Archive for the ‘Fernsehen’ Category

ARD Sportschau: Statistisch den Ball flach halten


18 Okt

Wie man statistisch den Ball ganz flach halten kann, hat am vergangenen Samstag die ARD Sportschau bewiesen. Ausgerechnet Steffen Simon (immerhin Sportchef des WDR) beweist in seinem Kommentar zur Bundesliga-Partie St. Pauli gegen FC Nürnberg, wie man völlige Unkenntnis von Statistik öffentlich vorführen kann. Gleich zu Anfang seines Berichts äußert er über den Pauli-Stürmer Gerald Asamoah:

“Nürnberg hat noch nie ein Team besiegt, in dem er mitspielte”.

Das ist in der an statistischen Dämlichkeiten nicht armen Sportberichterstattung nun doch ein einsames Highlight an Unverstand. Denn mit dieser Logik müsste St. Pauli nur Pele, Zinedine Zidane oder Roger Mila aufstellen, um stante pede Deutscher Fußballmeister zu werden. Schließlich hat noch keine Mannschaft je ein Bundesligaspiel gegen ein Team gewonnen, in dem einer der genannten Fußballrentner mitspielte. So wird man mit Statistik meisterlich!

Ob das die Quote rettet?


15 Okt

Zuschauer eingesperrt!

Eine Million wurde in der neuen ZDF-Sendung „Rette die Million“ mit dem vom Privatfernsehen über einen kleinen ARD-Umweg zum Mainzer Sender gewechselten Moderator Jörg Pilawa.  Auch ein Millionenpublikum wollte das aufgewärmte und abgekupferte Spektakel nicht goutieren. Damit wenigstens das Studiopublikum nicht abhanden kommt, haben die Veranstalter zu einem probaten Mittel gegriffen — sie haben ihre Zuschauer einfach eingesperrt:

Sieben sich hinziehende Stunden mussten die etwa 350 Besucher danach im Studio ausharren. „Wir bekamen nicht ein Wasser zu trinken, wir durften nicht zur Toilette gehen“, erklärte eine Besucherin. „Das ist Freiheitsberaubung“, habe das Publikum lautstark votiert.

Dass wir Gefangene des Fernsehprogramms sind, haben wir schon lange gespürt. Aber dass die Angstversion auf so handgreifliche Art manifest wird, war dann doch überraschend. Selbst als die Show abgedreht war, durften die Zuschauer den Saal nicht verlassen. Die Produktionsfirma Endemol hatte Angst um die zitierte Million, die als Bargeldbestand den Tatbestand der Freiheitsberaubung erst ausgelöst hat. Sonst werden Geiseln genommen, um Millionen zu erbeuten. Im vorliegenden Fall wurden Zuschauer gekidnappt, um eine Million wieder loszuwerden:

Selbst als die Show abgedreht war, die letzten Kandidaten mit ihren 200.000 Euro die Bühne verlassen hatten, so die WAZ-Titel, durften die Zuschauer noch lange nicht nach Hause. „Sie haben Bodyguards an den Ausgängen postiert und zunächst die in der Show ausgesetzte Million Euro gezählt“. Endemol habe das Prozedere der Versicherung zugesagt, erklärten ZDF-Pressesprecher Peter Gruhne und eine Endemol-Sprecherin unisono.

„Auf Grund des hohen Sicherheitsstandards und der vielfältigen Auflagen, deren Einhaltung wir als Produzent dem Versicherungsunternehmen angesichts eines siebenstelligen Bargeldbetrags garantieren müssen, ist es für die Studio-Zuschauer
bei der Premiere von „Rette die Million!“ zu langen Wartezeiten gekommen“, erläuterte eine Endemol-Sprecherin gegenüber den Zeitungen. Die Million Euro, die die Kandidaten in den langwierigen Runden hin- und herschleppen mussten, wurden von einer Münchener Firma versichert.

Wenn zum ersten Mal die Schlagzeile zu lesen ist: „Fernsehmacher eingesperrt!“, dann wird der Medienkritiker jubeln.

Meedia: Randale: Publikum bei Pilawa eingesperrt

Buchmesse kritisch: RAF-Ästhetik und Videotext


05 Okt

Andreas Ammer, der Regisseur der einzig brauchbaren Büchersendung im deutschen Fernsehen, „Druckfrisch“ in der ARD, hat sich zum Thema „Fernsehen und Literatur“ geäußert. Kritisch moniert er:

„Das Fernsehen ist das einzige Massenmedium, das keine eigene Kunstform hervorgebracht hat“.

Ammer findet Literatur im Fernsehen, gelinde, unterrepräsentiert:

„Die einzige Literatur, die im Fernsehen stattfindet, ist der Bildschirmtext“.

Die Leerstelle, die Literatur im Fernsehen darstellt, kann laut Ammer aber auch systematische Gründe haben:

Das Problem für Ammer, wenn es darum geht Schriftsteller und ihre Werke in Szene zu setzen: „Qua Beruf sitzen sie zwei bis drei Jahre allein daheim“ – und müssten dann zum Verkaufsstart durch die Medien tingeln. Das gelingt aus Fernsehmachersicht nicht in jedem Fall. Aus diesem Grund verbiete man sich bei „Druckfrisch“ entsprechende Homestorys – und postiert den Autor stattdessen mitsamt Moderator Scheck in die verschiedensten Szenerien – was teils eine eindringliche, teils eine absurde bis hochkomische Wirkung entfalten kann.

Wo Literatur im Fernsehen mal wortwörtlich vorkam, zum Beispel bei Hans-Joachim Kulenkampffs Vorlesesendungen im vergangenen Jahrhundert, erinnerte es Ammer eher „an die Ästhetik eines RAF-Videos“.

DWDL.de – RAF-Ästhetik und Videotext: Literatur im TV

ZDF-Programmchef wünscht sich grossen Busen


29 Sep

Was guckt ZDF-Programmchef Thomas Bellut eigentlich Samstag abends im Fernsehen? Er guckt RTL. Und hat dabei wichtige Einsichten, was das eigene ZDF-Programm angeht:

„Wir haben ja alle einen Gendefekt in dieser Branche. Als die amerikanische Frau mit ihren Riesenbusen die Bierdosen zerdatscht hat, da wusste ich sofort: sieben Millionen!“

Der ZDF-Programmchef, so muss man dieser Äußerung wohl entnehmen, wünscht auch für sich selbst bzw. sein Programm ein Busenwunder. Und das vor allem auch am Nachmittag. Denn das Tagesprogramm seines Senders, das Bellut (nota bene!) als Programmchef maßgeblich zu verantworten hat, gefällt dem ZDF-Mann offenbar gar nicht:

„Ich verzweifle jeden Tag an bestimmten Zonen in unserem Programm (…).Das Tagesprogramm ist zurzeit die Hölle. Da müssen wir uns neu sortieren und uns fragen: Was können wir als öffentlich-rechtlicher Sender eigentlich leisten und wo sollten wir uns nicht verzetteln?“

Auch Günter Struve, dem Ex-Programmverantwortlichen der ARD; gefällt das ZDF-Programm wohl nicht sonderlich:

„Unsere Fernsehlandschaft wird auch von Sendern geprägt, die nicht begreifen, was ihre Zuschauer wollen.“

Allerdings täte Herrn Struve auch etwas Selbstkritik gut: Denn einige der schlimmsten Programmauswüchse der ARD der letzten Jahrzehnte gehen auf sein Konto.

Meedia: „Das Tagesprogramm ist zurzeit die Hölle“

Wer länger glotzt ist früher tot?


17 Sep

Fernseher  Das war schon ein medienkritischer Hammer, den das poblizistische Leidorgan der Medienkritik, der Kölner Express, da gestern pominent auf Seite 3 veröffentlicht hat: Fernsehen kann tödlich sein. Und der Artikel hob direkt mit einem linken Haken gegen das Medien-Establishment an:

Die Glotze macht krank, nicht nur wegen des zum Teil grottenschlechten oder todlangweiligen Programms.

Aber worum geht es den Medienkritikern des Express eigentlich? Darum:

Forscher des Diabetes-Instituts in Victoria (Australien) haben in einer breit angelegten Studienreihe herausgefunden, dass die Flimmerkiste gar unser Leben gefährdet. Wer mehr als vier Stunden guckt, steigert sein Krankheitsrisiko um 80 Prozent – und läuft damit Gefahr, früher zu sterben.

Es geht dabei, wenn man weiter liest, um den Mangel an körperlicher Bewegung, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 18 % steigert. Die Erkenntnis war offenbar so brisant, dass auch die Süddeutsche, die Rheinische Post und viele viele andere sich diese Meldung nicht entgehen lassen wollten. Jedoch wollen wir hier mal den Fernsehapparat im Dorf lassen. Was an den Berichten vor allem auffällt, ist der schludrige Umgang mit Zahlen und die offensichtlich fehlenden Statistik-Kenntnisse der Journalisten. Eine Prozentangabe ohne Richtgröße ist wenig aussagekräftig (18 % wovon?). Und bei gesundheitlichen Kennziffern sind natürlich Alter und Geschlecht der Befragten auch noch höchst relevant.  Richtig blöde wird’s dann im Express, wenn man weiterliest:

Damit ist die Extra-Stunde TV für einen Menschen genauso gefährlich wie fünf Zigaretten oder zwei stressige Überstunden pro Tag. Auch das Krebsrisiko stiegt (sic!) vor dem Flimmerkasten – immerhin um 9 Prozent.

Das ist nun wirklich Medizin nach Noten, nämlich den schlechten Mathematik- und Biologie-Noten der Express-Mitarbeiter. Ach ja, von wegen „express“: Sonderlich schnell waren die Presseleute auch nicht mit der Veröffentlichung. Die allseits geschätzte Telepolis berichtete bereits vor 9 Monaten über die Studie …

Da sei doch die Prophezeiung erlaubt: Wer mehr als 80 Jahre den Kölner Express liest, der verkürzt seine Lebenserwartung um mindestens 20 Prozent. Das bedeutet so viel wie, dass ein 120-jähriger Mann weiblichen Geschlechts, der mehr als 95 Jahre lang täglich den Express gelesen hat, bestenfalls 60 Jahre alt wird. Wer will da widersprechen?

Achtung!: Fernsehen kann tödlich sein | Gesundheit – EXPRESS

RTL: Witz komm raus, du bist umzingelt


13 Sep

Wäre ich doch nur ins Bett, in die Kneipe, in den Park oder gar in die Wüste gegangen! Alles besser, als am vergangenen Samstag das Fernsehgerät angeschaltet zu haben. so aber bin ich unversehens bei RTL gelandet, Deutschlands unangefochtenem Marktführer bei jenen Menschen, die noch auf Fernsehwerbung hereinfallen. Unangefochten bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie, dass noch niemand mit dem Säbel dreingeschlagen und die Macher zum Duell gefordert hat. Allerdings gehört dazu auch eine gewisse Satisfaktionsfähigkeit, die mit Programmausscheidungen wie „Die 25 witzigsten TV-Momente 2010“ sicherlich nicht zu erreichen ist.

Ich schaltete erst kurz vor dem Hirntod, sprich: dem Ende der Sendung ein, gerade die beiden Spitzenreiter an Witzigkeit nach Meinung einiger RTL-Quotensklaven durfte ich noch erleben. Der zweitwitzigste TV-Moment des Jahres 2010 (das im übrigen ja noch nicht abgelaufen ist …) war ein Ausschnitt aus einer ungarischen Talkshow, in der unvermittelt eine ganze Familie mit äußerster Brutalität aufeinander einprügelte. Für die wiederholte Ausstrahlung dieser ekelhaften Schlägerei hätten zwar einige RTL-Angestellte Prügel verdient. Was aber daran „witzig“ gewesen sein soll, hat sich mir bis zu diesem Augenblick noch nicht erschlossen. Was ich sah, war eine Tragödie, und ob nun die tatsächliche Prügelorgie oder der Umstand, dass dieses Familiendrama sich vor laufender Kamera abgespielt hat, tragischer war, vermag ich nicht zu sagen.

Der nach RTL-Humorpolizei „witzigste TV-Moment“ war dann eine Rede, die ein holländischer Fußballtrainer von einem Rathausbalkon herab gehalten hat. Ich gebe zu, dass Ausländer, die in Deutschland Balkonreden halten, durchaus eine gewisse Ironie der Geschichte darstellen könnten. Dem RTL-Gesinde ging es aber wohl eher darum, dass dieser Sportlehrer des Deutschen nicht in Perfektion mächtig war und ihm die Fälle einiger Artikel durcheinander gingen. Verständlich ist das, bedenkend, dass der Mann gerade deutscher Fußballmeister geworden ist und vielleicht auch das ein oder andere einheimische Bier getrunken hat. Menschlich ist es womöglich auch. Aber was ist daran witzig?

Eine Prügelei und ein Witz auf Kosten eines erfolgreich in Deutschland integrierten Ausländers sind also das witzigste, was die RTL-Mischpoke europaweit im Fernsehen gefunden hat? Ich möchte über das dem innewohnende Ressentiment gar nicht weiter raisonnieren, die Unhumanität und Ausländerfeindlichkeit halten sich mit der Dummdreistigkeit und Unverfrorenheit solcher Programmacher so sehr die Waage, dass selbst Justizia da einmal die Augenbinde verrutschen könnte. Aber eines muss ich doch feststellen, nämlich was man mit so einem Fernsehprogramm einzig anstellen kann: Abschalten.

Die 25 witzigsten TV-Momente 2010 – RTL.de

Gute Nachrichten: Fernsehpause dank Stromausfall


01 Sep

Es bedarf oft nur so kleiner Irrtümer, um die angenehmsten Folgen zu generieren:

Nicht alle Zuschauer, die am Montagabend in Hessen fernsehen wollten, bekamen auch tatsächlich etwas zu sehen. Probleme bei der Energieversorgung am Fernmeldeturm Frankfurt hatten zu wiederholten massiven Empfangsstörungen geführt.
Betroffen waren alle Hörfunkwellen des Hessischen Rundfunks sowie das terrestrische Fernsehen DVB-T. Auch am frühen Dienstagvormittag sei es noch einmal zu Störungen gekommen, teilte der hr am Dienstag mit.

Dass ein solcher Stromausfall übrigens günstigen Einfluss auf die Geburtenrate haben könnte (was Herrn Sarrazin womöglich gefallen würde) ist ein populärer Irrtum: Auch bei dem berühmten Stromausfall in New York 1963 ist neun Monate später die Geburtenrate nicht signifikant gestiegen.

DWDL.de – Stromausfall: Massive Empfangsstörungen in Hessen

Wie darf man das Fernsehen kritisieren, Teil 2: Oliver Kalkofe


19 Aug

clip_image002 Ich gehöre nicht zu den größten Bewunderern des Oliver Kalkofe und finde nachhaltig, dass er seine beste Zeit einst beim Frühstyxxradio von Radio ffn in den frühen 90ern hatte. Manchmal gar scheint es mir, als ob gerade die über ihn und seine Medienverrisse am lautesten lachen, über die er sich gerade lustig macht. Das ist natürlich auch eine Kunst.

Neulich fiel mir sein Buch Geschafft! Wir sind blöd! Kalkofes letzte Worte in die Hände, eine Sammlung von Kolumnen, die er regelmäßig in einer Fernsehillustrierten veröffentlicht. Und ich muss sagen: Ich habe doch an einigen Stellen herzhaft gelacht. Dann wieder wurde ich aber auch nachdenklich. Im Einleitungstext nämlich schreibt Kalkofe:

Wer es sich inzwischen leisten kann, abzuschalten, der tut es. Wer genug Geld für Kino oder Videothek hat oder gar das so gern zitierte „gute Buch“ zu benutzen weiß, der hat sich längst von seinem alten Kumpel Fernsehen verabschiedet. Oder bestellt sich seeine DVDs aus dem Ausland, um erstaunt mitzuerleben, wie vor allem in Amerika und England in den letzten Jahren einige der fantastischsten TV-Produkte aller Zeiten entstanden sind.

Und dann folgt eine Liste, die wohl nach Meinung Kalkofes für das „gute Fernsehen“ stehen soll:

Die Sopranos, 24, Lost, Deadwood, Six Feet Under, Prison Break, Boston Legal, Heroes, Arrested Development, The Office, Doctor Who, Little Britain, Extras – die Liste ist endlos.

Mal davon abgesehen, dass der Großteil dieser Formate auch im Deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden und man eine Videothek deswegen nicht konsultieren gemusst hätte (außer natürlich man steht auf Filme in Originalsprache, aber das ist ein anderes Thema und so eine Videothek muss man auch erstmal finden — überhaupt muss man ja heute eine Videothek erstmal finden!): Ist doch irgendwie auffällig, dass Oliver Kalkofe beim Thema „Gutes Fernsehen“ ausschließlich Unterhaltungssendungen einfallen. Nachrichten, Features, Dokumentationen, politische Sendungen kommen im Kalkofe-Kosmos offensichtlich nicht vor. Obwohl gerade hier das deutsche Fernsehen, namentlich das öffentlich-rechtliche, unter Umständen gegen die internationale Konkurrenz gar nicht abfallen müsste. Jedenfalls ist die berühmte BBC-Dokumentation auch nicht mehr das, was sie einmal war. Re-Enactment, alberne Grusel-Ausleuchtung, sich selbst inszenierende Journalistendarsteller — das sind die Neuerungen, die wir in diesem Bereich der Insel zu verdanken haben. Und an bahnbrechende Fernsehdokumentationen aus den USA kann ich mich in den vergangenen 10 Jahren gar nicht erinnern. Auffälligerweise produziert etwas Michael Moore nur noch fürs Kino. Kalkofes These sollte er also vielleicht noch einmal überdenken.

Wie darf man das öffentlich-rechtliche Fernsehen kritisieren?


11 Aug

Dass zum Jubiläumsjahr der ARD, die vor 50 Jahren aus der medialen Taufe gehoben wurde, auch kritische Nachfragen zum Programm evoziert wurden, dürfte eigentlich kaum überraschen. Die Reaktionen der angesprochenen Sender im ARD-Verbund waren zum Teil nervös. Auftakt machte die Bildzeitung mit ihrem „großen ARD-Report„. Untertitel: Skandale, Vetternwirtschaft, Gebühren-Verschwendung. Allerdings war diese Darstellung in dem Boulevardblatt durchaus prätentiös oder, wie Michael Ridder auf epd.medien schrieb:

Es wäre müßig, auf diesen unappetitlichen Mix aus Ressentiments, Halbwahrheiten und aufgewärmten Alt-Skandalen näher einzugehen.

Warum eigentlich nicht näher darauf eingehen? Auch der WDR als größte Sendeanstalt der ARD ging in seinen Stellungnahmen zu der Serie nur auf wirklich strafwürdige Vorwürfe ein. Aber dass Skandale zurückliegen, bedeutet nicht, dass sie nicht Skandale sind. Dass Vorwürfe schon länger im Raume stehen, bedeutet nicht, dass sie ausgeräumt sind. Hier sind öffentlich-rechtliche Sender als öffentliche Unternehmen in einer anderen Pflicht als private, denn die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse. Darum ist es schon verwunderlich, wenn beispielsweise die WDR-Intendantin Monika Piel aus dem Umstand, dass der WDR neben Gebühren- ja auch Werbeeinnahmen habe, schließt, es handle sich bei der von ihr geführten Anstalt quasi um ein privates Unternehmen:

Der WDR ist nicht aus Steuermitteln finanziert – wie die Bundesregierung, sondern ein Medienunternehmen, das zum Teil aus Gebühren und zum Teil aus Werbeeinnahmen finanziert wird. Bei anderen Unternehmen – wie etwa bei BILD – werden die Gehälter der Chefs auch künftig nicht öffentlich bekannt sein.

Die Bezüge nicht zu veröffentlichen, war wohl erwogen, wie man inzwischen weiß, da der WDR die Bezüge seiner leitenden Angestellten auf gesetzlichen Druck hin veröffentlichen musste. Und dass diese Bezüge exorbitant sind, während gleichzeitig die Freien Mitarbeiter des WDR, die über 90 % des Programms herstellen, seit Jahren und Jahrzehnten Reallohneinbußen hinnehmen müssen, ist sehr wohl erklärungsbedürftig. Und was als „Geschäftsbericht 2009“ im Internet veröffentlicht wurde, ist kein ebensolcher, sondern vielmehr eine reichbebilderte Werbe-Selbstdarstellung, die auch nicht die elementaren Informationsbedürfnisse einer interessierten Öffentlichkeit abdeckt. Dass die Produktionsbedingungen bei ARD-Produktionen, die von Freiberuflern und privaten Produktionsfirmen durchgeführt werden, häufig jenseits aller Tarif- und Arbeitsschutzbedingungen sind und hier ein Manchesterismus durchexerziert wird, wie er einem öffentlichen Unternehmen als allerletztes frommt, ist durchaus fragwürdig und wartet noch auf Antwort. Auch die Anfrage der Bildzeitung, warum eigentlich zu den Olympischen Spielen in China neben dem NDR-Intendanten auch zwei Programmdirektoren sowie ein Produktionsdirektor gereist ist, wiewohl doch keiner von ihnen von den Spielen berichtet hat, ist luzide und wartet auf echte Erklärung.

 

FAZ-Streit um öffentlich-rechtliches Internet-Angebot

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat kritische Notate bezüglich ARD. Anlass ist ein Gutachten, das der frühere Verfassungsrichter Papier erstellt, in welchem er die Frage beantworten sollte, ob die Onlineangebote von ARD und ZDF „presseähnlich“ seien oder nicht. Papiers Urteil war schon recht überraschend, er stellte nämlich fest, dass vielmehr die Presse im Internet ihm sehr rundfunkähnlich erscheine. Das war freilich gar nicht die Frage, die sich stellte, aber sei’s drum. Auch ein solches Gutachten darf kritisiert werden. Und es ist nicht hilfreich, die Kritik, wie ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust es getan hat, mit dem Hinweis abzutun, Zeitungen hätten ja „verlegerische Interessen“, die ihrem, „Bemühen um journalistische Wahrhaftigkeit“ im Wege stünden. Ein Totschlagargument: Kein Printmedium dürfte demnach künftig noch das Gebahren öffentlich-rechtlicher Sender kritisieren, da „verlegerische Interessen“ immer im Spiel sein könnten. Aber selbst wenn dem so wäre, bleibt die Kritik bestehen. Denn aus welchen (womöglich unlauteren) Gründen eine Kritik auch geäußert wird, ändern doch diese Gründe nichts am Inhalt der Kritik.

 

Die Zeit: Verblödung durchs Fernsehen

In der Wochenzeitung Die Zeit trumpfte Jens Jessen auf. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk leiste nicht, wofür er Gebühren bekomme, ist die These Jessens, der in Kollegenkreisen schon als „schlechtester Feuilletonchef seit 30 Jahren“ bezeichnet wurde. Tatsächlich steht in seinem Beitrag viel Unsinn und vieles, was mehr auf die Einbildung als die Bildung dieses Autors schließen lässt.

Es ist absurd genug, dass überhaupt die Quote von Nachrichtensendungen gemessen wird.

Was ist daran absurd? Das Fernsehen ist ein Massenmedium, es rechtfertigt seine Existenz ausschließlich dadurch, dass es ein massenhaftes Interesse bespielsweise nach Nachrichteninformation gibt. Eine Nachrichtensendung für eine Minorität ist, jedenfalls auf diesem Kanal, barer Unsinn. Auch einem anderen weitverbreiteten Missverständnis ist herr Jessen aufgesessen, nämlich dass an der Misere des öffentlich-rechtlichen Programms das Privatfernsehen schuld sei.

Wenn es eine Ursache gibt, dann liegt sie in der Konkurrenz der privaten Sender, die den Quotendruck hergestellt hat, der als Mutter aller Missstände gelten kann.

Oh nein, die Tendenzen, die heute bemängelt werden, hat es schon lange gegeben, bevor ein erster Privatsender in Deutschland an den Start ging. Die Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Produktionsmethoden, die schleichende Boulevardisierung des Hauptprogramms, die Verschiebung anspruchsvoller Sendungen auf die hinteren Plätze des Programmschemas zugunsten eines reinen Unterhaltungsprogramms: Das alles sind Maßnahmen, die schon in den 70er Jahren abgeschlossen waren. Sehr schön ist das in einem älteren Spiegel-Artikel aus dem Jahr 1980 nachzulesen.

Auch die Frage nach der Verblödung durch das Fernsehen sollte endlich einmal kontrovers diskutiert werden. Wer belegt eigentlich, dass der Zuschauer nur durch den Konsum blöder Sendungen selbst blöde wird? Was bedeutet das eigentlich: „Verblöden“? Schrumpfendes Gehirnvolumen, abnehmende Synapsenzahl, Rückgang logischer oder mathematischer Fähigkeiten, sinkende Ergebnisse bei Intelligenztests? Ich halte das alles für sehr unwahrscheinlich.  Und auch Jessens intrikater Vorwurf, nur die „Ungebildeten“ würden sich das seichte Programm des Fernsehens ansehen, während die „Bildungsbürger“ nach Theateraufzeichnungen und Kulturfernsehen lechzen, ist weder statistisch, noch mit meiner eigenen privaten Erfahrung in Deckung zu bringen. Ich kenne genug sehr gebildete Leute, die sich im Fernsehen unwahrscheinlich seichte Sachen ansehen, promovierte GZSZ-Fans, Ingenieure mit Trash-Neigungen. Why not?

Andere Bemerkungen Jessens sind durchaus erhellend. Insbesondere diese hat mir gut gefallen:

Vulgär ist eine Volksmusikshow, in der die Volksmusik nicht Volksmusik bleiben darf, sondern zu Schlagern werden muss, mit Sängern, die zu Stars werden, also gerade nicht mehr Volk sind.

Und auch Jessens Hinweis, wie in Nachrichtensendungen Sachprobleme personalisiert werden, ist bedenkenswert. Letztlich krankt seine Darstellung aber an der fehlenden Konkretion. Dass Jessen praktisch kein einziges Beispiel für seine Urteile hat, könnte sie auch als Vor-Urteile demaskieren. Vorurteile sind zwar, laut Gadamer, fürs Weltverständnis unerlässlich. Aber deswegen sind sie noch nicht mitteilenswert.

Öffentlich-Rechtliche Sender: Vom Volk bezahlte Verblödung | Gesellschaft | ZEIT ONLINE

Constanze Rick: Die Dame mit Unterleib


03 Aug

Foto: VOX/Bernd-Michael Maurer/glamtouch Damen ohne Unterleib waren eine Zeitlang in Zirkusshows eine Volksbelustigung, wobei zu fragen wäre, ob eine Dame, die des Unterleibs und damit wesentlicher Geschlechtsmerkmale entbehrt, überhaupt als Dame bezeichnet werden darf. Constanze Rick ist selbsterklärtermaßen Fernsehmoderatorin. Einen Unterleib hat sie, aber obenrum scheint etwas zu fehlen.

Charmant und augenzwinkernd berichtet Constanze Rick über die Neuigkeiten der Promi-Welt immer montags bis freitags sowie sonntags bei VOX.

Sie muss auch einen Unterleib haben, wie sollte sie sonst in der Sendung „prominent!“ über all die Unterleibs- und Magensthemen berichten, die ihr offensichtlich so wenig Unterleibsschmerzen machen? Aber oben! Was ist oben mit ihr los? Die Frau ist eine Moderatorin, die nicht moderiert. Denn sprechen, ja sprechen darf Constanze Rick nicht, wie auch Medienblogger Stefan Niggemeier schon vor Zeiten festgestellt hat:

Hätte Miss Piggy eine Rubrik gehabt, in der sie von ihren Begegnungen mit den anderen Reichen und Schönen berichtete, sie hätte sie genau so inszeniert: Sie hätte sich auf dem Designersofa genau so affektiert die Haare hinter die Ohren geklemmt, wichtig telefoniert, sinnierend die Hand an den Mund gelegt, beinahe etwas ins Laptop getippt, aber dann doch wieder zum Handy gegriffen.

Aber das hier ist nicht Miss Piggy, sondern Constanze Rick, langjährige Reporterin des RTL-Starmagazins „Exclusiv”, und die meint das ernst mit den affigen Posen einer „TV-Kolumnistin”.

Constanze Rick darf nicht sprechen. Zwar wird behauptet, die Off-Kommentare der beispiellos hirnverbrannten Einspielfilme würden von Frau Rick selbst kommentiert. Zumeist handelt es sich allerdings um Zweit- und Dritt-Verwertungen der RTL-Schwestersendung „Exklusiv“, bei der Frau Rick einst als Praktikantin ihre stummes Staunen erregende Karriere begonnen hat. Aber warum darf die Rick dann nie die Lippen bewegen? Und wie soll so wenig Inhalt mit so vielen Worten aus nur einem wohlfrisierten Kopf kommen? Die Hermeneutiker unter den Fernsehkritikern, hier insbesondere der Webdienst Cineastentreff.de, messen ihr zwar beinahe literarischen Rang zu:

Das Konzept der Sendung erscheint originell: Rick wird meist aus einer Alltagssituation heraus (etwa: „Beim Friseur in der Gala blätternd“) das Promi-Geschehen kommentieren. Und das geradezu „literarisch“ – aus dem Off heraus in einer Art Tagebuchform.

Aber mal ehrlich: Was die Ricks dieser Welt da produzieren, ist nicht originell und nicht Boulevardliteratur, sondern Unterleibsprosa. Und wenn Frau Ricks Unterleib besondere Fähigkeiten hat, dann die, bauchzureden, wie auch im FAZ-Fernsehblog festgestellt wurde:

Seit über drei Jahren sitzt die Promi- und Klatschexpertin Constanze Rick im Vox-Magazin „Prominent!“ herum und tippt irgendetwas in ihren Mac bevor sie aus dem Off den nächsten Beitrag ankündigt, ohne im Bild die Lippen zu bewegen, was sehr irritierend sein kann.

Für Vox-Chef Frank Hoffmann  ist Ricks erstaunliches Schweigen Ausdruck ihrer Distanz zu den eigenen Themen, die er einst als Anspruch formulierte: „Wir wollen über den Boulevard berichten, ohne ihn selbst zu betreten.“ Aber wie soll das gehen? Das wäre wie Waschen ohne Wasser. Oder wie Autofahren ohne Straße: So was kann man machen, nämlich in einer Verkehrssimulation. Und vielleicht ist Ricks „prominent!“ ja einfach eine Journalistensimulation und Constanze Rick so virtuell wie ein Avatar in „Real Life“.

Aber auch, wenn Frau Rick (was womöglich begrüßenswert ist) nicht reden darf, zu Wort meldet sie sich schon: Nämlich auf ihrer Facebook-Seite. Und hier spricht sie frank und frei aus, wozu all die Stars- und Sternchen-Formate in Fernsehen und Printmedien dienen: Zur Vermarktung nämlich. Da wirbt Frau Rick ungeschminkt für ihren Nagellack („Uslu Airlines“) oder ihren schicken Schal („Faliero Sarti“). Da hat Frau Rick ja noch ganz andere Perspektiven, gerade was den Unterleib angeht …

Constanze Rick | Facebook

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter