Wer sich noch fragte, was deutsche Truppen eigentlich in Afghanistan zu suchen haben, der kann es, neun Jahre nach dem militärischen Einmarsch, endlich erfahren. Die Zeit schreibt:
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist nach Afghanistan gereist, um in der Vorweihnachtszeit die dort stationierten Bundeswehrsoldaten zu besuchen. Seine Frau Stephanie begleitet ihn. Auch die Ministerpräsidenten Niedersachsens und Sachsen-Anhalts, David McAllister und Wolfgang Böhmer (beide CDU) sind mitgereist.
Aber nicht, dass hier ein offenbar CDU-naher Terror-Tourismus für Flugbewegungen über Zentralasien sorgt, ist das Bemerkenswerte. Sondern eine Nebenbemerkung, die auch der seriösen Wochenzeitung aus Hamburg nur eine Zeile wert ist:
Ebenso der Journalist Johannes B. Kerner, der mit dem Verteidigungsminister und mit Soldaten eine Talkshow aufzeichnen will.
Die Welt kann das Intrikate an dieser Meldung in einer noch kürzeren Formulierung vertuschen:
Auch ein Showmaster ist dabei.
Mit Kerner kuscheln am Hindukusch? Und das unter Beteiligung deutscher Politiker, die sich nicht zu schade sind, auf diese Weise zur Quotenrettung eines der unnötigsten Formate im deutschen Fernsehen beizutragen? So dass, wenn der Privatsender Sat 1 schon keine Gebührengelder vereinnahmen darf, wenigstens mit Steuergeldern zum Senderfinanzausgleich beigetragen wird? Das erinnert doch allzu sehr an den amerikanischen Kinofilm Wag the dog, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Im Film lässt ein US-Präsident, der einen Sex-Skandal durchzustehen hat, von Fernsehleuten einen virtuellen Krieg inszenieren, um sich als Held darzustellen. Mit Kerner in Afghanistan erhält ein echter Krieg seine nachträgliche Daseinsberechtigung dadurch, dass Politiker, die nicht einmal zum Sexskandal taugen (Guttenberg!), als billige Komparsen Schützenhilfe fürs einzig Echte leisten, nämlich das Fernsehen. Und was ist eigentlich mit unseren Qualitätszeitungen los, die das Ungeheuerliche an diesem Ereignis reportieren, als handle es sich um einen x-beliebigen Schönheitswettbewerb in Winsen an der Luhe? Wer bis jetzt noch dachte, in Afghanistan würden humanitäre Hilfe geleistet und die Menschenrechte gesichert, der sieht sich ausgerechnet durch Johannes B. Kerner eines Besseren belehrt: Kein Kriegseinsatz kann so real sein, dass er nicht als Fernsehkulisse noch schöner würde.
Afghanistan: Ehepaar Guttenberg besucht Feldlager Kundus | Politik | ZEIT ONLINE