Der Neonazi-Terror und die Mordserie an türkischen Imbissbudenbesitzern erschüttert das Land und auch die Medienlandschaft. Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer gestrigen Ausgabe (16.11.2011) eine ganze Seite dem rechten Terror und seinen Hintergründen gewidmet. In einem FAQ-Artikel über Wissen und Spekulationen der Ermittlungsbehörden schreibt Hans Leyendecker:
Dass ein braunes Killerkommando unterwegs war und Menschen aus purem Fremdenhass tötete, überstieg auch die Phantasie der ausgekochtesten Spezialisten.
Warum eigentlich? Mindestens neuen in der Regel türkisch-stämmige Menschen werden ermordet, und die Phantasie reicht nicht aus, auf die Überlegung zu kommen, ob es sich um fremdenfeindliche Motive handeln könnte? Wozu braucht es dazu überhaupt Phantasie? Im Gegenteil, der Schluss auf mögliche Verstrickungen der Neonazi-Szene liegt doch so nahe, dass man schon fast bösen Willen annehmen muss, um diese Möglichkeit von vornherein auszublenden. Darauf deuten auch die „Ermittlungspannen“ hin, deren Pannencharakter (sprich: Unabsichtlickeit) sich nun erst noch erweisen muss. Wie z.B. der Umstand, dass die Redaktion des Kölner Stadtanzeigers bereits im Jahr 2005 darauf hingewiesen hat, dass die Phantombilder der Täter von Köln-Mülheim und Nürnberg sich auffällig ähnlich sehen. Man braucht schon Phantasie, um nicht an neonazistische Verstrickungen zu glauben — womöglich auch in den Reihen der Ermittlungsbehörden.
Nachtrag 17.11.2011, 17:15 Uhr:
In der Süddeutschen Zeitung des heutigen Tages geht es in der Reportage auf Seite 3 um eben jene Keupstraße im Kölner Stadtteil Mülheim, die Schauplatz des Anschlags von 2004 war. Autor Bernd Dörries berichtet darin u.a. vom Besuch des Istanbuler Bürgermeisters Kadir Topbas in der Straße, die auch „Klein-Istanbul“ genannt wird. sein Besuch galt eigentlich dem 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens, das gefeiert werden sollte:
So war das geplant. Dann wurde klar, dass es in diesem Land rechte Mörder gibt.
Die Süddeutsche Zeitung gibt sich ersichtlich Mühe, Licht in diese verworrene Geschichte des rechten Terrors zu bringen. Und doch wird auch in der Süddeutschen deutlich, wie schnell in diesem Zusammenhang so katastrophal missverständliche Sätze fallen. Es ist nun wirklich nicht seit letzter Woche klar, dass es „in diesem Land rechte Mörder gibt“: Deutschland ist das Land der rechten Mörder und wird ihretwegen unwiederbringlich in die Geschichte des Bösen eingehen. Klar wird etwas ganz anderes: Die rechten Mörder waren nie weg. Und das ist noch viel bedenklicher.