Archive for the ‘Allgemeines’ Category

„Kicker“: Fußballer des Jahres als Wahlschlappe


29 Jul

Eine Panne bei der Wahl zum „Fußballer des Jahres“ führte dazu, dass nur 2,5 % der stimmberechtigten Sportjournalisten für den Abstimmungssieger Bastian Schweinsteiger stimmten. Der Herausgeber des „Kicker“, der die Wahl veranstaltet, hat den Fehler bereits eingestanden. Ab dem kommenden Jahr könnten sich die Abstimmungsmodalitäten grundsätzlich ändern.

Fußballer B. Schweinsteiger (Foto: Wikicommons)

Fußballer B. Schweinsteiger (Foto: Wikicommons)

Jedes Jahr ruft das Sportmagazin Kicker zusammen mit dem Verband deutscher Sportjournalisten (VDS) unter Deutschlands Sportjournalisten zur Wahl des Fußballers des Jahres auf. Auch der Trainer des Jahres wird gewählt. Und die Fußballerin des Jahres auch. In diesem Jahr wurde vom Kicker zum besten Kicker des Jahres Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern München gewählt. Der Geehrte zeigte sich sehr überrascht: „Das wunderte mich schon ein wenig. Denn es gab Phasen, in denen relativ kritisch über mich berichtet wurde“, zitierte das Sportblatt den Fußballer in der Vorankündigung am Sonntag.

In der gedruckten Ausgabe von Montag fehlt dieser Satz. Vielleicht mit gutem Grund, wie Focus Online nahelegt. Denn das Wahlergebnis ist alles andere als repräsentativ für die deutschen Sportjournalisten. Der VDS hat 3700 Mitglieder. Aber nur 2,5 Prozent dieser Journalisten haben für Schweinsteiger gestimmt, in Zahlen 95 Stimmberechtigte. Noch nie wurde der Ehrentitel Fußballer des Jahres von weniger Sportjournalisten vergeben, wie Focus Online vorrechnet:

Noch nie wurde ein Spieler mit engerem Ergebnis zum „Fußballer des Jahres“ gewählt, Schweinsteiger hatte mit 92 Stimmen nur fünf Vorsprung vor Teamkollege Franck Ribéry und sieben vor Thomas Müller. Und schon lange haben sich nicht mehr weniger Sportjournalisten bei der vom „Kicker“ organisierten Wahl beteiligt: In diesem Jahr waren es 527. Das ist gerade mal jeder siebte (14,2 Prozent) der rund 3700 im Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) organisierten Pressevertreter – über 37 Prozent weniger als 2012 (846) und 46 Prozent weniger als 2011 (969). Das heißt auch: Nicht mal 2,5 Prozent der VDS-Mitglieder wählten Schweinsteiger.

Schweinsteigers Wahl war also eigentlich Glückssache. „Schweinsteiger nur Zufalls-Sieger“, titelt bereits die Münchner Abendzeitung.  Josef Hackforth, der ehemalige Leiter des Lehrstuhls für Sport, Medien und Kommunikation an der Technischen Universität München und Leiter des Audi-Instituts für Sportkommunikation, hält das Wahlergebnis jedenfalls für zufällig oder beliebig, wie er Focus Online erklärt:

„Wenn der ,Kicker‘ keine Angaben darüber macht, ob an seiner Befragung ein repräsentativer Querschnitt aller Sportjournalisten teilgenommen hat, könnte man von einem willkürlichen Wahlergebnis ausgehen.“

Der Herausgeber des in Nürnberg erscheinenden Kicker gibt eine Panne bei der Abstimmung zu. Beim Versand der Abstimmungsunterlagen an die VDS-Mitglieder seien Daten durcheinander gekommen, sodass die meisten Briefe nicht angekommen seien. Aber nicht nur deswegen überlegt der Verleger, künftig die Abstimmungsmodalitäten komplett zu ändern. Die jedes Jahr zurückgehenden Zahlen der Abstimmungsteilnehmer spräche nicht für ein großes Interesse der Sportjournalisten an der Wahl. Eine User-Befragung steht allerdings nicht zur Diskussion. Stattdessen überlegt der Kicker, der die Abstimmung seit 1960 organisiert, künftig aktive Sportler zu befragen.

Unterdrückte Nachrichten 2013


16 Jul
Wichtige Nachrichten landen oft im Papierkorb (Foto: Birgit H./Pixelio.de)

Wichtige Nachrichten landen oft im Papierkorb (Foto: Birgit H./Pixelio.de)

Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) hat auch in diesem Jahr wieder die 10 am meisten in deutschen Medien unterrepräsentierten Nachrichten gekürt. Hier die Auswahl:

  • 1: Wie Richter ohne Kontrolle Geld aus Prozessen verteilen
  • 2: Das Geschäft mit der Abschiebepraxis
  • 3: UN-Welternährungsprogramm ist intransparent
  • 4: Fehlende Kontrolle von Au-Pair-Agenturen in Deutschland
  • 5: Die gehörlose Generation
  • 6: E-Discovery: deutsche Unternehmensdaten für die USA
  • 7: Bonuszahlungen für Ärzte – auch bei nicht zugelassener Medikation
  • 8: Voluntourismus: Geschäfte mit  der guten Tat im Ausland
  • 9: Waffenexporte werden unzureichend kontrolliert
  • 10: Polizeiliche Demonstrationsverbote für rechtswidrig erklärt

Es kann verschiedene Gründe geben, warum ein Thema von Medien nicht aufgegriffen wird. Jury-Mitglied Christian Schicha erklärte im WDR:

So seien viele Themen zu kompliziert und erforderten zu viel Hintergrundwissen, um sie so zu veranschaulichen, dass sie vom Publikum verstanden werden. Gleichzeitig stünden Medien unter finanziellem Druck und seien deshalb gezwungen, ihr Angebot nach dem Interesse der Konsumenten zu richten. Laut Schicha hätten Redakteure auch immer weniger Zeit um kritisch zu recherchieren.

Die Süddeutsche spricht denn auch etwas poetisch von „vergessenen Nachrichten“. Der Gründer der Initiative, der Bremer Professor Peter Ludes, sieht die INA dagegen eher in der Nähe des amerikanischen „Project Censored„. Dieses Projekt verortet sich deutlich politischer und spricht unverhohlen von „Zensur“, wenn es um die Vernachlässigung von Themen in und durch die Medien geht.

Einige der von der INA ausgewählten Nachrichten haben durchaus Aufreger-Potential: Deutsche Richter haben jährlich um die 100 Mio. Euro aus Geldauflagen zu vergeben, ohne dass dies öffentlich kontrolliert würde; Lebensmittelaufkäufe des UN-Welternährungsprogramms erfolgen womöglich nicht politisch und ökologisch korrekt bei lokalen Kleinbauern, sondern bei riesigen Lebensmittelkonzernen; und amerikanische Firmen haben durch das US-amerikanische Prozessrecht mittels „e-disvovery“ die Möglichkeit, recht einfach an sensible Daten deutscher Firmen zu gelangen.

Themenvorschläge können von jedem auf der Website der Initiative eingereicht werden. Studentische Rechercheteams an sechs Hochschulstandorten recherchieren das Jahr über die Themen und überprüfen sowohl deren Relevanz als auch die Frage, ob sie tatsächlich in deutschen Medien unterprepräsentiert sind. Aus über 200 Themen werden dann ca. 30 der Jury vorgelegt.

Der Verfasser dieser Zeilen ist auch Mitglied der Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung.

Phil.Cologne: Philosophie als Spaßevent?


26 Jun
Sokrates: "Ich weiß, dass ich nichts weiß".

Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

„Philosophie ist in unseren Zeiten der Spaßkultur etwas Antiquiertes“. Den Satz hörte ich gerade im Radio auf WDR 5. Es handelte sich bei der Äußerung um Werbung für die Veranstaltungsreihe Phil.Cologne, die genau das tut, was der Satz scheinbar negiert: Philosophie als Spaßkultur inszenieren. Da gibt es Veranstaltungen wie „Schlag den Platon“, einen Philosophie-„Slam“, und ansonsten Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, die stets nach demselben Muster ablaufen: Man nehme einen irgendwie aus den Fernsehen bekannten Kopf, z.B. den Tatort-Pathologen Joe Bausch, kombiniere ihn mit irgend einem Intellektuellen, den man bestenfalls auch aus dem Fernsehen kennt, z.B. Rüdiger Safranski, und nehme sehr viel Eintrittsgeld dafür, dass sie das tun, was sie sonst im Free-TV auch umsonst erledigen. Bis zu 30 Euro Eintritt kosten nämlich die Veranstaltungen, die noch dazu großzügig von der Lanxess AG,  dem „Alleinigen Hauptsponsor des ersten Philosophiefestivals“, unterstützt werden — wobei der Ausdruck „alleiniger Hauptsponsor“ ein hübsches, fast schon philosophisches Paradox ist. Großzügige Förderung erfährt phil.Cologne auch durch den „Medienpartner“ Westdeutscher Rundfunk, der auf hochattraktiven Sendeplätzen unbezahlte Werbung für die Veranstaltungsreihe macht. In der Philosophie von Karl Marx würde man das alles wohl Mehrwert-Produktion nennen. Besondere, womöglich sogar selbstironische Volte der Veranstalter ist das Gespräch von Frank Schirrmacher und Rangar Yogeshwar zum Thema „Unsere Zukunft zwischen Ego und Nachhaltigkeit“: Über das Sujet, vor allem das „Ego“, kann wohl kaum jemand besser Auskunft geben, als genau diese zwei Festredner.

Nichts gegen Fröhliche Wissenschaft! Aber das Programm von phil.Cologne macht doch schwer den Eindruck, als wolle man die Loveparade mit etwas Intellektuellen-Brimborium zum klassischen Ballettabend aufmotzen. Unterhaltungsautor Frank Schätzing ist zwar Kölner, aber mit Sicherheit kein Philosoph — vielleicht steht er ja nach Meinung der Programmmacher für das „Cologne“ im Terminus „phil.Cologne“. Wer es etwas günstiger haben möchte, kann sich ja einfach mal in die ein oder andere Philosophie-Vorlesung an der örtlichen Hochschule schmuggeln. Da reden Profis, und Eintritt kostet es auch nicht.

Express: Radarkontrolle für JournalistInnen


23 Mai
Ausschnitt: Express Online

Ausschnitt: Express Online

Für Alkoholsünder gibt’s Fahrverbote, für Zu-schnell-Fahrer gibt’s Bußgelder. Was aber ist eigentlich mit JournalistInnen, die statt in die Radar-Falle in die Mathe-Falle tappen? Hier herrscht dringender Handlungsbedarf, wie ein Blick auf die Website der Bonner Ausgabe des Express beweist:

Bonn / Meckenheim – Nur zwei Stunden kontrollierte die Polizei am Pfingstmontag-Nachmittag auf der Strecke zwischen Bonn und Meckenheim Autofahrer. Mit schockierendem Ergebnis: Von 80 gemessenen Fahrzeugen war fast jeder dreizehnte zu schnell …

Jeder Dreizehnte aus einer Gesamtzahl von achtzig kontrollierten Fahrzeugen, das ist einfach zu berechnen. Sechs FahrerInnen hätten demnach verwarnt werden müssen. Aber der Express rechnet irgendwie anders:

Zehn Verwarnungsgelder wurden erhoben, drei Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet, ein Fahrer wurde aus dem Verkehr gezogen. 70 Stundenkilometer waren an der Messstelle erlaubt.

Zehn Bußgelder plus drei Ordnungswidrigkeiten macht in ganzen Zahlen zwar 13, aber eben nicht „fast jeder dreizehnte“ — dass an dieser Stelle der „Dreizehnte“ hätte groß geschrieben werden müssen, darüber wollen wir mal geflissentlich hinwegsehen. Aber was heißt hier „fast 100 km/h zu schnell“? Bei erlaubten 70 Stundenkilometern müsste also jemand mit 170 km/h innerorts geblitzt worden sein. Lesen wir im Express:

Deutlich flotter fuhr ein Mann (53): Fast 90 km/h zeigte sein Tacho an, als der Blitz kam. Zudem hatte er auch noch eine Promille Alkohol im Blut. Führerschein futsch. Noch fixer war ein Fahrer (35) unterwegs: Mit knapp 100 km/h raste er die Strecke entlang. Bußgeld von 80 Euro, 3 Punkte.

Jemand ist also mit 100 km/h geblitzt worden. Damit ist er aber nicht „100 km/h zu schnell“, sondern er ist 30 km/h zu schnell gefahren. Aber wie sagt man im Rheinland: Mit solchen Fisimatenten können wir uns nicht aufhalten … Es wird Zeit für eine Radarkontrolle für JournalistInnen, bei denen Verstöße gegen das Mathe-Limit und Übertretungen der Arithmetik schon im Promillebereich erfasst und geahndet werden.

(Dank an Basti Rose für den Hinweis!)

Feinde der Pressefreiheit


03 Mai
Foto: Maren Beßler/Pixelio

Foto: Maren Beßler/Pixelio

Am 3.Mai jährt sich der „Tag der Pressefreiheit“, der von der UNESCO ausgerufen wurde. Aus diesem Anlass hat die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ eine Liste mit den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit veröffentlicht. „Wenig überraschend“ findet es der IT-Blog Gulli, dass zahlreiche afrikanische Staatschefs auf der Liste stehen. Dort wundert man sich aber, dass trotz der häufig laut gewordenen Kritik aus Südamerika nur ein einziger Machthaber auf die Liste gefunden hat:

Trotz einiger Kritik an der Pressefreiheit in Südamerika schaffte es nur ein Staatschef aus dieser Region auf die Liste der Feinde der Pressefreiheit: Kubas Präsident Raúl Castro. Daneben stehen aber unter anderem die „Zetas“, die mexikanischen Drogenkartelle, ebenfalls auf der Liste. Diese Gruppe habe Mexiko zum „gefährlichsten Land des Kontinents für Journalisten“ gemacht, so der Vorwurf – seit dem Jahr 2000 seien 86 Journalisten getötet worden und 17 spurlos verschwunden. Daneben seien auch Menschenrechts-Aktivisten entführt oder ermordet worden.

Auch Europa kommt, wie zu erwarten, nicht ungeschoren davon. Neben den „üblichen Verdächtigen“ in Osteuropa wird in Westeuropa vor allem Italien als Negativbeispiel genannt. Und das nicht unbedingt wegen staatlicher Einflussnahme, sondern wegen der pressefreiheitsgefährdenden Umtriebe der Organisierten Kriminalität in Italien, sprich: Mafia & Co.:

 Ebenfalls ein Problem mit der freien Berichterstattung gibt es in Italien. Dieses kommt aber nicht von offizieller Seite. Vielmehr zeichnet dort die Mafia – gelistet als „Camorra, ‚Ndrangheta, Sacra Corona Unita, Cosa Nostra, organisiertes Verbrechen“ – für Repression gegen Journalisten verantwortlich. Die zerstrittenen Mafia-Clans zeigten sich, wenn es gegen eine kritische Berichterstattung gehe, durchaus zur Kooperation bereit und in der Lage, so die Einschätzung ROGs. In den 1990ern seien mehrere Journalisten erschossen worden oder unter mysteriösen Umständen bei angeblichen Unfällen ums Leben gekommen, wofür bis heute kein Mafioso zur Rechenschaft gezogen worden sei. Häufig würden kritische Pressevertreter bedroht, verprügelt oder ihr Eigentum beschädigt. Teilweise würden auch die Familien der Journalisten drangsaliert. Viele Journalisten hätten eine kritische Berichterstattung über die Mafia daher mittlerweile aufgegeben, so ROG. Diejenigen, die dies nicht täten, hätten häufig untertauchen müssen und stünden unter permanentem Polizeischutz. Zunehmend gehe die Mafia jedoch von Gewalt hin zu subtileren Methoden über. Durch politische Einflussnahme und gezielte Bestechung seien bereits eine Reihe von Zeitungen und lokalen TV- und Rundfunksendern kompromittiert worden. Alles in allem habe die Mafia „ein Ausmaß von Selbstzensur durchgesetzt, das in Europa einzigartig ist„.

Die komplette Liste ist hier einzusehen.

Motorjournalismus: Champagner bis zum Abwinken?


23 Apr
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Foto: Monika Wallner/pixelio.de

Der ehemalige Pressechef des Autoherstellers Mazda in Europa, Franz Danner, hat tiefe Einblicke in den Auto- und Motorjournalismus gegeben. Danner steht zur Zeit in Köln vor Gericht, weil er den Konzern zusammen mit Komplizen um mehr als 40 Millionen Euro erleichtert haben soll. In dem Prozess hat er freimütig bekundet, wie der Umgang eines Autobauers mit Journalisten aussieht. “Medienlandschaftspflege” wird das genannt, nicht von ungefähr in Anlehnung an die “politische Landschaftspflege”, die ein Herr v. Brauchitsch einst im Flick-Bestechungs-Skandal zugegeben hat.

Wie diese Medienbeeinflussung ausgesehen hat, davon berichtet nun die Berliner Zeitung. “Mein Job war es”, erklärt Danner, “dafür zu sorgen, dass möglichst positive Berichte über die Autos geschrieben und gesendet wurden”. Und das bedeutete im einzelnen:

Um die Autojournalisten „angenehm einzustimmen“, gebe es laut Danner eine relativ einfache Formel: „Super Destination, super Hotel, super Service, super Geschenke“, zählt der PR-Experte auf. Ein deutscher Autokonzern etwa habe einmal zur Präsentation eines neuen Autos nach Sardinien eingeladen. Da habe dann ein Privatjet für 40 Leute am Flughafen bereit gestanden, die Journalisten seien in einem teuren Hotel an der Costa Smeralda untergebracht worden. Andere Firmen würden nach Kapstadt gehen, die Vorstellung eines neuen Modells verbinden mit der Fahrt durch die Wüste nach Namibia. „Je attraktiver der Vorstellungsort, desto besser die Presse“, sagt Danner.

Etwa zehn solcher Events soll Mazda, Danner zufolge, für Autojournalisten veranstaltet haben. Wie dort gehaust wurde, weiß der Ex-PR-Mann drastisch zu schildern:

„Jeder Autojournalist konnte in den Fünf-Sterne-Hotels die Minibar leer trinken, an der Bar Champagner bis zum Abwinken bestellen, alle Dienstleistungen, die solch ein Hotel anbietet, auf unsere Kosten in Anspruch nehmen.“

Das Jahresbudget für die PR-Abteilung der Mazda-Europazentrale in Leverkusen habe bei 15 bis 16 Millionen Euro gelegen. Die Ausgaben für die gezielte Beeinflussung der Journalisten unterlag einer einfachen Kalkulation:

„Wir hatten eine ganz einfache Rechnung: Der durchschnittliche Journalist kostet bei unseren Events drei- bis fünftausend Euro. Bringen musste er einen Gegenwert von mindestens 15.000 Euro. Das haben wir immer geschafft.“

Ob dieses Geschäftsziel erreicht wurde, haben Danners Leute in der Mazda-PR-Abteilung sogar nachgemessen: Wie viel Zentimeter nahm ein Autoartikel in einer Zeitung ein, wie viel Sekunden wurde ein Fahrzeug im Fernsehen gezeigt, wie groß wurde im Internet berichtet?

„Wenn Sie überlegen, was eine Anzeige in Zeitungen oder gar Spots im Fernsehen kosten, war der journalistische Bericht über ein Auto trotz der durchschnittlichen Eventkosten von rund zwei Millionen Euro geradezu billig”.

Zusätzlicher Positiveffekt solcherart beeinflusster Berichterstattung war, dass journalistische Beiträge deutlich glaubwürdiger erscheinen als reine bezahlte Werbung – obwohl es sich in Wahrheit um nichts anderes handelt.

Der Mazda-Konzern wollte sich laut Berliner Zeitung zu Einzelheiten nicht äußern und ging nach eigenem Bekunden davon aus, dass Danner alle Maßnahmen „unter Beachtung unseres Verhaltenskodexes durchgeführt“ habe.

Auffällig ist auch, wie wenig über den Danner-Prozess und die damit verbundene Aufdeckung journalistischer Praktiken berichtet wird. Der News-Aggregator Google News findet zum heutigen Datum gerade einmal neun Berichte: davon speisen sich allein fünf (Kölner Stadtanzeiger, Frankfurter Rundschau und Express) aus der selben Quelle, da sie wie die Berliner Zeitung zum Dumont-Schauberg-Verlag zählen.

Beeinflussung der Presse: Champagner bis zum Abwinken | Medien – Berliner Zeitung

Presseagentur schafft „illegale Migranten“ ab


10 Apr

Der angeblichen Objektivität oder Wertneutralität der Medien und des Journalismus steht oft schon ein diskriminierender Sprachgebrauch entgegen. Auch scheinbar sachliche Beschreibungen können Wertungen enthalten, die einen vorgeblich objektiven Beitrag in Wahrheit höchst subjektiv und wertend machen können und bei den LeserInnen ihrerseits Wertungen insinuieren. Die weltgrößte Nachrichtenagentur Associated Press wil nun einen dieser diskriminierenden Termini aus dem Sprachgebrauch tilgen, nämlich den Ausdruck „illegale Migranten“, wie Telepolis berichtet:

Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) hat letzte Woche angekündigt, den Terminus „Illegaler Migrant“ nicht mehr zu benutzen. Vorgeschlagen wird stattdessen, mit dem Wort „illegal“ nur noch konkrete Handlungen zu beschreiben, etwa einen Grenzübertritt ohne Papiere. Die handelnde Person wäre dann ein „undokumentierter Migrant“. Die Entscheidung der Agentur wird im regelmäßig überarbeiteten „Stylebook“ veröffentlicht, in dem AP seine journalistischen Richtlinien festlegt. Das Buch erscheint sowohl im Internet als auch gedruckt.

Die Liste diskriminierender Ausdrücke ließe sich mit Sicherheit verlängern. Aber der Schritt der Agentur geht mit Sicherheit in die richtige Richtung.

Newsjacking: Wie Journalismus und Werbung verschmelzen


06 Apr

Beim Superbowl, dem Endspiel der US-amerikanischen Football-Profiliga, kam es in diesem Jahr zu einem Zwischenfall in Gestalt völliger Dunkelheit: ein halbstündiger Stromausfall. Ein beliebter amerikanischer Kekshersteller wusste das unerwartete Ereignis zu Werbezwecken zu nutzen. Mitarbeiter der Werbeagentur saßen im Stadion und posteten über den Kurznachrichtendienst Twitter kurze werbliche Botschaften, die direkt Bezug auf das aktuelle Ereignis, also den Stromausfall, nahmen.

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Kaum in die Welt gesetzt, wurde der Tweet schon 14.555 mal geteilt. Bemerkenswert ist das auch deswegen, weil die Werbezeiten im Rahmen der Superbowl-TV-Übetragungen die teuersten der Welt sind. Sofort haben die Marketingexperten auch einen Fachterminus für diese neue Spielart der Schleichwerbung gefunden: Newsjacking, also das Kapern aktueller Nachrichteninhalte zu Werbezwecken. Die Grenzen zwischen Werbung und Wahrheit, zwischen dem realistischen Reportieren von aktuellen Ereignissen und deren Nutzbarmachung zu Werbezwecken wird damit erneut zuungunsten der Wahrheit verschoben. Die Wirklichkeit ist das, was der Werbung nutzt.

Postdemokratie: Raab, Jauch und der Politjournalismus


16 Feb

Raab meets Stoiber, Quelle: Wikimedia (M)

Es war der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der den TV-Entertainer Stefan Raab als (Mit-)Moderator des sog. Kanzlerduells, also des Fernsehinterviews mit den beiden KanzlerkandidatInnen von CDU und SPD, ins Spiel gebracht hat. Schon das hätte einen skeptisch machen müssen. Denn um Partizipation, größere Politikakzeptanz oder einen Rückgang der Politikverdrossenheit kann es ja Edmund Stoiber oder seiner Partei, der CSU, nicht gehen. Im Gegenteil sind es Stoiber und die CSU gewesen, die ganz wesentlich zu Politikverdrossenheit und einem Niedergang von Partizipationsmöglichkeiten beigetragen haben. Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland, in dem Studierende an Hochschulen keine hochschulpolitische Vertretung haben, Allgemeine Studierendenausschüsse sind per Gesetz verboten. Demokraten gerieren sich hier gerne mal als Quasi-Regenten, die Christsozialen als Staatspartei. Edmund Stoiber selbst hat als Kanzlerkandidat der CDU/CSU vor acht Jahren eine Einladung in Raabs Sendung kategorisch abgelehnt. Nimmt man Stoiber diese Begründung für seinen Vorstoß nicht ab, fragt man sich, was dann dahinter stecken könnte.

Nun, was anderes als das, für das sein Name und der seiner Partei steht: eine Depolitisierung der Politik, oder um es mit dem britischen Politologen Colin Crouch zu sagen: Post-Demokratie. Die Entpolitisierung gerade des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ist ja ein Vorgang, der die Zuschauer und Gebührenzahler schon seit Jahrzehnten begleitet und an dem gerade die großen Volksparteien ganz wesentlich beteiligt waren und sind. Jüngstes Beispiel ist die Ersetzung kritischen dokumentarischen Fernsehprogramms durch ein beliebiges Talksshowdurcheinander in der ARD, in dem ausgewiesene Fähigkeiten als Politikjournalist ganz offensichtlich das letzte Qualifikationsmerkmal sind, um Moderator oder Moderatorin dieser Sendungen zu werden: Dort treffen wir eine Sportjournalistin (Will), eine ehemalige Jugendjournalistin (Maischberger), einen Lokaljournalisten (Plasberg) und einen Boulevardjournalisten und Gameshowmoderator (Jauch). Der Politjournalist, der zuletzt wagte, Spitzenkandidaten kritische Fragen zu stellen, war der ehemalige ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, und genau aus diesem Grund ist er der ehemalige.

Mit Raab glaubt nun ein Stoiber, einen gefunden zu haben, der noch willfähriger und unpolitischer fragen wird als die öffentlich-rechtlichen Angestellten, die ihm und seinen Politikerkollegen sonst zunicken. Er könnte die Rechnung allerdings ohne den Metzgerssohn gemacht haben:

„Ich habe mir gestern bei YouTube nochmal Teile des letzten Kanzlerduells angeschaut. Schon in den ersten zehn Minuten gab es den Versuch eines Pointenfeuerwerks seitens der Moderatoren“, wird Raab auf Spiegel Online zitiert. „Wenn, dann kehrt mit mir die Seriosität zurück!“

 

Wer braucht eigentlich den „Tatort“ getwittert?


16 Dez

Folgendes sah ich gerade bei Spiegel Online:

Wenn ich den ARD-„Tatort“ live verfolgen möchte, dann kann ich ihn doch einfach schauen, oder? Wozu brauche ich jemanden, der eine Fernsehsendung „live twittert“? Das verstehe ich einfach nicht.

 

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter