Archive for the ‘Fernsehen’ Category

ARD: Geld sparen mit Trimedialität


05 Mrz

Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) hat einen trickreichen Weg gefunden, Geld zu sparen: Aus drei Chefredakteurs-Posten wird ein einziger gemacht.  Und damit es chique aussieht, tauft man das Ganze modern und nennte den neuen Job “trimedialen Chefredakteur”. Der Blog Flurfunk-Dresden weiß allerdings die Maßnahme richtig einzuordnen:

Trotzdem, man spart jetzt nicht nur einen Chefredakteur und schreibt groß “trimedial” drüber, weil das gut klingt. Wie viel Auswirkungen aber das neue Konzept und die Person Raue konkret auf das TV- und Radio-Programm und die Internetberichterstattung hat – das hängt sicherlich auch von der Bereitschaft der Direktoren ab, den Neuen machen zu lassen.

 

Sparzwang herrscht allerdings auch bei der ARD. Denn sein Geld möchte man bei dem öffentlich finanzierten Senderverbund anderweitig anlegen, wie Spiegel online berichtet:

Rund 54 Millionen Euro will sich die ARD den neuerlichen Kauf von Übertragungsrechten für Boxkämpfe im Ersten kosten lassen – der Vertrag würde die Jahre 2013 bis 2015 umfassen. "Mit Blick auf jüngere Zuschauer" handele es sich um "ein gutes Ergebnis für das Erste Programm", heißt es in einer Beschlussvorlage des MDR-Rundfunkrats.

Es gibt auch eine Begründung für diese immense Investition, die allerdings auch Spiegel online als “eher abenteuerlich bezeichnet:

Er diene dem "audience flow" am späten Samstagabend. Damit ist gemeint, dass populäre Sendungen einem quotenschwachen Format, das im direkten Umfeld gesendet wird, Zuschauer bescheren können. Als positives Beispiel nennen die ARD-Verantwortlichen ausgerechnet das "Wort zum Sonntag". Als 2009 die samstägliche Kurzpredigt in eine Boxübertragung integriert wurde, schrumpfte die Zuschauerzahl nur um knapp die Hälfte – auf rund 3,5 Millionen. Normalerweise verfolgen nur um die 1,7 Millionen Zuschauer die religiösen Botschaften.

Boxen ist, wenn jemand auf die Fresse kriegt. Das tut weh. Aber die ein oder andere Programmentscheidung der ARD tut auch weh.

Stefan Raue: ein trimedialer Chefredakteur für den MDR

ZDF kann lustig sein


24 Feb

Unter dem Titel „Mashup“ zeigt das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) Ausschnitte aus seinem Programmvermögen, versehen mit neuen Texten, die den wahren Sinn hinter der Illusionsmaschine Fernsehen aufdecken. Aber sehen Sie selbst:

WDR Print-Plagiat wird vom Grimme-Institut lobend erwähnt


09 Feb

Im Rahmen der Preisverleihung des Bert-Donnepp-Preises für Medienpublizistik erhielten auch die Macher der Fake-Ausgabe von WDR print eine lobende Erwähnung. Die Ehrung erfolgte für das Plagiat der WDR-Hauspostille WDR print, die eine Gruppe von 50 festen und freien Mitarbeitern des Westdeutschen Rundfunks im vergangenen Herbst in hoher Auflage herausgegeben hatte. Unter dem Aufmacher „Auferstanden von den Quoten“ wurden daran medienkritisch die Zustände des öffentlich-rechtlichen Programms durchleuchtet.

Der Bert-Donnepp-Preis wird vom Verein der Freunde des Adolf Grimme-Preises gestiftet und jährlich beim sog. Bergfest des Grimme-Preises verliehen. Mit ihrem „hintersinnigen Fake“, so die Begründung der Jury, hätten die Autoren einen „einfallsreichen und seriösen medienpolitischen Diskussionsbeitrag“  geleistet, der den Blick freimache auf eine mögliche Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit eine Denkübung leiste, „die in allen Sendern des öffentlich-rechtlichen Systems ernst genommen werden sollte“.

Grimme-Institut | Bert-Donnepp-Preisträger 2011: Weltvermittler und Welterklärer

Sterbende Medien: Nachruf auf MTV


07 Jan

MTV ist von uns gegangen. Der Musikspartensender, der immer irgendwie mehr sein wollte, als nur das, verdrückt sich aus dem frei empfangbaren Fernsehprogramm, und niemand verdrückt ob dieses Ereignisses eine Träne. Es ist ein stiller Abgang, was für einen lärmigen Musiksender doch auch bemerkenswert ist. Umso verwirrender ist die Eloge, die auf Zeit Online über das Ableben des Zappelkanals zu lesen ist:

Die Marke MTV ist eng verbunden mit dem Aufstieg der „kreativen Klasse„, in der Ökonom Richard Florida heute die treibende Kraft der Gesellschaft sieht: Musiker, Künstler, Designer, Programmierer. Der Popsender war ihr Leitmedium, inspirierend, stimulierend und irgendwie auch politisch richtig. Wer in den Achtzigern und Neunzigern den Nachmittag mit MTV verbrachte, trat hinterher auf die Straße und fühlte sich großartig, angefüllt mit den Nachzuckungen jenes Kribbelns, das die Halbstarken in den Fünfzigern spürten, der Kitzel der Veränderung. MTV zapfte den Geist von Trendsportarten und Street Art an und bediente sich junger Talente, die mit günstig hergestellten Animationsclips die Identität des Senders prägten.

Nein, so war es denn entschieden doch nicht. Rebellion war doch wohl nie die Synapse, auf der sich eine zum Megaplayer aufgeblähte Musikindustrie und eine völlig entpolitisierte Jugend trafen. Der reine kommerzielle Mainstream war es, und wer irgendwie einen eigenen Musikgeschmack entwickelt hat, der ließ MTV immer schon links liegen. Was MTV in der Gesellschaft bewirkt und womöglich auch eine Zeit lang durchgesetzt hat, das waren höchst fragwürdige New-Wave-Frisuren, bescheuert anmutende Leggings (in der Öffentlichkeit!) und der nicht ganz unbeachtliche Umstand, dass hinter all dem Exhibitionismus, der Inszenierung und dem Rumgehopse zu akrobatisch anmutenden „Tanz“-Schritten das Eigentliche, nämlich die Musik, völlig in den Hintergrund geriet. Der gesamte Rest war Marketing und Selbstapotheose, bis hin zur angeblich genuinen Videoästhetik, mit der man die Fernsehlandschaft befruchtet habe. Nein, nein, und nochmals nein: Living Camera, 360-Grad-Schwenks und wilde Schnitte, die auf filmischen Anschluss verzichteten, gab es schon lange vor MTV, bei Michael Ballhaus und bei vielen anderen. Was MTV daraus gemacht hat, war lediglich Kinderprogramm unter Kostendruck, bei dem die Ästhetik dadurch bestimmt war, dass man kein Geld für einen richtigen Kameramann hatte. Das setzte sich später bei VIVA fort und endete schließlich im Horror der Anrufsendungen und Klingeltönemassaker. Die Zeit schreibt:

Doch in den letzten Jahren waren auf Druck der Aktionäre nach und nach die Nischensendungen aus dem Programm verschwunden, der Sender degenerierte zu einer endlosen Aneinanderreihung von lärmenden Ankündigungen, Klingeltönen und Billigserien.

Die schlechtesten Musikvideos aller Zeiten

Die Website Inthe00s.com hat in der Zwischenzeit die Internetcommunity abstimmen lassen und die 25 schlechtesten Musikvideos ermittelt, die je auf MTV gezeigt wurden. Hier sind sie:

25. Spin Doctors „Two Princes“ (1993)
24. Hammer „Too Legit To Quit“ (1991)
23. Wilson Phillips „Hold On“ (1990)
22. Chumbawamba „Tubthumping“ (1998)
21. Billy Squier „Rock Me Tonight“ (1984)
20. 4 Non Blondes „What’s Up“ (1993)
19. Motley Crue „Without You“ (1989)
18. Snow „Informer“ (1993)
17. Paula Abdul „Rush Rush“ (1991)
16. Warrant „Heaven“ (1989) Good song, bad video
15. Crash Test Dummies „Mmm Mmm Mmm Mmm“ (1994) good song, OK video
14. Aqua „Barbie Girl“ (1997)
13. Journey „Separate Ways“ (1983)
12. Winger „Seventeen“ (1988) OK song, cheesy video
11. Wham! „Wake Me Up Before You Go Go“ (1984) OK song, bad video
10. Debbie Gibson „Electric Youth“ (1989)
9. Vanilla Ice „Ice, Ice, Baby“ (1990)
8. Milli Vanilli „Girl You Know It’s True“ (1989)
7. Gerardo „Rico Suave“ (1991)
6. Daryl Hall & John Oates „Maneater“ (1982) good song, OK video
5. Los Del Rio „Macarena“ (1996)
4. Nelson „After The Rain“ (1990)
3. Eddie Murphy featuring Michael Jackson „Whatzupwitu“ (1993)
2. Chunky A „Owww!“ (1993)
1. Don Johnson „Heartbeat“ (1986)

Nein, ich werde MTV nicht vermissen.

Bezahlsender MTV: Fast Forward im Zeitgeistarchiv | Kultur | ZEIT ONLINE

Nicht nur zur Weihnachtszeit: Vergewaltigungen im Fernsehen


21 Dez

Die zur Zeit erfolgreichste Fernsehserie im türkischen Fernsehen heißt „Fatmagül’ün Sucu Ne?“ die seit dem 16. September 2010 im türkischen Privatsender Kanal D immer donnerstags zur besten Sendezeit um 20:00 Uhr zu sehen ist. Womit „Was ist Fatmagüls Verbrechen?“ punktet und fast ein Drittel aller türkischen Fernsehzuschauer vor der Mattscheibe vereint, ist: eine Vergewaltigung. Karen Krüger schreibt dazu in der F.A.Z.:

Ein Drittel aller türkischen Zuschauer versammelte sich am Abend des 16. Septembers vor dem Fernseher und schaute zu, wie drei Männer eine junge Frau namens Fatmagül vergewaltigen. Die Szene dauerte ganze vier Minuten. Sie ist seitdem tausendfach im Internet abgespielt worden. Die türkischen Kommentare lesen sich, als sei die vergewaltigte Fatmagül die Königin von Porncity.

Die Geschichte handelt von einem Mädchen vom Lande, Fatmagül, das von drei reichen Schnöseln aus Istanbul und einem Einfaltspinsel vom Lande namens Kerim drangsaliert wird. Nach der Gewalttat, die nicht nur in der Serie selbst, sondern auch in Programmtrailern rund um die Uhr den türkischen Fernsehzuschauern serviert wird, soll Kerim, der selbst zu betrunken für eine Vergewaltigung war, das Mädchen heiraten. Fatmagül wird gezwungen zu sagen, sie habe die Tat inszeniert, um ihre Affäre mit Kerim zu vertuschen. Dabei liebt sie in Wahrheit einen anderen, den Fischer Mustafa.

Die Story geht zurück auf den gleichnamigen Roman des Schriftstellers Vedat Türkali, der 1986 mit Hülya Avsar in der Hauptrolle bereits einmal verfilmt wurde. Roman und Film haben die gleiche Stoßrichtung, nämlich dass in der türkischen Gesellschaft im Falle von Vergewaltigungen die Schuld häufig beim Opfer gesucht wird. Doch von diesem Impetus blieb nicht mehr viel übrig, nachdem der Privatsender Kanal D sich des Stoffs angenommen hat. Die Kritikerin Karen Krüger:

Wären die Produzenten der Romanvorlage gefolgt, dann zeigte die Serie, wie Fatmagül, die Unschuldigste von allen, die Beschuldigte wird. Statt dessen rücken sie immer wieder Fatmagüls Vergewaltigung in den Mittelpunkt. Und befriedigen damit jene Machomentalität, die Türkali in Frage stellte und die bis heute in Frage zu stellen ist, denn Fatmagüls gibt es zu Tausenden in der Türkei. Laut einer Studie des türkischen Instituts für Sexualgesundheit haben vierzig Prozent der türkischen Frauen schon einmal Gewalt erfahren, zwanzig Prozent von ihnen sexuelle.

Was aus dem einst kritischen Anliegen der literarischen Vorlage geworden ist, erahnt man, wenn man liest, dass es mittlerweile  in Istanbul Unterwäsche zu kaufen gibt, auf denen der Titel der Serie zu lesen ist. Es soll Fatmagül-Sexpuppen geben, mit denen man zu Hause die Vergewaltigung nachspielen kann. Auch soll ein Online-Spiel existieren, bei dem die User eine Comic-Fatmagül ausziehen können. Kürzlich gar habe ein Kabarettist Fatmagüls Vergewaltigung nachgespielt: Die Täter wurden dabei als Sportler dargestellt, der Kabarettist kommentierte deren „Treffer“. Und zu unguter Letzt soll ein Computerspiel mit dem Titel „Lauf, Fatmagül, lauf!“ erschienen sein, bei dem der Spieler Fatmagül darstellt und fünf Männern entwischen soll: „Packt einer der Verfolger das Mädchen, dann fängt sie an zu schreien – Spiel zu Ende, nächster Level nicht erreicht“. Im Internet  findet sich die Vergewaltigungssequenz inzwischen auf hunderten von Seiten, allein bei Youtube haben sich mehr als dreißigtausend Nutzer das Video angesehen.

Die Fernsehserie „Fatmagül’ün Sucu Ne?“ ist aber nur der Endpunkt einer Entwicklung gewalttätiger Sexualisierung des türkischen TV-Programms:

Zappt man in der Türkei durch das abendliche Fernsehprogramm, dann begegnen einem unweigerlich Frauen, die von einem Mann geschlagen werden; die von einem Mann ans Bett gefesselt worden sind; die weinen, während sich ein Mann mit lustverzerrtem Gesicht über sie beugt. Meistens sagt er unsinnige Sätze wie: „Wehr Dich nicht, ich liebe Dich“ oder „Wehr Dich nicht, gleich gefällt es auch Dir“. Das türkische Fernsehen zeigt oft und gerne Gewalt, vor allem zeigt es Gewalt gegen Frauen. Die Einschaltquoten verraten, dass die Zuschauer nichts dagegen haben. Im Gegenteil: Was sie da sehen, gefällt.

Auch wenn die Diagnose deutlich auf türkischen Machismo gepaart mit islamischer Vorgestrigkeit hindeutet, eignet sich das Beispiel „Fatmagül’ün Sucu Ne?“  nicht für den vielzitierten Kampf der Kulturen. Denn im Fernsehen anderer Länder und auch Deutschlands sieht es nicht so viel anders aus.

Nicht nur das türkische Fernsehen vergewaltigt

Manchmal wirken die Fernsehleute sogar bei der Vergewaltigung mit: Wie bei Spiegel Online zu lesen war, hat der bolivianische Sender Red Uno eine Vergewaltigung im Fernsehen gezeigt und so für landesweite Proteste gesorgt. Eine Pressevereinigung erhebt schwere Vorwürfe: Nur um eine exklusive Story zu bekommen, hätten die beteiligten Journalisten dem Opfer nicht geholfen.

Das deutsche Fernsehen vergewaltigt noch nicht selbst, aber es guckt auch gerne zu dabei. Denn die Sexualisierung des TV-Programms, und zwar des fiktionalen wie des non-fiktionalen, ist soweit fortgeschritten, dass Vergewaltigungen unter den Programmmachern zu den gesellschaftlich akzeptierten Sexualpraktiken zu zählen scheinen, mit denen man Quote machen kann.

Mit dem Film „Die Frau des Heimkehrers“ versuchte die ARD bereits im Jahr 2008, Vergewaltigungen in den Kernbereich öffentlich-rechtlichen Programmauftrags zu integrieren und dem Familienunterhaltungsprogramm (Sendetermin: freitags um 20:15 Uhr) einzuverleiben. Man darf wohl als Substrat dieses Streifens nehmen, womit die Bild-Zeitung dessen Inhalt sehr zupackend beschrieben hat:

„Sie schreit, heult, wehrt sich, als er wie ein Tier über sie herfällt: ihr eigener Ehemann! Er zerreißt ihr die Bluse, schmeißt sie aufs Bett – und demütigt seine Frau zutiefst …“

Wer hier noch von Spiel-Film redet, muss selbst durchs Fernsehen schon traumatisiert sein und verdrängt haben, was Friedrich Schiller einst übers Spiel sagte, nämlich dass der Mensch überhaupt nur Mensch sei,  wo er spiele. Die im Fernsehen vorgeführten Vergewaltigungen sind aber der Ernstfall, wie Hauptdarstellerin Christine Neubauer wiederum der Bild-Zeitung zu Protokoll gibt:

„In dem Moment ist nichts mehr gespielt! Da denke ich nicht mehr: ,Wie sieht das jetzt für die Kamera aus?‘ Was zählt, ist das Gefühl für das, was geschieht. Ich erlebe dann alles, als wenn es real passiert!“

Diese Vergewaltigung wurde im Mai 2010 in der ARD wiederholt. Mit schönem Programmerfolg.

Auch das Aktenzeichen xy des ZDF übt mit Entsetzen Scherz und bemüht Vergewaltigungen für diese pikante Art der Zuschauerbindung. In der Sendung vom 05.01.2010 bekommt der Zuschauer folgendes zu sehen:

Der 18. Januar 2009, ein Sonntag: Gegen 10 Uhr, die Kirchenglocken läuten, macht sich die junge Mutter in Hostedde auf den Weg zum Bäcker. An der Derner Bahnstraße greift ein unbekannter Mann die 30-Jährige an. Mit gezogenem Messer drängt er sie in einen roten VW-Polo älteren Baujahrs. Dann fährt er los. Auf einem Parkplatz nahe des Dortmunder Hauptfriedhofs vergewaltigt er die junge Frau mehrere Male. Danach fährt der Täter sein Opfer zurück nach Hostedde und lässt es frei. Das schwere Trauma der 30-Jährigen wird erst auf der Polizeiwache deutlich. Bei ihrer Vernehmung kollabiert die junge Frau.

Man sieht die Szene förmlich vor Augen, auch deswegen, weil man an diese Form schlecht inszenierter Dokusoaps aus dem schmierigen Bereich längst gewöhnt ist. Natürlich werden Redaktion und der ausstrahlende Sender behaupten, dass die Ausstrahlung ja nur der Verbrechensbekämpfung diene und darum im Interesse des Gewaltopfers sei. Aber Dreistigkeiten dieser Art behauptet das ZDF seit 30 Jahren, wenn man Aktenzeichen xy kritisiert, und das macht es nicht besser. Denn das Fernsehen dient nie irgendwelchen Opfern (dazu wäre es auch nach den eigenen Programmgrundsätzen gar nicht berechtigt), sondern nur sich selbst und der eigenen Zuschauerquote. Und da mit „Sex sells“ alleine eben in Zeiten überhaupt nichts mehr zu verkaufen ist, wo das Wort „Porno“ unter Jugendlichen zum Ausdruck positiver Emphase dient, muss auch das ZDF eine Schippe drauf legen und die härtere Gangart wählen. Mit dem Zweiten vergewaltigt sich’s besser …

ARD-Tatort-Vergewaltigungen sind die schönsten

Höhepunkt in dieser Reihe fernsehprogrammatischer Tiefpunkte ist der jüngste ARD-Tatort aus München vom vergangenen Sonntag: „Nie wieder frei sein“, die Geschichte einer Vergewaltigung mit anschließender Justizposse. Dass die ARD sich vermutlich für mutig hält, womöglich sogar für ein bisschen frivol, weil der Film um 20:15 Uhr mit der Entblätterung des Vergewaltigungsopfers beginnt, obwohl es doch nur abgefeimt ist, gehört zu den erwartbaren Bigotterien von Programmverantwortlichen, denen die Geschmacksgrenzen verrutscht sind. Hätte dieser Film wirklich ein Lehrstück zum Thema „Recht ist nicht Gerechtigkeit“ sein sollen, wie die Ankündigung des veranstaltenden Bayerischen Rundfunks suggeriert, dann hätte man den Drehbuchautor doch wenigstens eines der im Fernsehen so häufig angeführten „Coachings“ mit einem Rechtsexperten angedeihen lassen können. Allein was diese Folge an juristischem Nonsens verbreitet, lässt einen am staatsbürgerlichen Unverständnis der Mitbürger nicht mehr Wunder nehmen. Das Königlich-bayerische Amtsgericht jedenfalls wies mehr prozessrechtlichen Sachverstand auf als diese Produktion. Aber darum ging es ja auch nicht. Es ging um den „thrill“, den Vergewaltigungen offenbar neuerdings im Fernsehen auslösen, seit man bei ARD und ZDF gerne auch wieder Zuschauer diesseits der Potenzgrenze gewinnen möchte. Und dass aus dem Spiel längst Ernst geworden ist, zeigt auch der Umstand, dass die beiden Hauptdarsteller Nemec und Wachtveitl auch nach beinahe 20 Jahren als Serienkommissare und trotz oft großartiger Sidekicks mit hervorragenden mimetischen Fähigkeiten immer noch kein Quäntchen Schauspielerei gelernt haben. Aber das verspielt sich, Hauptsache, das Vergewaltigungsopfer macht seine Sache gut. Und der traumatisierte Zustand der Zuschauerschaft bis weit in die Kritikerzunft hinein beweist sich auch darin, dass ausgerechnet die Internetseite „evangelisch.de“  den Vergewaltigungs-Tatort zum „TV-Tipp des Tages“ erkoren hat:

Gerade die ersten Bilder wie auch die unverblümte drastische Wortwahl während des Prozesses lassen den ausgezeichneten Film aus Jugendschutzperspektive allerdings mindestens grenzwertig erscheinen. Und das Ende der emotional so plausiblen Geschichte wirkt etwas konstruiert. Davon abgesehen: ein herausragender „Tatort“.

Und die Filmkritiker von der Boulevardpresse stellen der vergewaltigten Schauspielerin Anna Maria Sturm (28) auch nicht die naheliegende Frage nach den etwaigen sexuellen Nöten der ARD-Programmverantwortlichen selbst, sondern danach, wie es denn so gewesen sei, nackt vor der Kamera: „Eine echte Herausforderung“, lässt die Schauspielerin durch ihre Agentin ausrichten. Immerhin lässt die Jungschauspielerin durchschimmern, dass sie genau weiß, was sie von der Lüsternheit ihrer Vertragspartner bei der ARD zu halten hat:

Sicherheitshalber hatte Anna Maria vertraglich geregelt, dass nicht zu viel Intimes zu sehen war.

Nota bene: Da ist das öffentlich-rechtliche Fernsehen angekommen, dass, wer sich ihm beruflich nähert, sich einen Kernbestand an Intimität schon vertraglich zusichern lassen muss. Wen wundert’s da noch, dass ein Thema wie der Strafprozess gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger, den ARD-Wetterjournalisten Jörg Kachelmann, auf den fruchtbaren Boden „zeitgemäßer“ journalistischer Aufarbeitung fällt: Als Sensationsposse. Und wenn die ARD sich hier auch, anders als andere Medien, eine Zurückhaltung auferlegt, weil sie gegenüber dem Schweizer Wettermann noch zu einem Gefühl fähig ist, dass sie für sich selbst längst abgeschrieben hat, nämlich Scham,  kann sie doch das Mausen nicht lassen, eine ganze lange „Anne Will“-Sendung lang: „Justiz-Alltag oder Promi-Pranger?“wird am 02.08.2010 in der ARD gefragt. Man belässt es aber bei der Frage. „Ein Urteil oder eine Antwort auf die Frage des Abends liefert Wills Fernsehgericht nicht“, konstatiert auch die Süddeutsche Zeitung. Denn dass Journalisten Fragen stellen, um Antworten zu erhalten, diese Zeiten sind auch in der ARD passé. Hauptsache, man hat darüber geredet. Über die Vergewaltigung. Aufklärung für Abgeklärte.

Küssen verboten im türkischen TV

Zurück zur türkischen Erfolgsserie „Fatmagül’ün Sucu Ne?“  Türkische Frauenorganisationen und Kolumnisten haben kritisiert, dass „Was ist Fatmagüls Verbrechen?“ die Vergewaltigung legitimiere. Sie forderten, die Serie einzustellen, blieben aber bisher erfolglos. Die Fernsehaufsichtsbehörde sieht Handlungsbedarf woanders:

Im Mai verwarnte sie einen Fernsehsender wegen einer Parfümwerbung, in der eine sich auf einer Yacht im Bikini sonnende Frau einen Mann in Badehose küsst. Das sei obszön, urteilte die Behörde und erinnerte daran, dass nichts gesendet werden darf, was die mentale Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigt – Vergewaltigung gehört offenbar nicht dazu. (F.A.Z.)

Der „Kampf der Kulturen“ schmilzt hier zusammen auf mikroskopisch kleine Unterschiede in der Grenzziehung medialer Freizügigkeiten. Man erinnere sich nur an die Aufregungen über den ersten schwulen Fernsehkuss in der Lindenstraße. Die türkische Frauen- und Familienministerin Selma Aliye ist berühmt geworden durch ihre Aussage, Homosexualität sei eine Krankheit. Nun hat sie in der Türkei das Küssen in Fernsehserien als unmoralisch kritisiert. In Sachen Bigotterie kann sie es mit deutschen Fernsehprogrammatikern aufnehmen. Gefragt nach ihrer Lieblingssendung, soll die AKP-Ministerin geantwortet haben: „Tal der Wölfe“. Das ist jene ultranationalistische Serie, in der in jeder Folge die Fäuste fliegen. Und in der auch vergewaltigt wird.

Türkische Fernsehserie: Wehr dich nicht, gleich macht es dir Spaß – Fernsehen – Feuilleton – FAZ.NET

Afghanistan: Eine Fernsehkulisse


13 Dez

Wer sich noch fragte, was deutsche Truppen eigentlich in Afghanistan zu suchen haben, der kann es, neun Jahre nach dem militärischen Einmarsch, endlich erfahren. Die Zeit schreibt:

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist nach Afghanistan gereist, um in der Vorweihnachtszeit die dort stationierten Bundeswehrsoldaten zu besuchen. Seine Frau Stephanie begleitet ihn. Auch die Ministerpräsidenten Niedersachsens und Sachsen-Anhalts, David McAllister und Wolfgang Böhmer (beide CDU) sind mitgereist.

Aber nicht, dass hier ein offenbar CDU-naher Terror-Tourismus für Flugbewegungen über Zentralasien sorgt, ist das Bemerkenswerte. Sondern eine Nebenbemerkung, die auch der seriösen Wochenzeitung aus Hamburg nur eine Zeile wert ist:

Ebenso der Journalist Johannes B. Kerner, der mit dem Verteidigungsminister und mit Soldaten eine Talkshow aufzeichnen will.

Die Welt kann das Intrikate an dieser Meldung in einer noch kürzeren Formulierung vertuschen:

Auch ein Showmaster ist dabei.

Mit Kerner kuscheln am Hindukusch? Und das unter Beteiligung deutscher Politiker, die sich nicht zu schade sind, auf diese Weise zur Quotenrettung eines der unnötigsten Formate im deutschen Fernsehen beizutragen? So dass, wenn der Privatsender Sat 1 schon keine Gebührengelder vereinnahmen darf, wenigstens mit Steuergeldern zum Senderfinanzausgleich beigetragen wird? Das erinnert doch allzu sehr an den amerikanischen Kinofilm Wag the dog, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Im Film lässt ein US-Präsident, der einen Sex-Skandal durchzustehen hat, von Fernsehleuten einen virtuellen Krieg inszenieren, um sich als Held darzustellen. Mit Kerner in Afghanistan erhält ein echter Krieg seine nachträgliche Daseinsberechtigung dadurch, dass Politiker, die nicht einmal zum Sexskandal taugen (Guttenberg!), als billige Komparsen Schützenhilfe fürs einzig Echte leisten, nämlich das Fernsehen. Und was ist eigentlich mit unseren Qualitätszeitungen los, die das Ungeheuerliche an diesem Ereignis reportieren, als handle es sich um einen x-beliebigen Schönheitswettbewerb in Winsen an der Luhe? Wer bis jetzt noch dachte, in Afghanistan würden humanitäre Hilfe geleistet und die Menschenrechte gesichert, der sieht sich ausgerechnet durch Johannes B. Kerner eines Besseren belehrt: Kein Kriegseinsatz kann so real sein, dass er nicht als Fernsehkulisse noch schöner würde.

Afghanistan: Ehepaar Guttenberg besucht Feldlager Kundus | Politik | ZEIT ONLINE

"Wetten, dass" und Audi: Was ist schon ein Menschenleben gegen den Verkauf eines Autos?


08 Dez

Was ist schon ein Menschenleben gegen den Verkauf eines Autos? Das Fachmagazin Journalist hatte schon vor einigen Monaten darüber berichtet, dass der Autohersteller Audi und das ZDF mit seiner Sendung „Wetten, dass“ eine enge geschäftliche Liaison eingegangen sind. Audi ist es offenbar Millionensummen wert, seine Automobile in der Samstagabendshow des Zweiten Deutschen Fernsehens präsentieren zu können:

Manchmal ist nicht ganz klar, wo beim ZDF die größere Kreativitätsleistung erbracht wird. Bei der Entwicklung neuer Programmideen – oder doch eher beim Verschachteln undurchsichtiger Kooperationen mit Partnern aus der Industrie? Das beste Beispiel dafür ist Wetten, dass ..?. Seit Jahren werden Autos verlost oder verschenkt, die Moderator Thomas Gottschalk in der Unterhaltungssendung vorstellt. Eine Zeit lang war Mercedes „Automobilpartner“, derzeit ist Audi am Zug.

Im Rundfunkstaatsvertrag wird so ein Geschäftsgebaren zwar als „Beistellung“ definiert, die dann zulässig sei, wenn für Produkte, die etwa bei Gewinnspielen verlost würden, nichts bezahlt würde. Informationen des Journalists zufolge zahle aber Audi für die Kooperation mit Wetten, dass ..? 1,8 Millionen Euro für zwei Staffeln.

Abgewickelt wird der Deal über die Firma Dolce Media, die Thomas Gottschalk und seinem Bruder Christoph gehört, der auch die Geschäftsführung innehat. Laut Definition des 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrags ist eine Kooperation, bei der es um Bildschirmpräsenz geht und für die das Unternehmen bezahlt, Product Placement. Und seit Inkrafttreten dieses Staatsvertrags im April ist Product Placement öffentlich-rechtlichen Sendern grundsätzlich verboten. 

Das ZDF leugnet einen solchen Zusammenhang. Moderator und Dolce Media-Gesellschafter Thomas Gottschalk erläuterte allerdings schon vor sechs Jahren in einem Focus-Interview:

„Es lag nahe, sich um die Vermarktung von Wetten, dass ..? zu kümmern. (…) Mein Bruder hat sich dann mit dem ZDF zusammengesetzt und Partner gesucht. Ich komme ja aus einer Zeit, in der das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Sendungen, die es produziert hat, auch noch bezahlen konnte. Heute sagt der Sender schon mal, diesen Gast können wir uns nicht leisten, dieses Bühnenbild ist uns zu teuer. Deshalb muss es neue Ideen zur Finanzierung geben. (…) Was mit Gebühren nicht mehr zu finanzieren ist, fällt eben weg, oder es müssen Sponsoren ran.“

Zum Sponsoring zählt wohl auch, dass Thomas Gottschalk als Moderator und Werbepartner bei „Events“ der Fa. Audi auftritt und sich hierfür mutmaßlich gesondert honorieren lässt. So liest man auf dem „Thomas Gottschalk“-Weblog („Aktuelle Infos über Deutschlands Showmaster Nr. 1“) unter der Überschrift „100 Jahre Audi: Kanzlerin zu Gast bei Gottschalk“:

Bei Audi laufen die Vorbereitungen für die Jubiläumsfeierlichkeiten auf Hochtouren. Höhepunkt zu Beginn ist der Festakt am 16. Juli 2009, zu dem sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt hat. (…) Der Festakt wird von Thomas Gottschalk moderiert, zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus Industrie, Sport und Motorsport werden erwartet“.

Auch als Zugpferd für Autopräsentationen lässt Thomas Gottschalk sich gerne neben den neuesten Audi-Modellen ablichten (Beispiele finden sich hier, hier und hier). Und auf der Website der ZDF-Show darf Audi gleich mehrfach werblich, mit Banner und mit einem Video, für sich werben. Der Journalist hat herausgefunden:

Als Herausgeber der Seite wird Dolce Media ausgewiesen, der Betrieb erfolgt bei Bauer Digital, einer Tochter des Hamburger Bauer-Verlags, in dem auch TV Movie erscheint. Der Programmzeitschrift liegt regelmäßig das gedruckte Wetten-dass..?-Magazin bei. 

Der Branchendienst Meedia sieht darum einen Zusammenhang zwischen dem Sponsorenvertrag mit Audi und dem tragischen Unfall am vergangenen Samstag in der Wetten, dass-Show, bei dem ein Amateurstuntman sich offenbar bleibende Verletzungen zugezogen hat:

Wie die Idee zum Power-Rizer-Stunt entstand, ist unklar. Es passte allerdings nur zu gut ins Sponsoren-Konzept, dass der Student seine waghalsiges Salto-Akrobatik über fahrenden Autos inszeniert und nicht etwa beispielsweise über Heuwagen, wo sein Sturz wohl glimpflicher hätten enden können. Erschwerend für den Sprung war auch, dass die A8-Limousine als Flaggschiff der Audi-Flotte 5,15 Meter misst – ein weiter Weg für einen Satz auf Sprungfedern…

Der Evangelische Pressedienst resümiert in einem Beitrag, der auch online steht, dass sich das ZDF in der „Quotenspirale“ befinde und zitiert den Rheinland-Pfälzischen Ministerpräsident Kurt Beck, im Nebenberuf Verwaltungsratsvorsitzender des ZDF, es müsse darüber gesprochen werden, wann die Grenzen des Verantwortbaren überschritten würden. Allerdings, mit Quotendruck und Zuschauerzahlen hat all das vielleicht nicht mehr viel zu tun. Eher hat es womöglich mit Geld zu tun, mit den Verpflichtungen gegenüber einem Groß-Sponsor und mit den wirtschaftlichen Abhängigkeiten, in die sich ein vorgeblich unabhängiger öffentlich-rechtlicher Sender begeben hat. Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles: Ach, wir Armen …

Journalist: Der Partner zahlt ZDF Wetten, dass und Audi

Herrliche Fernsehzukunft in der ARD


24 Nov

„Es gilt das gesprochene Wort“: Der Hinweis, gerne fällig, wenn Redner frei von ihrem Manuskript abweichen, hat im Ersten Deutschen Fernsehen zwar auch seine Berechtigung, aber es ist eine wichtige Einschränkung zu machen. Das gesprochene Wort herrscht künftig in der ARD, aber mit Gültigkeit hat das nichts zu tun. Das Wort, wie es in den flutartig über uns hereinstürzenden Talkshows der ARD herrscht, ist das moderne Äquivalent zum Palaver. Gültiges wird hier gerade vermieden, Hauptsache, die Sendezeit wird gefüllt, und das heißt: verschwendet.

Jauch am Sonntag, Plasberg Montag, Maischberger Dienstag, Will Mittwoch, Beckmann Donnerstag: So stellt sich ARD-Programmdirektor Volker Herres nach Informationen des Tagesspiegel die Talk-Zukunft im „Ersten“ vor. Die Intendanten beraten noch, ein Opfer scheint sicher: Dokumentationen werden keinen prominenten Platz mehr haben.

Was wir hier künftig vorfinden, ist nichts anderes als die Austreibung des Sehens aus dem Fernsehen. Eine Kamera ist für solcherlei Programm eigentlich gar nicht nötig. Es handelt sich um Hörfunk mit Mattscheibenpflege, und was da gepflegt wird, sind die immergleichen Gesichter mit den, meist, immergleichen Phrasen. Haben solche Programmentscheidungen womöglich damit zu tun, dass in den Redaktionen und Hierarchieebenen der ARD immer mehr Fernsehmenschen das Sagen haben, die selbst vom Fernsehmachen schon weit sich entfernt haben? Dass die eigentlichen Programmmacher, all die Freien Mitarbeiter, Freien Regisseure und Freien Kameramänner, zwar ihr Handwerk verstehen, aber von der Programmgestaltung und damit so weitreichenden Programmentscheidungen weit entfernt sind? Da wünscht man sich doch ein Autorenfernsehen, so wie es Autorenverlage und Musikerlabel gibt: Mit Programmen für Liebhaber, die was fürs Auge bieten wollen und nicht nur den Zuschauern auf die Ohren geben.

Meedia: Harte Zeiten für Anne Will

Fernsehen tötet: Kind erschlagen


10 Nov

Nicht nur das Programm kann tödlich sein, auch die Endgeräte haben ihre ganz eigene todbringende Wirkung. Überhaupt kein Witz, was sich gestern im Kölner Stadtteil Bocklemünd ereignet hat:

Ein drei Jahre alter Junge ist am Dienstagvormittag in Bocklemünd von einem Fernseher erschlagen worden. Nach Informationen der Rundschau spielte der Junge zusammen mit seiner sechsjährigen Schwester vor dem Fernseher, als das schwere Röhrengerät auf ihn fiel. Ersten Erkenntnissen zufolge könnte eines der Kinder auf den Fernsehtisch geklettert sein. Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren war, hielt sich während des Unfalls auch die Mutter der Kinder in der Wohnung auf. Sie rief den Notarzt, der erfolglos versuchte, den Dreijährigen wiederzubeleben. Auch ein Rettungshubschrauber war in der Zwischenzeit in Bocklemünd eingetroffen. Die Kriminalpolizei sperrte die Wohnung für weitere Ermittlungen ab.

Das ist übrigens, wie es in der Presse so gerne heißt, „kein Einzelfall“:

Zu tödlichen Unfällen mit Fernsehern kommt es immer wieder: Erst im Mai war ein drei Jahre altes Mädchen in Weiden von einem herabstürzenden Fernseher erschlagen worden. In Österreich starb im September ein fünf Monate altes Mädchen, nachdem es von einem Fernsehgerät getroffen worden war. Auch in Duisburg und Bielefeld kamen in den vergangenen Jahren Kleinkinder durch herabfallende Fernseher ums Leben.

Der offenbar allzu enge Kontakt zwischen Kind und Fernsehen kommt vermutlich auch daher, dass das Fernsehgerät heute gerne als Erziehungsersatz benutzt wird, wie auch die Kölnische Rundschau weiß:

Fast jedes fünfte Kind sucht Trost beim Fernsehen oder Computerspiel. Vor allem wer sich in der Familie weniger wohlfühlt oder in der Schule nicht so gut zurechtkommt, greift öfter zur Fernbedienung oder Computermaus.

Eine Frage, die ebenfalls laut Kölnischer Rundschau Kinder gerne stellen, dürfte für eines von ihnen nun beantwortet sein, nämlich ob es im Himmel auch Fernseher gibt.

Dreijähriger von Fernseher erschlagen – Kölnische Rundschau

WDR sucht Fälscher seiner Hauszeitung


28 Okt

WDR_Print_2011_nov_244 Manchmal gibt es eben auch Beifall von der falschen Seite: Von WDR-Intendantin  Monika Piel höchstpersönlich. „Wer bislang noch behauptet hat, im WDR gebe es keinen hintergründigen Humor, der ist spätestens heute eines Besseren belehrt worden”, schrieb sie. Anlass der Humorkritik ist ein freches Plagiat. Eine “Untergrund-Redaktion” aus Mitarbeitern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt hat die Hauspostille “WDR Print” gefaket. Wo sonst biedere Hausmitteilungen und ranschmeisserische Eigenwerbung zu lesen ist, finden sich in der “Zukunftsausgabe” der “WDR Print” (unter dem Erscheinungsdatum “November 2011”) kritische Analysen, konstruktive Programmvorschläge und immer wieder Seitenhiebe auf die zum Teil katastrophalen Arbeitsbedingungen, die nach Meinung der anonymen Autoren offenbar im WDR herrschen. Vor allem das Schicksal der Freien Mitarbeiter des Westdeutschen Rundfunks liegt dem Autorenkollektiv am Herzen. Quotendruck, Arbeitsverdichtung, menschenunwürdige Arbeitsplätze und seit Jahrzehnten sinkende Realeinkünfte haben ihren ganz eigenen Einfluss auf die abwärts tendierende Qualität des Programms.

Ob sich die Freien Mitarbeiter des WDR, die dieses Plagiat zu verantworten haben, wohl darüber freuen, dass ausgerechnet die Bildzeitung als eine der ersten über diesen Fake berichtet hat? Und bei aller Humorkritik: Hinter der Satire steckt ja ein faktischer Kern. Wenn Intendantin Monika Piel sich wirklich zur Fürsprecherin der Plagiatoren machen möchte, dann soll sie an ihren eigenen Taten gemessen werden: Mehr besseres Programm und deutlich verbesserte Arbeitsrahmenbedingungen für die öffentlich-rechtlichen Journalisten.

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