Archive for Juli 23rd, 2012

ZDF: Alle sehen das Hakenkreuz, nur „Aspekte“ nicht


23 Jul

Der russische Opernsänger Evgeny Nikitin darf wegen eines Fernsehbeitrags im ZDF-Kulturmagazin „Aspekte“ nicht den „fliegenden Holländer“ bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen singen. In dem Film waren Archivbilder zu sehen, die ihn mit nacktem Oberkörper als Schlagzeuger einer russischen Punkband zeigen. Die rechte Brust bedeckt dabei ein gigantisches, mit Ornamenten versehenes Hakenkreuz.

Foto: Screenshot

Ein gigantisches Hakenkreuz? So groß war es wohl nicht, denn die Aspekte-Reporter vom ZDF haben es offenbar nicht als solches wahrgenommen. So wird in dem folgenden Interviewausschnitt Sänger Nikitin zwar auf seine Tatoos allgemein angesprochen, nicht aber aufs Hakenkreuz.

Das tätowierte Hakenkreuz hat Nikitin mittlerweile längst mit einem anderen Motiv überstechen lassen und als „Jugendsünde“ bezeichnet — in dem ZDF-Beitrag spricht er allerdings noch von „guten verrückten Sachen“. Ob es sich dennoch um ein Mal handelt, das für die Bayreuther Festspielveranstalter eher ein Schand- als ein Mahnmal darstellt und dessentwegen der Sänger von der Bühne verbannt gehört, muss man wohl auf dem Grünen Hügel selbst entscheiden. Dass gerade in Jugendsubkulturen wie dem Punk das Hakenkreuz als provozierendes Symbol diente, das gerade nicht als rechtsextremistische Äußerung verstanden werden durfte, davon spricht immerhin ein FAZ-Artikel:

Dass Punk-Ikonen wie Siouxsie von der Band „Siouxsie and the Banshees“ oder Sid Vicious eine Zeitlang Hakenkreuz-Armbinden trugen, bedeutete nicht, dass sie sich Rechtsextremismus oder gar die Ideologie der Nazis auf die Fahnen geschrieben hatten. Nein, das Hakenkreuz war einfach als naive Provokation gedacht. Wichtig war der Effekt, den es auf brave Bürger hatte. Das Hakenkreuz verbreitete Angst und Abscheu, und genau darauf hatte man es abgesehen.

Selbst als Statement, das nur um der Provokation willen getan wird, ist ein Hakenkreuz ziemlich dämlich und spricht für die anzunehmende Naivität der Provokateure. Naivität darf man aber auch den ZDF-Journalisten unterstellen. Nicht nur, dass der Aspekte-Beitrag auch handwerklich schlecht gemacht ist: Wenn Nikitin davon spricht, dass man als Rockmusiker ohne Tatoos einfach nicht „serious“ sei, meint er damit nicht „seriös“, wie das ZDF übersetzt, sondern „nicht ernstzunehmen“. In seiner Bilderarmut, die in Ermangelung von Probenbildern aus dem Festspielhaus tatsächlich ärmlich daher kommt und nichtssagende Bilder eines durchs triste Bayreuth spazierenden Opernsängers mit Kauzenpulli präsentiert, ist der Film so banal, dass es schon verwundert, wie Kulturjournalisten gerade jener Nachfrage entsagten, die ihren Beitrag zum „scoop“ hätte machen können. So bleibt, dass „aspekte“ irgendwie für große Aufregung gesorgt hat, ohne dass das Kulturmagazin es selbst so richtig mitbekommen hätte.

Kölner Stadt-Anzeiger sieht älter aus als angenommen


23 Jul

Charlemagne_denier_Mayence_812Historiker des Kölner Stadtanzeigers haben in den Untiefen ihres Zeitungsarchivs gegraben und zwischen den längst versteinerten Überresten der “Kölnischen Zeitung” sensationelle Funde zur Regionalgeschichte des Rheinlands entdeckt:

Die Aachener Stadtgeschichte muss wohl neu geschrieben werden. Denn lange vor Karl dem Großen, viel länger als bisher angenommen, kamen die Menschen schon hierher.

Die Formulierung deutet in all ihrem Unglück darauf hin, dass die Aachener Stadtgeschichte mit Karl dem Großen (Kaiserkrönung im Jahr 800 n.Chr.) begönne. Allerdings haben, wie weiter unten im Artikel auch ganz richtig vermerkt wird, schon die Römer um die Zeitenwende in Aachen gesiedelt (und ihr ihren Namen gegeben).

Aber auch, was als eigentliche Sensation in dem Artikel verkauft wird, ist bei näherem Hinsehen keine solche: Dass schon in der Jungsteinzeit auf dem Gebiet des heutigen Aachen gesiedelt wurde, ist, wie schon im entsprechenden Wikipedia-Artikel nachzulesen ist, keine große Neuigkeit. Worin dann überhaupt der Nachrichtenwert dieses von dpa gelieferten Artikels besteht, bleibt unklar.

Stadtgeschichte: Aachen ist älter als angenommen | Kultur – Kölner Stadt-Anzeiger

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