Archive for the ‘Allgemeines’ Category

Unnötige Themen


15 Jan

Es gibt in der Welt des Journalismus ja wirklich vernachlässigte Themen. Die Initiative Nachrichtenaufklärung etwa stellt in jedem Jahr eine top ten-Liste mit Themen zusammen, die gesellschaftlich relevant und trotzdem von den Medien, absichtlich oder unabsichtlich, ignoriert wurden. Seit neuestem hat die Initiative übrigens auch einen eigenen Weblog, den Blinden Fleck.

Es gibt aber andererseits auch Themen, für die sich nur noch Journalisten zu interessieren scheinen und deren weitere Verbreitung in unzähligen Kanälen für Leser und Zuschauer den Tatbestand journalistischer Umweltverschmutzung erfüllt. Hier möchte ich zwei prägnante Beispiele der jüngsten Zeit anführen: ich möchte fürderhin weder über die Frage, ob der Fußballspieler Lukas Podolski nun zum 1. FC Köln zurückkehrt oder nicht, noch über etwaige Eskapaden der Souldiva Amy Whinehouse noch auch nur eine einzige Zeile lesen. Es langweilt mich so dermaßen zu Tode, dass ich noch im Grabe gähnen würde. Was nottut, ist neben der verdienstvollen Initiative Nachrichtenaufklärung auch eine Initiative Nachrichtenverhinderung. Anders gesagt: Unsere Presse berichtet über die falschen Themen zur falschen Zeit in einer völlig verqueren Intensität.

Wie der Kölner Stadtanzeiger die Jugend verdirbt


20 Dez

Jugendgefährdende Schriften waren sonst solche, deren Lektüre die moralische Entwicklung Jugendlicher nachhaltig negativ beeinflussen konnte. Der Kölner Stadtanzeiger indes lässt die jungen Leute nicht lesen, um sie an den Abgrund zu führen, nein, er lässt sie schreiben. „Junge Zeiten“ nennt das Blatt diese Form der Jugendkriminalität, „Jetzt ich!“ ist der kreuzblöde Titel einer Kolumne, mit der Menschen, die gerade mal die Volljährigkeit passiert haben, sich jede Chance auf ein intelligentes Weiterleben auf diesem Planeten nachhaltig ruinieren. „Auslaufmodell Treue“ überschreibt eine Anna Katharina B. (18) (Vorname nicht geändert – die Red.) ihre heutige Einlassung. Darin geht es um Ehescheidungen und die Gerüchte um Ehescheidungen von Leuten, die Sarah Connor und Mark Terenzi, Madonna und Guy Ritchie oder Katie Holmes und Tom Cruise heißen.

Die Stars legen schon lange keinen großen Wert mehr auf stabile Beziehungen, auf Treue, auf Beständigkeit. Auf die Ehe schon gar nicht. Für jugendliche Fans sind das meiner Meinung nach die falschen Signale. Nicht nur in Sachen Frisur und Outfit schaffen die Stars schließlich Trends. Ihrer sozialen Vorbildfunktionen scheinen sie sich aber immer weniger bewusst zu sein.

Den Immermehrismus würde ich Anna-Katharina B. ja noch schenken (wo soll sie es auch lernen?). Dass sie sich Madonna und Sarah Connor in Sachen Outfit und Frisur zum Vorbild nimmt, widerlegt die der Kolumne beigefügte Fotografie. Dass sie aber meint, Leute mit Namen Guy Ritchie hätten irgendwelche „soziale Vorbildfunktionen“ (warrum eigentlich der Plural?), lässt doch sehr an der sozialen Intelligenz des Stadtanzeiger-Nachwuchses zweifeln. Dabei kommt sie der Wahrheit so nahe:

Was die mehr oder weniger Prominenten öffentlich vormachen, kennen die meisten Jugendlichen aus ihrem eigenen Leben.

Eben. Auch wenn es schmerzt, Anna-Katharina: Die conditio humana gilt auch für Promis, Fußballer oder den Sportchef des Kölner Stadtanzeigers. Als Vorbild ist solches Personal in jedem Fall untauglich. Aber Vorbild ist auch nicht das, was sie eigentlich sucht, sondern Abziehbilder einer reaktionären Weltanschauung, die einem bei einer 18-jährigen deswegen Sorgen macht, weil man nicht weiß, wohin das bei der 38-jährigen Anna-Katharina noch führen soll. Als der Kabarettist Walter Mehring einsam und verkannt in einem Schweizer Seniorenheim verstarb, soll er gerufen haben: „Die Spießer werden auch immer jünger“.

Wie man sich selbst preist


09 Dez

Apropos Journalistenpreise: Kürzlich wurde wieder einmal der Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wirtschaftspublizistik vergeben. Preisträgerin ist in diesem Jahr Kerstin Kohlenberg, Redakteurin bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Und wer ist Eigentümer der ZEIT? Der Holtzbrinck-Konzern …

Wenn Bildung und Kölner Stadtanzeiger aufeinanderstossen …


05 Dez

Ja, wenn dieser betrübliche Vorfall passiert, dann gibt es selbstredend ein schweres Unglück. So geschehen in einem Artikel über eine 3D-Simulation des antiken Rom bei Google Earth, der auch online nachzulesen ist. Bei jedem halbwegs durchs Abitur gekommenen Zeitgenossen sollten beim Thema „Antikes Rom“ die Alarmglocken angehen. Wenn irgend ein Thema von den Bildungsbürgern mit Beschlag belegt worden ist, dann ist es dieses. Wenigstens ein Blick ins Lexikon, bei sorgfältigerer Recherche womöglich sogar ins Geschichtsbuch, würden dem Reporter gut zu Gesicht stehen. Nicht so beim Kölner Stadtanzeiger. Da darf recht unbedarft schwadroniert werden:

„Wir befinden uns im Jahr 320 nach Christi Geburt. Vier Jahre später wird Konstantin der Große alleiniger Herrscher über das mächtige römische Weltreich sein. Rom hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine rund 300-jährige Stadtgeschichte auf dem Buckel…“

Wer die nötigen Geschichts-Stunden geschwänzt, der hat vielleicht in Rechnen aufgepasst: Nach diesen Angaben wäre die Stadt Rom im Jahre 20 nach Christus gegründet worden. Wer hat dann nur die Volkszählung angeordnet, zu der 20 Jahre vorher Herr Josef und seine Frau Maria nach Betlehem gezogen sind? Der römische Kaiser kann es ja, laut Kölner Stadtanzeiger, kaum gewesen sein.

„Es geht weiter zur Konstantin- oder Maxentiusbasilika, eine der detailreichsten Animationen …“

Animiert ist hier allerdings gar nichts. Und etwas unbedarft kommt auch folgende Bemerkung daher:

„Auch jegliches Grün fehlt, obwohl man aus antiken Texten weiß, dass es schon damals „angelegte Gärten“ gab“.

Bezweifelte das denn irgendjemand? Immerhin waren die hängenden Gärten von Babylon schon tausend Jahre zuvor eines der sieben Weltwunder. Schließlich: Ich habe mir schon vor Jahren bei Zweitausendeins eine Multimedia-CD-Rom „Das Antike Rom“ gekauft. Und die war da schon ein Auslaufmodell. Auch hier konnte man durchs 3D-gestaltete Rom „fliegen“, Villen, Gärten und Tempel betreten. Was ist also das Neue, das uns der Kölner Stadtanzeiger erzählen will? Dass sein Reporter jetzt erst davon gehört hat? Vielleicht doch nicht das beste Prinzip, um redaktionelle Entscheidungen zu treffen. Und wer mit Bildung prahlen will, der, ja der sollte wenigstens ein bisschen davon haben.
„Ancient Rome“ bei YouTube

Medienpreise


02 Dez

Ein fernsehnotorischer Literaturkritiker möchte nichts mit Fernsehmenschen zu tun haben — Ein Late Night Talker bekommt einen Preis geschenkt, der nach einem Reh benannt ist, und bedankt sich dafür bei der Schauspielerin Uschi Glas — auf einmal sind Medienpreise ins Gerede geraten. Nun gut, warum ausgerechnet die ARD die „Bambi-Verleihung“ genannte Selbstbelobhudelung des Burdaverlags im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausstrahlen muss, würden die Programmverantwortllichen selbst wohl nur mit einem Stottern beantworten können. Aber immerhin wartete die diesjährige Bambi-Verleihung, wie die Netzeitung vermeldet, mit einem veritablen Rekord auf:

Auf dem 360 Meter langen roten Teppich – laut Cheforganisatorin Patricia Riekel der «längste in der Bambi-Geschichte» – schmissen sich auch RTL-Moderatorin Frauke Ludowig und Ex-Profiboxerin Regina Halmich in Pose. Die bevorzugte Gewandfarbe bei den Frauen war schwarz.

Lieber in Pose schmeissen als lang machen auf dem Teppich, der für Leute wie Patricia Riekel die Welt bedeutet. Was Medienpreise bedeuten, darüber hat freilich einer schon vor mehr als einem Jahr eine treffliche Analyse verfasst, nämlich der Verfasser auch dieser Zeilen in seinem „Anti-Medien-Buch“: (mehr …)

Wieviel ist eine Zeitung wert?


01 Dez

Der Kölner Stadtanzeiger hat seinen Verkaufspreis erhöht: von 1 Euro auf 1,10 Euro, also um saftige 10 Prozent.

„Wir wollen aber die Qualität des Kölner Stadtanzeiger (sic!) mit seinem umfangreichen redaktionellen Angebot und den vielen Serviceleistungen sichern“.

Ein Anfang in puncto Qualitätsicherung wäre natürlich gewesen, wenigstens den zitierten Text in fehlerfreiem Deutsch zu verfassen. Doch so ein Genitiv, der kostet nochmals extra. Und was die Serviceleistungen angeht, ist die heutige Ausgabe ein schönes Beispiel: Der an sich schon magere, nur 8-seitige äußere, überregionale Mantel der Zeitung bietet drei halbseitige und eine drittelseitige Anzeige. Der Service liegt dabei auf der Hand — für die Inserenten.

Medien: Rutschpartie ins Desaster


28 Nov

Der Finanzdienst Aspect.online weist daraufhin, dass Medien selbst eine aktive Rolle im derzeitigen Finanzdesaster haben.

„In diesem Fall sind laut den Untersuchungen des Forschungsinstituts Media Tenor die Medien nicht lediglich ein Spiegel des realen Geschehens, sondern sogar ein Mitspieler. Gerade die Hiobsbotschaften der Fernsehnachrichten erreichen weite Kreise der Bevölkerung und beeinflussen sie“.

Die Quintessenz, die daraus gezogen wird, lautet „Abschalten“:

„Der Herdentrieb in den Abgrund lässt Nachrichten, die dem derzeitigen Trend zuwiderlaufen, null Chance. Damit schließt sich der Kreis. Ein Rezept gegen diese Angst? Werner Hedrich, Leiter Fondsresearch bei der Rating-Agentur Morningstar Deutschland, liebt drastische Ratschläge: >Fernseher abends aus lassen!<"

Auch die Zeitschrift Geldmagazin sieht eine Mitschuld der Medien an der derzeitigen Finanzkrise.

Ein Montag voller Räuberpistolen im Kölner Stadtanzeiger


24 Nov

Das ist ein guter Montag für die Konditoren vom Kölner Stadtanzeiger, können sie doch wieder herrlich im Revolverblätterteig rühren. Da blättert man selbst durch das Blatt, und wenn man beim Lokalteil ankommt, kriegt man das große Zittern:

„Bewohner vom Hausdach gerettet“
„Räuber droht mit einer Küchenschere“
„Fußgängerin schwer verletzt“

Ob das auf der Folgeseite abgedruckte Foto von Herausgebergattin Hedwig Neven-Dumont mit zur Kölner Kriminalstatistik zu rechnen ist, bleibt dahin gestellt. Wie man auch ohne Verbrechen mit Bild im Kölner Stadtanzeiger landen kann, das hat die „Bürgergesellschaft Köln von 1863“ nur zu gut verstanden: Man muss einem Familienmitglied der Herausgeberfamilie einen Orden verleihen, und schon klappt es mit der Lokalpresse. Auch das gehört zur Revolverblättrigkeit.

Schuld und Sühne á la SPIEGEL


23 Nov

Es ist ja schon alles „irgendwie“ schwer zu verstehen, da unten in Kongo-Zaire-Ruanda-Schwarzafrika. Wer darum im Spiegel (47/2008) im Artikel „Füllt die Gräber ganz auf!“ nach Orientierung sucht, der kann im dschungelhaften Gestrüpp schon mal die ein oder andere Liane übersehen. Der Stamm der Hutu hat vor mehr als 10 Jahren in Ruanda einen Völkermord am Volk der Tutsi begangen – Auslöser auch der schweren Konflikte im Nachbarland Demokratische Republik Kongo. Ein französischer Richter sei aber, so der Spiegel, zu dem Ergebnis gekommen, Tutsi-Rebellen hätten zuvor ein Präsidentenflugzeug abgeschossen. Ergo:

„… der Rebellenführer Kagame und seine Truppe hätten paradoxerweise den Völkermord an ihresgleichen selbst ausgelöst“.

Und etwas weiter unten ist nochmals von der

„Mitschuld der Tutsi am Völkermord“

die Rede. Die Spiegel-Autoren drücken sich freilich im Konjunktiv aus, und vielleicht müssen sie auch nicht jede abenteuerliche These hinterfragen. Aber ist selbst das Zitat dieser ungeheuerlichen Unterstellung statthaft und journalistisch sauber? Nein, ist es nicht. Ein anderes Beispiel aus der Geschichte macht das vielleicht augenfällig: Am 7. November 1938 verübt der polnische Jude Herschel Grünspan ein Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris. Zwei Tage später kommt es in Deutschland zur Reichspogromnacht. Kann man sagen, „die Juden“ hätten eine „Mitschuld“ an diesem Pogrom gehabt? Selbstredend kann man nicht, und es wäre eine Ungeheuerlichkeit, es zu tun. Eben.

Si vis DIE ZEIT, para bellum


12 Nov

Die ZeitWas soll man von der Wochenzeitung Die Zeit eigentlich halten? Einerseits ist sie in der deutschen Presselandschaft auf weiter Flur das einzige Blatt, das ordentlich recherchierte Beiträge in erträglichem Deutsch in adäquater Länge zu Papier und damit zum Leser bringt. Andererseits erstickt man bei der Zeit beinahe selbst an dem fetten Brocken von Staatsgetragenheit, der biederseriös wie das Labellogo eines feinen Anzugherstellers nach außen getragen wird. Man könnte darüber hinwegehen. Könnte man, wenn einem nicht in Fällen wie denen, in denen es um Krieg und Frieden geht, ob der Staatsträgheit der Zeit übel würde. In der aktuellen Ausgabe (06. November 2008) beschäftigt sich Die Zeit unter der Überschrift „Wenn Soldaten töten“ mit dem Fall eines Bundeswehrsoldaten, der beim Auslandseinsatz in Afghanistan „drei Zivilisten erschossen“ hat. Schon diese Behauptung in der Unterüberschrift ist eine Verbiegung, denn in Wahrheit handelte es sich um eine Zivilistin und zwei Kinder. Nicht gerade der typische Fall von Kombattanten. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt, und das finden einige Vertreter der Bundeswehr nicht so gut, und die Autoren (und Zivilisten) von der Zeit vielleicht auch nicht. Denn dann steht geschrieben:

„Und nicht immer wird sich sauber klären lassen, welcher Schuss gerechtfertigt war, welcher nicht, was Notwehr war, was Panik“.

So, kann man nicht? Ich finde schon, dass man kann. Oder dass man können sollte. Und wenn man es nicht kann, sollte man nicht bewaffnete Soldaten in fremde Länder schicken. Was uns die unzivilisierten Autoren der Zeit mit ihrer Behauptung sagen wollen, bleibt gänzlich unklar. Klar wird nur, dass mit solch staatstragenden Formulierungen Die Zeit auf einmal in einer Ecke steht, in die vielleicht gar nicht hinein wollte: Die von Kriegstreiberei und Säbelrasseln. Oder will man vielleicht?

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter