Archive for Februar, 2013

Die schlechten Bücher des F. Schirrmacher


18 Feb

F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher (Foto: Wikimedia)

Frank Schirrmacher ist nicht nur Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), sondern auch Bestseller-Autor. Mit populären Sachbüchern wie „Der Methusalem-Komplex“ oder „Payback“ hat Schirrmacher hohe Auflagen und einige Übersetzungen erzielt. Nun schlägt das Geistesimperium zurück. Seinem neuen Titel „Ego“ attestiert der Feuilleton-Chef der „Welt“, Cornelius Tittel, “ Logik-Löcher und Anschlussfehler“ und resümiert:

So schwer es jedem denkenden Menschen fallen dürfte, „Ego“ zu Ende zu lesen – schwerer wiegt nur die Last, sich ernsthaft mit Schirrmachers Thesen auseinandersetzen zu müssen. (…) Wo man auch bohrt, es sind denkbar dünne Bretter, aus denen Schirrmacher sein windschiefes Gedankengebäude zimmert

Ähnlich kritisch geht Joachim Rohloff in einer Rezension von Schirrmachers letztem Buch „Payback“ in der Zeitschrift „Merkur“ mit dem Autor und seinem Verlag ins Gericht.

Hier muss ein Komma, dort ein Wort eingefügt oder gestrichen werden, hier muss man den Numerus, dort das Tempus oder den Modus eines Verbs korrigieren, bis man meint, man habe es nicht mit dem Kulturkopf der FAZ zu tun, sondern mit einem Praktikanten von Kicker online. Viele Sätze muss man zwei- oder dreimal lesen, bevor man den Fehler entdeckt und beheben kann. Dann erst stellt ein Sinn sich ein, von dem man aber nie mit Gewissheit annehmen darf, er treffe das, was der Autor sagen wollte. Das Internet fresse unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit, behauptet Schirrmacher. Bei der Lektüre seines Buches denkt man eher, es sei die Verkommenheit der hiesigen Verlagsbranche.

Man muss dazu sagen, dass der Bereich „populäre Sachbücher“ im Buchmarkt ein schwieriges und umkämpftes Gebiet ist. Ständig hat man mit Lektoren und Buchmanagern zu tun (wobei moderne Lektoren nichts anderes mehr sind als Buchmanager), die es noch etwas plakativer und noch etwas simpler gestrickt haben möchten. Aber gerade deswegen hat ein Autor die Pflicht, im Zweifel sich auch einmal gegen einen Lektor durchzusetzen und ein wenig Qualität im Buch zu belassen. Vor allem, wenn er Frank Schirrmacher heißt. Wie sagt die F.A.Z.-Werbung: „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Es wäre zu wünschen, dass er sich manchmal auch hervortraut, der Kopf.

Postdemokratie: Raab, Jauch und der Politjournalismus


16 Feb

Raab meets Stoiber, Quelle: Wikimedia (M)

Es war der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der den TV-Entertainer Stefan Raab als (Mit-)Moderator des sog. Kanzlerduells, also des Fernsehinterviews mit den beiden KanzlerkandidatInnen von CDU und SPD, ins Spiel gebracht hat. Schon das hätte einen skeptisch machen müssen. Denn um Partizipation, größere Politikakzeptanz oder einen Rückgang der Politikverdrossenheit kann es ja Edmund Stoiber oder seiner Partei, der CSU, nicht gehen. Im Gegenteil sind es Stoiber und die CSU gewesen, die ganz wesentlich zu Politikverdrossenheit und einem Niedergang von Partizipationsmöglichkeiten beigetragen haben. Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Studierende an Hochschulen keine hochschulpolitische Vertretung haben, Allgemeine Studierendenausschüsse sind per Gesetz verboten. Demokraten gerieren sich hier gerne mal als Quasi-Regenten, die Christsozialen als Staatspartei. Edmund Stoiber selbst hat als Kanzlerkandidat der CDU/CSU vor acht Jahren eine Einladung in Raabs Sendung kategorisch abgelehnt. Nimmt man Stoiber diese Begründung für seinen Vorstoß nicht ab, fragt man sich, was dann dahinter stecken könnte.

Nun, was anderes als das, für das sein Name und der seiner Partei steht: eine Depolitisierung der Politik, oder um es mit dem britischen Politologen Colin Crouch zu sagen: Post-Demokratie. Die Entpolitisierung gerade des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ja ein Vorgang, der die Zuschauer und Gebührenzahler schon seit Jahrzehnten begleitet und an dem gerade die großen Volksparteien ganz wesentlich beteiligt waren und sind. Jüngstes Beispiel ist die Ersetzung kritischen dokumentarischen Fernsehprogramms durch ein beliebiges Talksshowdurcheinander in der ARD, in dem ausgewiesene Fähigkeiten als Politikjournalist ganz offensichtlich das letzte Qualifikationsmerkmal sind, um Moderator oder Moderatorin dieser Sendungen zu werden: Dort treffen wir eine Sportjournalistin (Will), eine ehemalige Jugendjournalistin (Maischberger), einen Lokaljournalisten (Plasberg) und einen Boulevardjournalisten und Gameshowmoderator (Jauch). Der Politjournalist, der zuletzt wagte, Spitzenkandidaten kritische Fragen zu stellen, war der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, und genau aus diesem Grund ist er der ehemalige.

Mit Raab glaubt nun ein Stoiber, einen gefunden zu haben, der noch willfähriger und unpolitischer fragen wird als die öffentlich-rechtlichen Angestellten, die ihm und seinen Politikerkollegen sonst zunicken. Er könnte die Rechnung allerdings ohne den Metzgerssohn gemacht haben:

„Ich habe mir gestern bei YouTube nochmal Teile des letzten Kanzlerduells angeschaut. Schon in den ersten zehn Minuten gab es den Versuch eines Pointenfeuerwerks seitens der Moderatoren“, wird Raab auf Spiegel Online zitiert. „Wenn, dann kehrt mit mir die Seriosität zurück!“

 

Deutschlandradio Kultur über den ARD Markencheck


04 Feb

Heute im Deutschlandradio Kultur in der Sendung „Ortszeit“ gab es ein interessantes Interview zum ARD Markencheck, dessen vorerst letzte Folge sich heute Abend (20:15 Uhr) mit der Fa. Apple beschäftigen wird:

Interview Dradio Kultur 4_2_13

Wetten, dass …: Crossmarketing zwischen Spiegel und New York Times


01 Feb

„Ungelenk agierender Moderator“: Markus Lanz (Foto: Wikimedia)

Nun nimmt sich also sogar die ehrwürdige New York Times der ZDF-Fernsehshow „Wetten, dass …“ an. Nicholas Kulish, der Berlin-Korrespondent der bedeutendsten Tageszeitung der Welt, fragt in einem längeren Artikel im Onlineangebot der NYT, was die Show über das deutsche Fernsehen im speziellen und über die Kultur in Deutschland im allgemeinen aussagt. Die altmodische Anmutung, alberne Spiele und ein Moderator, der eher wie ein guterzogener Schuljunge daher kommt: Altbekannte Kritiken, die letztlich nur konstatieren lassen, dass es auch im Westen nichts Neues über das in die Jahre gekommene Schlachtschiff deutscher Fernsehunterhaltung zu sagen gibt.

Interessanter ist da schon, wie Spiegel Online über diesen Artikel berichtet. Der Spiegel und die New York Times betreiben hier nämlich eine eigenartige Spielform des Cross Marketing. Im Spiegel ist zu lesen:

Kulish sieht die Diskussion über die Show als Teil einer größeren Problemlage: Warum hat Deutschland, trotz großer literarischer und filmischer Traditionen, den Anschluß an anspruchsvolle, komplexe Fernsehformate nicht geschafft?

Sieht man sich die entsprechende Textstelle im englischen Original an, ist man doch perplex. Denn die etwas grobschlächtige Analyse deutscher Fernsehkultur stammt gar nicht von Nicholas Kulish, sondern ist wiederum nur ein Spiegel-Zitat:

Der Spiegel asked in its latest issue, “Why are Germans the only ones sleeping through the future of TV?” The magazine called German programs “fainthearted, harmless, placebo television.”

Eine merkwürdige Art des Zirkel-Zitats: Der Spiegel zitiert eine Phrase der New York Times als originär amerikanische Sicht aufs deutsche Fernsehen, die in Wahrheit vom Spiegel selbst stammt. Was bleibt unterm Strich als Fazit: Die New York Times findet das deutsche Fernsehen offenbar nicht wichtig, den Spiegel hingegen schon.

 

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter