Den großen medialen Erfolg des Anti-Kriegs-Dreiteilers „Unsere Mütter, unsere Väter“ im Zweiten Deutschen Fernsehen hat das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zu einer Titelgeschichte veranlasst, die sich mit der Remilitarisierung der bundesdeutschen Außenpolitik befasst und paradoxerweise Pro-Kriegs-Positionen einnimmt. Darin heißt es:
Ob aus Überzeugung oder aus Angst vor dem Wähler — unter Führung von Angela Merkel und Guido Westerwelle ist die deutsche Außenpolitik zur alten, unmündigen Unsicherheit zurückgekehrt. Die Enthaltung in Libyen, das Minimalprogramm in Mali, die Passivität in Syrien — um jeden Preis geht es darum, ein militärisches Engagement zu vermeiden.
Um Berichterstattung und die wertneutrale Vermittlung der Realität, wie es einem „Nachrichtenmagazin“ ziemen würde, handelt es sich bei diesem Absatz (und dem ganzen Artikel) nicht. Was vorliegt, ist stattdessen eine Aneinanderreihung von wertenden und normatiefen Sätzen. Auch wertende Sätze enthalten natürlich beschreibende und damit empirisch nachprüfbare Bestandteile. Mit dieser Überprüfung allerdings hält der „Spiegel“ sich nicht lange auf. Sonst wäre schließlich zu fragen, wie die militärischen Kampagnen in Afghanistan, in Somalia oder im Kosovo zu Demokratie und Wohlfahrt der dortigen Bevölkerungen beigetragen hätten. Und in praktisch jedem Fall wäre die Antwort wohl negativ. Was übrig bleibt, ist Kampagnenjournalismus der plumperen Sorte. Das bemerken auch die „Nachdenkseiten“ und bemerken:
Der Spiegel macht sich zum Sprachrohr derjenigen, die das im Grundgesetz verankerte Prinzip einer Verteidigungsarmee umdefinieren möchte und die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee machen will. Deutschland müsse seine wirtschaftliche Machtstellung auch militärisch wahrnehmen. Deutschland soll, wie schon einmal in den unheilvollen Kapiteln seiner Geschichte, wieder seinen „Platz an der Sonne“ anstreben und die Machtpolitik, die es wirtschaftspolitisch derzeit in Europa mit der Durchsetzung der Agenda-Politik ausübt auch militärisch einsetzen. Der Spiegel propagiert das alte Weltmachtstreben, das Deutschland schon einmal zum Verhängnis wurde.
Es liegt noch keine kommunikationswissenschaftliche Definition des Begriffs Kampagnenjournalismus vor. Es gibt zu dem intrikaten Begriff aber einige kluge, auch: journalistische Stellungnahmen. Zum Beispiel diese:
Und längst kosten auch andere als das „Drecksblatt“ („SZ“-Preisverächter Hans Leyendecker über „Bild“) die süße Frucht der Bedeutung und das bittere Gift der Anmaßung, die im Kampagnenjournalismus liegen.
Und wer hat es geschrieben? Es war Jakob Augstein in seiner Kolumne für Spiegel Online.