Archive for the ‘öffentlich-rechtlicher Rundfunk’ Category

Kein Oscar für Sarrazin-Film


29 Jul
Thilo Sarrazin/Wikimedia

Für die geplante Dokumentation des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) über die Diskussion um Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ wird es keinen „Oscar“ geben. Und das hat einen ganz einfachen Grund: Der rbb hat die Produktion abgeblasen. Ursprünglich war die Produktionsfirma „Lona Media“ damit beauftragt, die Folgen der Publikation in einem 455-minütigen Film darzustellen. Die Co-Autorin, Güner Balci, hat allerdings in der Zwischenzeit mit einem anderen Stückchen Fernsehjournalismus auf sich aufmerksam gemacht: Für die ZDF-Kultursendung „aspekte“ zog sie mit eben dem Buch-Autor und Ex-SPD-Politiker Sarrazin durch das Ausländerviertel Berlin-Kreuzberg, wo Sarrazin ein Döner Kebap verweigert wurde. Dies war sogar der Bildzeitung eine Schlagzeile wert: „Sarrazin von Türken aus Lokal verjagt“. rbb-Sprecher Justus Demme: „Mit der Ausstrahlung des ZDF-Stücks war der Stoff für uns verbrannt“. ‚Verbrannt‘ kann in diesem Zusammenhang als passende Metapher angesehen werden.

Räuberpistole in Hollywood-Manier

Was dann weiters geschah, war allerdings schon hollywoodesk: Die Produktionsfirma wollte sich den, womöglich lukrativen, Auftrag nicht entwischen lassen. Sie zog Balci von dem Projekt ab. Da die Autorin in dem bereits produzierten Material allerdings häufig im Bild auftauchte, mussten einige Einstellungen neu gedreht werden. Unter anderem ein Inteview mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher. Der stellt die erneute Kontaktaufnahme in seiner Zeitung so dar: „Es sei eine Katastrophe passiert. In der Firma sei eingebrochen worden, die Sarrazin-Bänder alle gestohlen“. Dies stellte sich aber ziemlich schnell als Notlüge heraus. „Lona Media“-Geschäftsführerin Nicola Graef wollte sich zu der Geschichte nicht äußern.

Was denn sonst: Papst spricht „Wort zum Sonntag“


06 Jul

Was soll er denn eigentlich auch sonst tun? Der Papst wird im Rahmen seines Deutschlandbesuchs am 17. September in der ARD das „Wort zum Sonntag“ sprechen. In der Presse scheint das für einige Überraschung zu sorgen, aber warum eigentlich? Es ist schließlich sein Job, für den er Geld bekommt, insbesondere auch vom deutschen Steuerzahler. Es steht nur zu hoffen, dass die ARD nicht extra Gebührengelder springen lassen muss, einen speziellen öffentlich-rechtlichen Ablass sozusagen, um diesen Transfer durchzuboxen. Sonst würde womöglich Papst Benedikt XVI. zum Arthur Abraham des kirchlichen TV-Boxrings. Wir dürfen also hoffen, dass Benedikt vulgo Ratzinger mit ordentlichem Punch, einem gesegneten Quentchen Infotainment und harten, aber fairen Breitseiten gegen televisionäre Unmoral, gebührenfinanzierten Sittenverfall und jedwede Art von medialer Freizügigkeit zu Felde ziehen und die Quoten in den Himmel transportieren wird. Und amen, wir sagen euch, diese katholische soap opera wird sich gewaschen haben und es wird eine Gardinenpredigt werden, und es wird sich dabei nicht um schwedische handeln.

Mobbing in der ARD


05 Jul

Verena Wiedemann, ehem. ARD-Generalsekretärin

Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren plus Werbe- und Sponsoreneinnahmen, Angestellte mit beamtenähnlichem und nahezu unkündbarem Beschäftigungsverhältnis, Redakteure mit knapp 6.500 Euro Tarifgehalt und dazu Möglichkeiten der Programmgestaltung diesseits vom Kulturauftrag  jenseits von Quotendruck  — genug Gründe, um jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit und feierabends freudestrahlend wieder nach Hause zu gehen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Stimmung ist schlecht in den Funkhäusern und Rundfunkanstalten.

ARD Generalsekretärin verklagt ihren Arbeitgeber wegen Mobbings

Jüngstes Beispiel ist ausgerechnet eine der obersten Repräsentantinnen der ARD: Die ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann verklagt ihren Arbeitgeber wegen „Mobbings“: Man habe sie „ausgegrenzt, diskriminiert und missachtet“, wie ihr Anwalt der Frankfurter Rundschau gegenüber erklärt. Die Übergriffe seien derart massiv gewesen, dass Verena Wiedemann infolgedessen psychisch erkrankt sei und sich in medizinischer Behandlung befinde. Von den Leitungsgremien sei sie ignoriert, in Entscheidungen sei sie nicht eingebunden worden. Und dann sollte sie auch noch aus ihren attraktiven Räumlichkeiten am Berliner Schiffsbauerdamm ins nüchterne Bürogebäude des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) umziehen. In eine „Besenkammer“, wie der Anwalt der Klägerin, Hans Georg Meier, behauptet. Zwei Referentenstellen seien ihr zuvor schon gestrichen worden. Mutmaßlich solle die erst vor fünf Jahren geschaffene Stelle in der ARD wieder abgeschafft werden. Da dadurch Frau Wiedemann aber Versorgungsansprüche gewönne, solle sie durch Mobbing zur Kündigung bewegt werden. Robin Meyer-Lucht vom Politblog Carta hat aber noch eine andere Interpretation:

Verena Wiedemann gilt nicht ohne Grund als „Stalinistin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Sie ist eine Fundamentalistin des Systems. Sie kennt nur den Modus “Totalverteidigung” für ihre Sendeanstalten. Sie zitiert gern das Verfassungsgericht und ist der Ansicht, dass das ARD-Wohl und das Allgemeinwohl identisch seien. Wiedemann wollte mit ihren Positionen viel in der ARD bewegen – und letztlich ist auch sie von den verkrusteten und vermachteten Strukturen der Anstalten gestoppt worden. Wiedemann dachte selbst hermetisch – und wurde von den noch hermetischeren Strukturen der ARD lahm gelegt. Am Ende zerschellten ihre Ansätze an jener fehlenden Kultur des offenen Dialogs in der ARD, für die auch sie selbst ein wenig stand.

Überdurchschnittlicher Krankenstand in der ARD

Frau Wiedemann ist nur das plakativste Beispiel eines weitreichenderen Umstands: Dass die ARD nämlich alles andere als die Insel der Glückseligen ist, was die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten angeht. Wie aus Kreisen der Redakteursvertretung des Westdeutschen Rundfunks (WDR) zu vernehmen ist, liegt der Krankenstand beispielsweise in der Kölner Sendeanstalt deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Gründe dafür sehen Insider auch in „neo-autoritären Führungsstrukturen“, bei denen nur noch von oben nach unten delegiert und die Kreativität damit ausgeschlossen würde, wie bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Ver.di im Kölner DGB-Haus zu hören war. Und die Arbeitsbedingungen der unzähligen freien Mitarbeiter, die an die 90 Prozent des ARD-Programms herstellen, spotte jeder Beschreibung, wie die (anonymen) Autoren eines frechen Plagiats satirisch anprangerten, die kurzerhand die WDR-Hauspostille „wdr print“ nachgemacht hatten. „Die Hölle, das sind die Anderen“, schrieb Sartre in seinem Drama „Geschlossene Gesellschaft“. Vielleicht hätte es „geschlossene Anstalt“ heißen müssen.

Frau Wiedemann bekam übrigens kürzlich von der ARD das Angebot einer Vertragsverlängerung für die nächsten fünf Jahre. Grotesk angesichts eines, wie die Süddeutsche schreibt, völlig „zerrütteten Verhältnisses“.

Nachtrag:

Die ARD Pressestelle schrieb mir in diesem Betreff:

„Hallo Herr Haarkötter,
eine Anmerkung zu Ihrem Blogeintrag zu Frau Wiedemann. Sie schreiben: „Eine Insel der Glückseligen müsste die ARD eigentlich sein: 7,54 Milliarden Euro garantierte Einnahmen aus Rundfunkgebühren…“ Mit Zahlen sollte man immer vorsichtig sein: Die 7,54 Mrd. beziehen sich auf ARD UND ZDF UND Deutschlandradio. Die ARD selbst erhielt im Jahr 2010 5,52 Milliarden Euro Rundfunkgebühren, wovon sie wiederum 143 Millionen Euro an die Landesmedienanstalten abgetreten hat. Es wäre schön, wenn Sie dies korrigieren bzw. in Ihren weiteren Einträgen berücksichtigen könnten!
Beste Grüße aus Köln
Kristina Bausch / ARD-Pressestelle“

Frau Bausch hat natürlich recht. Die ARD hat also „nur“ 5,52 Mill. Euro im Jahr zur Verfügung. Ob sie deswegen weiterhin als „Insel der Glückseligkeit“ gelten müsste oder nicht, überlasse ich den geschätzten LeserInnen. Zu den Mobbing-Vorwürfen wollte Frau Bausch sich im übrigen offenbar nicht äußern. Dabei hätte ich die für viel gravierender gehalten. Aber was ist schon ein bekleidetes Mobbingopfer gegen nackte Zahlen!

„ZDFkultur“ für Leute ohne Kultur


17 Mai

Ein Bouquet ist etwas, das in die Nase geht. Beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) hat man eher den Eindruck, dass es die Nase voll hat. Voll von seinen Satelliten-Spartenkanälen. In schneller Folge widmet das ZDF sein bestehendes Bouquet um und gründet neue Spartensender, die die hergebrachten ersetzen. Aus dem ZDF-Dokukanal war schon vor einer kleinen Weile ZDFneo geworden. Und jetzt wird aus dem ZDF-Theaterkanal das Programm ZDFkultur. Wobei, so genau möchte man es mit der Kultur nicht nehmen, wie der Verantwortliche Daniel Fiedler zu berichten weiß:

Kultur im Fernsehen klingt immer so, als ob ich ganz gebildet sein muss, um das nutzen zu dürfen. Da sagen wir: Das ist Quatsch. Es gibt heute keine Trennung mehr zwischen der so genannten populären Kultur und der Hochkultur. Menschen gehen heute in die Oper und danach in einen Club, das ist völlig selbstverständlich. Wir setzen nebeneinander eine Wagner-Theateraufführung und jede Menge Popmusik. Wiederum daneben gibt es jede Menge Videospiele und Gaming. So breit ist unser Kulturbegriff, so breit stellen wir den auf. In der Nutzung der Zuschauer im Leben ist der eben so breit. Warum soll er nicht auch im Fernsehen so breit sein?

Das ZDF sieht keine Abgrenzungsprobleme zu ZDFneo oder zu 3sat, dem Kulturprogramm, zu dem das ZDF auch immer noch den Bärenanteil beiträgt. Andere sehen, wie die „B.Z.“, deutlich größere:

Am Sonnabend geht der nächste Kanal aus Mainz an den Start. Dabei wird der Digitalsender ZDFkultur nur eine zweite Version des 2009 gestarteten ZDFneo sein.

Man fragt sich auch, wozu die Spartenkanäle eigentlich dienen. Immerhin kosten sie, worauf auch die „B.Z.“ hinweist, richtig Geld:

In diesem Jahr lässt sich das ZDF den neuen Sender 12 Millionen Euro, im kommenden 18 Millionen Euro kosten. Und löst dafür den ZDFtheaterkanal auf, der im Jahr 2009 lediglich 7,3 Millionen Euro kostete und ein Schattendasein fristete. Doch statt das Geld einfach zugunsten des Gebührenzahlers einzusparen, leisten sich die Mainzer einen ZDFneo-Klon.

Das ZDF, das im Rufe eines „Rentnersenders“ steht, will sein Programm verjüngen. Ob das mit einer Abschiebung jugend- und jüngerenrelevanter Themen und Inhalte ins Quotennirwana von Satellitenablegern gelingen wird, scheint fraglich. Zumal, wenn man mit zwei verschiedenen Kanälen und sehr ähnlichen Inhalten ein sehr ähnliches Publikum ansprechen will und sich dadurch gegenseitig kannibalisiert:

Beide Sender sollen sich an ein jüngeres, nahezu identisches Publikum richten. ZDFkultur soll 20- bis 40-jährige Zuschauer begeistern, ZDFneo 25- bis 49-Jährige.

Und dann gibt es ja auch noch den „ZDFinfokanal“. Was wird eigentlich aus dem? Die Zielgruppe der 15- bis 35-jährigen wäre noch frei.

Wie ein öff.-rechtlicher Sender sein Publikum melkt: SWR sucht “Augenzeugen”


11 Mai

In Zeiten von “Staumeldern” und “Hörerradar” darf man sich natürlich nicht wundern, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der SWR im Zuge vorauseilenden Spargehorsams auch seine journalistischen Inhalte sich nicht mehr getraut selbst herzustellen, sondern auch dafür den Hörer und Zuschauer herhalten lassen möchte. Der SWR sucht also “Augenzeugen” oder, in der allüberall waltenden Sprache der Neuen Medien, “user generated content”:

Sie leben in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz und sind Augenzeuge eines aktuellen und interessanten Ereignisses? Schicken Sie uns Ihre Informationen, Bilder und Videos!

Während die Bildzeitung ihren “Leserreporter” genannten Melkkühen journalistischer Einfalt immerhin noch einen Obolus von 250 Euro zugesteht und selbst die Fernsehzeitschrift Gong für einen eingesandten Witz einst noch 50 D-Mark locker gemacht hat, will der öffentlich-rechtliche SWR seinen “Augenzeugen” keinerlei Zeugengeld zukommen lassen. Dafür will der SWR sich aber etwas nehmen, nämlich alle Rechte an den vom Publikum kostenlos zur Verfügung gestellten Inhalt. Und das in Form von Geschäftsbedingungen, denen selbst bei geldwerter Informationsüberlassung eine gewisse Dreistigkeit nicht abgesprochen werden kann:

Ich räume dem SWR die räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkten und übertragbaren Nutzungsrechte einschließlich dem Recht zur Bearbeitung an den eingesandten Bildern für folgende Zwecke ein: Präsentation in den Angeboten des SWR (Rundfunk, Telemedien und Print), auch downloadfähig, unabhängig davon in welchen Medien.

Und damit nicht genug, räumt der SWR sich auch noch selbst das Recht ein, mit dem billigst erworbenen “content” seinerseits durchaus zu schachern und ihn gegebenenfalls “an Dritte” weiterzuverhökern:

Die von den Einsendern eingereichten Daten werden vom SWR gespeichert und können im Zusammenhang mit der Berichterstattung auch an Dritte weiter gegeben werden. Ich erkläre mich ausdrücklich hiermit einverstanden.

Ach so, und haften möchte der öffentlich-rechtliche Sender für seine Zuhörer und Zuschauer natürlich auch nicht. Das sollen die guten Kostenlos-Journalisten mal schön selbst:

Sollten Dritte in Zusammenhang mit der Verwendung des Materials durch den SWR oder von ihm beauftragter Personen dennoch Ansprüche wegen Verletzung ihrer Rechte geltend machen, so stelle ich den SWR und die von ihm beauftragten Personen von allen Ansprüchen frei.

Der freie Journalist Carl-Josef Kutzbach, dem die Augenwischerei des SWR mit seinen “Augenzeugen” zuerst ins Auge gesprungen ist, kommentiert:

Es ist schon reichlich dreist, wenn man kostenlos Material bekommen möchte und dann noch den Spenderen, die dafür nichts bekommen „Geschäftsbedingungen“ vorschreibt, als ob es sich dabei um ein Geschäft handele, bei dem für eine Ware oder Dienstleistung ein Gegenwert zurück gegeben wird.

Wer sich in Gefahr begibt, so heißt es, wird darin umkommen. Wer sich in einen öffentlich-rechtlichen Sender begibt, der wird darin vorkommen. Und das könnte übel enden, z.B. mit einem blauen Auge.

Augenzeugen gesucht!: SWR-Augenzeugen: Ihre Nachrichten für uns – Nachrichten | SWR.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter