Archive for the ‘Medien’ Category

Freizeitmonitor: Deutsche wünschen sich weniger Medien


30 Aug

Die Stiftung für Zukunftsfragen, eine von British American Tobacco finanzierte Initiative, hat in dieser Woche ihren „Reizeitmonitor 2012“ vorgestellt. Dazu wurden 4000 Personen in face-to-face-Interviews nach ihren Freizeitvorlieben befragt. Das Ergebnis: Die mit Abstand beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen haben samt und sonders mit Medienkonsum zu tun. Fernsehen wird dabei, allen Unkenrufen zum Trotz, von 98 Prozent der Befragten genannt. Darauf folgen Radiohören, Telefonieren und Zeitunglesen.

Freizeitmonitor 2012

Die Forscher fragten aber auch danach, was die Befragten gerne häufiger tun würden. Interessant: Bei dieser Frage liegt Medienkonsum (mit Ausnahme von „ein Buch lesen“) weit hinten im Ranking. An erster Stelle steht hier „spontan tun, wozu ich Lust habe“, gefolgt von „Ausschlafen“ und „Sex/Erotik“.

Stiftung für Zukunftsfragen
Der Westen: Deutsche wünschen sich mehr Geselligkeit

Higgs und das „Gottverdammich-Teilchen“


05 Jul

Das CERN bei Genf, Foto: Florian Hirzinger

Wer in diesen Tagen in der Presserecherche bei Google News (oder anderen Pressediensten) das Wörtchen „Gottesteilchen“ eingibt, erhält über 13.000 Suchtreffer. Denn am europäischen Teilchenbeschleuniger CERN scheint eine wissenschaftliche Sensation geschehen und das bislang nur theoretisch postulierte sog. Higgs Boson nachgewiesen worden zu sein. Und dieses Elementarteilchen wird eben gerne auch als „Gottesteilchen“ bezeichnet.

Doch woher kommt diese Bezeichnung? Viele Physiker sind mit der Benennung gar nicht glücklich, weil ihrer Meinung nach Physik mit „Gott“ prinzipiell nichts zu tun hat. So schreibt Florian Freistetter  in seinem Scienceblog:

Damit das klar ist: Das Higgs-Boson hat nichts mit Gott zu tun. Es ist ein Elementarteilchen. Teilchenphysik hat nichts mit Gott zu tun. Kein Wissenschaftler nennt das Objekt „Gottesteilchen“. Der Begriff stammt vom Titel eines Buch des Nobelpreisträgers Leon Lederman, der über Teilchenphysik und das Higgs-Boson schrieb. (…) Der Titel „The God Particle“ wurde vom Verleger ausgewählt (Lederman hätte es lieber „The Goddamned Particle“ genannt).

Nun ist Leon Lederman allerdings auch nicht niemand, sondern ein sogar hochgeehrter Wissenschaftler und Nobelpreisträger. Dennoch sollten JournalistInnen sich seine Anregung vielleicht zu Herzen nehmen und künftig vom „Gottverdammich-Teilchen“ sprechen.

Presseente oder Entenpresse? Neues aus Entenhausen


11 Jun

333px-EntenpresseEine Presse-Ente ist ein Tier, das sich heimlich in Zeitungsseiten oder Nachrichtensendungen einschleicht und dort einiges Unheil anrichtet. Aber wer weiß schon, was eine Entenpresse ist?

Eine Entenpresse oder Geflügelpresse ist ein Küchengerät zum Auspressen von Karkassen, den nach dem Braten und Zerlegen von Geflügel zurückbleibenden Knochenresten, um den enthaltenen Saft für die Zubereitung einer Sauce zu verwenden. Sie dient auch zum Auspressen der Schale von Krustentieren.

Das Gerät hat nicht nur äußerlich Ähnlichkeiten mit Druckerpressen älterer Bauart. Sie hat auch martialische Züge, etwa als Helferlein für Gerichte wie die Blutente:

Unverzichtbar ist sie für Gerichte wie die Blutente, z. B. Ente à la Rouen (Canard au sang, Canard à la rouennaise oder Canard à la Rouen), die beim Schlachten erstickt wird, damit das Blut im Körper verbleibt, und sehr frisch nur weniger als eine halbe Stunde gebraten wird.

Wer fühlt sich da nicht unwillkürlich an die ein oder andere Ausprägung des Journalismus erinnert: Auch im Journalismus soll es schon vorgekommen sein, dass Informanten, Interviewpartner und andere Antwortgeber in journalistischen Fragen erstickt wurden, damit das Blut im Körper bleibt.

entenhausen holocaustWo wir bei der Ente sind, ist doch Gelegenheit, das Neueste aus Entenhausen zu berichten. Dort hat jetzt auch der Holocaust Einzug gehalten. In der letzten Mai-Ausgabe des Heftchens “Mickey Maus Comics” wird den eifrigen Mitgliedern des Fähnlein Fieselschweifs eine Medaille verliehen. Das letzte Wort der Sprechblasen-Laudatio ist allerdings von Hand mit einem Edding geschwärzt worden. Spiegel Online hat herausgefunden, was sich hinter dem schwarzen Balken verbirgt:

Es ist wohl eher keine neue Gratulationsformel in Entenhausen. In der aktuellen Ausgabe von "Micky Maus Comics", einem Ableger der bekannten "Micky Maus", verteilt ein Honoratior der fiktiven Comicstadt "Auszeichnungen an unsere wackeren und allzeit hellwachen Feuerwachen!" Und fügt an, als wäre es ein ganz besonderer Glückwunsch: "Holocaust!"

Wie konnte es zu dem bizarren Fehler kommen? Im Englischen sei, so räsoniert der Spiegel, das Wort Holocaust mehrdeutig und könne auch ohne jeden historischen Verweis einfach Inferno oder Vernichtung bedeuten. Die aktuelle Mickey Maus-Geschichte ist 30 alt und wurde bereits mehrfach in Deutschland veröffentlicht: Ohne den Holocaust. Jetzt aber wurde der Comic Strip neu übersetzt. Und dabei soll, wie die Sprecherin des Ehapa-Verlags erklärte, ein Reprofehler geschehen sein, sodass das letzte Wort des englischen Originals nicht richtig entfernt wurde.

Mickey Maus und Donald Duck sind übrigens ziemlich unverdächtig, Sympathisanten der Nazi-Szene zu sein. In einer älteren Geschichte aus Entenhausen (“April, April”) landet ein Buch auf der Müllkippe, das unverkennbar den Titel “Mein Kampf” trägt. Ein rares Sammlerstück, denn in Neuauflagen wird der Titel dezent entfernt.

Entenpresse – Wikipedia

DRadio Kultur: Richtiger Bericht, falsches Foto


05 Jun

NR mit Leif2012

So kann aktuelle Berichterstattung natürlich auch aussehen: Deutschlandradio Kultur veröffentlicht auf seinen Internetseiten einen Beitrag über die Jahrestagung 2012 der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e.V. am vergangenen Wochenende in Hamburg. Geschmückt ist der Bericht allerdings mit einem Foto, das unverkennbar Thomas Leif darstellt, auch wenn die abgebildete Person leicht geblurt ist. Das Problem: Der Gründer des Netzwerks hat nach einem kleinen Finanzskandal den Verein schon 2011 verlassen. So etwas passiert eben, wenn man unkritisch Material von Presseagenturen (hier: dpa) übernimmt.

Über die Zukunft des investigativen Journalismus – Tagung des Netzwerks Recherche in Hamburg | Fazit | Deutschlandradio Kultur

Tag der Pressefreiheit


03 Mai

Der “Welttag der Pressefreiheit”, den die UN-Vollversammlung im Jahr 1993 auf den 3.Mai gelegt hat, erinnert daran, dass journalistische Berichterstattung und das Veröffentlichen der eigenen Meinung weltweit alles andere als “frei” ist:

Im vergangenen Jahr zählte "Reporter ohne Grenzen" 67 getötete und 1.044 verhaftete Journalisten. Bis Ende April 2012 kamen etwa 20 weitere ums Leben.

Diese drastischen Fälle dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht nur in Kriegs- und Krisengebieten die Pressefreiheit bedroht ist. Auch in Westeuropa ist der Journalismus ständigen Bedrohungen ausgesetzt.  So erinnert Stefan Ruß-Mohl, Experte für die Lage der Pressefreiheit in Italien, daran, dass sich die dortige Lage seit dem Abtritt Silvio Berlusconis keinesfalls gebessert habe.

Journalisten seien Drohungen durch mafiöse Gruppen ausgesetzt. Zudem kämpfe man mit dem Phänomen der "New Media Barons", also reicher Geschäftsleute, die Medienunternehmen aufkauften und sie dann einem Spielzeug gleich nach ihrem Willen formten.

Auch in Deutschland soll die Lage alles andere als rosig sein. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" stuft die Bundesrepublik im europäischen Mittelfeld der Pressefreiheit ein.

Medienmagazin pro: Journalismus

Art Cologne: Von wegen Postmedienzeitalter


23 Apr

Gestern ging in Köln die Art Cologne zu Ende, die „größte deutsche Kunstmesse“, wie Journalisten das dann gerne nennen. Und hier im weitläufigen Kölner Messegelände, in dem die kreative Avantguarde sich präsentiert, müsste doch jene These vom Postmedienzeitalter sich beweisen, die insbesondere in der Kunstwissenschaft ihren Ausgang genommen hat. Doch weit gefehlt: Es flimmerte, rauschte, fiepte und klapperte, was der mediale Zeitgeist nur hergab.

Der österreichische Künstler Albert Mayr installiert alles, was nur irgendwie nach Medien aussieht: Bildschirme, Mikrophone, Stative, Lautsprecher, alle werden ihrer eigentlichen medialen Funktion beraubt und auf ihre dekorative Funktion reduziert. Die TV-Installation von Edward und Nancy Kienholz zeigen die Vergangenheit einer Zukunft, den Monitor von gestern, mit dem man sich einst die Zukunft vorstellte:

Kein Wunder, dass die Kölner Kunsthochschule für Medien ihre eigene Abteilung auf der Art Cologne hatte. Es wird wohl noch eine Zeit dauern, bis aus der Einreichung eine Kunsthochschule für Postmedien werden wird.

 

 

Journalist verlässt den Journalismus


14 Feb

Ist es das, was „Postjournalismus“ genannt wird? Richard Peppiatt, Reporter der englischen Boulevardzeitung Daily Star, hat gekündigt, und dies, wie es sich für einen Journalisten gehört: Mit öffentlichem Aplomb. Sein Kündigungsschreiben hat er nämlich der Konkurrenz vom Guardian zugespielt. Darin begründet er seine Kündigung mit dem totalen Verfall der journalistischen Sitten bei seinem Arbeitgeber, wie in einem Interview mit diepresse.de nachzulesen ist:

Die meisten Storys bewegen sich in Grauzonen. Du lügst nicht, aber du sagst auch nicht die Wahrheit. Ich lernte schnell, bestimmte Fakten zu ignorieren, damit die Story den vorgesehenen Ton traf: Drogen und Einwanderung sind schlecht, Strafen müssen härter werden. In der Regel wurde den Reportern ein Thema samt Standpunkt von oben aufgedrückt. Man erhält keine wirklichen Rechercheaufträge, es heißt eher: „Du schreibst jetzt genau dies und jenes.“ Juristisch waren die Artikel nicht angreifbar, aber sie hatten mit Journalismus trotzdem nichts mehr zu tun.

Insbesondere die Behandlung muslimischer Einwanderer in der Boulevardzeitung sei zu größten Teilen tendenziös und politisch motiviert. Regelmäßig würden Geschichten über Moslems in Großbritannien frei erfunden, nur um ihr Ansehen in der Gesellschaft herabzuwürdigen. Wordbulletin.net fasst zusammen:

He said the fabricated stories were mainly related to Muslims, depicting them as a threat to British society. The defamatory stories became more widespread after the bombings in London on June 7, 2005 — often referred to as 7/7 — and the Sept. 11, 2001 attack on the United States.

Auch fernab islamophober Tendenzberichterstattung nahm man es mit der Wahrheit beim Daily Star nicht so genau. Wenn Seiten gefüllt werden mussten, wurden auch beliebige bunte Meldungen erfunden und ins Blatt gerückt:

Dass ich beim „Daily Star“ meist eher Märchen als Wahrheiten berichtete, lernte ich schnell auszublenden (…) Ein Beispiel ist eine Geschichte über das Model Kelly Brook. An dem Tag hatte ich keine Story auf Lager, also behauptete ich, Brook suche einen Hypnosetherapeuten auf, damit dieser ihr helfe, im Bad nicht mehr so lange zu brauchen. Nichts davon stimmte. Aber so lief es eben, die Seite musste gefüllt werden. Am Ende des Tages strich ich dafür einen Bonus ein.

Peppiatt kritisiert auch die britische Medienaufsichtsbehörde (Anm.: Press Complaints Commission), die um solcherlei Umstände wüsste und nichts unternähme. Nachdem seine KÜndigung bekannt geworden ist, soll der Ex-Journalist gar Morddrohungen erhalten haben, Telefon und Emailverkehr sollen überwacht worden sein. Nur eines ist nicht geschehen: Er hat auf sein Kündigungsschreiben nie eine Antwort erhalten.

Blackberry-Pause


23 Dez

BlackBerry_9700_BoldNach IBM will jetzt auch die Volkswagen AG den “information overload” für seine Mitarbeiter eindämmen. Der informative Wert vieler geschäftlicher Emails ist ohnehin gering, dafür kann die Flut an Nachrichten schwere seelische wie auch wirtschaftliche Schäden zur Folge haben. Auf Spiegel Online ist zu lesen:

Volkswagen setzt ein Zeichen gegen die totale Erreichbarkeit: Bei dem Autobauer werden künftig nach Feierabend keine E-Mails mehr an die Blackberrys von Mitarbeitern verschickt. So will der Betriebsrat die Belegschaft vor übermäßigem Stress schützen.

Blackberry-Pause: VW-Betriebsrat setzt E-Mail-Stopp nach Feierabend durch – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

Medien: Ein- und Ausgänge


28 Okt

Wer Zugang zu Medien sucht, kann im Kölner Stadtwald fündig werden:

Aber wie kommt man aus den Medien wieder raus? Wo ist der „Ausgang Medien“?

 

 

Sterbende Medien: Friedrich Kittler


19 Okt

Er schrieb, philosophierte und spekulierte nicht nur über Medien, er war auch selbst in einem fast altertümlichen Sinne ein Medium, ein spiritistisches nämlich: Der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler ist im Alter von 68 Jahren gestorben. In der deutschen Wissenschaftsszene war er ein Unikum, vielleicht sogar ein “Genie”, wenn dieser Begriff nicht gerade kürzlich erst in Verruf geraten wäre. Der Einschätzung der Wochenzeitung “Die Zeit” ist wenig hinzuzufügen:

In der deutschen Geisteslandschaft gab es einen Namen, der wie kein zweiter sich eignete, geraunt statt einfach dahingesprochen zu werden: Friedrich Kittler. Der Literaturwissenschaftler und Medientheoretiker war der Prototyp des Professors, den die Fachwissenschaft fürchtet und verfolgt, das große Publikum aber umso mehr liebt. Leichtfüßig überschritt er die Grenzen seines Faches und breitete dabei ein stupendes Wissen aus, das über die Antike, die Musik, Mathematik, Literatur bis hin zu konkreten Gegenständen wie E-Gitarren, Plattenrillen, Projektoren und Papier reichte.

Ich selbst habe Friedrich Kittler bei einer Tagung im Münchner Gasteig im Jahr 1992 kennen- und schätzen gelernt. Ich habe mir damals bei der Gelegenheit seine zwei hauptsächlichen Schriften gekauft und halte sie in meiner Bibliothek bis heute in Ehren, nämlich die “Aufschreibesysteme” und “Grammophon Film Typewriter”. Dass ich heute selbst als Medienwissenschaftler tätig bin, hat nicht wenig mit dieser Begegnung und der Lektüre zu tun. Seltsame Koinzidenzen: Mein eigener Doktorvater, Horst Turk, war zusammen mit Kittler Assistent an der Uni Freiburg. Zusammen haben sie 1977 den einflussreichen Aufsatzband “Urszenen. Literaturwissenschaft und Diskursanalyse” herausgegeben (der eigentümlicherweise in der Literaturliste seines Wikipedia-Eintrags fehlt). Wie kaum jemand anderes hat Friedrich Kittler es geschafft, Medienapologet und Medienkritiker gleichzeitig zu sein.

Wenn das Ripl’sche Gesetz womöglich doch stimmt, wonach Medien nicht sterben, sondern sich lediglich komplementär ergänzen, dann wird auch das Medium Kittler uns nicht verlassen haben. Vielleicht hat es einfach andere Aufgaben übernommen. Was könnte man ihm wohl hinterherrufen? Womöglich dieses: “So Long, and Thanks For All the Fish!”

Zum Tod Friedrich Kittlers: Medien sind die Kinder des Krieges | Kultur | ZEIT ONLINE

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter