Archive for the ‘Fernsehen’ Category

König Fußball schlägt Aufklärung


08 Jul

Ein sehr interessanter Artikel über die Programmpolitik der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten während der Fußball-Weltmeisterschaft findet sich aktuell bei Telepolis:

Wenn die Griechen einst zum Kampf der Wagen und Gesänge nach Olympia riefen, konnten sie sicher sein, in Frieden anreisen zu können. Denn das „olympische Händehalten“ war ein Waffenstillstand, der schon 10 Monate vor den Spielen begann und allen Athleten, Künstlern und Zuschauern eine sichere Anreise und einen ungestörten Verlauf der Spiele garantierte.
Heutige sportliche Großereignisse sind kein Garant mehr für friedliche Zeiten, jedenfalls was den sozialen Frieden angeht: Steigende Sozialbeiträge, Kürzungen im Sozialbereich, insolvente Krankenkassen sind die heutigen Kriegserklärungen, die geschickt in Phasen sportlicher Euphorie lanciert werden. Das Stillhalteabkkommen, das heute herrscht, ist ein anderes, nämlich das zwischen Politik und Medien.
Im deutschen Fernsehen, dem öffentlich-rechtlichen zumal, herrscht während der Fußballweltmeisterschaft in gesellschaftspolitischer Hinsicht Funkstille. Polit-Talks, Wirtschaftsmagazine und andere kritische Sendungen, von den Rundfunkanstalten gerne als die Flaggschiffe öffentlich-rechtlichen Journalismus‘ hochgejazzt, gehen auf Tauchstation.

Wer den kompletten Artikel eines uns nicht gänzlich unbekannten Autors lesen möchte, findet ihn hier:

TP: König Fußball schlägt Aufklärung

Medienwächter rügen ProSieben-Nachrichten


07 Jul

Rügen ist nicht nur eine Insel, sondern auch die Waffe der Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK). Das ist zwar ein harmloses, aber doch peinliches Mittel, um die schlimmsten Verfehlungen der Medienwelt wenigstens dingfest zu machen. Der Vorwurf der Medienwächter lässt auch tiefe Einblicke in die Arbeitsweise der Medienmenschen zu:

Beanstandet wurde ein Nachrichtenbericht in der ProSieben-Sendung Newstime über den Freitod des Fußballspielers Robert Enke. In dem Beitrag war aus der Entfernung gefilmt zu sehen, wie Enkes Witwe am Unglücksort eintraf. Ihre Fragen an die Polizei hatte die Redaktion untertitelt, weil sie akustisch auf dem Filmmaterial schwer verständlich waren.

Damit hat die Redaktion nach Auffassung der ZAK „die Persönlichkeitsrechte von Frau Enke nicht gewahrt und damit gegen journalistische Grundsätze verstoßen“. Wie mitgeteilt wurde, hat sich der Sender inzwischen bei den Medienwächtern entschuldigt.

Meedia: Medienwächter rügen ProSieben-Nachrichten

Wieder mal stirbt ein Medium: Der Videotext ist tot


30 Jun

Videotext Wenn es nach den Experten beim derzeit in Köln tagenden Medienforum NRW geht, ist der Videotext 30 Jahre nach seiner Einführung Geschichte: Der Videotext ist tot, es lebe HbbTV. Letzteres Abkürzungsungetüm steht für Hybrid broadcast broadband TV und bietet eine Möglichkeit, von denen vor allem private Medienanbieter bisher nur träumen können: Man kann unter Umständen damit Geld verdienen.

Hinter dem komplizierten Begriff mit den zwei Broad-Worten verbirgt sich eine Verbindung des klassischen Fernsehprogramms mit den Möglichkeiten des Internets – Hybrid-TV. Mittlerweile hat die Technologie Marktreife erlangt. Derzeit stehen in deutschen Haushalten laut einer Erhebung der GfK 1,5 Millionen HbbTV-fähige Endgeräte. Bis Ende kommenden Jahres sollen es Schätzungen zufolge bereits mehr als 6 Millionen sein.

Was allerdings passieren könnte, ist, dass die Erwartungen, die nun an den neuen Standard HbbTV geknüpft werden, ähnlich vermessen sind wie einst beim Videotext. So schrieb Jakob Schrenk in seinem Beitrag „Höflich im Hintergrund“, den die ARD zitiert:

Die religiösen Hoffnung, die sich heute mit dem weltweiten Netz verbinden, wurden lange Zeit auch dem Videotext entgegen gebracht. Einige fantasierten von Fernüberweisungen und Weltnetz und davon, dass der Videotext die Zeitungen ablösen werde. Andere prophezeiten hingegen das baldige Ende des Dienstes. Es spricht für das Zwittermedium Teletext, dass weder das eine noch das andere eingetreten ist. Stattdessen wartet der Videotext immer noch höflich im Hintergrund, wie ein etwas in die Jahre gekommener Diener. Per Fernbedienung klingeln wir ihn herbei. Und mit einer einzigen Fingerbewegung schicken wir ihn wieder weg.

DAs Medium ist tot, es lebe das Medium.

DWDL.de – Innovation: Der Videotext ist tot, es lebe HbbTV

Kirgistan, Kirgisistan, Kirgisien oder was?


16 Jun

Ja, wie heißt es denn nun, das zentralasiatische Land, in dem der Bürgerkrieg ausgebrochen ist? Das ZDF ist der Meinung „Kirgisistan“:

Kirgisistan zdf

Die ARD Tagesschau hält dagegen und nennt das Land „Kirgistan“:

Kirgistan ARD

Kirgisien ist vermutlich auch nicht so ganz falsch. In der kyrillischen Umschrift schreibt es sich noch mal ganz anders, nämlich „Kyrgyzstan“. Jedem das Seine …

http://www.lib.utexas.edu/maps/commonwealth/kyrgyzstan_rel92.jpg

Lena: Fräuleinwunder oder Medienkreatur?


31 Mai

noten  Ja, ich weiß: Dann ist man wieder der Miesmacher! Aber dennoch muss die Bemerkung erlaubt sein, dass die taumelnde Erregungswelle, die das Land und seine Medien ob eines Sieges der 19-jährigen Lena Meyer-Landrut bei einem Schlagerfestival erfasst hat, nicht anders denn mit seinem nach wie vor tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex erklärt werden kann: Das Ausland hat uns doch lieb, Germany twelve points!  Nur gut, dass die Abiturientin bzw. ihre Produzenten den für Ausländer nahezu unaussprechlichen Nachnamen fortgelassen haben. Landshut, Landshut? War das nicht dieses von Terroristen entführte Flugzeug? Auch diese Schmach wurde mithilfe eines Satelliten ausgemerzt.

Dass die gute Lena zwar für einiges gut ist, nicht aber unbedingt fürs Singen, so etwas geht im eurovisionären Tsunami natürlich schon mal unter. Aber Miesmacher gibt es ja immer:

Ihr authentischer Gesang wird im Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest allerdings kritisiert: „In ‚Satellite‘ und bei den meisten Songs, die sie bei Raab gesungen hat, setzt sie ihre Singstimme nicht wirklich ein. Es ist eine Art Sprechgesang“, äußerte Jane Comerford kürzlich in einem „Spiegel“-Interview. Die bekannte Gesangslehrerin und Frontfrau der Band Texas Lightning hat selbst schon Erfahrungen auf dem internationalen Parkett des ESC gemacht.

Und auch, ob Lena wirklich das bescheidene nette Mädchen ist, als das sie selbst sich in den Medien inszenieren lässt, darf in der allgemeinen nationalen Euphorie nicht gefragt werden, wiewohl die Hannoveranerin genug Anlass dazu gegeben hat, sich zu überlegen, ob sie nicht einfach nur rattenscharf auf Medienpräsenz war und ihren Exhibitionismus im Zweifel nicht nur mittels öffentlichem Sprechgesang befriedigt:

Erotische Spielchen im Wasser: Die Bilder der RTL-Fiktions-Doku „Helfen Sie mir!“ zeigen Lena Meyer-Landrut (18), wie Gott sie schuf. Doch was steckt hinter Lenas Nackt-Auftritt?

Ja, was steckt wohl dahinter? Womöglich ein Mädchen, dass so geil aufs Fernsehen ist, dass sie auch blank zieht? Natürlich nicht. Die F.A.Z. hat vorgemacht, wie die Nation diese anderen Umstände zu bewerten hat:

Es muss ein Skandal her, es braucht Sex and Crime, es muss auch die letzte jugendliche Lichtgestalt in den Dreck gezogen und mit bigotten Kommentaren überzogen werden.

In der Mediengesellschaft werden die zu „Lichtgestalten“, die im Scheinwerferkegel stehen. Die im Schatten sieht man nicht.

Nach Oslo ist vor Köln? – Kölner Stadt-Anzeiger

Todesurteil für den Tatort


26 Mai

Tatort001  Bei aller Kritik: Man muss ja auch mal loben. Zum Beispiel dieses Kleinod von Medienjournalismus, das völlig unerwartet in der Fernsehprogrammbeilage Prisma zu finden war. Darin macht sich der Autor mit dem Kürzel „dh“ Gedanken über den Niedergang der ARD-Krimireihe „Tatort“.

Denn was sehen wir? Kleinkrimis mit der einlullenden Wohligkeit eines Absackers! Das Wochenende geht, der Tatort trägt die rote Laterne der Müdigkeit. Man sieht vertraute Gesichter bei bedeutungsvoll unsinnigen Handlungen und der Andeutung eines Scherzes, dann und wann.

Verblüffung ruft auch hervor, dass die ARD-Programmmacher es unerklärlicherweise immer noch schaffen, die erste Riege bundesdeutscher Schauspieler für die Sendereihe zu verpflichten. Denn die Untersuchungen der Fernsehmorde führen, wie ebenfalls der Prisma-Rezensent sehr richtig vermerkt, zum Tod jeder Schauspielkunst:

Eva Mattes ist eine der besten deutschen Schauspielerinnen, aber als Bodensee-Kommissarin muss sie jene Fernsehregel beherzigen, die der gute Horst Tappert für seinen Derrick vorgab: nur nicht schauspielern!

Maria Furtwängler als Kommissarin Lindholm schafft das; sie kann nicht anders. Aber um die Matthes ist es schade.

Warum es diese Krimireihe im Deutschen Fernsehen überhaupt noch gibt, erklärt sich vermutlich nur mit einer der ältesten Krimiregeln, nämlich dass die Täter regelmäßig zum Tatort zurückkehren.

prisma.de: Mitten im Schwarm

Abschalten mal anders


20 Mai

Von wegen: alle wollen immer unbedingt ins Fernsehen. Dem Drang auf die Mattscheibe haben die Protestler in Griechenland jetzt eine klare Absage erteilt. Es haben nämlich, wie n-tv berichtet,

zur Abwendung des Staatsbankrotts landesweite Streiks der Ärzte und der Journalisten begonnen. In Krankenhäusern wurden alle Sprechstunden abgesagt. Nur dringende Fälle wurden behandelt. Seit 5.00 Uhr gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr.

Und es kommt sogar noch besser:

Als Folge des Streiks wird es am Freitag keine Zeitungen geben. Auch die nationale Nachrichtenagentur ANA wird für 24 Stunden bestreikt.

Dass auf diese Weise von den Streiks und Protesten niemand erfahren kann, haben die Demonstranten vielleicht nicht ausreichend bedacht. Oder wollen sie einfach das Elend nicht mehr sehen, dass sich ihnen täglich via TV darstellt? Auch in Bangkok richtet sich der Protest nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen das Fernsehen. Warum wohl? Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet:

Sie steckten gegen 20 Gebäude in Brand, darunter (…) den Sitz eines Fernsehsenders, in dem rund 100 Menschen eingeschlossen wurden. Sie mussten laut örtlichen Medien von Helikoptern gerettet werden.

War es kritische Solidarität oder schlicht Schadenfreude, dass "örtliche Medien” den Vorfall aufgegriffen haben? Und vor allem: Waren auch Deutsche unter den Opfern?

Keine Nachrichten und Zeitung: Streik lähmt Griechenland – n-tv.de

Der ultimative Fernsehbericht


12 Mai

Die Kollegen der britischen Sendung Newswipe (BBC) haben den ultimativen Beitrag verfasst, den Film, der alles über alles sagt, „unendlicher Spaß“ sozusagen. Er ist auf Youtube im englischen Original mit deutschen Untertiteln zu sehen:

Fernsehkonsum von Kleinkindern soll anhaltend das Verhalten prägen


05 Mai

Nach einer Langzeitstudie von kanadischen Wissenschaftlern sind Vielglotzer im Alter von 2 Jahren später körperlich fauler, dicker und schlechter in Mathematik. Auch wenn immer wieder geraten wird, Kinder nicht zu früh fernsehen zu lassen, werden schon auch gerne Kleinkinder vor die Glotze gesetzt. Kanadische Wissenschaftler haben nun versucht, die Langzeitfolgen des frühen Fernsehkonsums zu eruieren und dabei beobachtet, dass die Zeit, die Kinder im Alter von 2 Jahren vor dem Fernseher verbracht haben, Auswirkungen auf die Schulleistungen, den sozialen Umgang und die Gesundheit im Alter von 10 Jahren haben.

Die Studie ist in den Archives of Pediatrics & Adolescent Medicine erschienen.

Telepolis knews: Fernsehkonsum von Kleinkindern soll anhaltend das Verhalten prägen

Wahl in NRW: Klare Mehrheiten?


29 Apr

Endlich hat eine Zeitung mal das, was sie sich so sehr wünscht. In unserem Fall die Süddeutsche Zeitung aus München, und sie sieht klare Mehrheiten bei der NRW-Landtagswahl. Jedenfalls was Umfragen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angeht:

Und es gibt sie doch, die klare Mehrheit im Lande Nordrhein-Westfalen: Stolze 76 Prozent des Publikums in der Wahlarena 2010 wollten noch vor der Landtagswahl am 9. Mai wissen, welche Koalition die Spitzenkandidaten der fünf Parteien eingehen möchten. Ist Rot-Rot-Grün machbar? Passen Union und Grüne zusammen? Oder gibt es eine große Koalition?

Mal ganz davon abgesehen, dass das Publikum einer Fernsehsendung vermutlich nicht die repräsentativste Auswahl der Gesellschaft darstellt, war allerdings die Frage, die dieses Publikum von den Politjournalisten des Westdeutschen Rundfunks gestellt bekam, in hohem Maße insinuierend:

Sollen Parteien vor der Wahl sagen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen?
Oder sollen sie sich erst nach der Wahl festlegen?

WDRWahlumfrage

Jeder halbwegs mit Gehirn gesegnete Zuschauer hätte auf diese Frage mit „vorher“ geantwortet. Um den Geisteszustand derer, die mit „nachher“ geantwortet haben, muss man sich bei dieser Form der Fragestellung schon Gedanken machen. Man hätte natürlich auch ganz anders fragen können, zum Beispiel so:

  • Sollen die Parteien schon vor der Wahl alle wichtigen Fragen unter sich ausbaldowern?
  • Oder sollen sie sich nach der Wahl dem Wählervotum beugen?

Ich wäre sehr interessiert gewesen, wie das Publikum dann entschieden hätte. Aber die Vermutung ist nicht ganz abwegig, dass es dafür gewesen wäre, die Landtagswahlen in NRW nicht von vornherein für völlig nutzlos zu erklären, sondern dem Wähler auch ein ganz kleines bisschen Autonomie und Entscheidungskompetenz zuzugestehen. Aber was wollen Journalisten damit schon anfangen?

Wahl in NRW: Elefantenrunde – Rot-grüne Sirenen gegen Rüttgers – Politik – sueddeutsche.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter