Archive for the ‘Medien’ Category

Braucht eine Bundeskanzlerin den „Deutschen Medienpreis“?


25 Jan

Das Marktforschungsinstitut Media Control vergibt den „Deutschen Medienpreis“. Allein das klingt schon anmaßend und larmoyant. Denn die Firma maßt sich damit an, im „deutschen“ Namen Preise zu vergeben, was ihr nicht ansteht.  Aber dem nicht genug: In diesem Jahr soll ausgerechnet die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit diesem merkwürdigen Preis ausgezeichnet werden. Das hat in der Blogosphäre einige Verwunderung ausgelöst. Auf den Punkt gebracht hat die Kritik der Blogger Wolfgang Lieb:

Hätte es eines Belegs für die Unterwürfigkeit der Medien unter die Obrigkeit bedurft, so wird er mit der Verleihung mit der Auszeichnung Angela Merkels mit dem Deutschen Medienpreis einmal mehr geliefert. Unter dem Vorsitz des ehemaligen Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust wählten weitere nicht genannte „führende“ Chefredakteure die Preisträgerin aus. Sich sonst gerne als vierte Gewalt und als Kontrollinstanz gegenüber der Politik aufspielende Chefredakteure machen ihren Kotau vor der Herrschaft und das noch unter dem Namen „Media Control“. Das spricht Bände über ihr kontrollierendes Rollenverständnis. Es ist gerade so, als würde die Gerichtsbarkeit der Exekutive huldigen und sie als oberste Wahrerin des Rechts auszeichnen.

Das Medienportal Meedia.de kritisiert darüber hinaus die Zusammensetzung der Jury. Denn bis auf den namentlich genannten Stefan Aust (der sich offenbar auch für nichts zu schade ist) bleiben die Juroren ungenannt: „Befragt werden die Chefredakteure der reichweitenstärksten und einflussreichsten Medien in Deutschland“ — wer immer das sein soll. Die Firma Media Control nennt für die Preisvergabe Kriterien, die nachgerade statistisch daher kommen: „Auswahlkriterium bleibt die Frage, welche Persönlichkeit hatte im abgelaufenen Jahr eine herausragende Bedeutung oder hat der Zeitgeschichte einen prägenden Stempel gegeben“. Das ist schwammig genug, denn darunter dürfte jeder deutsche Bundeskanzler in jedem Jahr der Preisvergabe fallen. Dann aber wird doch noch eine inhaltliche Begründung nachgeschoben:

„Im Mittelpunkt ihres politischen Denkens und Handelns steht stets der Mensch. Die Würde und die Rechte des Individuums leiten Angela Merkel bei ihren politischen Entscheidungen, die geprägt sind von Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. In der Außenpolitik verfolgt sie einen Kurs, der die Partnerschaft in den Vordergrund stellt, ohne dass sie die manchmal notwendige Konfrontation scheut …“

Wer aber hat diese Lobhudelei formuliert, die doch über die rein statistische Umfrage unter Deutschlands Chefredakteuren weit hinausgeht? Ist das Stefan Aust-Prosa? Man erfährt es nicht. Genau so wenig, warum ausgerechnet dieses Jahr die Kanzlerin ausgezeichnet wird und nicht schon im letzten, vorletzten etc. Oder ist es so, dass die Geschäftsführer der Firma Media Control im Rahmen der Preisverleihungsfeierlichkeiten gerne mal ein Gläschen Schampus mit der Bundeskanzlerin trinken möchten? Ja, das möchten sie wohl auf jeden Fall.

NachDenkSeiten – Die kritische Website » Angela Merkel wird mit dem „Deutschen Medienpreis“ ausgezeichnet

Nachlese: ARD und die Apps für Rothaarige


05 Jan

Kaum ist man mal ein paar Tage weg, schon toben an der Medienfront die Schlachten wie sonst nur am kalten Büfett. Was die Mediengemüter in der Weihnachtszeit bewegte, waren nicht so sehr die Geschenke, ihr Warenwert und ihre Umtauschmöglichkeiten, als vielmehr der Umstand, dass die ARD-Tagesschau umstandslos eine sogenannte App mit aktuellen Nachrichten fürs Apple Iphone anbieten will. Dass die Zeitungsverleger toben, weil sie jeden mit Hass verfolgen, der ihnen die Chance vermiesen will, mit wenig Inhalt viel Geld zu verdienen, ist das eine. Was in der Bildzeitung aber von einem Kommentator geschrieben wurde, ist etwas völlig anderes:

Bildrothaarig

Hier schreibt übrigens einer, der rothaariger Linkshänder ist, und als solcher fordere ich in der Tat: Richtet Apps für uns kulturelle Minderheit ein! Wir lassen uns von Bildzeitung und Konsorten nicht totschweigen! Schafft drei, vier, viele ARDs. Denn deren Prinzip ist nicht das schlechteste: Mit wenig Inhalt kein Geld zu verdienen.

Jubiläums-Verdruss


23 Nov

Sylvia Meise schreibt bei epd.medien einen lesenswerten Beitrag über Jubiläumsverdruss. Sie geht dabei einem Eindruck nach, dass der deutsche Journalismus nichts mehr für veröffentlichungswert hält, was nicht in die wie auch immer stupide Form eines Jubiläums gezwängt werden kann.

Ach, Sie schreiben über Freud? – Der oder eine seiner Ideen hat sicher Geburtstag, wird 100, oder ist 100 Jahre tot. Name, Zahl, Anlass austauschbar – aber ein Muss. Predigt einem jeder Redakteur. Ganz nett, aber wo ist der aktuelle Bezug? Dabei stehen sie sich alle gegenseitig auf den Füßen mit ihren 20er, 50er oder 100er Feiern. In Zeiten immer größerer Orientierungslosigkeit ist Erinnern Kult geworden, Wettbewerb sowieso.

Das Ellbogengedrängel am Medienkalender hat die Zeitpunkte unscharf werden lassen. Jubiläen wurden erst ein, dann zwei Monate, jetzt schon mal ein Jahr und mehr vorgefeiert: Erster!

In Zeiten immer größerer Orientierungslosigkeit, folgert die Autorin, sei Erinnern Kult geworden. Und der mediale Wettbewerb darum, wer als erstes an einen Termin „erinnert“ auch. Dass all dieses Faktenwissen heute in Datenbanken zur Verfügung steht und nur ganz schlicht abgerufen werden muss, macht diese Erinnerungskultur zu einem Job für mediale Tagelöhner.

Evangelischer Pressedienst (epd) – Medien

Bild manipuliert Arbeitslosenzahlen – und korrigiert sich


17 Nov

Die Bildzeitung hat eine krass falsche Zahl von Arbeitslosen vermeldet. Laut dem Springer-Blatt seien seit Jahresanfang bis zu 1,2 Millionen Jobs weggefallen. Diese Zahl ist aber, wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, grob falsch.

Die „Bild“-Zeitung hatte geschrieben, dass in der Industrie seit Jahresbeginn 861.000 Jobs weggefallen seien, zusammen mit dem Abbau von Leiharbeit sogar 1,2 Millionen. Dabei berief sie sich auf das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, machte jedoch einen Fehler. Die Behörde berichtet, „Bild“ habe fälschlicherweise die absoluten Vorjahresveränderungen der Beschäftigtenzahl aller Monate von Januar bis September aufaddiert. Tatsächlich ergibt sich laut Statistischem Bundesamt in diesem Zeitraum ein Beschäftigtenabbau von nur 128.000 Personen.

Auch das Statistische Bundesamt weist in einer Pressemitteilung auf  die grobe Falschrechnung hin, die auch auf der Titelseite der heutigen Bildzeitung zu lesen war:

Richtig ist Folgendes: Im Januar 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten  rund 5 167 000 Personen tätig, im September 5 039 000. Daraus ergibt sich per Saldo von Januar bis September ein Beschäftigtenabbau von 128 000 Personen.

Die Zahlen wurden von zahlreichen Medien begierig weitergeplappert, so vom Focus und auch von SpiegelOnline, die ihr Versehen mittlerweile selbst bekennen. Hier zeigen sich die Schwächen eines ausschließlich auf Tempo ausgerichteten Online-Journalismus. Denn etwas Recherche oder eine Nachfrage beim Statistischen Bundesamt hätte die Panne schnell aufklären können. Ob im übrigen die Bildzeitung die richtige Quelle für Wirtschaftsnachrichten ist, sei dahingestellt.

Fotografie: Täter als Opfer der Medien


09 Nov

fahndungsfoto Wie auch Täter zu Opfern des grassierenden Medienhypes werden können, zeigt der Fall eines Kriminellen aus Großbritannien:

Ein eitler Ganove hat einer britischen Zeitung ein neues Fahndungsfoto von sich geschickt. Für die Aufnahme posierte Matthew Maynard, der wegen Einbruchs von Ermittlern in Wales gesucht wird, ausgerechnet vor einem Polizeiauto. Der 23-Jährige schickte das Bild an die Lokalzeitung Evening Wales South, die zuvor ein unvorteilhaftes Porträtfoto des Mannes gedruckt hatte.

Ganovenehre: Eitler Dieb schickt besseres Fahndungsfoto – Panorama | STERN.DE

Stefan Aust wird "GQ Mann des Jahres 2009“


28 Okt

Das Herren-Witz-Blatt „GQ“ kürt den Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust zum „GQ Mann des Jahres“. Das Magazin, das nackte Frauen gerne so darstellt, als ob sie noch etwas anhätten, prämiert damit einen Journalisten, der die Wahrheit gerne so darstellt, als ob sie schon nackt wäre. Hoffentlich muss Stefan Aust sich dafür nicht entkleiden.

Stefan Aust wird „GQ Mann des Jahres 2009“ in der Kategorie Medien – Stefan Aust, GQ, Medien – GQ.com

Radio Vatikan als Geheimsender


27 Okt

Ein ganz bemerkenswertes Dokument zum Thema Macht und Ohnmacht der Medien ist das Interview, das der Spiegel mit dem Leiter der deutschsprachigen Redaktion bei Radio Vatikan geführt hat. Man muss dazu vielleicht noch anmerken, dass die katholische Kirche sich, wieder ausweislich Spiegel-Informationen, den Luxus dieses Radiosenders mindestens 42 Millionen Euro im Jahr kosten lässt.

SPIEGEL: Darf man als Journalist bei Radio Vatikan überhaupt Kritik an der katholischen Kirche üben?

Gemmingen: Radio Vatikan informiert über die Kirche, kommentiert wenig, kritisiert nicht. Wer bei Radio Vatikan arbeitet, ist mit seinem Arbeitgeber solidarisch.

SPIEGEL: Waren Sie Teil einer Propagandamaschine?

Gemmingen: Wir betreiben sicher eine besondere Art von Journalismus in der Berichterstattung über den Vatikan und die Weltkirche. Wie viele andere Journalisten auch haben wir die „Schere im Kopf“, sind aber keine Pressesprecher des Papstes.

SPIEGEL: Konnten Sie im Vatikan frei recherchieren?

Gemmingen: Kardinäle oder Bischöfe geben auch mal Interviews. Dokumente erhalten nur Historiker aus den schon zugänglichen Archiven.

SPIEGEL: Braucht man Radio Vatikan?

Gemmingen: Radio Vatikan ist eine Zugabe. Man braucht es nicht. Wir sind ein Geheimsender. Leider ist es der katholischen Kirche aber nicht gelungen, den Kanal selbst unter praktizierenden Katholiken bekannt zu machen. Das zeigt die Ohnmacht des Vatikans. Er hat überhaupt keine Macht. Der Vatikan ist medial machtlos im Vergleich zu den großen Meinungsmachern.

„Radio Vatikan ist ein Geheimsender“ – Artikel – SPIEGEL WISSEN – Lexikon, Wikipedia und SPIEGEL-Archiv

Von Porno bis Ökofleisch


19 Okt

Darauf hat die Medienwelt gewartet: Ein feministischer Porno-Filmpreis. Die Initiatorin ist auch nicht einfach so ebensolche, nein, sie ist „Sexpertin“ und Vertreiberin von „Sexklusivitäten“. Interessanter als dieser Umstand ist allerdings das Interview, das das „Medienhandbuch.de“ mit ihr geführt hat. Denn dort taucht eine Frage auf, die in ihrer Mehrbezüglichkeit schöner ist, als jede Antwort zum Thema es sein kann:

Sind Verbraucherinnen und Verbraucher Ihrer Erfahrung nach bereit, ähnlich wie beim Ökofleisch, höhere Preise für bessere Qualität zu bezahlen?

Ist das nicht schön?

„Wir wollen den Pornomarkt revolutionieren“ | medienhandbuch.de

Medien und Wahlkampf


10 Okt

Bei einer Feierstunde zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz hat Bundespräsident Horst Köhler den anwesenden Journalisten die Leviten gelesen. Dabei ging es insbesondere um die Rolle der Presse im zurückliegenden Bundestagswahlkampf:

Vielen Journalisten, die "mehr Schärfe, mehr Ideologie, mehr Angriff" gefordert hätten, sei es "gar nicht um die Demokratie" gegangen, sagte Köhler bei einer Feier zum 60-jährigen Bestehen der Bundespressekonferenz.

"Bestenfalls hatten sie Langweile, und schlimmstenfalls vermissten sie etwas, womit sie ihre Quoten und Auflagen steigern wollten."

Bundespräsident kritisiert Rolle der Medien im Wahlkampf | medienhandbuch.de

Grass rügt Medien wegen Zynismus


25 Sep

Grass Unbequem In einem Interview mit der Zeitung Weserkurier zieht Literaturnobelpreisträger Günter Grass über den deutschen Journalismus her:

„Es ist ein 08/15-Zynismus, ohne jegliches Format. Das geht schon mittlerweile bis zu unseren Tagesschau-Sprecherinnen, wenn sie mokant die Mundwinkel verziehen über etwas oder dämchenhaft die Nase rümpfen.“ Das sei ein Philistertum neuester Spielart, „mit einer zynischen Mundharmonika gespielt“.

Weiter befindet Grass: „Ich finde es grauenhaft. Wir haben nicht den Journalismus, den wir verdienen.“

Grass rügt Medien wegen Zynismus | medienhandbuch.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter