Archive for the ‘Allgemeines’ Category

Journalistenpreise: Der Nannen-Preis ist heiss


03 Mrz

pokal Dass Journalistenpreise nicht dazu da sind, in fairem Wettbewerb die Besten ihres Genres zu küren, sondern im Gegenteil hauptsächlich der Selbstbespiegelung dienen und den Beteiligten eine Vorlage bieten, sich bei Lachshäppchen und Schampus eine Qualität vorzugaukeln, die häufig nicht vorhanden ist, dafür sind die Ereignisse rund um den Henri Nannen-Preis ein gutes Beispiel. Der Branchendienst Meedia berichtet:

Die Chefredakteure Georg Mascolo (Spiegel) und Giovanni di Lorenzo (Zeit) haben kurzfristig Beiträge für den Henri-Nannen-Preis nachnominiert, was unter anderem die taz für „schlechten Stil“ hält. Zugleich hat die Vorjury im Fach „Investigation“ einen Bericht der Bild Zeitung über das Bundeswehr-Bombardement in Afghanistan in die Wertung genommen, der zuvor schon verworfen worden war.

Die zitierte taz drückt die Ereignisse allerdings noch etwas schärfer, und, so man will, treffender aus:

Der Henri-Nannen-Preis ist auf dem besten Wege, sich selbst lächerlich zu machen. Mit fadenscheinigen Begründungen reichten Jury-Mitglieder Beiträge aus den eigenen Blättern nach.

Meedia: Umstrittener Stil beim Nannen-Preis

Der FOCUS von Milo


26 Feb

focusMilo Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Das merkt gerade das Magazin Focus auf ganz eigene Weise. Die Worte, die ihm aufgrund seines dieswöchigen Titelbilds zurückschallen, sind allerdings auch nicht auf 1000 Worte limitiert und darüberhinaus auf griechisch und nicht sehr freundlich gestimmt, wie die taz zu berichten weiß:

In Griechenland hat ein Einzelhandelsverband am Freitag zu einem Boykott deutscher Waren aufgerufen. Der Protest richtet sich gegen ein Titelbild des Magazins "Focus", das die Venus von Milo mit einem ausgestreckten Mittelfinger neben dem Schriftzug "Betrüger in der Euro-Familie" zeigt. "Wir fordern die deutsche Regierung auf, diese äußerst unangebrachte Publikation zu verurteilen", sagte der Präsident des griechischen Verbraucherinstituts, Giorgos Lakouritis. "Die Griechen sind keine Betrüger."

FOCUS Online – Nachrichten

Worüber unsere Medien nicht berichten


02 Feb

Die „Initiative Nachrichtenaufklärung“ hat auch für das Jahr 2009 eine Top Ten-Liste unterdrückter Nachrichten herausgegeben. In der Liste stehen solche Themen, die in den deutschen Medien nach Meinung der Jury zu wenig Beachtung finden. Für das Jahr 2009 sind das:

1. Notstand im Krankenhaus: Pflegebedürftige allein gelassen
2. Psychiatrie: Bundesregierung biegt UN-Konvention zurecht
3. Kriegsberichterstattung lenkt von zivilen Friedensstrategien ab
4. Rechtswidrige Anwendung von Polizeigewalt
5. Lücken der Finanzaufsicht bei Kirchen
6. Mangelhafte Deklarierung von Jodzusatz in Lebensmitteln
7. Patente auf menschliche Gene und Gensequenzen
8. Schulen für Gehörlose unterrichten keine Gebärdensprache
9. Mangelnde Kontrolle deutscher Rüstungsexporte
10. Sondermüll beim Bauen und Sanieren

Auffällig ist ein gewisses Sammelsurium: Staatstragende und politisch brisante Themen stehen hier neben eher zielgruppenorientierten Bereichen. Was fehlender Unterricht in Gebärdensprache mit deutschen Rüstungsexporten zu tun hat, außer dass sie gemeinsam auf dieser Liste auftauchen, erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick. Dass es Themen gibt, die ihre eigene Wichtigkeit haben und dennoch bei Medien äußerst unbeliebt sind, zeigt die Initiative allerdings deutlich.

Initiative Nachrichtenaufklärung: Top-Themen 2009

dpa: Jetzt aber richtig


26 Jan

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) will künftig nur noch richtige Agenturmeldungen veröffentlichen. Wer meint, dass sei doch eine Selbstverständlichkeit, muss sich des Vorwurfs zeihen lassen, einen etwas naiven Glauben in die deutsche Presse zu haben. Erst im vergangenen Herbst war bei der sog. Bluewater-Affaire der Agentur öffentlichkeitswirksam eine peinliche Panne unterlaufen. Und erst jüngst fiel die dpa wieder auf zwei gefälschte Pressemitteilungen herein. In der einen berichtete sie ungeprüft, der Vorsitzende der „Republikaner“ wolle sein Amt aufgeben. In der anderen wurde vermeldet, die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wolle Personen mit „aktuellem Flüchtlingshintergrund“ in ihren Stiftungsrat aufnehmen. Künftig, so dpa-Chef Wolfgang Büchner, sollten gerade überraschende Meldungen durch Anrufe und Nachfragen verifiziert werden: „Richtigkeit geht imm vor Geschwindigkeit“, verkündet der Chefredakteur. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, denn in der Presse galt noch immer der umgekehrte Grundsatz, und das Onlinezeitalter hat diese Tendenz sogar noch verschärft. Da hat der dpa-Chef aber auch probate Mittel in der Hand, um auch in Zukunft jeden Unsinn mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Welt hinauszuposaunen:

Lasse sich eine Information nicht sofort verifizieren, müsse man auf die Berichterstattung verzichten, bis bestehende Zweifel ausgeräumt seien. Stattdessen solle häufiger von „Achtungsnotizen“ nach dem Muster „Der dpa wurde mitgeteilt, dass … Wir konnten diese Information bisher nicht überprüfen. Eine Berichterstattung folgt, sobald …“ Gebrauch gemacht werden.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich das Vorgenannte auch noch nicht überprüfen konnte. Ich muss darum davon ausgehen, dass auch in Zukunft auf den Wahrheitsgehalt von dpa-Meldungen kein Verlass ist.

DWDL.de – dpa zieht Konsequenzen aus Falsch-Meldungen

Braucht eine Bundeskanzlerin den „Deutschen Medienpreis“?


25 Jan

Das Marktforschungsinstitut Media Control vergibt den „Deutschen Medienpreis“. Allein das klingt schon anmaßend und larmoyant. Denn die Firma maßt sich damit an, im „deutschen“ Namen Preise zu vergeben, was ihr nicht ansteht.  Aber dem nicht genug: In diesem Jahr soll ausgerechnet die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit diesem merkwürdigen Preis ausgezeichnet werden. Das hat in der Blogosphäre einige Verwunderung ausgelöst. Auf den Punkt gebracht hat die Kritik der Blogger Wolfgang Lieb:

Hätte es eines Belegs für die Unterwürfigkeit der Medien unter die Obrigkeit bedurft, so wird er mit der Verleihung mit der Auszeichnung Angela Merkels mit dem Deutschen Medienpreis einmal mehr geliefert. Unter dem Vorsitz des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust wählten weitere nicht genannte „führende“ Chefredakteure die Preisträgerin aus. Sich sonst gerne als vierte Gewalt und als Kontrollinstanz gegenüber der Politik aufspielende Chefredakteure machen ihren Kotau vor der Herrschaft und das noch unter dem Namen „Media Control“. Das spricht Bände über ihr kontrollierendes Rollenverständnis. Es ist gerade so, als würde die Gerichtsbarkeit der Exekutive huldigen und sie als oberste Wahrerin des Rechts auszeichnen.

Das Medienportal Meedia.de kritisiert darüber hinaus die Zusammensetzung der Jury. Denn bis auf den namentlich genannten Stefan Aust (der sich offenbar auch für nichts zu schade ist) bleiben die Juroren ungenannt: „Befragt werden die Chefredakteure der reichweitenstärksten und einflussreichsten Medien in Deutschland“ — wer immer das sein soll. Die Firma Media Control nennt für die Preisvergabe Kriterien, die nachgerade statistisch daher kommen: „Auswahlkriterium bleibt die Frage, welche Persönlichkeit hatte im abgelaufenen Jahr eine herausragende Bedeutung oder hat der Zeitgeschichte einen prägenden Stempel gegeben“. Das ist schwammig genug, denn darunter dürfte jeder deutsche Bundeskanzler in jedem Jahr der Preisvergabe fallen. Dann aber wird doch noch eine inhaltliche Begründung nachgeschoben:

„Im Mittelpunkt ihres politischen Denkens und Handelns steht stets der Mensch. Die Würde und die Rechte des Individuums leiten Angela Merkel bei ihren politischen Entscheidungen, die geprägt sind von Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. In der Außenpolitik verfolgt sie einen Kurs, der die Partnerschaft in den Vordergrund stellt, ohne dass sie die manchmal notwendige Konfrontation scheut …“

Wer aber hat diese Lobhudelei formuliert, die doch über die rein statistische Umfrage unter Deutschlands Chefredakteuren weit hinausgeht? Ist das Stefan Aust-Prosa? Man erfährt es nicht. Genau so wenig, warum ausgerechnet dieses Jahr die Kanzlerin ausgezeichnet wird und nicht schon im letzten, vorletzten etc. Oder ist es so, dass die Geschäftsführer der Firma Media Control im Rahmen der Preisverleihungsfeierlichkeiten gerne mal ein Gläschen Schampus mit der Bundeskanzlerin trinken möchten? Ja, das möchten sie wohl auf jeden Fall.

NachDenkSeiten – Die kritische Website » Angela Merkel wird mit dem „Deutschen Medienpreis“ ausgezeichnet

Vom Chefredakteur zum Tellerwäscher


12 Jan

Es geht also auch andersum: Im Zeitalter prekärer Arbeitsverhältnisse kann die individuelle Karriereplanung auch von einem Chefredakteursposten zu einem Job als Tellerwäscher führen. So geschehen dem ehemaligen Chefredakteur des anzüglichen Magazins „Penthouse“. Dies wurde jetzt aktenkundig, da Molzer in München wegen Beleidigung von Polizeibeamten vor Gericht stand. in einer fiktiven Beichte in der Herrenschmonzette schrieb sich Molzer in die Psyche eines Polizisten hinein, und das klang so:

„Ich will mal einer von denen sein, ein Zivilbulle auf Streife, ein Exemplar von einem richtigen Kotzbrocken, ein Sackgesicht, das anderen Menschen mit dämlichen Fragen die Zeit stiehlt“

Ein gar nicht fiktiver Ordnungshüter fühlte sich beleidigt und stellte Anzeige. Das Gericht verurteilte den Exjournalisten, zeigte sich bei der Strafe aber nachsichtig:

Wegen Beleidigung wurde dem mittlerweile in Wien lebenden Ex-Chefredakteur ein Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 100 Euro zugestellt. Molzer monierte die Höhe der Strafe. Er habe seinen Job als Chefredakteur abgegeben und schlage sich als Küchenhilfe in einem Wiener Restaurant durch. Er verdiene derzeit nur 300 Euro im Monat. Die Richterin minderte daraufhin die Strafe auf 40 Tagessätze à 20 Euro. Damit zahlt der Filou statt der zunächst geforderten 6.000 Euro nur noch 800 in die Kasse.

Es gäbe sicher noch mehr Chefredakteure deutscher Gazetten, denen man eine ähnliche Karriere wünschen würde. Aber welches Restaurant sollte die alle nehmen?

W&V: Kurt Molzer: Vom Chefredakteur zum Tellerwäscher

Jubiläums-Verdruss


23 Nov

Sylvia Meise schreibt bei epd.medien einen lesenswerten Beitrag über Jubiläumsverdruss. Sie geht dabei einem Eindruck nach, dass der deutsche Journalismus nichts mehr für veröffentlichungswert hält, was nicht in die wie auch immer stupide Form eines Jubiläums gezwängt werden kann.

Ach, Sie schreiben über Freud? – Der oder eine seiner Ideen hat sicher Geburtstag, wird 100, oder ist 100 Jahre tot. Name, Zahl, Anlass austauschbar – aber ein Muss. Predigt einem jeder Redakteur. Ganz nett, aber wo ist der aktuelle Bezug? Dabei stehen sie sich alle gegenseitig auf den Füßen mit ihren 20er, 50er oder 100er Feiern. In Zeiten immer größerer Orientierungslosigkeit ist Erinnern Kult geworden, Wettbewerb sowieso.

Das Ellbogengedrängel am Medienkalender hat die Zeitpunkte unscharf werden lassen. Jubiläen wurden erst ein, dann zwei Monate, jetzt schon mal ein Jahr und mehr vorgefeiert: Erster!

In Zeiten immer größerer Orientierungslosigkeit, folgert die Autorin, sei Erinnern Kult geworden. Und der mediale Wettbewerb darum, wer als erstes an einen Termin „erinnert“ auch. Dass all dieses Faktenwissen heute in Datenbanken zur Verfügung steht und nur ganz schlicht abgerufen werden muss, macht diese Erinnerungskultur zu einem Job für mediale Tagelöhner.

Evangelischer Pressedienst (epd) – Medien

Fotografie: Täter als Opfer der Medien


09 Nov

fahndungsfoto Wie auch Täter zu Opfern des grassierenden Medienhypes werden können, zeigt der Fall eines Kriminellen aus Großbritannien:

Ein eitler Ganove hat einer britischen Zeitung ein neues Fahndungsfoto von sich geschickt. Für die Aufnahme posierte Matthew Maynard, der wegen Einbruchs von Ermittlern in Wales gesucht wird, ausgerechnet vor einem Polizeiauto. Der 23-Jährige schickte das Bild an die Lokalzeitung Evening Wales South, die zuvor ein unvorteilhaftes Porträtfoto des Mannes gedruckt hatte.

Ganovenehre: Eitler Dieb schickt besseres Fahndungsfoto – Panorama | STERN.DE

Radio Vatikan als Geheimsender


27 Okt

Ein ganz bemerkenswertes Dokument zum Thema Macht und Ohnmacht der Medien ist das Interview, das der Spiegel mit dem Leiter der deutschsprachigen Redaktion bei Radio Vatikan geführt hat. Man muss dazu vielleicht noch anmerken, dass die katholische Kirche sich, wieder ausweislich Spiegel-Informationen, den Luxus dieses Radiosenders mindestens 42 Millionen Euro im Jahr kosten lässt.

SPIEGEL: Darf man als Journalist bei Radio Vatikan überhaupt Kritik an der katholischen Kirche üben?

Gemmingen: Radio Vatikan informiert über die Kirche, kommentiert wenig, kritisiert nicht. Wer bei Radio Vatikan arbeitet, ist mit seinem Arbeitgeber solidarisch.

SPIEGEL: Waren Sie Teil einer Propagandamaschine?

Gemmingen: Wir betreiben sicher eine besondere Art von Journalismus in der Berichterstattung über den Vatikan und die Weltkirche. Wie viele andere Journalisten auch haben wir die „Schere im Kopf“, sind aber keine Pressesprecher des Papstes.

SPIEGEL: Konnten Sie im Vatikan frei recherchieren?

Gemmingen: Kardinäle oder Bischöfe geben auch mal Interviews. Dokumente erhalten nur Historiker aus den schon zugänglichen Archiven.

SPIEGEL: Braucht man Radio Vatikan?

Gemmingen: Radio Vatikan ist eine Zugabe. Man braucht es nicht. Wir sind ein Geheimsender. Leider ist es der katholischen Kirche aber nicht gelungen, den Kanal selbst unter praktizierenden Katholiken bekannt zu machen. Das zeigt die Ohnmacht des Vatikans. Er hat überhaupt keine Macht. Der Vatikan ist medial machtlos im Vergleich zu den großen Meinungsmachern.

„Radio Vatikan ist ein Geheimsender“ – Artikel – SPIEGEL WISSEN – Lexikon, Wikipedia und SPIEGEL-Archiv

Von Porno bis Ökofleisch


19 Okt

Darauf hat die Medienwelt gewartet: Ein feministischer Porno-Filmpreis. Die Initiatorin ist auch nicht einfach so ebensolche, nein, sie ist „Sexpertin“ und Vertreiberin von „Sexklusivitäten“. Interessanter als dieser Umstand ist allerdings das Interview, das das „Medienhandbuch.de“ mit ihr geführt hat. Denn dort taucht eine Frage auf, die in ihrer Mehrbezüglichkeit schöner ist, als jede Antwort zum Thema es sein kann:

Sind Verbraucherinnen und Verbraucher Ihrer Erfahrung nach bereit, ähnlich wie beim Ökofleisch, höhere Preise für bessere Qualität zu bezahlen?

Ist das nicht schön?

„Wir wollen den Pornomarkt revolutionieren“ | medienhandbuch.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter