Archive for März, 2011

Berliner Kurier: Wenn Zeitungen sich richtig ernst nehmen


31 Mrz

Ernstzunehmende Medien werden sich auch in ihrem öffentlichen Auftreten einer gewissen Ernsthaftigkeit befleissigen. Andere versuchen von vornherein gar nicht mehr, sich den Anschein von Seriösität zu geben. Dem Jux, den man sich tagtäglich mit den Lesern macht, kann man ja die Krone aufsetzen, indem man seinen kompletten Inhalt vergackeiert. Und das klingt dann so:

Achtung, Jux-Attacke! Die Redaktion des Berliner KURIER muss sich am Montag auf einiges gefasst machen. Der Quatsch Comedy Club hat unter der Leitung seines Ober-Piraten Thomas Hermanns Spaß-Drohungen an uns geschickt. Sie wollen unsere Redaktion entern! Anarchie am Alexanderplatz!

Und wie es immer so geht bei vollständig inszenierten Späßen, steht das Ergebnis der “Jux-Attacke” von vornherein fest:

Die Ergebnisse der unfassbar komischen Kaper-Aktion lesen Sie am Dienstag im Comedy-KURIER. Was sich während der Erstürmung unserer Redaktions-Räume tut, werden wir den kompletten Tag über auf unserer Online-Seite berichten!

quatsch_comedy_club_kapert_kurier-051 Egal, was da beim Berliner Kurier geschieht: Es wird “unfassbar komisch”. Irgendwie hat das auch seine Tragik. Die unglaublichen Geschehnisse beim Berliner Kurier ereigneten sich bereits im Oktober vergangenen Jahres. Im Zuge der “unfassbar komischen Kaper-Aktion” (bei der vermutlich viele viele Kapern gegessen wurden) wurde der Chefredakteur vom Chefcomedian gefesselt. Hoffentlich hat man ihn nie mehr losgebunden. Ich habe die Veröffentlichung indes bis jetzt aufgeschoben, um abzuwarten, ob ich doch noch darüber lachen könne. Allein, ich wartete vergeblich und lache bis heute nicht. Ich amüsiere mich einfach nur zu Tode.

Berliner Kurier – Comedy-Attacke auf den Berliner Kurier

Wenn die Rechtschreibkorrektur sich rächt …


30 Mrz

Rechtschreibkorrekturen können auch zurückschlagen. So ist es jüngst dem Kölner Stadtanzeiger geschehen. Da hat man ausnahmsweise mal alle Namen in einem Artikel richtig geschrieben, und dann rächt sich die Rächtschreibkontrolle:

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat in seiner Samstagsausgabe über neue Schwierigkeiten beim Strukturförderprogramm „Mülheim 2020“ berichtet. Ein technisches Problem bei der Rechtschreibprüfung hatte zur Folge, dass Namen „korrigiert“ wurden, deren Schreibweise im Text ursprünglich richtig waren. Die Leiterin des zuständigen Amtes für Stadtentwicklung heißt Maria Kröger. Die Bürgerinitiative, die unter anderem die schleppende Umsetzung des Programms sowie die finanzielle Beteiligung von Anwohnern kritisiert, nennt sich „Rettet Mülheim 2020 – Rettet unsere Veedel“. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.

 

Die Süddeutsche und Joschka Fischer: Kriegstreiberei als Liebhaberei


24 Mrz

Andrzej Barabasz (Chepry)Auch in der deutschen Politik und Publizistik gibt es, ähnlich wie in Israel oder den USA, “Falken” und “Tauben”, also einerseits Leute, die militärische Einsätze befürworten, und andererseits solche, die sie ablehnen. Der Herr Bundesaußenminister a.D. Josef, genannt Joschka, Fischer, ein ungelernter Taxifahrer aus dem Hohenlohischen, zählt mit Sicherheit zu den “Falken”. Was einen nicht weiter wunder nähme, wenn er nicht ausgerechnet jahrzehntelang das Aushängeschild der “Grünen” und damit einer selbsterklärt pazifistischen Partei gewesen wäre. Und auch seine Karriere als Taxifahrer wird hier nicht nur polemisch angeführt. Sie beeinflusst seine Weltsicht offensichtlich bis heute, wie man seiner Stellungnahme zur Enthaltung der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Militärintervention in Libyen im UN-Sicherheitsrat entnehmen kann, die er in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat:

Die deutsche Bundeskanzlerin fährt in der Politik gerne auf Sicht, auf sehr kurze Sicht sogar. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich in der Auffahrt einer Autobahn vertut und auf die falsche Fahrbahn gerät. Dies ist dann eine hochgefährliche Situation – und zwar nicht nur für einen selbst, sondern vor allem auch für viele andere. Genau dies ist der deutschen Außenpolitik in der Causa Libyen geschehen.

Also immerhin hat der Schulabbrecher Fischer sich mittlerweile ein paar Lateinkenntnisse zugelegt (“causa”). Wie aber sieht es mit seinen restlichen Kenntnissen und Einschätzungen aus? Die sind doch eher skandalös:

Die Geschlossenheit der Vetomächte und der Mehrheit des Sicherheitsrates, die Unterstützung von Arabischer Liga und der Organisation Islamischer Staaten, die Beteiligung zweier arabischer Staaten an der humanitären Militärintervention – was wollte die Bundesregierung eigentlich noch mehr, um zuzustimmen?

Eine “humanitäre Militärintervention”, was soll das eigentlich sein? Hier findet doch, an vornehmster publizistischer Stelle, eine Umwertung von Begrifflichkeiten statt, die einen fassungslos machen. Unter humanitären Militäreinsätzen verstand man doch gemeinhin sandsäckeschleppende Soldaten im Oderbruch oder Carepakete-verschenkende Militärs in Afghanistan. Massive Bombardements unter Inkaufnahme ziviler Opfer (denn wie will man die überhaupt verhindern, wenn man nur aus der Luft angreift?) waren mit “humanitären Militäreinsätzen” nicht gemeint. Und die Bilder, die bisland aus Libyen zu sehen waren, sprechen dem zusätzlich Hohn. Schließlich: Auch von der “Geschlossenheit der Vetomächte und der Mehrheit des Sicherheitsrates” ist wohl nicht mehr so sehr viel übrig. Schon die Nato alleine ist ja offenbar nicht in der Lage, Einigkeit über die Durchführung dieses Krieges herbeizuführen.

Herr Fischer sollte sich für seine Auslassungen in die Ecke stellen und schämen. Und die Süddeutsche Zeitung, die ihm für diese Art hirnbeleidigender Hetze auch noch Raum gewährt, ebenso.

Streitfall Libyen-Einsatz – Deutsche Außenpolitik – eine Farce – Politik – sueddeutsche.de

Iphone Apps: Sexy nein, homophob ja


22 Mrz

Wer Apps für das Iphone entwickeln und vermarkten will, muss jede einzelne Anwendung von der Fa. Apple absegnen lassen, bevor sie in den Apple-eigenen Appstore eingestellt werden darf. Und diese Genehmigungspraxis von Apple stößt immer wieder auf Kritik. Vom jüngsten Beispiel berichtet der österreichische Standard:

Apples Prüfpolitik für den App Store bietet einmal mehr Anlass für Kritik. In dem Online-Shop für iPhone- und iPad-Programme ist seit kurzem eine Anwendung einer Organisation erhältlich, die Menschen von Homosexualität „befreien“ will. Dass die App als geeignet für alle Altersgruppen eingestuft wurde und noch immer erhältlich ist, hat für einen Aufschrei in Medien und unter Nutzern gesorgt.

Und wer steckt hinter der homophoben Organisation? Eine selbsterklärt christliche Gruppe aus den USA:

Die kostenlose App bietet laut Beschreibung Zugriff auf News, Events und Informationen der US-amerikanischen Organisation „Exodus International“. Dort will man Menschen „helfen“, ihre Homosexualität mithilfe der „Kraft von Jesus Christus abzulegen“, heißt es auf der Website. Die Organisation ist bereits seit 1976 tätig.

Auf der Petitionsplattform change.org wurden mittlerweile 120.000 Unterschriften gegen die schwulenfeindliche App gesammelt. Sehr viel zimperlicher ist die Fa. Apple, wenn es um lustvoll zur Schau gestellte Sexualität geht. Wie der Focus schon im Frühjahr 2010 berichtete, hat Apple mehr als 5.000 Apps aus dem Appstore verbannt, die vermeintlich um Erotik oder Sex kreisten:

Nach Informationen des einflussreichen Technik-Blogs Techcrunch und anderer Blogs sperrte Apple in der vergangenen Woche im US-Store 5000 Apps mit nackten oder leicht bekleideten Frauen. Allein am Donnerstag seien 4000 Apps gelöscht worden, heißt es im auf Apple spezialisierten Internetportal MacRumours. (…)

Was erregte denn nun den Unmut der App-Wächter der Fa. Apple?

Bei den gelöschten Apps handelte es sich nicht um pornografische Anwendungen, sondern nach Angaben von „Techcrunch“ vor allem um Bilder oder Spaßprogramme. Apple soll die Entwickler angeschrieben und begründet haben: „Der App Store entwickelt sich weiter, und wir passen ständig unsere Richtlinien an“, zitiert unter anderem Techcrunch aus dem Schreiben. Der Zensur zum Opfer gefallen ist unter anderem eine App namens „Wobble“, wie der Programmierer bestätigt. Der Inhalt der Software: Wer das iPhone schüttelte, brachte damit die Bikinibrüste von Frauen zum Wackeln. 500 Dollar pro Tag hat der Entwickler nach eigenen Angaben mit der kostenpflichtigen App pro Tag verdient.

Egal, wie geschmackvoll man es findet, mit dem Schütteln von „Bikinibrüsten“ Geld zu verdienen: Es handelt sich doch um eine vergleichsweise harmlose App gegenüber der App jener christlichen Gruppe, die offen Ressentiment gegen Homosexuelle schürt.

Fast eine Nachricht


21 Mrz

So geht’s natürlich auch: Wenn sonst gar nichts zu vermelden ist, wenn gerade kein Krieg im Mittelmeer herrscht und keine Atomkraftwerke uns weltweit um die Ohren fliegen, wenn also am Nachrichtenticker gelangweilte Ruhe herrscht, dann kann man, wie der Online-Dienst inFranken.de aus dem Hause der Zeitungsgruppe Fränkischer Tag es tut, sich seine Nachrichten auch einfach erfinden. So war unter der Überschrift “Merkels Hubschrauber fast abgestürzt” zu lesen:

Zwischenfall(:) Ein in Oberschleißheim stationierter Polizeihubschrauber, mit dem kurz zuvor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) flog, ist laut Medienbericht nur knapp einem Absturz entgangen.

Fassen wir zusammen: Ein Hubschrauber ist nicht abgestürzt. Es saß auch keine Bundeskanzlerin darin. Aber dennoch wurden wieder ein paar Zeilen gefüllt. Nur das Wort “Zwischenfall” nimmt einen wunder. Voranstehen müsste doch eigentlich. “Kein Zwischenfall” …

: Merkels Hubschrauber fast abgestürzt | inFranken.de

Süddeutsche Zeitung: Tanze Samba mit ihr!


09 Mrz

Die “beste Zeitung Deutschlands” bietet den weniger qualitätsorientierten unter ihren Lesern allerdings auch Futter wie dieses:

Zu viel nackte Haut bedeutet Punktabzug bei der Wahl zur besten Sambaschule im Karneval von Rio. Zu wenig soll es auch nicht sein. Mal sehen, wie die "Escolas de Samba" dieses Problem gelöst haben.

SZ_Samba_Screen

Karneval in Rio – Heiße Hüften – Bild 12 – Reise – sueddeutsche.de

Darum liebt sie Guttenberg: "Bild" klaut selbst


09 Mrz

bildzeitung_GuttGar nicht wahr, dass die Bildzeitung ihre Geschichten schlichtweg nur erfinden würde. Manchmal schreibt sie sie auch einfach ab. Vielleicht erklärt sich daraus die große Liebe, welche die Bildzeitung mit dem anderen großen Abschreiber, K.-T. von Guttenberg, verbindet.

Die Kulturzeitschrift “Lettre International” kostet am Kiosk immerhin 17,- Euro Einzelverkaufspreis. Viel Geld, das sich nur mit entsprechend exklusivem Inhalt rechtfertigen lässt. Das “Kopftuch-Interview” mit dem damaligen Bundesbänker Theo Sarrazin war so ein “scoop”, wie der Branchendienst DWDL.de zu berichten weiß:

Es war angesichts dessen schon ärgerlich, dass "Bild" und "Bild.de" nicht einzelne Aussagen Sarrazins aus dem Interview zitierten, sondern im Falle von "Bild" einfach einen bedeutenden Teil des Interviews einscannten und abdruckten, im Falle von "Bild.de" gleich das komplette Interview online stellte.

Für diese Urheberrechtsverletzung muss der Springer-Verlag an “Lettre International” jetzt 60.000,- Euro Schadenersatz zahlen.

Andere Guttenbergiana aus dem Hause Springer möchte der Verlag dagegen gerne unter den Tisch fallen lassen. So zum Beispiel eine Online-Umfrage, deren Ergebnis so gar nicht den Absichten der Redaktion entsprach, wie Spiegel Online berichtet:

Denn das Ergebnis der Abstimmung auf den Online-Seiten passt so gar nicht zum Stimmungsbild, das das Mutterblatt vermitteln will. Auf Bild.de haben mittlerweile fast 640.000 User (Stand Donnerstag 13.30 Uhr) per Mausklick darüber abgestimmt, ob Guttenberg als Minister noch tragbar ist. Das Ergebnis ist auch hier eindeutig: 55 Prozent wollen, dass er zurücktritt. Nur 36 Prozent befinden: "Er macht seinen Job gut." Die Werte blieben in den letzten Stunden unverändert.

Man verfährt darum mit der Abstimmung wie sonst arabische Potentaten mit Wahlergebnissen:

Auf Bild.de läuft das am 17. Februar freigeschaltete Vote nach Angaben der Redaktion noch bis zum 1. Mai 2011. Doch zu finden ist die Umfrage in den Tiefen des Online-Angebots kaum noch. Am Mittwoch war ein Link zum Online-Vote gar mit dem Hinweis versehen, dass dieser die "aktuelle Stimmung nicht mehr exakt" abbilden könne, weil User "eventuell mehrfach ihre Meinung abgegeben haben". Daher würden die Internet-Stimmen beim großen "Guttenberg-Entscheid" in der gedruckten "Bild"-Zeitung keine Rolle spielen.

Die gedruckte Bildzeitung verkündete darum, dass 87 % der Leser befürworteten, dass K.-T. von Guttenberg im Amt bleibe. Ein Hoch auf die Demokratie!

DWDL.de – Interview-Klau: "Bild" muss 60.000 Euro zahlen

Verkünden oder Verkündigen?


08 Mrz

imageJournalisten halten sich ja gerne für unanfechtbar. Das haben sie mit sehr hohen Glaubensvertretern gemeinsam. Deswegen geraten ihnen – man kann es für eine déformation professionelle halten – gerne die Kategorien durcheinander, wenn es zum Beispiel um die Frage “Verkünden oder Verkündigen” geht. Umso mehr, wenn es (wie im Fall des Kölner Express) um das Heiligste geht, was die Stadt Köln zu bieten hat, nämlich den kölschen Karneval:

Natürlich stand danach die Motto-Verkündigung für die neue Session im Vordergrund.

Nein, nein, nein: Wieder falsch! Verkündigungen stehen nur Erzengeln oder anderen Heiligkeiten zu. Alle anderen dürfen nur “verkünden”, aber nicht “verkündigen”. So einfach ist’s. Amen.

Kommende Session: So lautet das neue Karnevalsmotto! | Kölner Karneval – EXPRESS

Spiegel: Bizarrerien einer Edelfeder


07 Mrz

Matthias_Matussek_Mm_5_1Warum haben nur die beiden großen deutschen Wochenblätter solches Pech ausgerechnet mit ihren Kulturchefs? Der Feuilletonchef der Zeit gilt in Kollegenkreisen als “der schlechteste Kulturchef aller Zeiten”. Und der Spiegel musste seinem Kulturchef Matthias Matussek sogar den Stuhl vor die Tür setzen, maßgeblich weil, wie die Tageszeitung Die Welt kolportierte, “seine unangemessenen Umgangsformen und sein Hang zur Cholerik” nicht mehr akzeptabel waren. Nun hat Matussek es wieder getan, nämlich die Contenance verloren. Kurz nach Amtsantritt des neuen Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich wollte selbiger gerne auf sich aufmerksam machen. Das geht in CDU/CSU nach wie vor bestens mit integrationskritischen, vulgo: ausländerfeindlichen, Äußerungen. Und so erklärte der Minister:

Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.

Das war wohl nach dem Geschmack des Jesuitenschülers Matussek, der nebenbei gerne auch den Zölibat verteidigt, und auf Spiegel Online schrieb er:

Natürlich hat Innenminister Hans-Peter Friedrich recht, wenn er sagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Es deckt sich mit dem, was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen in Deutschland lebenden türkischen Landsleuten vor wenigen Tagen mahnend zugerufen hat, als er sie erneut vor der Assimilation warnte. Erdogan appelliert an die, die nicht dazugehören, nicht dazugehören wollen, und von denen gibt es einige.

Allein Matusseks letzte Formulierung zeigt, dass er selbst es mit Fakten auch nicht allzu genau nimmt. Der Hinweis auf sogenannte Integrationsunwillige bezieht sich auf Äußerungen eines anderen Innenministers, nämlich Friedrichs Amtsvorgänger Thomas de Maizière. Der hatte im Herbst vergangenen Jahres von 10 bis 15 Prozent “integrationsunwilligen” Ausländern in Deutschland gesprochen. Wo de Maizière diese Zahl herhatte, wollte er nicht sagen. Er gab an, es gehe ihm um solche Mitbürger ausländischer Herkunft, die nicht zu Integrationskursen gingen oder diese vorzeitig abbrachen. Die Süddeutsche Zeitung hatte nachrecherchiert und kam zu einem ganz anderen Ergebnis:

Wie eine Umfrage der SZ unter den Bundesländern zeigt, gelten Integrationsverweigerer jedoch kaum als Problem. Hamburg etwa erklärte, es handle sich "nur um wenige Personen", Schleswig-Holstein registrierte im vergangenen Jahr 40 Schwänzer (bei 1531 Kursabsolventen), Sachsen einen einzigen (fast 2300 Absolventen), und im Saarland blieb niemand unentschuldigt den Kursen fern. Die höchsten Zahlen verzeichnete Hessen, das bei fast 6200 Absolventen 102 Schwänzer feststellte und 23 Bußgeldverfahren einleitete. Doch auch das sind deutlich weniger als zehn Prozent.

Dass Matusseks Einlassungen reine Polemik sind, zeigt der Umstand, dass er für sich selbst die Maßstäbe nicht gelten lässt, die er an andere anlegt. Stattdessen geht er in den Sarrazin-Modus über, wittert “Skandale” und “Erpressung”:

Die Reaktionen auf den Innenminister dagegen verlassen sich auf das vertraute Gemisch aus lautstarker Empörung und politischer Erpressung, statt zur Sache zu reden. Und das ist der wahre Skandal.

Redet denn Matussek zur Sache? Ob nun der neue Bundesinnenminister mit seiner nicht sehr originellen Provokation recht hat, hängt sehr stark davon ab, wie man den Ausdruck “zu Deutschland gehören” definiert. Und ob das die “Historie” hergibt, ist wiederum abhängig vom Geschichtsbild. Wer dies allerdings tatsächlich verneint, der sollte umgehend aufhören, arabische Ziffern zu benutzen. Denn die stellen tatsächlich ein historisches Erbe des Islam in der europäischen Kultur dar. Und nebenbei: Ob Astronomie oder Mathematik, Theologie oder Architektur – der Einfluss der islamischen Kultur in ihrer Blüteperiode ist wohl kaum hoch genug einzuschätzen. Und das zu einer Zeit, als die Vorfahren von Friedrich und Matussek buchstäblich hinterm Wald lebten. Wer’s nachlesen möchte, dem sei Sigrid Hunkes Standardwerk Allahs Sonne über dem Abendland. Unser arabisches Erbe (Frankfurt/Main 1990) anempfohlen. Und wer nun dagegenhält, das sei aber doch alles mächtig lange her, dem kann man zwar nur recht geben. Aber dann sollte man eben nicht mit der “Historie” argumentieren.

Unterm Strich bleiben die Äußerungen Friedrichs und Matusseks das, als was auch die Kritiker sie identifiziert haben: Ausländerfeindliches Ressentiment ohne Bodenhaftung. Wie unsinnig letztlich die Frage ist, ob jemand historisch oder sonstwie “zu Deutschland gehört”, offenbart sich, wenn man eine kleine Ersetzungsprobe macht und versuchsweise das Wort “Islam” in Friedrichs Äußerung ersetzt: Gehören Rothaarige zu Deutschland? Gehören Pommes-Frites zu Deutschland? Auf solche Fragen findet jeder seine eigene Antwort nach Belieben. Was so erzeugt wird, sind aber keine Tatsachenbehauptungen, sondern Stimmungen. Und zwar von Stimmungsmachern. Wen wundert’s, dass Matusseks Polemik auf einschlägigen Websites entsprechend gefeiert wird:

Sein aktueller Kommentar zur Debatte um Innenminister Hans-Peter Friedrichs Aussage, der Islam gehöre historisch nicht zu Deutschland, liest sich wie ein Sammelsurium politisch inkorrekter Argumente und ist angesichts dessen, was dem Leser im Spiegel sonst üblicherweise serviert wird – eine wahre Sternstunde!

Mögen sich Friedrich, Matussek und Consorten zu Retten des Abendlands aufschwingen. Abendland, das ist, wenn man Gute Nacht sagt.

Islam-Debatte: Warum der Minister recht hat – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

ARD: Geld sparen mit Trimedialität


05 Mrz

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat einen trickreichen Weg gefunden, Geld zu sparen: Aus drei Chefredakteurs-Posten wird ein einziger gemacht.  Und damit es chique aussieht, tauft man das Ganze modern und nennte den neuen Job “trimedialen Chefredakteur”. Der Blog Flurfunk-Dresden weiß allerdings die Maßnahme richtig einzuordnen:

Trotzdem, man spart jetzt nicht nur einen Chefredakteur und schreibt groß “trimedial” drüber, weil das gut klingt. Wie viel Auswirkungen aber das neue Konzept und die Person Raue konkret auf das TV- und Radio-Programm und die Internetberichterstattung hat – das hängt sicherlich auch von der Bereitschaft der Direktoren ab, den Neuen machen zu lassen.

 

Sparzwang herrscht allerdings auch bei der ARD. Denn sein Geld möchte man bei dem öffentlich finanzierten Senderverbund anderweitig anlegen, wie Spiegel online berichtet:

Rund 54 Millionen Euro will sich die ARD den neuerlichen Kauf von Übertragungsrechten für Boxkämpfe im Ersten kosten lassen – der Vertrag würde die Jahre 2013 bis 2015 umfassen. "Mit Blick auf jüngere Zuschauer" handele es sich um "ein gutes Ergebnis für das Erste Programm", heißt es in einer Beschlussvorlage des MDR-Rundfunkrats.

Es gibt auch eine Begründung für diese immense Investition, die allerdings auch Spiegel online als “eher abenteuerlich bezeichnet:

Er diene dem "audience flow" am späten Samstagabend. Damit ist gemeint, dass populäre Sendungen einem quotenschwachen Format, das im direkten Umfeld gesendet wird, Zuschauer bescheren können. Als positives Beispiel nennen die ARD-Verantwortlichen ausgerechnet das "Wort zum Sonntag". Als 2009 die samstägliche Kurzpredigt in eine Boxübertragung integriert wurde, schrumpfte die Zuschauerzahl nur um knapp die Hälfte – auf rund 3,5 Millionen. Normalerweise verfolgen nur um die 1,7 Millionen Zuschauer die religiösen Botschaften.

Boxen ist, wenn jemand auf die Fresse kriegt. Das tut weh. Aber die ein oder andere Programmentscheidung der ARD tut auch weh.

Stefan Raue: ein trimedialer Chefredakteur für den MDR

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter