Die ARD-Tagesschau gilt als Inbegriff des seriösen Journalismus. Doch auch in dieser Sendung passieren mitunter lustige Pannen:
Archive for November, 2013
Tagesschau-Pannen
Sportberichte vom Roboter: Automatischer Journalismus
Ein sehr schöner Beitrag über automatisierten Journalismus aus der ZDF-Reihe Elektrischer Reporter:
Hier wird auch über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen gesprochen und die Zukunftsfähigkeit des Modells betrachtet. Wahrlich der „elektrische Reporter“.
Essen fotografieren verboten!
Fotos von leckeren Gerichten und hübsch angerichteten Tellern sind auf Instagram, Facebook & Co. der Renner. Food-Fotos sind aber nicht immer gern gesehen. Gastwirte zum Beispiel dürfen das Fotografieren ihrer auf Teller dekorierten Speisen verbieten. Denn der Gastwirt hat in seinem Restaurant das Hausrecht und hat darum auch das Sagen, was Bild- oder Ton-Aufnahmen in seiner Lokalität angeht. Der Nachrichtenkanal N24 zitiert die Rechtsanwältin Astrid Auer-Reinsdorff:
Er ist der Hausherr und kann bestimmen, wie sich der Gast zu verhalten hat.
Die Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) weist allerdings darauf hin, dass das Fotoverbot selbstverständlich nicht gelte, wenn man sich Essen nach Hause liefern lasse. Speisen vom Bringdienst dürfen in den eigenen vier Wänden fotografiert und diese Bilder auch auf Bewertungsportalen, im eigenen Blog oder in den sozialen Netzwerken publiziert werden.
Ein Urheberrecht auf Speise-Kreationen haben wiederum Starköche, da sie „einzigartige Kreationen“ hervorbrächten. Bilder solcher Spitzen-Mahlzeiten dürften also auch jenseits des Hausrechts nicht im Internet veröffentlicht werden. In Berlin soll zwischenzeitlich ein Gastwirt ein Schild in seinem Lokal aufgehängt haben:
Bitte hier im Restaurant das Essen nicht instagrammen!
Na denn, guten Appetit!
Borussia Dortmund: Fankatalog vertauscht schwarz-gelb
Blöd gelaufen: Im neuen Fankatalog des Fußballvereins Borussia Dortmund wurde bei der Fotoauswahl offenbar nicht die nötige Sorgfalt walten gelassen. Auf einer Abbildung wird eine Tribüne voll mit Fans in den Farben schwarz-gelb gezeigt. Allerdings zeigt das Foto gerade nicht die berühmte „Wand“ im Dortmunder Stadion, sondern in Wahrheit Bayern-München-Fans, die ihre eigene Stadt hochleben lassen. Denn die Farben der bayerischen Landeshauptstadt München sind ebenfalls schwarz-gelb. Die Münchener Fanvereinigung Club Nr. 12 äußert süffisant:
Wir danken Borussia Dortmund für die Würdigung unserer Choreografie im Februar. Sie hat den Verantwortlichen so gefallen, dass man sie als eigene Choreo ausgibt und im aktuellen Katalog abdruckt.
Auf Twitter äußert sich „Lisas Welt“:
Eine Bayern-Choreo im BVB-Fankatalog – das ist das Quadruple.
Die Aufnahme wurde beim Pokalspiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund aufgenommen.
Schweiz: Verhaftung wegen Kontakt zu Journalisten
23 MitarbeiterInnen der Universität Zürich wurden von der Kantonspolizei einvernommen, zwei Personen wurden inhaftiert. Ihr einziges Vergehen: Sie hatten Email-Kontakt zu Journalisten.
Die Universität Zürich hat einen neuen Rektor. Es ist der bekannte Kommunikationswissenschaftler Ottfried Jarren, und er wird dieses Amt interimsweise ausführen. Und einen Kommunikationsexperten hat die Uni Zürich auch dringend nötig. Der Amtsvorgänger Fischer ist am Donnerstag von seinem Amt zurückgetreten. Der Rücktritt steht in Zusammenhang mit dem Fall Mörgeli, der die akademische und politische Welt der Schweiz seit geraumer Zeit in Atem hält. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen in dieser Sache umfassten offenbar auch die gezielte Auswertung des Email- und Datenverkehrs im Computernetzwerk der Uni Zürich. Kritiker sprechen von Rasterfahndung und auch der Schweizer Datenschutzbeauftragte hat Bedenken angemeldet. Die polizeilichen Vorladungen und Verhaftungen lassen nach Ansicht des Züricher Tagesanzeigers “jede Verhältnismäßigkeit vermissen”.
Christoph Mörgeli ist nicht nur als Professor für Medizingeschichte und als Kurator des Medizinhistorischen Museums Angestellter der Uni Zürich, er ist als bekannter Abgeordneter der rechtspopulistischen SVP durch viele Fernsehauftritte auch über akademische Kreise hinaus in der Schweiz bekannt. Eine Untersuchung hatte allerdings ergeben, dass Mörgeli über sein politisches Mandat seine Hochschulaufgaben offenbar etwas schludern ließ:
Vor allem Museum und Objektsammlung zeigten sich in einem beklagenswerten Zustand: fehlerhaft, veraltet, nicht auf dem Stand der Forschung, seit Jahrzehnten nicht professionell betreut. Nicht einmal die Grundreinigung sei geregelt.
Noch einen weiteren Vorwurf musste Mörgeli sich gefallen lassen: Wie der Schweizer Tagesanzeiger und das Schweizer Fernsehen berichteten, soll Mörgeli Doktorarbeiten durchgewunken haben. Die Affäre führte zur Entlassung Mörgelis im September 2012.
Damit ist der Skandal aber nicht am Ende, sondern fängt erst richtig an. Die Uni Zürich strengt nämlich staatsanwaltliche Ermittlungen gegen das mutmaßliche Informationsleck an, durch das die Informationen der internen Begutachtungen an die Presse lanciert worden sein sollen. Der zuständige Staatsanwalt allerdings ist ein Parteifreund des SVP-Politikers Mörgeli. Der Email- und Datenverkehr der Uni Zürich wird von den Ermittlungsbehörden gescannt und 23 Unimitarbeiter werden von der Polizei vorgeladen einzig aus dem Grund, dass von ihren Email-Accounts aus Nachrichten mit Verlagshäusern und Medienkonzernen getauscht wurden. Dass in den meisten Fällen schlicht Univeranstaltungen an die Veranstaltungsserviceredaktionen gemeldet wurden, spielte dabei keine Rolle.
Zwei Personen wurden gar für eine Nacht inhaftiert, weil sie Emailkontakt zu Journalisten hatten: Professorin Iris Ritzmann und ihr Ehemann, die beide auch am medizinhistorischen Institut arbeiteten. Angeblich soll die Professorin das “Amtsgeheimnis” verletzt haben. Auch ihr wurde von der Uni Zürich gekündigt, und darüber hinaus sollte sie für ein Jahr ihr Gehalt zurückzahlen und ihren Professorinnen-Titel verlieren. Dabei ist die Beweislage Frau Ritzmann ausgesprochen dünn, wie die F.A.Z. feststellt:
Sie selbst räumt ein, im Kontakt mit dem betreffenden Journalisten des „Tagesanzeigers“ gestanden und falsche Informationen, die er hatte, korrigiert zu haben. Dazu habe sie ihm ein Passwort zur Studentenplattform der Universität weitergegeben: 25.000 Studierende haben ein solches, um ihre Kursunterlagen einsehen zu können. Welche Geheimnisse dadurch berührt sind, ist unerfindlich.
200 Wissenschaftler haben gegen die Entlassung der angesehenen Wissenschaftlerin protestiert. Aufgrund des öffentlichen Drucks ist nun der Rektor der Uni Zürich zurückgetreten.
Die F.A.Z., die bislang als einziges bundesdeutsches Medium den Skandal aus dem Nachbarland aufgegriffen hat, fasst einen Teil des Skandalons so zusammen:
Dass eine Universität die Unschuldsvermutung für eines ihrer Mitglieder missachtet, das Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen wurde, ist ein starkes Stück. Dass sie es gegenüber einer Person tut, die nachweislich den Ruf ihres Instituts in Zeiten aufrechterhalten hat, in denen er durch den gefährdet war, der jetzt zum moralischen Nutznießer dieses Vorgehens wird, ist niederträchtig. Dass die Universität Zürich der Staatsanwaltschaft freiwillig einräumte, den gesamten E-Mail-Verkehr der Hochschule auf Pressekontakte hin abzusuchen, nur weil ein Gutachten, das kurz darauf jeder lesen konnte, weitergegeben wurde, ist geeignet, ihren Ruf als Ort freien Austauschs dauerhaft zu beschädigen.
In Gefahr ist aber nicht nur der Ruf einer wissenschaftlichen Einrichtung als “Ort des freien Austauschs”. Es geht in dem Fall auch um die Pressefreiheit in einem Land, das sich bei anderer Gelegenheit als älteste Demokratie Europas bezeichnen lässt. Denn die, offenbar auch politisch motivierten, Ermittlungen dienten nicht nur der Verfolgung eines mehr als fraglichen Delikts, sondern auch der Einschüchterung von Whistleblowern, die einen wirklichen Skandal an die Öffentlichkeit gebracht haben. Professorin Ritzmann, wenn sie denn überhaupt der gesuchte Whistleblower ist, hat das typische Schicksal einer Kassandra-Ruferin erlitten: Bestraft wird die, die den Skandal verkündet. Das ist nicht nur, was den akademischen Betrieb der Uni Zürich, sondern auch, was die staatlichen Stellen und Ermittlungsbehörden angeht, für einen demokratischen Rechtsstaat sehr bedenklich.
Dass die deutschen Medien mit einer einzigen Ausnahme diesen Fall nicht aufgreifen, ist darum unverständlich. Denn die internationale Tragweite ist in Zeiten von Snowden und Wikileaks enorm. Pressefreiheit heißt auch Schutz von Quellen. Und Skandale öffentlich machen darf nirgendwo auf der Welt strafbar sein.
Abhöraffäre: Altbundeskanzler meets Kafka
Altbundeskanzler Helmut Schmidt genießt in der Bundesrepublik Deutschland allerhöchstes Ansehen: Eine Universität und ein Journalistenpreis sind nach ihm benannt, er steht im Ruf, auszusprechen, „was andere oft nicht zu denken wagen“. Dafür hat er ein ideales Forum, denn schon seit 1983 ist er Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. In der äußert der Tabakpropagandist Schmidt sich gerne hin und wieder „auf eine Zigarette“ oder gibt mehr oder weniger staatstragende Kommentare von sich.
So auch in der jüngsten Zeit-Ausgabe zur Abhöraffäre. Da gibt der ehemalige Bundesverteidigungsminister, Hamburger Innensenator sowie Bundeskanzler Einschätzungen zum besten, die gerade in Anbetracht der imposanten Ämter, die er in seiner Karriere innehatte, stutzig machen. Er bezeichnet Geheimdienste nämlich insgesamt als „überflüssige Dienste“. Schon als junger MdB habe Schmidt den BND und dessen Gründer Reinhard Gehlen kennengelernt und dabei gewisse Vorurteile gegen die Organisation gebildet:
Später wurde ich in Hamburg Innensenator und damit zugleich Chef des Verfassungsschutzes in der Hansestadt. In dieser Zeit wurde aus meinem Vorurteil gegenüber den Geheimdiensten ein endgültiges Urteil.
Er habe sich auch in seiner Zeit als Bundeskanzler nicht um den Geheimdienst geschert:
Deshalb habe ich mir später als Regierungschef niemals einen Bericht des BND vorlegen lassen.
Doch wenn Helmut Schmidt als Chef der Exekutive und ausführendes Organ der Staatsgewalt die Dienste seiner Zuträger BND nicht goutierte und nicht in Anspruch nahm, warum hat er seine politische Macht dann nicht genutzt und diese offensichtlich völlig nutzlose staatliche Organisationseinheit abgeschafft? Schmidt schreibt in dem Zeit-Artikel noch etwas Bemerkenswertes. Er äußert nämlich den Verdacht, dass die Dossiers seines eigenen Geheimdienstes gar nicht auf objektiven Erkenntnissen, sondern auf den privaten politischen Ansichten von dessen Mitarbeitern beruhe – ein beunruhigender Gedanke:
Ich wusste, die Einschätzung des Geheimdienstes beruhte zum Teil auf dem Abhören von Telefonen, manchmal auf Indizien und oft auf Eindrücken, die stark gefärbt waren durch die politische Präferenz des Berichtenden.
Wes Geistes diese politischen Präferenzen gewesen sein werden, kann jeder erahnen, der weiß, dass der BND-Gründer Gehlen vormals SS-Mann war, seine Mitarbeiter aus seiner ehemaligen Kameradschaft rekrutierte und etwa den Kriegsverbrechern Eichmann und Brunner zur Flucht verhalf und damit der gerechten Strafverfolgung entzog.
Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat also eine staatliche Organisation erhalten, die offenbar nur l’art pour l’art betrieb, dabei aber illegal vorging („Jedermann weiß, dass die Auslandsgeheimdienste in aller Welt Dinge treiben, die nach dem dort geltenden Gesetz verboten sind“), vermutlich verfassungsfeindlich war und ausschließlich nutzlose Papiere erstellte, die nur der Förderung der eigenen (rechtslastigen) politischen Ansichten diente. Kurzum: Ein deutscher Kanzler hat zugesehen, wie unter seiner Regierung ein kafkaesker „zweiter Staat“ sich bildete, der ja auch im Rahmen der NSU-Ermittlungen vom Ausland sehr kritisch registriert wurde. Wenn Helmut Schmidt diese Bekenntnisse ernst meint, muss er sich fragen lassen, ob er gegen seinen Amtseid verstoßen hat, in dem er gelobte, Schaden von der Bundesrepublik abzuhalten. Und sein Plädoyer für mehr Gelassenheit kann man auch lesen als Bestätigung all derjenigen Leute, die heute die Abschaffung solcher Dienste fordern.