerweise produziert etwas Michael Moore nur noch fürs Kino. Kalkofes These sollte er also vielleicht noch einmal überdenken.

Telefon: Noch ein sterbendes Medium?


12 Aug

Telefonieren scheint irgendwie out zu sein. Zwar gibt es mittlerweile fast so viele Handys wie Menschen auf der Erde, nämlich 5 Milliarden, aber telefoniert wird damit offenbar eher seltener. Dies ist das Ergebnis einer neuen Nielsen-Studie. Statt der Telefonie wird das Mobilgerät wohl eher für Textnachrichten, mobiles Internet oder fürs Spielen verwendet.

Schon 2008 [extern] stellte Nielsen fest, dass die Handybenutzer weit mehr SMS erhalten oder versendet, als sie telefoniert haben. Und erwartungsgemäß drehte sich das Verhältnis mit zunehmendem Alter um. Bei den 35- bis 44-Jährigen hielten sich Telefonieren und SMS etwa die Waage, ab 45 Jahren überwog das Telefonieren, während vor allem die 13- bis 17-Jährigen achtmal so viele SMS empfangen oder verschicken als sie telefonieren.

Stirbt das Telefon aus?

TP: Telefonieren? Nur, wenn es unbedingt sein muss

Wie darf man das öffentlich-rechtliche Fernsehen kritisieren?


11 Aug

Dass zum Jubiläumsjahr der ARD, die vor 50 Jahren aus der medialen Taufe gehoben wurde, auch kritische Nachfragen zum Programm evoziert wurden, dürfte eigentlich kaum überraschen. Die Reaktionen der angesprochenen Sender im ARD-Verbund waren zum Teil nervös. Auftakt machte die Bildzeitung mit ihrem „großen ARD-Report„. Untertitel: Skandale, Vetternwirtschaft, Gebühren-Verschwendung. Allerdings war diese Darstellung in dem Boulevardblatt durchaus prätentiös oder, wie Michael Ridder auf epd.medien schrieb:

Es wäre müßig, auf diesen unappetitlichen Mix aus Ressentiments, Halbwahrheiten und aufgewärmten Alt-Skandalen näher einzugehen.

Warum eigentlich nicht näher darauf eingehen? Auch der WDR als größte Sendeanstalt der ARD ging in seinen Stellungnahmen zu der Serie nur auf wirklich strafwürdige Vorwürfe ein. Aber dass Skandale zurückliegen, bedeutet nicht, dass sie nicht Skandale sind. Dass Vorwürfe schon länger im Raume stehen, bedeutet nicht, dass sie ausgeräumt sind. Hier sind öffentlich-rechtliche Sender als öffentliche Unternehmen in einer anderen Pflicht als private, denn die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse. Darum ist es schon verwunderlich, wenn beispielsweise die WDR-Intendantin Monika Piel aus dem Umstand, dass der WDR neben Gebühren- ja auch Werbeeinnahmen habe, schließt, es handle sich bei der von ihr geführten Anstalt quasi um ein privates Unternehmen:

Der WDR ist nicht aus Steuermitteln finanziert – wie die Bundesregierung, sondern ein Medienunternehmen, das zum Teil aus Gebühren und zum Teil aus Werbeeinnahmen finanziert wird. Bei anderen Unternehmen – wie etwa bei BILD – werden die Gehälter der Chefs auch künftig nicht öffentlich bekannt sein.

Die Bezüge nicht zu veröffentlichen, war wohl erwogen, wie man inzwischen weiß, da der WDR die Bezüge seiner leitenden Angestellten auf gesetzlichen Druck hin veröffentlichen musste. Und dass diese Bezüge exorbitant sind, während gleichzeitig die Freien Mitarbeiter des WDR, die über 90 % des Programms herstellen, seit Jahren und Jahrzehnten Reallohneinbußen hinnehmen müssen, ist sehr wohl erklärungsbedürftig. Und was als „Geschäftsbericht 2009“ im Internet veröffentlicht wurde, ist kein ebensolcher, sondern vielmehr eine reichbebilderte Werbe-Selbstdarstellung, die auch nicht die elementaren Informationsbedürfnisse einer interessierten Öffentlichkeit abdeckt. Dass die Produktionsbedingungen bei ARD-Produktionen, die von Freiberuflern und privaten Produktionsfirmen durchgeführt werden, häufig jenseits aller Tarif- und Arbeitsschutzbedingungen sind und hier ein Manchesterismus durchexerziert wird, wie er einem öffentlichen Unternehmen als allerletztes frommt, ist durchaus fragwürdig und wartet noch auf Antwort. Auch die Anfrage der Bildzeitung, warum eigentlich zu den Olympischen Spielen in China neben dem NDR-Intendanten auch zwei Programmdirektoren sowie ein Produktionsdirektor gereist ist, wiewohl doch keiner von ihnen von den Spielen berichtet hat, ist luzide und wartet auf echte Erklärung.

 

FAZ-Streit um öffentlich-rechtliches Internet-Angebot

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat kritische Notate bezüglich ARD. Anlass ist ein Gutachten, das der frühere Verfassungsrichter Papier erstellt, in welchem er die Frage beantworten sollte, ob die Onlineangebote von ARD und ZDF „presseähnlich“ seien oder nicht. Papiers Urteil war schon recht überraschend, er stellte nämlich fest, dass vielmehr die Presse im Internet ihm sehr rundfunkähnlich erscheine. Das war freilich gar nicht die Frage, die sich stellte, aber sei’s drum. Auch ein solches Gutachten darf kritisiert werden. Und es ist nicht hilfreich, die Kritik, wie ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust es getan hat, mit dem Hinweis abzutun, Zeitungen hätten ja „verlegerische Interessen“, die ihrem, „Bemühen um journalistische Wahrhaftigkeit“ im Wege stünden. Ein Totschlagargument: Kein Printmedium dürfte demnach künftig noch das Gebahren öffentlich-rechtlicher Sender kritisieren, da „verlegerische Interessen“ immer im Spiel sein könnten. Aber selbst wenn dem so wäre, bleibt die Kritik bestehen. Denn aus welchen (womöglich unlauteren) Gründen eine Kritik auch geäußert wird, ändern doch diese Gründe nichts am Inhalt der Kritik.

 

Die Zeit: Verblödung durchs Fernsehen

In der Wochenzeitung Die Zeit trumpfte Jens Jessen auf. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste nicht, wofür er Gebühren bekomme, ist die These Jessens, der in Kollegenkreisen schon als „schlechtester Feuilletonchef seit 30 Jahren“ bezeichnet wurde. Tatsächlich steht in seinem Beitrag viel Unsinn und vieles, was mehr auf die Einbildung als die Bildung dieses Autors schließen lässt.

Es ist absurd genug, dass überhaupt die Quote von Nachrichtensendungen gemessen wird.

Was ist daran absurd? Das Fernsehen ist ein Massenmedium, es rechtfertigt seine Existenz ausschließlich dadurch, dass es ein massenhaftes Interesse bespielsweise nach Nachrichteninformation gibt. Eine Nachrichtensendung für eine Minorität ist, jedenfalls auf diesem Kanal, barer Unsinn. Auch einem anderen weitverbreiteten Missverständnis ist herr Jessen aufgesessen, nämlich dass an der Misere des öffentlich-rechtlichen Programms das Privatfernsehen schuld sei.

Wenn es eine Ursache gibt, dann liegt sie in der Konkurrenz der privaten Sender, die den Quotendruck hergestellt hat, der als Mutter aller Missstände gelten kann.

Oh nein, die Tendenzen, die heute bemängelt werden, hat es schon lange gegeben, bevor ein erster Privatsender in Deutschland an den Start ging. Die Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Produktionsmethoden, die schleichende Boulevardisierung des Hauptprogramms, die Verschiebung anspruchsvoller Sendungen auf die hinteren Plätze des Programmschemas zugunsten eines reinen Unterhaltungsprogramms: Das alles sind Maßnahmen, die schon in den 70er Jahren abgeschlossen waren. Sehr schön ist das in einem älteren Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1980 nachzulesen.

Auch die Frage nach der Verblödung durch das Fernsehen sollte endlich einmal kontrovers diskutiert werden. Wer belegt eigentlich, dass der Zuschauer nur durch den Konsum blöder Sendungen selbst blöde wird? Was bedeutet das eigentlich: „Verblöden“? Schrumpfendes Gehirnvolumen, abnehmende Synapsenzahl, Rückgang logischer oder mathematischer Fähigkeiten, sinkende Ergebnisse bei Intelligenztests? Ich halte das alles für sehr unwahrscheinlich.  Und auch Jessens intrikater Vorwurf, nur die „Ungebildeten“ würden sich das seichte Programm des Fernsehens ansehen, während die „Bildungsbürger“ nach Theateraufzeichnungen und Kulturfernsehen lechzen, ist weder statistisch, noch mit meiner eigenen privaten Erfahrung in Deckung zu bringen. Ich kenne genug sehr gebildete Leute, die sich im Fernsehen unwahrscheinlich seichte Sachen ansehen, promovierte GZSZ-Fans, Ingenieure mit Trash-Neigungen. Why not?

Andere Bemerkungen Jessens sind durchaus erhellend. Insbesondere diese hat mir gut gefallen:

Vulgär ist eine Volksmusikshow, in der die Volksmusik nicht Volksmusik bleiben darf, sondern zu Schlagern werden muss, mit Sängern, die zu Stars werden, also gerade nicht mehr Volk sind.

Und auch Jessens Hinweis, wie in Nachrichtensendungen Sachprobleme personalisiert werden, ist bedenkenswert. Letztlich krankt seine Darstellung aber an der fehlenden Konkretion. Dass Jessen praktisch kein einziges Beispiel für seine Urteile hat, könnte sie auch als Vor-Urteile demaskieren. Vorurteile sind zwar, laut Gadamer, fürs Weltverständnis unerlässlich. Aber deswegen sind sie noch nicht mitteilenswert.

Öffentlich-Rechtliche Sender: Vom Volk bezahlte Verblödung | Gesellschaft | ZEIT ONLINE

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Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter