Wäre ich doch nur ins Bett, in die Kneipe, in den Park oder gar in die Wüste gegangen! Alles besser, als am vergangenen Samstag das Fernsehgerät angeschaltet zu haben. so aber bin ich unversehens bei RTL gelandet, Deutschlands unangefochtenem Marktführer bei jenen Menschen, die noch auf Fernsehwerbung hereinfallen. Unangefochten bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie, dass noch niemand mit dem Säbel dreingeschlagen und die Macher zum Duell gefordert hat. Allerdings gehört dazu auch eine gewisse Satisfaktionsfähigkeit, die mit Programmausscheidungen wie „Die 25 witzigsten TV-Momente 2010“ sicherlich nicht zu erreichen ist.
Ich schaltete erst kurz vor dem Hirntod, sprich: dem Ende der Sendung ein, gerade die beiden Spitzenreiter an Witzigkeit nach Meinung einiger RTL-Quotensklaven durfte ich noch erleben. Der zweitwitzigste TV-Moment des Jahres 2010 (das im übrigen ja noch nicht abgelaufen ist …) war ein Ausschnitt aus einer ungarischen Talkshow, in der unvermittelt eine ganze Familie mit äußerster Brutalität aufeinander einprügelte. Für die wiederholte Ausstrahlung dieser ekelhaften Schlägerei hätten zwar einige RTL-Angestellte Prügel verdient. Was aber daran „witzig“ gewesen sein soll, hat sich mir bis zu diesem Augenblick noch nicht erschlossen. Was ich sah, war eine Tragödie, und ob nun die tatsächliche Prügelorgie oder der Umstand, dass dieses Familiendrama sich vor laufender Kamera abgespielt hat, tragischer war, vermag ich nicht zu sagen.
Der nach RTL-Humorpolizei „witzigste TV-Moment“ war dann eine Rede, die ein holländischer Fußballtrainer von einem Rathausbalkon herab gehalten hat. Ich gebe zu, dass Ausländer, die in Deutschland Balkonreden halten, durchaus eine gewisse Ironie der Geschichte darstellen könnten. Dem RTL-Gesinde ging es aber wohl eher darum, dass dieser Sportlehrer des Deutschen nicht in Perfektion mächtig war und ihm die Fälle einiger Artikel durcheinander gingen. Verständlich ist das, bedenkend, dass der Mann gerade deutscher Fußballmeister geworden ist und vielleicht auch das ein oder andere einheimische Bier getrunken hat. Menschlich ist es womöglich auch. Aber was ist daran witzig?
Eine Prügelei und ein Witz auf Kosten eines erfolgreich in Deutschland integrierten Ausländers sind also das witzigste, was die RTL-Mischpoke europaweit im Fernsehen gefunden hat? Ich möchte über das dem innewohnende Ressentiment gar nicht weiter raisonnieren, die Unhumanität und Ausländerfeindlichkeit halten sich mit der Dummdreistigkeit und Unverfrorenheit solcher Programmacher so sehr die Waage, dass selbst Justizia da einmal die Augenbinde verrutschen könnte. Aber eines muss ich doch feststellen, nämlich was man mit so einem Fernsehprogramm einzig anstellen kann: Abschalten.