Archive for the ‘Allgemeines’ Category

Schwein gehabt


03 Mai

Schweinegrippe: Das ist natürlich so ein Umstand, wie gemacht für Journalisten. Ein kurioses Wort, eine tödliche Bedrohung und doch so weit weg (Mexiko), dass man das Spektakel genießen kann wie der Zuschauer am Meeresufer den Schiffbruch. Die Einzelfälle, die sich hierzulande ereignen, halten das Thema am Kochen und erhöhen den Gruselfaktor. Aber jetzt, ojeh, was muss man da bei Spiegel Online lesen:

Allerdings ist in Kanada zum ersten Mal auch eine Infektion bei Schweinen nachgewiesen worden. Die Tiere sollen sich bei einem kranken Bauern angesteckt haben, der zuvor aus Mexiko zurückgekehrt war.

Die Schweinegrippe jetzt auch bei Schweinen? Also, mit Verlaub, das versteht doch kein Schwein.

Ein Auge werfen


03 Mai

Der Kölner Stadtanzeiger hat als echtes Revolverblatt wieder einmal ein Auge auf die Polizei geworfen. Diesmal geht es um eine Polizistin, die selbst nicht nur schöne Augen macht, sondern auch ein zusätzliches hat: Eine Fahrradpolizistin mit Videoausrüstung.

Stephanie Schleifer ist Kölns erste Video-Fahrradpolizistin und wird es zunächst auch bleiben.

Auf den Gebrauch der deutschen Sprache hätte man in der Redaktion des Stadtanzeigers allerdings auch ein Auge werfen können. Wenn Frau Schleifer nämlich „Kölns erste Video-Fahrradpolizistin“ ist, dann wird sie es nicht „zunächst“ bleiben, sondern auf immer und ewig. Jede weitere mit Video ausgestattete Amtsperson wird bestenfalls die zweite, dritte usf. sein können. Doch wie soll man das der Redaktion erklären: Sie bleibt eben die blinde unter den Einäugigen …

Schreiben bis die Chemie stimmt


27 Apr

Sportreporter haben ja ihr ganz eigenes Verhältnis zur deutschen Sprache. Wen wundert’s, dass unter dieser Spezies diejenigen Exemplare, die sich beim Kölner Stadtanzeiger verdingen, wiederum  sprachliche Hackentricks vollführen, ohne ihre Abseitsposition zu bemerken. So liest man auf der Onlineseite des Stadtanzeigers zum Rauswurf von Trainer Jürgen Klinsmann:

… Er sehe durchaus eine Zukunft, zumal die Chemie zur Mannschaft stimmen würde.

Die Chemie zur deutschen Sprache stimmt beim Kölner Stadtanzeiger jedenfalls schon länger nicht mehr. Schiri, wir wissen, wo dein Duden steht …

http://www.ksta.de/html/artikel/1240406285449.shtml

Greysame Werbung


22 Apr

Der Kommunikationskonzern Grey führt gerade öffentlich vor, wie Kommunikation in globalem Maßstab schief gehen kann. Dabei geht es ausgerechnet um Verhütung, sprich: Verhüterli. Ein Entwurf von Grey Deutschland für eine Kondom-Werbung spielte mit Konterfeis von Osama Bin Laden, Hitler und … Mao. Die message von dat janze: Mit Kondomen wären uns die Herrschaften erspart geblieben. Doch, wieder einmal, wurde das Medium selbst zur message: Chinesen waren empört. Und da das chinesische Volk aus über einer Milliarde potentiellen Protestlern besteht, kommen selbst bei nur kleiner Empörung schnell ein paar Millionen Unruhestifter zusammen. Kurzum: Grey sah sich zu einem Coitus Interruptus genötigt und veröffentlichte folgende Stellungnahme:

Wir verstehen, dass diese Anzeige wegen der optischen Bezugnahme auf den Vorsitzenden Mao in China Gefühle verletzt hat. Grey hat sich aufrichtig entschuldigt und der chinesischen Botschaft in Deutschland in aller Form versichert, dass diese nicht autorisierte Anzeige nie erscheinen wird. Wir zollen China, dem chinesischen Volk, seiner Kultur und seinen Institutionen höchsten Respekt.

Die Entschuldigung wurde im übrigen direkt von der Konzernzentrale in den USA lanciert und nicht von der Deutschlandfiliale: So ernst nahm man den Respekt vor dem chinesischen Volk. Gar zu volkstümlich dürfte der Hintergrund für diesen (um im Bilde zu bleiben:) „Rückzieher“ nicht sein: Grey war die erste westliche Werbeagentur, die auf dem chinesischen Markt aktiv wurde. Natürlich setzt man hier auch für die Zukunft eher auf wechselseitige Befruchtung und verhütet nur eins: Die eigene Kampagne. Diese erinnert übrigens an einen alten Spontispruch aus den 80er Jahren, der eine völlig andere Zielrichtung hatte: „Hätt‘ Maria abgetrieben, wär‘ uns viel erspart geblieben“. Aber Gott verhüte, dass das Kardinal Meissner erfährt …

Presserat prüft jetzt auch Onlinemedien


17 Apr

Der Deutsche Presserat weitet seine Arbeit auf journalistisch-redaktionelle Onlinemedien aus.

Journalistisch-redaktionelle Online-Beiträge sollten den gleichen Standards gerecht werden, die auch für die gedruckten Veröffentlichungen gelten. Die Ausweitung des Pressekodex auf den Online-Bereich und die Möglichkeit für Leser und User, sich über Publikationen auch aus dem Internet beim Presserat zu beschweren, kann die Glaubwürdigkeit der einzelnen Online-Medien enorm stärken,

sagte der Sprecher des Pressrats, Manfred Protze, auf der gestrigen Sitzung des Plenums.Beschwerden können auch online abgegeben werden.

Zensur bei Amazon?


15 Apr

Wie der britische Telegraph berichtete, soll es beim Buch- und Warenversender Amazon zu einer Art Zensur insbesondere gegenüber homosexuellen Schriftstellern gekommen sein. Tausende von Buchtiteln homosexueller Autoren sollen demnach seit Tagen nicht mehr auf den Amazon-eigenen Bestsellerlisten auftauchen und wären somit auch auch bei der Produksuche benachteiligt. Verantwortliche bei Amazon räumten mittlerweile eine „Panne im System“ ein.

Auf eine andere Spur führt der heise-newsticker. Demnach sei die scheinbare Zensur-Maßnahme in Wahrheit ein Hacker-Angriff auf Amazon gewesen:

Eine Person namens „Weef“gab an, dass er ein Amazon-Feature, dafür vorgesehen, einen „unangemessenen Inhalt“ zu berichten, in einem Script dazu verwendet habe, um Bücher mit homosexuellen Themen in ihrem Pagerank herabzusetzen. Darüber hinaus habe er Besitzer von ungenannten populären Webseiten dazu gebracht, eine Menge Beschwerden loszuschicken.

Eine Amazon-Sprecherin weist dies allerdings weit von sich.

Staatsanwalt besucht RTL 2


14 Apr

Nicht jeder Flirt ist ein echter Flirt. Wer z.B. auf die offenbar betrügerische SMS-Werbung des Fernsehsenders hereingefallen ist, der hatte es nicht mit echten Flirtkontakten, sondern mit Operatoren in einem Callcenter zu tun. Allein in den Jahren 2005 und 2006 versendeten gutgläubige Fernsehzuschauer insgesamt 500.000 SMS-Nachrichten zum Preis von je 1,99 Euro. Die Fernsehwerbung hatte ihnen vorgekaulelt, dass sie auf diese Weise mit realen Personen Bekanntschaft schließen könnten. „Einen telefonischen oder persönlichen Kontakt hat es nicht gegeben“, erklärte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Die Staatsanwaltschaft wirft den Betreibern „gewerbsmäßigen Betrug“ vor. Darauf steht Gefängnis bis zu 10 Jahren.

Das Wunder der Handynutzung


14 Apr

Wenn die Presse aus etwas Sensation machen kann, dann, garantiert, tut sie es auch. Sensationelles aus dem Bereich des menschlichen Telefonie-Verhaltens etwa weiß das Handelsblatt zu berichten:

Zwischen 1999 und 2008 hat sich die Nutzung von Mobiltelefonen damit beinahe verfünffacht und seit 2005 fast verdoppelt.

Wieder einmal ein Beleg für die Mathematikschwäche des durchschnittlichen Zeitungsredakteurs. Denn im Lichte betrachtet ist an diesen Zahlen ja nicht viel dran. Wenn man sich überlegt, dass die Mobilfunktechnik in den 90er Jahren überhaupt erst etabliert wurde, ist es kein sonderliches Kunststück, die Nutzungszahlen innerhalb von 10 Jahren zu verfünffachen. Ähnlicher Schmu wäre es, wenn man schreiben würde: „Von 1981 bis 1991 hat sich die Zahl der PC-Benutzer verzehnfacht“. Denn 1981 wurde überhaupt erst der PC auf den Markt gebracht, es gab also vorher schlichtweg keine Nutzer. Ebenso können wir davon ausgehen, dass die Benutzung des Faustkeils sich in den ersten hunderttausend Jahren nach seiner Erfindung verzigfacht haben wird. Vielleicht sollte darüber das Handelsblatt einmal schreiben.

 

Strafe für BBC


08 Apr

Die britische Sendeanstalt BBC, einmal als „Mutter aller öffentlich-rechtlichen Sender“ bezeichnet, muss 150.000 Pfund Strafe bezahlen. Epd Medien stellt den Hergang dar.

Auslöser war eine Sendung, die am 18. Oktober auf dem BBC-Sender Radio 2 ausgestrahlt wurde (epd 87/08). Im Verlauf der Show riefen die Moderatoren Jonathan Ross und Russell Brand bei dem 78-jährigen Schauspieler Andrew Sachs an, bekannt vor allem durch seine Rolle als Kellner in der populären Comedy-TV-Serie „Fawlty Towers“ aus den 80er-Jahren. Brand hinterließ mehrere Nachrichten auf dem Anrufbeantworter von Sachs, in denen er erzählte, er habe mit der 23-jährigen Enkelin des Schauspielers geschlafen. Es folgte eine Flut von anzüglichen Witzen.

Verwunderlich die Reaktion der BBC: Das Management teilte mit, der Scherz hätte „nie über den Sender gehen dürfen“. Was für ein Scherz eigentlich?

Abschalten: Das Experiment


03 Apr

Abschalten. Das Anti-MedienbuchIn meinem Buch Abschalten. Das Anti-Medienbuch hatte ich bei habituellem Medienkonsum, d.h. bei verschärfter Abhängigkeit von Glotze, Computer und Co., dazu geraten, eine „Mediendiät“ oder gar eine „Medienabstinenz“ einzulegen. Für die Zeitschrift PM Perspektiven (Ausgabe 04/2008, S.36-41) hat nun eine Familie das Experiment gewagt und eine Woche auf Medienkonsum verzichtet. Die Grundanlage dieses Experiments ist allerdings eigenwillig:

… eine Woche lang keine Medien für uns alle. Nur Bücher, CDs, DVDs und berufliche E-Mails sind erlaubt.

Nun würde ich als habitueller Medienkritiker allerdings auch Bücher, CDs und DVDs unter die Medien zählen, von deren Konsum ich all denen abraten würde, die danach so süchtig sind wie die Heroinsüchtigen nach der Spritze. Und das scheint bei der Familie von Isabel, Michael und Tochter Clara der Fall zu sein. Heimlich blättern sie dann doch in Möbelprospekten, wollen heimlich den Computer anschalten und möchten das Hochglanzcover der neuen Gala „entjungfern“. Zu allem Überfluss wird abends zwar nicht geglotzt („Erstaunlicherweise fehlt uns das Fernsehen gar nicht“), dafür aber DVD geguckt, was wohl höchstens eine Phasenverschiebung darstellt. Vielleicht war diese DVD keine Offenbarung. Aber das Suchtverhalten scheint sich gerade hier zu offenbaren, denn getreu meiner These von der Polymedialität der Gesellschaft reicht die DVD noch nicht einmal:

Leider darf ich mir dazu nicht die Filmkritik aus dem internet herunterladen. Das schmerzt.

Als nach einer Woche das Experiment beendet ist, was macht da die Familienmutter als erstes? Sie liest im Internet die Rezension zur DVD, die sie am ersten „fernsehfreien“ Abend konsumiert hat. Und siehe da:

Doch schon nach den ersten Zeilen erstarre ich: Ich kenne den Artikel. Er war es, der mich vor Monaten neugierig auf den Film machte … Ich habe mich im Kreis informiert.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter