Archive for the ‘öffentlich-rechtlicher Rundfunk’ Category

Öffentlich-Rechtliche: „Freie“ diskriminiert


13 Dez

(Foto: Sister72/cc 2.0)

Die „freien Mitarbeiter“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fühlen sich in vielen Fällen von ihren Arbeit- und Auftraggebern diskriminiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellt wurde. Rund 2.000 freie Journalist/innen, die für ARD, ZDF oder Deutschlandradio tätig sind, wurden zu diesem Zweck befragt.

27,7% der Befragten gaben an, bei der Arbeit diskriminiert zu werden. Jeder dritte Fall betraf dabei Mobbing, ungefähr jeder fünfte Fall Geschlechterdiskriminierung. Alle Sendeanstalten sind davon betroffen. „Es kann nicht angehen, dass mehr als ein Viertel der Freien bei ARD, ZDF und Deutschlandradio schon Diskriminierung in ihrem Sender erleiden mussten“, kritisiert der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall gegenüber newsroom.de.

„Junge Freiheit“: False friends


15 Nov

Rechtspostille „Junge Freiheit“: Ungefragt zitiert

Gegen falsche Freunde kann man sich schlecht wehren. Was also tun, wenn man das Richtige geschrieben hat, es aber von den Falschen zitiert wird?

So ist es mir ergangen. In der Fachzeitschrift Medienkorrespondenz habe ich einen kritischen Beitrag über die Beschäftigungsverhältnisse im Westdeutschen Rundfunk (WDR) veröffentlicht. Der löste erst größere Resonanz aus, als die Redaktion ihn zwei Wochen später auch online stellte:

Medienkorrespondenz: Machtmissbrauch mit System

Verschiedene Onlinemedien griffen meine kritischen Ausführungen über den WDR auf, zum Beispiel diese hier:

Meedia: WDR als „ganovenhafter Arbeitgeber“

DJV: Ehemaliger Freier Mitarbeiter erhebt heftige Vorwürfe

Produzentenallianz: MeToo – Außenansicht eines Freien Mitarbeiters

Digitalfernsehen.de: Öffentlich-Rechtliche – Werden Freie Mitarbeiter ausgebeutet?

Beueler Extra-Dienst: MeToo/WDR – Die Debatte ist nicht beendet

Am Wochenende flatterte ein größerer Briefumschlag mit der Post in mein Haus. Darin fand ich zwei „Belegexemplare“ der rechtsextremen Postille „Junge Freiheit“. In diesem von mir in keinster Weise unterstützten oder gutgeheißenen Braunblatt wird aus meinem Beitrag ungefragt und unautorisiert auf der Medienseite ein Satz zitiert und herausgestellt, nämlich:

„Journalistische Kompetenz spielt für eine Karriere in der öffentlich-rechtlichen Hierarchie des WDR nahezu keine Rolle“.

Selbstredend stehe ich nach wie vor zu dieser Aussage, und das aus einem guten Grund: Weil sie wahr ist. Dass die leidigen Fischer im Trüben sich in ihrem rechten Wahn an alles klammern, was ihnen selbst den Nimbus von Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit geben könnte, ändert nichts am Umstand, dass ihre Ideologie wenig Idee und noch weniger Logik enthält. Auch das blinde deutsche Rassehuhn pickt eben hin und wieder mal ein Körnchen Wahrheit. Aber es sei den nicht um Erlaubnis fragenden Zitierern ins Stammbuch geschrieben, dass zwei Stimmen noch keinen Chor ausmachen und dass ein richtiger und ein falscher Ton zusammen immer einen Misston ergeben.

Jenes Argument, man dürfe bestimmte Äußerungen nicht tun, weil man sonst Beifall von der falschen Seite erhalte, habe ich schon immer für falsch gehalten. Man kann sich gegen den falschen Beifall ebenso wenig wehren wie gegen die faulen Eier von der richtigen Seite. Beides muss man als Publizist und als Mensch mit Meinung ertragen, und es bleibt nur zu hoffen, dass am Ende etwas Wünschenswertes dabei herauskommt, nämlich ein Diskurs. Das Problem mit den Ewiggestrigen ist ja, dass sie leider nicht im Gestern geblieben sind, sondern heute leben. Dennoch würde ich jenes Bonmot Konrad Adenauers nicht unterschreiben, wo er gesagt hat: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht.“  Nein, wir müssen sie nicht nehmen, wie sie sind: Wir können versuchen, sie zu ändern.

 

 

Filmklassiker sterben aus


12 Jun

„Luke, ich bin dein Vater!“ Dieser Satz, den Darth Vader im berühmten Star Wars-Film „Das Imperium schlägt zurück“ spricht, ist längst sprichwörtlich geworden. Auch andere Zitate aus legendären Kinofilmen sind längst in den Volksmund übergegangen und zählen zum kollektiven kulturellen Gedächtnis: „“Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“ („Der Pate“), „nach Hause telefonieren“ („E.T.“) oder „Es kann nur einen geben“ („Highlander“).

Doch den Filmklassikern droht der Tod aus Altersschwäche. Denn niemand will sie mehr zeigen. Darauf weist die Süddeutsche Zeitung in einem längeren Artikel hin:

Die ARD strahlte in ihrem ersten Programm im Jahr 2016 nur noch sieben Klassiker des US-amerikanischen Films aus – im Jahr 2000 waren es noch 122 gewesen. Die Gattung erodiert gleichermaßen in den dritten Programmen (15 gegenüber 633), und im ZDF fiel die Zahl solcher Filme im untersuchten Zeitraum von 37 auf zehn.

Auch Netflix, Amazon Prime und die vielen anderen Film-Streaming-Dienste im Internet werben zwar gerne mit Szenenbildern aus Filmklassikern, gezeigt und geguckt werden aber offenbar vor allem Eigenproduktionen und Serien. Was damit verloren geht, ist kulturelles Wissen, das auch zum Kit einer (Medien-) Gesellschaft gehört.

Spielfilme am Sonntagvormittag, einst üblich, sind Unterhaltungssendungen gewichen; die ZDF-Matinee etwa wurde vom Fernsehgarten verdrängt, mit 32 Jahren selbst schon auf dem Weg zum Klassiker. Um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit, gibt es zwar jede Menge Spielfilme – die das Fernsehen aber am liebsten selbst produziert, um so präzise wie möglich den aktuellen Publikumsgeschmack zu treffen.

Die Nutzer/innen der Streamingdienste stecken ebenso in einer Filterblase, wie es die Nutzer/innen der großen Sozialen Netzwerke á la Facebook tun. Ihr Videokonsum basiert häufig auf einer Empfehlungskultur, die gerade die großen (älteren) Kulturleistungen ausschließt. In der aktuellen Aufmerksamkeitsökonomie hat die schrille Neuproduktion immer die Nase vorn gegenüber künstlerisch wertvollen Klassikern des europäischen und amerikanischen Films. Schwarz-weiß-Filme haben nahezu vollständig ausgedient. Für den guten alten Film gilt nicht mehr, was „Terminator“ noch zu sagen wusste: „Hasta la vista, Baby!“

WDR: „Menschen hautnah“ setzt Middelhoff-Doku ab


22 Nov

Bemerkenswerter Vorgang: Die WDR-Redaktion des Portraitformats „Menschen hautnah“ hat kurz vor der Ausstrahlung den Film über den frisch aus der Haft entlassenen Manager Thomas Middelhoff aus dem Programm genommen. Zur Begründung gibt die Redaktion an, sie habe erst kurz vor der Ausstrahlung von einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Filmemachern und dem Protagonisten Middelhoff erfahren, derzufolge Middelhoff den Film vorab zu sehen bekommen und bei den Dreharbeiten ein Mitspracherecht gehabt haben sollte. In ihrem Facebook-Posting (siehe Abbildung) führt die Redaktion weiter aus, das vertrage sich nicht mit ihren „journalistischen Grundsätzen“.

Bildschirmfoto

Ich sehe nicht recht, was das mit „journalistischen Grundsätzen“ zu tun haben soll. Dass jemand, der in einem Film spricht, auch eine Mitsprache haben soll, scheint mir schon semantisch eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und ich sehe auch nicht, was dagegen sprechen soll, einem Protagonisten bei einem solch intimen Format vorab den Film zu zeigen. Voraufführungen sind bei langen Formaten ja durchaus üblich: Sollen andere einen Film schon vor Aufführung sehen dürfen, nur der Protagonist nicht? Verquere Logik.

Im Printbereich ist es ja (leider) üblich, Interviews zu „autorisieren“, wobei die Texte oft völlig umgeschrieben werden. Das ist nicht wünschenswert, aber eben nichts Ungewöhnliches im Journalismus. Dass jemand eine gewisse Kontrolle über seine eigenen Äußerungen in der Öffentlichkeit haben möchte, halte ich für völlig verständlich. Gerade auch im WDR Fernsehen (für das ich 17 Jahre gearbeitet habe) kommt es bedauerlicherweise immer wieder vor, dass Menschen ihre Äußerungen in Interviews hinterher in völlig sinnentstellten Zusammenhängen wiederfinden. Und leider ist es mir in meiner Fernsehmacherzeit bei Recherchen auch immer wieder passiert, dass Menschen mit mir vor der Kamera nicht mehr reden wollten, weil schon einmal WDR-Teams bei ihnen waren und die Menschen das als traumatisches Event erlebt haben.

Eine letzte Bemerkung: Prinzipiell muss jeder Interviewpartner die vom WDR vorgefertigten „Mitwirkendenverträge“ unterschreiben. Und was der WDR da an Rechte- und Lizenzen-Buyout vorsieht, spottet jeder Beschreibung.

Kölner Forum für Journalismuskritik


08 Jun

_DSC7952Nun ist es Tradition: Zum 3. Mal fand diesen Monat das Kölner Forum für Journalismuskritik statt. Veranstaltet haben es die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) e.V. und der Deutschlandfunk. In diesem Rahmen wurde auch zum 3. Mal der Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik verliehen. Er ging in diesem Jahr an den türkischen Investigativ-Journalisten Ahmet Sik, der momentan in Haft ist, das deutsch-türkische Journalistenprojekt taz.gazete sowie an den Buchautor Stefan Schulz. Das Preisgeld wurde in diesem Jahr von Wallraffs Kölner Haussender RTL gestiftet. Eine ausführliche Berichterstattung über das Forum findet sich auf der Website des Deutschlandfunk. Auch die Initiative Nachrichtenaufklärung hält vielfältige Informationen bereit. Auch im kommenden Jahr soll das Forum wieder über die Bühne des Kammermusiksaals des Deutschlandfunk gehen.

Afd-Frontfrau Alice Weidel will keine „Nazi-Schlampe“ sein


03 Mai
Extra3AfD

Christian Ehring, Moderator von Extra3 (NDR)

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) will das NDR-Satire-Magazin Extra3 verklagen. Die beim AfD-Bundesparteitag in Köln zur neuen „Front“-Frau gewählte Alice Weidel erklärte ebendort:  „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Extra2-Moderator Christian Ehring konterte darauf: „Jawohl, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht“.

Die Frankfurter Rundschau kommentiert dies, in übrigens äußerst korrektem Deutsch:

„Selten ist bisher eine Forderung der AfD in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Programms so mustergültig umgesetzt worden. Ehring zeigte sehr präzise, was geschieht, wenn der Sprache das als „political correctness“ verhöhnte zivilisatorische Minimum  genommen und die Diffamierung des politischen Gegners zum umgangssprachlichen Standard erklärt wird. Das entsprach einerseits  – wenn auch nur im Wortsinn – der Forderung der AfD-Politikerin, andererseits war es allerberste Aufklärung: Nichts anderes ist die Aufgabe der Satire“.

Der entsprechende Ausschnitt der Sendung lässt sich (noch) bei YouTube ansehen:

Macht WDR Wahlwerbung für Rechtsextremisten?


28 Apr

Im Prinzip klingt es erst einmal ganz gut, was der WDR da zur Landtagswahl 2017 in Nordrhein-Westfalen veranstaltet hat:

Wir wollen (…) möglichst vollständig darüber informieren, wer sich in NRW eigentlich zur Wahl stellt. Jeder Bürger soll alle Kandidaten/innen aus seinem Wahlkreis in kurzen Videos vergleichen können.

Darum hat der WDR die 1329 KandidatInnen für einen Sitz im Düsseldorfer Landtag interviewt, und zwar standardisiert: Immer vier Minuten, immer dieselben Fragen.  Und all diese kleinen Wahlwerbespots hat der WDR auf seiner Internetseite Kandidatencheck ins Internet gestellt.

Quelle: wdr.de

Aber ist die Idee wirklich so gut? (mehr …)

Mit der AfD in den Karneval


25 Feb

Von der Knallcharge zum Büttenredner ist es ja, jedenfalls nach Meinung eingefleischter Karnevalshasser, nur ein kleiner Schritt. Das ZDF hat diesen Schritt nun sehr deutlich nachgezeichnet: In seiner Fernsehsitzung Karnevalissimo, die vergangenen Dienstag ausgestrahlt wurde, ließ der Mainzer Sender den Büttenredner Hans-Peter Faßbender alias „Dä Bundeswehrsoldat“ auftreten. Faßbender ist AfD-Mitglied und verbreitet auf seiner Facebook-Seite übelste Ausländerhetze, wie selbst die Bild-Zeitung kolportieren musste:

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Ausschnitt: Bild-Zeitung

Der Mediendienst Meedia fasst den karnevalistisch-politischen Unglücksfall so zusammen:

Noch bedrückender als eine Karnevals-Show ist es allerdings, sich mit der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender zu beschäftigen. Der Büttenredner selbst äußert sich dort zwar nur höchst selten, doch teilt er manisch die Beiträge anderer. Und die bestehen fast ausschließlich aus übelster Hetze, vor allem gegen Ausländer, und insbesondere gegen Flüchtlinge.

Der Branchendienst fasst die schlimmsten Entgleisungen im Facebook-Auftritt von Faßbender so zusammen:

„Schwarzafrikaner ersticht 22-Jährige auf offener Straße – es war wieder ein Asylbewerber“, „Flüchtling zerschneidet Omi Gesicht, vergewaltigt und beraubt sie – die Medien schweigen“, „Keine Betten für kranke Kinder, Sonderbehandlung für Asylanten: Schockierende Zustände in Berliner Krankenhäusern“. Wer die ekelhafteste Rechtspropaganda lesen will, die Frustrationsprosa der abgehängten Kleinbürger, das blinde Wüten mit Hilfe von Fake News gegen alles Fremde im Land, der ist auf der Facebook-Seite von Hans-Peter Faßbender genau richtig.

Das ZDF äußert lapidar, man habe von den rechten Entgleisungen Faßbenders nichts gewusst.

Auch der SWR wollte da, was das Hofieren der Faschisten Rechtspopulisten von der AfD angeht, nicht hintanstehen. Bei der Live-Übertragung von „Mainz bleibt Mainz“ am gestrigen Freitag im ARD-Programm begrüßte Sitzungspräsident Andreas Schmitt neben Regierungsmitgliedern und der rheinland-pfälzischen Oppositionsführerin Julia Klöckner (CDU) auch den rheinland-pfälzischen AfD-Vorsitzenden Uwe Junge. Der ehemalige Bundeswehrsoldat Junge entging einer Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Beleidigung und Diskriminierung einer lesbischen Bundeswehrsoldatin nur deswegen, weil er wegen seines politischen Engagements den Dienst quittierte. Begrüßt werden bei solchen Gelegenheiten Ehrengäste, also Leute, denen man eine besondere Ehre erweisen will. Die ARD sieht es offensichtlich für erforderlich an, einem faschistischen rechtspopulistischen Hetzredner die Ehre zu erweisen. Prost Mahlzeit!

Es war Kabarettlegende Dieter Hildebrandt, der auf die Frage, ob es „rechtes Kabarett“ gebe, geantwortet haben soll: Ja, Büttenreden.

Vor 65 Jahren: Das erste Micky-Maus-Heftchen erscheint


31 Aug

mickeym02Zeitungsenten mal anders: Vor 65 Jahren, genau am 28. August 1951, erscheint in Deutschland das erste Micky-Maus-Heftchen. Die Meinungen darüber gingen von Beginn an weit auseinander. Die Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel schrieb:

„Mit den Bilderserien springt die Menschheit zurück in eine Urwelt der Bilder und Symbole. Es ist der Sprung über die Aufklärung hinweg in ein wollüstiges Analphabetentum. Kann man die zwar harmlosen, aber unendlich hingedehnten und aufgeschwollenen Micky-Maus-Hefte überhaupt ansehen ohne zu erschrecken über die Banalität der Texte in ihrem infantilen Pidgin-Englisch und über die Rückerziehung zum Primitiven?“

Im WDR Zeitzeichen dagegen äußert sich der Literaturkritiker Dennis Scheck eher hymnisch:

„Sie hat diese Geschichten in das Stahlbad der deutschen Klassik getaucht und eine Sprache dafür gewählt, die deutlich geprägt war von Hölderlin, von Schiller. Sie hat im Grunde eine Möglichkeit eröffnet, wie man als Kind schon und als kindlicher Leser einen Sprachkosmos betreten kann, der an Komplexität nichts zu wünschen übrig lässt“.

Immerhin sind die häufigen Interjektionen als typisches Merkmal der Comic-Sprechblasen („würg“, „grübel grübel“ etc.) auch zu sprachwissenschaftlichen Ehren gekommen und werden nach der deutschen Micky-Maus-Übersetzerin Erika Fuchs auch „Erikative“ genannt.

Im gleichen Zeitzeichen sind auch interessante Details zu erfahren, zum Beispiel das Entenhausen nur in Deutschland so heißt oder dass der stellvertretende Kulturchef der F.A.Z. bekennender „Donaldist“ ist. Etwas trübt den schönen Eindruck dieses Minifeatures, dass es deutliche und nicht ausgewiesene Anleihen bei einem Beitrag zum gleichen Thema genommen hat, das vor fünf Jahren im Deutschlandfunk gelaufen ist.

 

Welches Medium informierte über den Türkei-Putsch?


18 Jul

Mit einem Facetime-Video soll Erdogan sich in der Nacht des türkischen Militärputsches in der Öffentlichkeit zurückgemeldet und dadurch den Putschisten das Wasser abgegraben haben. Aber stimmt das? Welches Medium hat am besten über den Putschversuch in der Türkei informiert?

„How FaceTime stopped the Turkish coup“ titelte die britische DailyMail online. FaceTime und damit ein Onlinevideosystem soll den Putschversuch in der Türkei zu Fall gebracht haben. Das „Beweisfoto“ allerdings erzählt etwas anderes:

Erdogan_used_FaceTime_to_talk_to_a_journalist

Die Reporterin hält zwar tatsächlich ein Apple IPhone mit dem Konterfei Erdogans hoch, aber wo tut sie es? Sie tut es im Fernsehen, dem türkischen Nachrichtenkanal NTV. Nach wie vor nur über das Fernsehen erzielt man die Reichweite, um eine so große Menge an Menschen, Wählern und Bürgern zu erreichen, dass man sogar einen Militärputsch aufhalten kann.

In Deutschland allerdings kamen die ersten Nachrichten nahezu in Echtzeit über das Internet und auf den Mobiltelefonen an: Wer Bekannte oder Kollegen in der Türkei hatte, der twitterte mit ihnen oder nutzte WhatsApp für neueste Informationen.

Mich selbst erreichten die ersten beunruhigenden Nachrichten in der Türkei auf dem abendlichen Semesterabschlussfest meiner Hochschule. Journalistenkollege Frank Überall war gerade von einer beruflichen Reise aus Istanbul zurückgekehrt und twitterte, was das Zeug hielt. Wir checkten die deutsche ntv-App und guckten, was englische Medien so im Netz zu berichten wussten.

Als ich mich gegen 23 Uhr nachhause begab, schaltete ich das Fernsehen an und erlebte eine Enttäuschung: Nur der deutsche Nachrichtenkanal ntv war in der Türkei live dabei. ARD und ZDF inkl. ihrer Spartenkanäle war das umwälzende Ereignis nicht einmal ein Schriftband wert. Auch der andere „Nachrichtenkanal“, N24, sendete lieber seine Dokumentation weiter, als das Programm für die Breaking News aus der Türkei zu unterbrechen.

Also doch: Online first.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter