Viel Lärm um nichts? Der amerikanische Computerhersteller Apple, vom einstigen Innovationsmotor der PC-Branche längst zum Lifestyle-Schnickschnack-Fabrikant mutiert, hat das neueste Modell seines “digital lifestyle”-Handies mit dem für diese Firma üblichen Marketing-Größenwahn angekündigt:
Phone 4: Das ändert alles. Wieder einmal.
Kritiker monieren, dass sich so viel eben doch nicht geändert habe: Wieder einmal … Die von Firmenguru Steve Jobs angekündigten Neuerungen des Iphone seien hauptsächlich solche, die es vom eigenen Vorgänger abheben, während es sich um Produkteigenschaften handle, die andere Smartphones schon seit langem aufweisen. Der Technikblog Mobilementalism schreibt:
To claim that the iPhone 4 is the biggest advance in the iPhone since it was launched tells you something about either Apple or Jobs: either the iPhone has hardly evolved since its launch, or that Jobs might be trying to spin things a little!
Eine zweite Kamera für Videotelefonie, Multitaskingfähigkeiten oder ein Akku, der länger als einen halben Tag durchhält: Das sind keine Neuerungen, die beim Handybesitzer Verzückung auslösen. Auch die deutsche Website iphone.de sieht bei dem neuen Modell mehr offene Fragen, als selbst hartgesottenen Apple-Fans wünschenswert wäre. Dass Apple völlig branchen- und produktübliche Eigenschaften als phänomenale Innovation feiert, ist schon fast Firmenfolklore: Beim Iphone 3 GS wurde die Möglichkeit, Texte und Bilder per “copy&paste” zu verschieben, als Neuerung gefeiert, während es schon bei Atari-Computern der 80er Jahre eine Selbstverständlichkeit war, die nur den Bruchteil der Rechenleistung eines Iphones hatten. Auch Nokia- und Android-Handies beherrschten da “copy&paste” schon längst. Auch die Einführung des IPad, eines Din-A-4-großen Handies, das zum Ans-Ohr-Halten zu groß und für einen ausgewachsenen Computer zu klein ist, löste Schockwellen der Begeisterung aus, während der Umstand beinahe unter den Tisch fiel, dass die Fa. Apple mit dem IPad weder den ersten, noch den besten Tablet-PC auf den Markt gebracht hat.
Der Sexiness-Faktor, den Apple als Erfinder des “digital lifestyle” für sich beansprucht, funktionierte immer schon nur durch die Selbststilisierung als der kleine geschmeidige David, der sich gegen den PC-Goliath Microsoft auflehnt. Das von Steve Jobs beinahe schon als Mantra formulierte Glaubensbekenntnis, das sich in Joachim Gartz’ Buch Die Apple Story zitiert findet, zeigt, wie sich einer dadurch definiert, dass er sich an einem anderen abarbeitet:
The only problem with Microsoft is they just have no taste. They have absolutely no taste. And I don’t mean that in a small way, I mean that in a big way, in the sense that they don’t think of original ideas, and they don’t bring much culture into their products.
Wie schnell Sexiness und Smartness indes verfliegen, wenn der vermeintliche David erstmal aufgeschlossen hat, dafür ist die Fa. Google das beste Beispiel: Auch Google war nur so lange der Gute, solange der Internetsuchdienst wirtschaftlich kleiner als Konkurrent Microsoft war. Seit der Markenwert Googles sich dem von Microsoft angenähert hat, ist Google plötzlich zur Bedrohung geworden. Die zum Teil auch hysterischen Reaktionen etwa auf Google Street View sind dafür ein Beispiel. Droht dieselbe Hysterie auch Apple irgendwann? Immerhin hat die Firma aus Cupertino kürzlich in puncto Börsenwert selbst den Branchengiganten Microsoft überholt. Womöglich wird damit Apple zum neuen Goliath, den anzugreifen sich wiederum viele andere kleine Davide sich aufmachen könnten.
Auf ein kleines schmutziges Detail in Sachen Iphone 4 hat der geschätzte Kollege Matthias Kremp von Spiegel Online hingewiesen: Da nun beide Seiten des schicken Livestyle-Geräts verglast sind, könnte es schmutzanfälliger sein:
Während man bisher nur auf der Vorderseite mit Fingerschmutz zu kämpfen hatte, muss man nun auch den Rücken des Geräts regelmäßig reinigen.
Lifestyle und Fingertapser: Das verträgt sich nun wirklich nicht.