Archive for the ‘Allgemeines’ Category

Fälschungen in der Wissenschaft


14 Okt

Die Naturwissenschaften gelten gemeinhin als Bereich, der der experimentellen Erkenntnis vor der rein buchbezogenen hermeneutischen den Vorzug gibt. Ein Grund, warum zum Beispiel Doktorarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern regelmäßig viel kürzer sind als in Geisteswissenschaften: „Bücher bilden Gelehrte, Broschüren bilden Menschen“, wie man schon im 18. Jahrhundert sagte. Eine auffällige Kontraindikation ist allerdings der Umstand, dass ausgerechnet in den Naturwissenschaften das Problem der wissenschaftlichen Fälschung virulent ist. Die Obsession der Veröffentlichung ist dann eben auch in den Naturwissenschaften so groß, dass selbst ohne greifbares Ergebnis eine Publikation hergestellt werden muss: Die wissenschaftliche Erkenntnis wird fiktionalisiert. Dass damit das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Aktivität, die sich vorgeblich gegen reine Hermeneutik richtete, sich selbst zum Objekt hermeneutischer statt naturwissenschaftlicher Analyse macht, hat bei allem Degout auch eine gewisse feine Ironie. In der Zeitschrift Universitas findet sich ein Aufsatz zu diesem Thema (pdf).

Universitas

Bolzen gegen Obama


10 Okt

Wer hat eigentlich Norbert Bolz gefragt? Der Kölner Stadtanzeiger hat es getan, wer denn sonst? Der Medienprofessor aus Berlin, dessen Medienbezug vor allem in der medialen Inszenierung der eigenen Person besteht, äußert sich in der Öffentlichkeit auch ohne Sachkenntnis gerne zu allen möglichen Sachen. Sein Eintreten für reaktionäre Positionen wie z.B. das Zementieren von Geschlechterrollen und sein intellektuell verbrämter Hass auf “Gutmenschen” gibt sich gar nicht erst den Anschein, argumentative Tiefe zu haben. Da ist er natürlich genau der Richtige, um die Entscheidung des Nobelkomitees zu kritisieren, das einem schwarzen US-Präsidenten den Friedensnobelpreis zuerkennt:

In Amerika hat Obamas Bild schon Risse bekommen. Das ist jetzt eine Art Solidaritätserklärung. Die Guten der ganzen Welt erklären sich mit ihm solidarisch gegen erste massive Zweifel an seiner messianischen Kraft.

Unverkennbar ist, dass Bolz zu jenen Kritikern der Elche zählt, die früher selbst welche waren. Ähnlich wie sein alter ego Peter Sloterdijk ist es ja Norbert Bolz, der in knitterigem Nietzsche-Adeptentum gerne einen Zarathustra-Tonfall anschlägt und in “messianischer” Weise mehr verkündet als erklärt und mehr raunt als argumentiert. Selbst wenn das auch auf Barak Obama zutreffen sollte (Zweifel sind erlaubt), gibt es doch einen gewichtigen Unterschied: Obama ist dabei nicht peinlich. Die Kritik, die der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth kürzlich in der Zeit an Peter Sloterdijk übte, ist da wie hier einschlägig:

… nur wenige mag es geben, die da nicht in ein Grübeln darüber verfallen, ob unsere demokratische Kultur nicht inzwischen einen Grad an Verspieltheit, an Ernstlosigkeit und Verquatschtheit erreicht hat, der ihren eigenen Ansprüchen Abbruch tut.

Das ist ja fast noch höflich formuliert. Denn das Kalkül, mit dem hier auf gedankenlose wie gewissenlose Art und Weise Ressentiment geschürt wird, ist ja nicht nur “verspielt” und “ernstlos”: Es ist auch gemeingefährlich. Dass Leute wie Sloterdijk und Bolz dann auch noch als Hochschullehrer staatlich besoldet werden, gibt einem zu denken.

Bolz-Interview im Kölner Stadt-Anzeiger

Medien und Wahlkampf


10 Okt

Bei einer Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz hat Bundespräsident Horst Köhler den anwesenden Journalisten die Leviten gelesen. Dabei ging es insbesondere um die Rolle der Presse im zurückliegenden Bundestagswahlkampf:

Vielen Journalisten, die "mehr Schärfe, mehr Ideologie, mehr Angriff" gefordert hätten, sei es "gar nicht um die Demokratie" gegangen, sagte Köhler bei einer Feier zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz.

"Bestenfalls hatten sie Langweile, und schlimmstenfalls vermissten sie etwas, womit sie ihre Quoten und Auflagen steigern wollten."

Bundespräsident kritisiert Rolle der Medien im Wahlkampf | medienhandbuch.de

NOCH NIE


09 Okt

Zum unten angesprochenen „Seitismus“ reiht sich natürlich noch ein anderes Phänomen, mit dem Journalisten ihre Unkenntnis in Stochastik untermauern: Der „Noch-nie-ismus“. Was aber auch alles „noch nie“ stattgefunden hat:

Vizekanzler in spe Westerwelle ist noch nie wirklich angekommen

Kaiser (Linke) oder Wanka (CDU) – noch nie stand die Platzeck-SPD so nah am

Ein Absturz wie noch nie

Herta Müller: „Ich habe noch nie auf einen Preis gewartet“

Der völlige Ausschluss der Möglichkeit, etwas habe nicht vielleicht doch schon irgend wann einmal sich ereignet und nur die eigene Ignoranz, Kleingeistigkeit oder mangelnde Welterfahrung hat es den Journalisten nicht wissen lassen, gehört zu den präpotenten Posen des Journalismus. Dagegen wusste doch schon James Bond, man solle niemals nie sagen, und wer geschwiegen hat, der hat noch immer seine Chancen verbessert, ein Philosoph zu bleiben. Im Werbe-Geraune dagegen kann ein keckes „noch nie“ durchaus Stimmung verbreiten, wie auf einer Website eines Kinobetreibers:

KINO WIE NOCH NIE

Journalismus wie noch nie, das würden wir uns allerdings auch wünschen.

Die "Zeit" und die beste aller Welten


30 Sep

Es war einmal in einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, da lasen alle Menschen die „Zeit“ und glaubten jedes Wort, das da geschrieben stand. Und die „Zeit“ wiederum glaubte auch etwas. Sie glaubte nämlich, dass eine Zeit, in der die „Zeit“ erschien, die beste aller Zeiten sein müsste. Darum war in der „Zeit“ über unsere Zeit zu lesen:

Zu welcher Zeit in der deutschen Geschichte ging es, in welchem anderen Land der Erde geht es Menschen besser als in dieser Bundesrepublik?

Und der Chefredakteur der „Zeit“ äußert in ähnlichem Ton von der „beste[n] Demokratie, die es in Deutschland je gab“. Das mag ja alles für „Zeit“-Redakteure zutreffen, die über Tarif bezahlt werden und ihren gesellschaftlichen Einfluss im Zweifel bei den Machthabern persönlich geltend machen können. Jedoch, einerseits die „schwerste Wirtschaftskrise aller Zeiten“ zu paraphrasieren und andererseits das größte Wohlergehen aller Zeiten zu konstatieren, das geht nicht recht zusammen. Und die Zeiten sind noch nicht so lange her, dass die Lebenden daran sich nicht erinnern könnten, da gab es in diesem Land Vollbeschäftigung, wurden Schulen und Hochschulen ausgebaut und neugegründet, wurde nicht jede soziale Leistung mit Lohn-Nullrunden konterkariert. Und der Zustand einer Demokratie, die sich ihre Willensbildung von Frank Plasberg und Stefan Raab besorgen lässt, kann nur als erbärmlich beschrieben werden, weswegen seriöse Wissenschaftler bereits von „Post-Demokratie“ sprechen.

Was hier waltet, ist das Ressentiment des Wohllebens, ist repressiver Wohlfühljournalismus: Wem’s nicht gut geht, der macht sich automatisch verdächtig. Voltaire beschrieb schon im 18. Jahrhundert als Satire auf die Leibniz’sche Theorie von der „besten aller Welten“ die Denkfigur, die heute die „Zeit“-Redakteure teilen. Der traurige Held dieser Geschichte hieß Candide. Es war ein Narr.

ZEIT ONLINE | Nachrichten, Hintergründe und Debatten

Grass rügt Medien wegen Zynismus


25 Sep

Grass Unbequem In einem Interview mit der Zeitung Weserkurier zieht Literaturnobelpreisträger Günter Grass über den deutschen Journalismus her:

„Es ist ein 08/15-Zynismus, ohne jegliches Format. Das geht schon mittlerweile bis zu unseren Tagesschau-Sprecherinnen, wenn sie mokant die Mundwinkel verziehen über etwas oder dämchenhaft die Nase rümpfen.“ Das sei ein Philistertum neuester Spielart, „mit einer zynischen Mundharmonika gespielt“.

Weiter befindet Grass: „Ich finde es grauenhaft. Wir haben nicht den Journalismus, den wir verdienen.“

Grass rügt Medien wegen Zynismus | medienhandbuch.de

Wie Zeitungen die Konjunktur hochschreiben


16 Sep

Hipp hipp hurra: Alles ist wieder gut! Waren die deutschen Zeitungen das komplette vergangene Jahr im Hauptsacheverfahren damit beschäftigt, eine Wirtschaftskrise herbeizuzitieren, zu verstärken und mit „Krisen-Tickern“ und Horrorszenarien nach Möglichkeit zu verschärfen, so hat nun irgendein Schriftleiter das Kommando zum Zurückrudern gegeben. Vielleicht war es ja der Schriftleiter des Kölner Stadtanzeigers, denn dort ist heute unter der Überschrift „Konjunktur zieht wieder an“ zu lesen:

Die Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI hat seine Konjunkturprognose für das laufende Jahr angehoben. Statt mit einem Minus von 6,4 Prozent rechnen die Forscher nur noch mit einem Minus von 5 Prozent.

Allerdings: Von einer „Besserung“ kann hier wohl nicht die Rede sein.Dass ein Minus von 5 % „besser“ ist als ein solches von 6 %, ist eine Rechnung, die selbst Milchbuben und -mädchen zur Ehre gereichen würde, allein ein Minus bleibt ein Minus und die wirtschaftliche Kennziffer wird darob im laufenden Jahr nach wie vor „schlechter“, und zwar drastisch. Alles andere sind Mätzchen. Das hat auch der kluge Analytiker von Telepolis konstatiert, wo er schrieb:

Man nehme: Statistische Tricks, eine fantasievolle Bilanzführung, schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme und Billionen zur Generierung einer erneuten Spekulationsblase – und schon ist die Weltwirtschaftskrise scheinbar überwunden.

Medien wollen die „Rettung“ oder die „Krise“, nur eines wollen sie nicht: ein ausgewogenes und differenziertes Bild. Mag sein, dass die Konjunktur irgendwann wieder anzieht. Vorerst möge sie sich warm anziehen.

Telepolis: Hurra, der Pseudo-Aufschwung ist da

Konjunktur zieht wieder an – Kölner Stadt-Anzeiger

Videokrieg im Wahlkampf


16 Sep

Die Jagd ist eröffnet, die Hörner schallen: Die nordrhein-westfälische CDU macht mit professionellen Fernsehteams Jagd auf die SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft.  Erst kürzlich hatte ein Juso den NRW-Ministerpräsidenten Rüttgers während einer Wahlkampfrede bei ausländerfeindlichen Parolen ertappt. Nun will die CDU offenbar zurückschlagen. Doch was als Erklärung von der CDU zu dem Videokrieg verlautbart wird, macht die Sache nicht besser, sondern schlimmer:

„Natürlich ist uns der Videobeweis wichtig“, sagte NRW-CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst den WAZ-Titeln. „Deshalb machen wir das seit Jahren.“ Auf diese Weise habe die CDU bereits das „Geeiere“ der SPD-Chefin „im Umgang mit der Linkspartei entlarvt“. Weiter heiße es, sämtliche Videos würden nach geeigneten Passagen für Anti-Kraft-Kampagnen ausgewertet.

Dass die CDU auf diese Weise zur „Anti-Kraft“ wird, steht außer Frage.

Konter gegen Rüttgers-Film: NRW-CDU setzt Videoprofis auf SPD-Landeschefin an – SPIEGEL ONLINE

Wie die Medien zur Wirtschaftskrise beigetragen haben


11 Sep

Nur der sehr naive Medienkonsument glaubt die Mär von den Medien als „vierter Gewalt“, die die anderen Gewalten kontrolliert und Schach hält. Tatsächlich tragen die Medien zu den Gewalttätigkeiten der anderen ihres bei. Die Wirtschaftskrise ist so ein Beispiel, bei dem die Medien als Brandbeschleuniger statt als Feuerlöscher fungiert haben. Der Blog ivanmedienhorror hat Beispiele vor allem aus den amerikanischen Medien zusammengetragen, in denen zu hochspekulativen und äußerst riskanten Papieren geraten wurde, als das Platzen der US-Immobilienblase schon absehbar war.

Poetische Justiz: die Medien werden Opfer ihrer eigenen Sünden

Wie kommen Verräter vor Gericht?


09 Sep

Interessant in den Medien sind ja oft nicht die Antworten, die man findet, sondern die Fragen, die gestellt wurden. Und noch viel interessanter sind jene Fragen, die nicht gestellt wurden. Das zeigt gerade wieder die Berichterstattung über die skandalös späte Rehabilitierung der sogenannten Kriegsverräter während des 2. Weltkriegs.

Denn rehabilitiert wurden jene Opfer der NS-Justiz deswegen nicht, weil es verhindert wurde, und zwar von einer großen Koalition aus CDU und SPD. Gerade die Christlich-demokratische Union tat sich dabei mit Argumenten hervor, die den Tatbestand der Vertuschung von Straftaten darstellen und eigentlich selbst vor Gericht gehören. Dafür bietet etwa die Frankfurter Rundschau ein Beispiel:

Nur der Union ging eine pauschale Rehabilitierung zu weit. Sie fordert eine Prüfung jedes Einzelfalles. Dazu hätten aber alle Urteile der Feldgerichte untersucht werden müssen – etwa 180 000 Akten. Neben vielen Fehlurteilen habe es auch berechtigte Schuldsprüche gegeben, argumentierten CDU/CSU. „Es gab immer wieder Fälle, in denen jemand davon gelaufen ist und dem damaligen Feind gesagt hat, wo die Stellungen der eigenen Kameraden sind“, behauptete etwa Norbert Geis, Mitglied der CSU im Rechtsausschuss.

Was Norbert Geis von der CSU und andere Mitinhaber seiner Geisteshaltung offensichtlich nicht ganz eingesehen haben, ist, dass der 2. Weltkrieg ein von Deutschland schuldhaft angefangener verbotener Eroberungs- und Vernichtungskrieg war. Die Geisteshaltung der Christlich-demokratischen Union ist auch in der weiteren Auseinandersetzung eindeutig – eindeutig daneben nämlich. Zurecht wendet ein Abgeordneter der Linken ein, jeder Geheimnisverrat sei dienlich gewesen, um einen verbrecherischen und verbotenen Angriffskrieg abzukürzen. Doch die Christlich-demokratische Union sieht das offenbar anders:

„Was kann denn überhaupt hochverratsfähig gewesen sei bei einem Vernichtungs- und Angriffskrieg?“, wandte Linkspolitiker Korte ein. „Das ist ein Akt der Selbstverteidigung gewesen, um Menschenleben letztlich zu retten, um Krieg zu verkürzen.“ Schon allein deshalb müssten alle Kriegsverräter rehabilitiert werden. Zudem müsse es zu dem Thema eine Abschlussdebatte im Bundestag geben. Doch die Union blockierte weitere Diskussionen.

Der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt führt noch ein anderes Beispiel vor. Nach der Argumentation der Christlich-demokratischen Union wären beispielsweise die Hitler-Attentäter um Claus Schenk Graf von Stauffenberg bis heute nicht rehabilitiert:

„Wenn zum Beispiel Stauffenberg nicht standgerichtlich umgebracht worden wäre, dann hätte er eigentlich vor das Reichskriegsgericht gehört. Diese Urteile sind aber nicht aufgehoben, der würde also heute noch als zum Tode verurteilter Hoch- und Landesverräter gelten, und die feinen Richter, die das veranstaltet haben, denen ist gar nichts passiert.“

Die Deutsche Welle Online verweist noch auf einen ganz anderen Aspekt: Dass nämlich ehemalige Wehrmachtsrichter in der Bundesrepublik Deutschland wieder Karriere machen und so dafür sorgen konnten, ihre eigenen Verbrechen zu vertuschen:

Zypries erinnert in diesem Zusammenhang an die ihrer Meinung nach mangelhafte Aufarbeitung der Justiz im Umgang mit der Rechtssprechung während der NS-Diktatur: „Kein einziger Wehrmachtsrichter wurde für seine Taten zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen saßen sie in Justiz, Universitäten und Ministerien und arbeiteten erst an der Vertuschung und dann an der Rechtfertigung ihrer Taten“, sagte die Ministerin anlässlich einer Ausstellung über Deserteure und NS-Wehrmachtsgerichte vor zwei Jahren. Auch das Bundesjustizministerium habe viel zu lange gebraucht, „um sich seiner braunen Vorgeschichte zu stellen“.

Warum fragt in den Medien eigentlich niemand nach der Schuld jener christlich-demokratischen Leugner von NS-Unrecht? Warum stehen eigentlich die Leugner, Vertuscher und Verhinderer der Rehabilitierung nicht vor Gericht? Es muss ja kein Standgericht sein, ein Tribunal standhafter moralischer Anschauungen würde schon reichen.

NPD-BLOG.INFO » Blog Archive » Bundestag rehabilitiert NS-”Kriegsverräter”

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter