Archive for the ‘Bücher’ Category

Schweiger erklärt Wenders das Drehbuchschreiben


07 Apr
Foto: Mattia Luigi Nappi (Wikimedia)

Foto: Mattia Luigi Nappi (Wikimedia)

Da gibt es dickleibige Bücher über das Drehbuchschreiben, es gibt hypermoderne Ansätze zum (Achtung: Modewort!) Storytelling, man kann heute an jeder VHS Kurse belegen, um das hundertprozentige Blockbuster-Drehbuch zu schreiben. Aber dann kommt ein Meister seines Fachs, der viel geehrte und verehrte Wim Wenders, und erklärt, dass er von all diesen Drehbuchtheorien keine Ahnung hat und trotzdem grandiose Filme macht. So geschehen im Doppelinterview mit Til Schweiger in der neuesten Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel:

Schweiger: Der Plotpoint nach 70 Minuten – wie in unserem Fall – ist zu spät. Das Mädchen entführt seinen dementen Opa und geht mit ihm auf Reisen. Bei einer Länge von 130 Minuten müsste der erste Plotpoint bei ungefähr 35 Minuten kommen. Doch dann hätte ich nicht die Zeit gehabt, den Verfall des Opas zu zeigen.

Wenders: Ich kann da nicht mitreden. Wie hast du das eben gesagt? Der Plotpoint, der müsste wann gesetzt sein?

Schweiger: Bei 90 Minuten Gesamtlänge bei ungefähr 25 Minuten.

Wenders: Ich habe kein Talent für so etwas. Ich weiß nicht, wann mein Plotpoint kommt. Der Unfall in „Every Thing Will Be Fine“? Der kommt schon nach 15 Minuten. Til, hilf mir.

Schweiger: Der Plotpoint wird dort gesetzt, wo der zweite Akt beginnt. Guck mal, der erste Akt ist die Einführung der Figuren. Danach gehst du in den zweiten Akt.


 

Besser männlich, einsilbig und nicht aus Deutschland


10 Okt

Wer es mit einer Neuerscheinung auf eine Bestsellerliste bringen möchte, sollte als Autor männlichen Geschlechts sein, er  besser nicht aus Deutschland kommen und seinem Werk einen Titel geben, der aus höchstens drei Wörtern besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine statistische Auswertung von Bestsellerlisten der vergangenen fünfzehn Jahre, die Prof. Dr. Hektor Haarkötter im Rahmen eines literatur- und medienwissenschaftlichen Forschungsprojekts an der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Untersucht wurden Belletristikbestsellerlisten des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL zwischen 2003 und 2012 sowie die Top-100-Bestsellerlisten aus dem „Amazon Bestseller-Archiv“ zwischen 1998 und 2013. Die Bestseller-Liste des SPIEGEL enthält die zwanzig meistverkauften Buchtitel, wie sie das Fachmagazin BUCHREPORT durch elektronische Abfrage der Warenwirtschaftssysteme von über 500 ausgewählten Buchhändlern ermittelt. Die Amazon-Bestenliste basiert auf den Verkaufszahlen des Onlinehändlers. Hier wurden zusätzlich die Kundenbewertungen miterhoben, um Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweit die Bewertungen anderer Leser zu Kaufentscheidungen führen können. Die Amazonliste unterscheidet, anders als der SPIEGEL, nicht nach Belletristik und Sachbuch. Insgesamt wurden über 3.600 Positionen in 19 Kategorien ausgewertet. Neben Titel und Untertitel wurde unter anderem nach Namen und Herkunft des Autors, eventueller Doppelautorschaft, Buchpreis, Verlag, Seitenzahl und Sprache gefragt. Nach dieser Erhebung wurden im Untersuchungszeitraum von den 20 meistverkauften Büchern mehr als sechzig Prozent von Männern verfasst und nur 39 Prozent von Frauen. Doppelautorenschaften spielen bei Bestsellern keine Rolle. Ein Blick auf die Top 100-Liste verschärft dieses Bild sogar noch. Danach gab es Jahre, in denen es nur 18 Prozent der von Frauen verfassten Titel auf die Bestenliste geschafft haben.

Deutsche Bestseller-Autoren? Eine Minderheit

Auch was die Nationalität der Bestsellerautoren angeht, ist das statistische Bild eindeutig: Von den 3.141 Autoren, die es im Untersuchungszeitraum unter die zwanzig meistverkauften Bücher geschafft haben, kamen nur 29 Prozent aus Deutschland. In der Top 100-Liste hielten sogar nur 27 Prozent deutsche Autoren Einzug. Den Löwenanteil machten englischsprachige Autoren mit 43 Prozent. Dabei stammten 29 Prozent der Bestsellerautoren auf dem deutschen Buchmarkt aus den USA und 14 Prozent aus Großbritannien. Wie sollte der Titel eines Bestsellers beschaffen sein? Statistisch wäre zu raten, einen Titel zu wählen, der aus maximal drei Wörtern besteht. 57 Prozent der Titel, die es unter die besten Drei geschafft haben, zählten bis zu höchstens drei Wörtern, zum Beispiel „Bis(s) zur Mittagsstunde“, „Tausend strahlende Sonnen“ oder „Neue Vahr Süd“. Ein-Wort-Titel nehmen dabei auch insgesamt den ersten Platz ein, mehr als ein Viertel aller Bestseller hat Titel, die nur aus einem Wort bestehen, zum Beispiel „Verachtung“, „Schoßgebete“ oder „Tintenherz“. An zweiter Position finden sich Zwei-Wort-Titel wie „Der Anschlag“ oder „Der Schwarm“. Titel mit neun Wörtern wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ sind auf der Bestsellerliste die große Ausnahme.

Transmediale Wirkung

Der Preis scheint bei der Platzierung auf der Bestsellerliste für die Käufer durchaus eine Rolle zu spielen. Umgekehrt scheinen die Verlage die Platzierung nicht nutzen zu können, um die Preise in ihrem Interesse nach oben verändern zu können. Der Durchschnittspreis der Top 100-Bücher liegt bei 13,40 Euro und hat sich in 15 Jahren nur um 1,22 Euro erhöht. Insgesamt haben Büchern im unteren bis mittleren Preisbereich den größten Anteil in allen Jahrgängen. Bücher auf Listenplatz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste weisen sogar im Durchschnitt den niedrigsten Preis aller Bestseller auf.
Die Kaufentscheidung für ein bestimmtes Buch hängt selbstredend nicht ausschließlich von Autor oder Titel ab. Was die Statistik aber untermauert, sind anderweitige Annahmen über die Buchmarktentwicklung, denenzufolge dieser Markt sich einerseits ständig weiter internationalisiert und andererseits in starkem Maße transmedial inszeniert wird. Die Internationalisierung wird durch den hohen Anteil nichtdeutscher Autoren und Titel auf den deutschen Bestsellerlisten belegt. Die Transmedialisierung zeigt sich auch in dem hohen Anteil von Titeln, die gleichzeitig durch Film- oder Gaming-Auswertungen Marktpräsenz aufweisen. So sind die am häufigsten in den Bestseller-Titeln der vergangenen Jahre vorkommenden Hauptwörter „Potter“, „Panem“ und „Tribute“.
Bestsellerforschung ist ein in der Literaturwissenschaft nach wie vor unterentwickeltes Arbeitsfeld, was einerseits methodische Gründe und andererseits auch mit gewissen kulturellen Vorurteilen gegenüber der „Ware“ Buch zu tun hat. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ging man davon aus, dass vor allem die literarische „Qualität“ für Kaufentscheidungen ausschlaggebend ist. Es war der der Frankfurter Schule nahestehende Soziologe Siegfried Kracauer, der in den 1920er Jahren darauf hinwies, dass der Buchverkauf mehr mit den sozialen Verhältnissen der Leser als mit dem Inhalt eines Werkes zu tun haben könnte. Die SPIEGEL-Bestsellerliste gibt es erst seit 1961. Seit unter dem Schlagwort „Digital Humanities“ auch in den Geisteswissenschaften vermehrt quantitative Methoden zum Einsatz kommen, werden auch Bestseller zum Forschungsobjekt der Literaturwissenschaft, die sich auf diese Weise zur Kommunikations- und Medienwissenschaft hin öffnet.

Universalcode 2 per Crowdfunding


02 Apr

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Auf der Crowdfunding-Plattform Krautreporter sammelt der Autor und Journalist Christian Jakubetz für einen Sammelband zur digitalen Zukunft des Journalismus mit einer illustren Autor/innen-Schar. Schon der erste Band war (nachdem die üblichen Fachverlage abgesagt hatten) auf ähnliche Weise finanziert worden und ein großer Erfolg — jedenfalls war das Buch in kurzer Zeit ausverkauft. Also, spenden, sammeln, lesen und klug werden!

Im zweiten Band soll beleuchtet werden, wo die vorgebliche Krise des Journalismus herkommt, ob journalistisches Schreiben und Erzählen auch künftig eine Chance hat und ob Journalismus ein Beruf bleiben wird, der Spaß machen kann.

Buchmesse warum?


15 Okt

Am Wochenende ist also die Frankfurter Buchmesse wieder einmal erfolgreich zu Ende gegangen. Entgegen dem Lamento der vergangenen Jahre, all den Abgesängen auf das Medium Buch, wurde in diesem Jahr zarte Hoffnungsstimmung verbreitet. So sind die Umsatzzahlen des stationären Buchhandels erstmals wieder leicht gestiegen.

Die Lust am Buch scheint indes ungebrochen: Jedenfalls was das Bücherschreiben angeht. An die 280 tausend Besucherinnen kamen nach Frankfurt, um sich die über 90 tausend (deutschen!) Neuerscheinungen anzusehen. Die Zahl der neu herausgebrachten Bücher in Deutschland ist damit seit Jahren gleichbleibend hoch — trotz aller Unkenrufe. Ob all diese Bücher auch gelesen werden, ist eine andere Frage. Denn die Werbebudgets der Verlage konzentrieren sich, auch das seit Jahren, auf einige wenige besonders umsatz- und gewinnversprechende Titel.

Dass E-Book war wieder einmal großes Thema auf der Messe. Aber wann wird eigentlich mehr daraus als nur ein Thema? Ich sprach mit „meiner“ Lektorin bei der sympathischen „Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt“. Sie berichtete, dass sich während ihrer Messetage genau ein einziger (!) Besucher für E-Books interessiert habe. Schlecht für die Wälder, gut für den Buchhandel: Bücher wird es auch im kommenden Jahr auf totem Holz, vulgo: Papier geben.

Dass Aufmerksamkeit bei einer solchen Messe das heikelstes Gut ist, kann man immer wieder an den Werbeslogans und -Maßnahmen beobachten. Einen eigenartigen Trend auf dem Buchmarkt scheine ich festgestellt zu haben: Buchautoren nehmen sich vermehrt der ganz großen Themen an. Sie versuchen sich, aus der einen oder anderen Perspektive, am großen Warum. Zwar ist die Kausalität in der Philosophie schon vor hundert Jahren beerdigt worden. Doch das ficht unsere Schriftsteller nicht an:

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Ja, warum verhält sich das alles nur so? Warum schreiben Leute solche Bücher? Und sind die Gründe vielleicht immer dieselben? Ist also der Grund, warum es die Welt nicht gibt, womöglich derselbe wie der, warum wir Menschen töten und uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen? Das werde ich bei nächster Gelegenheit mal einen Bananenkrümmer fragen.

 

Buchmarkt: Viel weniger neue Bücher


13 Jun

Die deutschen Verlage bringen deutlich weniger Neuerscheinungen auf den Markt als in der Vergangenheit. Die Zeitschrift Buchreport zählt regelmäßig die Zahl neuer Bücher. Novitätenpegel nennt sie das. Und dieser Novitätenpegel liegt im Juni 2013 um ein Drittel niedriger als iVerden vergangenen Jahren:

 Die Verlage haben lediglich 340 Neuerscheinungen auf die Rampe gelegt. Damit liegt der Titelausstoß fast ein Drittel unter Vorjahr. Diese Entwicklung ist zwar statistisch leicht überzeichnet, weil die Kategorien angepasst wurden: Paper­back-Ausgaben werden jetzt konsequenter als in den beiden Vorjahren herausgefiltert und auch Comic-Taschenbücher fließen nicht mehr in die Rechnung ein. Aber auch unabhängig von diesen Anpassungen bleibt es bei einer deutlich zweistelligen Titelreduktion der Taschenbuch-Neuerscheinungen als Reaktion auf einen schrumpfenden Markt.

Allein die Taschenbuchreihen der großen Medienkonzerne wie Bertelsmann oder Holtzbrinck sowie der unabhängigen Verlage Bastei-Lübbe, dtv und Suhrkamp seien um 23 Prozent kleiner als sonst.

Radikal schlechte Übersetzung


08 Mai
Philosoph Quine (Foto: Wikimedia)

Philosoph Quine (Foto: Wikimedia)

Der amerikanische Philosoph Willard van Orman Quine gilt als einer der schlausten Köpfe des 20. Jahrhunderts. Insbesondere mit seiner Theorie der „radikalen Übersetzung“ hat er Furore gemacht. In der deutschsprachigen Ausgabe seines Hauptwerks „Wort und Gegenstand“ (Word and Object) findet sich allerdings eine radikal schlechte Übersetzung. Der wunderbare erste Satz des Buches lautet nämlich:

Language is a social art.

Die deutschen Übersetzer, die Philosophen Joachim Schulte und Dieter Birnbacher, haben daraus gemacht:

Die Kunstfertigkeit der Sprache ist etwas Gesellschaftliches.

Hier fehlt es wohl vor allem an Kunstfertigkeit …

 

Die schlechten Bücher des F. Schirrmacher


18 Feb

F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher (Foto: Wikimedia)

Frank Schirrmacher ist nicht nur Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.), sondern auch Bestseller-Autor. Mit populären Sachbüchern wie „Der Methusalem-Komplex“ oder „Payback“ hat Schirrmacher hohe Auflagen und einige Übersetzungen erzielt. Nun schlägt das Geistesimperium zurück. Seinem neuen Titel „Ego“ attestiert der Feuilleton-Chef der „Welt“, Cornelius Tittel, “ Logik-Löcher und Anschlussfehler“ und resümiert:

So schwer es jedem denkenden Menschen fallen dürfte, „Ego“ zu Ende zu lesen – schwerer wiegt nur die Last, sich ernsthaft mit Schirrmachers Thesen auseinandersetzen zu müssen. (…) Wo man auch bohrt, es sind denkbar dünne Bretter, aus denen Schirrmacher sein windschiefes Gedankengebäude zimmert

Ähnlich kritisch geht Joachim Rohloff in einer Rezension von Schirrmachers letztem Buch „Payback“ in der Zeitschrift „Merkur“ mit dem Autor und seinem Verlag ins Gericht.

Hier muss ein Komma, dort ein Wort eingefügt oder gestrichen werden, hier muss man den Numerus, dort das Tempus oder den Modus eines Verbs korrigieren, bis man meint, man habe es nicht mit dem Kulturkopf der FAZ zu tun, sondern mit einem Praktikanten von Kicker online. Viele Sätze muss man zwei- oder dreimal lesen, bevor man den Fehler entdeckt und beheben kann. Dann erst stellt ein Sinn sich ein, von dem man aber nie mit Gewissheit annehmen darf, er treffe das, was der Autor sagen wollte. Das Internet fresse unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit, behauptet Schirrmacher. Bei der Lektüre seines Buches denkt man eher, es sei die Verkommenheit der hiesigen Verlagsbranche.

Man muss dazu sagen, dass der Bereich „populäre Sachbücher“ im Buchmarkt ein schwieriges und umkämpftes Gebiet ist. Ständig hat man mit Lektoren und Buchmanagern zu tun (wobei moderne Lektoren nichts anderes mehr sind als Buchmanager), die es noch etwas plakativer und noch etwas simpler gestrickt haben möchten. Aber gerade deswegen hat ein Autor die Pflicht, im Zweifel sich auch einmal gegen einen Lektor durchzusetzen und ein wenig Qualität im Buch zu belassen. Vor allem, wenn er Frank Schirrmacher heißt. Wie sagt die F.A.Z.-Werbung: „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“. Es wäre zu wünschen, dass er sich manchmal auch hervortraut, der Kopf.

Freizeitmonitor: Deutsche wünschen sich weniger Medien


30 Aug

Die Stiftung für Zukunftsfragen, eine von British American Tobacco finanzierte Initiative, hat in dieser Woche ihren „Reizeitmonitor 2012“ vorgestellt. Dazu wurden 4000 Personen in face-to-face-Interviews nach ihren Freizeitvorlieben befragt. Das Ergebnis: Die mit Abstand beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen haben samt und sonders mit Medienkonsum zu tun. Fernsehen wird dabei, allen Unkenrufen zum Trotz, von 98 Prozent der Befragten genannt. Darauf folgen Radiohören, Telefonieren und Zeitunglesen.

Freizeitmonitor 2012

Die Forscher fragten aber auch danach, was die Befragten gerne häufiger tun würden. Interessant: Bei dieser Frage liegt Medienkonsum (mit Ausnahme von „ein Buch lesen“) weit hinten im Ranking. An erster Stelle steht hier „spontan tun, wozu ich Lust habe“, gefolgt von „Ausschlafen“ und „Sex/Erotik“.

Stiftung für Zukunftsfragen
Der Westen: Deutsche wünschen sich mehr Geselligkeit

Duden über Nippel


17 Aug

Auf der Duden-Website gibt es einen „Artikel des Tages“, und der dreht sich heute um „Nippel“. Schon eigenartig, was der Duden sich unter „Nippel“ vorstellt:

Nippel
Substantiv, maskulin – 1. kurzes Stück Rohr mit Gewinde …2. kurzes, ab- oder vorstehendes [Anschluss]stück; 3. Schmiernippel

Was ist dann wohl, laut Duden, das „Nippelgate“ gewesen? Erst wenn man weiterklickt und den vollständigen Artikel zu lesen bekommt, also irgendwie im Kleingedruckten, erscheint als letzte Bedeutung „weibliche Brustwarze“. Und das, obwohl der Duden unter Herkunft sogar angibt: „wahrscheinlich < englisch nipple, eigentlich = (Brust)warze“. Rätsel der (Online-)Sprachforschung.

Presseente oder Entenpresse? Neues aus Entenhausen


11 Jun

333px-EntenpresseEine Presse-Ente ist ein Tier, das sich heimlich in Zeitungsseiten oder Nachrichtensendungen einschleicht und dort einiges Unheil anrichtet. Aber wer weiß schon, was eine Entenpresse ist?

Eine Entenpresse oder Geflügelpresse ist ein Küchengerät zum Auspressen von Karkassen, den nach dem Braten und Zerlegen von Geflügel zurückbleibenden Knochenresten, um den enthaltenen Saft für die Zubereitung einer Sauce zu verwenden. Sie dient auch zum Auspressen der Schale von Krustentieren.

Das Gerät hat nicht nur äußerlich Ähnlichkeiten mit Druckerpressen älterer Bauart. Sie hat auch martialische Züge, etwa als Helferlein für Gerichte wie die Blutente:

Unverzichtbar ist sie für Gerichte wie die Blutente, z. B. Ente à la Rouen (Canard au sang, Canard à la rouennaise oder Canard à la Rouen), die beim Schlachten erstickt wird, damit das Blut im Körper verbleibt, und sehr frisch nur weniger als eine halbe Stunde gebraten wird.

Wer fühlt sich da nicht unwillkürlich an die ein oder andere Ausprägung des Journalismus erinnert: Auch im Journalismus soll es schon vorgekommen sein, dass Informanten, Interviewpartner und andere Antwortgeber in journalistischen Fragen erstickt wurden, damit das Blut im Körper bleibt.

entenhausen holocaustWo wir bei der Ente sind, ist doch Gelegenheit, das Neueste aus Entenhausen zu berichten. Dort hat jetzt auch der Holocaust Einzug gehalten. In der letzten Mai-Ausgabe des Heftchens “Mickey Maus Comics” wird den eifrigen Mitgliedern des Fähnlein Fieselschweifs eine Medaille verliehen. Das letzte Wort der Sprechblasen-Laudatio ist allerdings von Hand mit einem Edding geschwärzt worden. Spiegel Online hat herausgefunden, was sich hinter dem schwarzen Balken verbirgt:

Es ist wohl eher keine neue Gratulationsformel in Entenhausen. In der aktuellen Ausgabe von "Micky Maus Comics", einem Ableger der bekannten "Micky Maus", verteilt ein Honoratior der fiktiven Comicstadt "Auszeichnungen an unsere wackeren und allzeit hellwachen Feuerwachen!" Und fügt an, als wäre es ein ganz besonderer Glückwunsch: "Holocaust!"

Wie konnte es zu dem bizarren Fehler kommen? Im Englischen sei, so räsoniert der Spiegel, das Wort Holocaust mehrdeutig und könne auch ohne jeden historischen Verweis einfach Inferno oder Vernichtung bedeuten. Die aktuelle Mickey Maus-Geschichte ist 30 alt und wurde bereits mehrfach in Deutschland veröffentlicht: Ohne den Holocaust. Jetzt aber wurde der Comic Strip neu übersetzt. Und dabei soll, wie die Sprecherin des Ehapa-Verlags erklärte, ein Reprofehler geschehen sein, sodass das letzte Wort des englischen Originals nicht richtig entfernt wurde.

Mickey Maus und Donald Duck sind übrigens ziemlich unverdächtig, Sympathisanten der Nazi-Szene zu sein. In einer älteren Geschichte aus Entenhausen (“April, April”) landet ein Buch auf der Müllkippe, das unverkennbar den Titel “Mein Kampf” trägt. Ein rares Sammlerstück, denn in Neuauflagen wird der Titel dezent entfernt.

Entenpresse – Wikipedia

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter