Die edelste Aufgabe eines Fernsehsenders ist das Programmieren. Das unterscheidet das Fernsehen ja (jedenfalls noch) von Abrufkanälen und Youtube: Eine schematisch festgelegte Folge von Programmangeboten, die in Summe das Fernseh-Programm ausmachen. Der Fernsehsender Pro7 hatte allerdings auf diese süße Pflicht an Weihnachten keine Lust mehr. An Heiligabend stellte der Sender nach „Heute kommt der Weihnachtsmann“ und einer letzten „Newstime“ um 18:05 Uhr die Programmierung ein. Ab diesem Zeitpunkt liefen erst hintereinander vier Folgen der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ und danach für den Rest des Abends eine Folge von „Two and a half men“ nach der anderen. Bis 2:50 Uhr in der Frühe. Dann ging es mit der US-Fernsehserie „Malcom mittendrin“ ebenso weiter. Man muss allerdings für Pro7 ein bisschen Verständnis aufbringen: Der Heiligabend ist der quotenschwächste Abend des gesamten Fernsehjahres. Selbst Dauergucker schaffen es in dieser heiligen Nacht, mal für ein paar Stunden abzuschalten. Das hat sich natürlich bei den Werbepartnern von Pro7 herumgesprochen. Warum sich also überhaupt irgendeine Art von Mühe geben und das tun, wofür ein Fernsehprogramm eigentlich da ist, nämlich programmieren?! Also hat man das Fernsehprogramm eingestellt und pro forma irgend etwas laufen lassen, damit die Mattscheibe beim Durchzappen nicht schwarz bleibt. Denn wie sähe das denn aus?
Archive for Dezember, 2011
Spiegel: Schwindel an der Zentrifuge
Unter der Überschrift „Schwindel am Schmelzofen“ veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel (47/2011) einen Artikel darüber, dass die berühmte „säugende Wölfin“, Wahrzeichen der Stadt Rom und eines der Prunkstücke der kapitolinischen Museen, nicht das 2.500 Jahre alte Werk eines etruskischen Bildhauers, sondern eine Imitation aus dem Mittelalter sein soll:
Doch nun zeigt sich: Das rund drei Zentner schwere Metall ist ein Imitat. Bereits im Jahr 2006 – nach einer umfassenden Restaurierung der Skulptur – hatte die italienische Kunstgeschichtlerin Anna Maria Carruba diesen Verdacht geäußert. Eine Prüfung des Archäologen Edilberto Formigli, der sich unter andereme auf eine C-14-Datierung stützt, bestätigt das Ergebnis nun: Die Lupa stammt aus dem Mittelalter.
An dem Artikel ist doch einiges verwunderlich: Offensichtlich handelt es sich um eine Geschichte, die selbst schon angegraut ist. Das gibt der Spiegel auch unumwunden zu („bereits im Jahr 2006“). Aktualität suggeriert er dadurch, dass es scheinbar neue Forschungsergebnisse gibt („… nun zeigt sich …“). Was der Spiegel allerdings unterschlägt, ist der Umstand, dass auch diese Ergebnisse alles andere als neu sind. So hat die Tageszeitung Die Welt schon im Jahr 2007 darüber berichtet. Auch der Online-Dienst Shortnews und einige andere Quellen haben diese Geschichte schon vor Jahren publiziert.
Noch etwas anderes verwundert aber am Spiegel-Artikel (und übrigens auch am Beitrag in der Welt): Die wissenschaftliche Methode, mit der dieses Forschungsergebnis erzielt worden sein soll, nämlich die sog. C14-Methode. Die Altersbestimmung anhand des Kohlenstoff-Isotops 14 hat der US-amerikanischen Chemiker Willard Libby Anfang der 1950er Jahre entdeckt, was ihm den Nobelpreis einbrachte. Ein kleiner Beitrag auf den Internetseiten der Uni Paderborn beschreibt die Methode sehr gut:
Das radioaktive Datieren basiert darauf, dass einige Holz- oder Pflanzenüberbleibsel Rückstände von Kohlenstoff 14, einem radioaktiven Isotop des Kohlenstoffs, aufweisen. Dieses Isotop wird von der Pflanze während ihres Lebens gespeichert und beginnt mit ihrem Absterben zu zerfallen. Da die Halbwertszeit von Kohlenstoff 14 sehr groß ist (ungefähr 5568 Jahre), verbleiben messbare Mengen des Kohlenstoff 14 auch noch nach vielen tausend Jahren. Libby zeigte, dass es durch eine geeignete Labormessung möglich ist, den Anteil der verbleibenden Originalmenge des Kohlenstoff 14 akkurat zu bestimmen, selbst dann, wenn nur noch ein winziger Teil der Originalmenge vorhanden ist.
Die Bestimmung funktioniert ausschließlich an organischem Material, denn nur das speichert überhaupt Kohlenstoff. Bei anorganischen Materialien, beispielsweise Metall, funktioniert die Altersbestimmung nach der C14-Methode gerade nicht. Archäologen behelfen sich bei metallischen Funden (z.B. Grabbeigaben) damit, gleichzeitig aufgespürte organische Überbleibsel zu bestimmen und auf die metallischen Fundstücke rückzuschließen. Das funktioniert aber natürlich nicht immer einwandfrei.
Wie soll nun die C14-Methode auf die kapitolinische Wölfin angewandt worden sein? Sollte die Wissenschaft hier tatsächlich eine Weiterentwicklung der Methodik gelungen sein, um auch Metalle altersmäßig zu bestimmen, wäre das für die Archäologie ein echter Durchbruch und darum auch für Journalisten eine große Geschichte wert. Doch genau darüber schweigen sich die Autoren aus. So wird mit Halbwissen eine Halbgeschichte präsentiert, die nicht Hand und nicht Fuß hat. Auf dass Romulus und Remus noch ein paar Jahrhunderte weiter säugen dürfen!
Journalismus als Marionette der Medien
Dafür, dass der Journalismus innerhalb des Mediensystems nur an einem dünnen Faden hängt, gibt der Kölner Stadtanzeiger immer wieder deutliche Belege. Selten jedoch wird er dabei so explizit wie in der heutigen Ausgabe. Unter der Überschrift „Zwei Höhner stürzen in Orchestergraben“ ist zu lesen:
Von der Nummer mit Hennes und Hannes als Handpuppen war das Publikum besonders angetan.
Artikel mit K-Bezug (K wie Karneval) gehen im K-StA selbstredend besonders gut. Ein Foto der beliebten Karnevalskapelle „Höhner“ sorgt zusätzlich für Aufmerksamkeit und Auflage. Was aber, wenn das Foto etwas ganz anderes zeigt, als der Artikel behauptet?
Das Bild zeigt es doch überdeutlich: Nicht „Handpuppen“, sondern Marionetten halten die beiden Musiker in Händen. Es weist sich eben doch allzu deutlich: Auch der Journalismus ist in manchen Verlagshäusern nur die Marionette der Medien.
Blackberry-Pause
Nach IBM will jetzt auch die Volkswagen AG den “information overload” für seine Mitarbeiter eindämmen. Der informative Wert vieler geschäftlicher Emails ist ohnehin gering, dafür kann die Flut an Nachrichten schwere seelische wie auch wirtschaftliche Schäden zur Folge haben. Auf Spiegel Online ist zu lesen:
Volkswagen setzt ein Zeichen gegen die totale Erreichbarkeit: Bei dem Autobauer werden künftig nach Feierabend keine E-Mails mehr an die Blackberrys von Mitarbeitern verschickt. So will der Betriebsrat die Belegschaft vor übermäßigem Stress schützen.
Bayernkurier kritisiert Bayerischen Rundfunk als “Rot-Grün-Funk”
Ja, gibt es denn den immer noch? werden vernünftige Leute im Land sich fragen. Die Rede ist vom Bayernkurier, dem Parteiblatt der Christlich-Sozialen Union (CSU), dem CDU-Ableger im Freistaat Bayern. Das auch als “Schwarze Prawda” bezeichnete Blatt, dem Ausgewogenheit nicht als wärmende Unterlage in die Wiege gelegt wurde (eine Wiege, die im übrigen von Franz Josef Strauß selig geschaukelt wurde), beschwert sich aktuell über Unausgewogenheiten beim Bayerischen Rundfunk …
Weiterlesen auf Telepolis
Handyverbot trotz Freisprechanlage?
In den USA will die staatliche Verkehrssicherheitsbehörde NTSB offenbar das Handytelefonieren während des Autofahrens auch dann untersagen, wenn eine Freisprechanlage zum Einsatz kommt. Focus Online berichtet dazu:
Hintergrund ist die hohe Anzahl von Verkehrsunfällen, bei denen Ablenkung des Fahrers eine Rolle spielte. Rund 3.000 Personen kommen dabei jährlich in den USA ums Leben. Verboten werden soll neben dem Telefonieren auch das SMS-Schreiben und das Surfen im Internet.
Nicht die Hände, sondern das Gehirn seien schließlich beim Telefonieren abgelenkt.
Kölner Stadtanzeiger: Wo bitte liegt Europa?
Nun gut, Europa ist groß geworden, die Europäische Union hat eine schon fast unüberblickbare Zahl von Mitgliedern und überhaupt ist die Welt nicht erst seit Jürgen Habermas rechtschaffen unübersichtlich geworden. Es muss also nicht jedermann und jederfrau wissen, wieviele Mitgliedsstaaten die Europäische Union hat und womöglich, wie sie heißen. Aber muss es ein Zeitungsredakteur wissen? Schon eher, vor allem, wenn er über die Europäische Union und seine Mitgliedsstaaten schreibt. Nicht so beim Kölner Stadtanzeiger. Dort darf ein Beitrag auch so aussehen:
Im Kölner Stadtanzeiger dürfen in der einen Spalte eines Artikels die Länder Bulgarien und Rumänien (ganz nebenbei bemerkt: völlig zurecht) als Mitglieder der EU bezeichnet werden. In der anderen Spalte ebendesselben Artikels darf dann aber behauptet werden: “Der Beitritt Bulgariens und Rumäniens liegt auf Eis”. Der Stadtanzeiger-Redakteur hätte sich natürlich einfach hier, hier und geradewegs hier informieren können. Aber warum recherchieren, wenn man auch ohne das Unsinn schreiben kann. Dass hier scheinbar von der Nachrichtenagentur dpa abgeschrieben wurde, macht die Sache wie auch in einem anderen Fall nicht besser. Auch Abschreiben will eben gelernt sein: Von der Neuen Presse Coburg bis zur Grevener Zeitung hat man mehr Durchblick (oder mehr Talent beim Abschreiben von dpa-Meldungen) bewiesen: Es ging nämlich nicht um den Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur EU, sondern um deren Mitgliedschaft in der “Schengen-Gruppe”, innerhalb derer Grenzkontrollen entfallen.
Kölner Stadt-Anzeiger: Kantersieg des 1. FC Köln ohne Kanter-Artikel
FC-Fans haben ja nicht ständig so viel Grund zur Freude: Weder was das aktuelle Spielgeschehen, noch was die Berichterstattung darüber im Kölner Stadtanzeiger angeht. An diesem Wochenende wäre es aber doch einmal so weit gewesen. Immerhin bezwingt der 1. Fc Köln mit 4:0 Toren den SC Freiburg. Nach dem Kantersieg hätte sich der FC doch auch mal einen Kanter-Artikel verdient. Doch den Kölner Stadtanzeiger berührt das wenig. In seiner Online-Ausgabe macht er daraus kurzerhand lediglich ein 2:0.
Nach dem Wechsel verflachte die ohnehin ereignisarme Partie noch ein wenig mehr. Die erste große Chance hatten die Freiburger, als Felix Bastians eine Flanke von Cisse aus kurzer Distanz neben das Tor setzte. Die Kölner fanden kaum noch ins Spiel, konterten aber wieder gut: Erneut auf Vorlage von Peszko gelang Podolski auf 14 Metern das 2:0. (dapd)
Eine Partie mit vier Toren (noch dazu ein spektakuläres Ecken-Tor) “ereignislos” zu nennen, ist schon eigentümlich. Aber den Artikel mit dem 2:0 enden zu lassen, wo doch das Doppelte gerade gut genug gewesen wäre, das ist ein echtes Eigentor. Dass hierbei offensichtlich von der Nachrichtenagentur dapd abgeschrieben wurde, kommt noch erschwerend hinzu: Kann denn der Kölner Stadtanzeiger nicht einmal mehr bei Heimspielen eines Kölner Fußballclubs mit Eigenberichten aufwarten? Da hilft nur eins: Auswechseln und zum Duschem schicken!
Wikipedia: Weisheit aus dem Netz
Wikipedia sammelt ja nicht nur das enzyklopädische Wissen der Welt, es führt das eine oder andere Mal auch die Gesetze der Logik mit seltener Drastik vor. Wie in dem Artikel über die neue US-Fernsehserie des genialen David E. Kelley:
Harry und ihr Partner Adam Branch verteidigen zusammen Personen vor Gericht, die entweder schuldig oder unschuldig sind.
Unwiderlegbar, diese Logik. Genial eben.