Archive for the ‘Politik’ Category

„Junge Freiheit“: False friends


15 Nov

Rechtspostille „Junge Freiheit“: Ungefragt zitiert

Gegen falsche Freunde kann man sich schlecht wehren. Was also tun, wenn man das Richtige geschrieben hat, es aber von den Falschen zitiert wird?

So ist es mir ergangen. In der Fachzeitschrift Medienkorrespondenz habe ich einen kritischen Beitrag über die Beschäftigungsverhältnisse im Westdeutschen Rundfunk (WDR) veröffentlicht. Der löste erst größere Resonanz aus, als die Redaktion ihn zwei Wochen später auch online stellte:

Medienkorrespondenz: Machtmissbrauch mit System

Verschiedene Onlinemedien griffen meine kritischen Ausführungen über den WDR auf, zum Beispiel diese hier:

Meedia: WDR als „ganovenhafter Arbeitgeber“

DJV: Ehemaliger Freier Mitarbeiter erhebt heftige Vorwürfe

Produzentenallianz: MeToo – Außenansicht eines Freien Mitarbeiters

Digitalfernsehen.de: Öffentlich-Rechtliche – Werden Freie Mitarbeiter ausgebeutet?

Beueler Extra-Dienst: MeToo/WDR – Die Debatte ist nicht beendet

Am Wochenende flatterte ein größerer Briefumschlag mit der Post in mein Haus. Darin fand ich zwei „Belegexemplare“ der rechtsextremen Postille „Junge Freiheit“. In diesem von mir in keinster Weise unterstützten oder gutgeheißenen Braunblatt wird aus meinem Beitrag ungefragt und unautorisiert auf der Medienseite ein Satz zitiert und herausgestellt, nämlich:

„Journalistische Kompetenz spielt für eine Karriere in der öffentlich-rechtlichen Hierarchie des WDR nahezu keine Rolle“.

Selbstredend stehe ich nach wie vor zu dieser Aussage, und das aus einem guten Grund: Weil sie wahr ist. Dass die leidigen Fischer im Trüben sich in ihrem rechten Wahn an alles klammern, was ihnen selbst den Nimbus von Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit geben könnte, ändert nichts am Umstand, dass ihre Ideologie wenig Idee und noch weniger Logik enthält. Auch das blinde deutsche Rassehuhn pickt eben hin und wieder mal ein Körnchen Wahrheit. Aber es sei den nicht um Erlaubnis fragenden Zitierern ins Stammbuch geschrieben, dass zwei Stimmen noch keinen Chor ausmachen und dass ein richtiger und ein falscher Ton zusammen immer einen Misston ergeben.

Jenes Argument, man dürfe bestimmte Äußerungen nicht tun, weil man sonst Beifall von der falschen Seite erhalte, habe ich schon immer für falsch gehalten. Man kann sich gegen den falschen Beifall ebenso wenig wehren wie gegen die faulen Eier von der richtigen Seite. Beides muss man als Publizist und als Mensch mit Meinung ertragen, und es bleibt nur zu hoffen, dass am Ende etwas Wünschenswertes dabei herauskommt, nämlich ein Diskurs. Das Problem mit den Ewiggestrigen ist ja, dass sie leider nicht im Gestern geblieben sind, sondern heute leben. Dennoch würde ich jenes Bonmot Konrad Adenauers nicht unterschreiben, wo er gesagt hat: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht.“  Nein, wir müssen sie nicht nehmen, wie sie sind: Wir können versuchen, sie zu ändern.

 

 

Gauland-Kolumne: Hinter der FAZ steckt nicht immer ein kluger Kopf


08 Okt

(Foto: Olaf Kosinsky/Skillshare.eu)

Am Wochenende hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in der Rubrik „Fremde Federn“ einen Gastbeitrag des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland veröffentlicht. Das sorgt vor allem deswegen für Irritation, weil nichts an dem Beitrag stimmt, sowohl was die Rubrik als auch was den Inhalt angeht.

Als Kolumnist darf ein Gauland schreiben, was er will, ohne dass die Redaktion in den Text inhaltlich eingreift. Gauland ist schlau genug, gegenüber dem bürgerlichen Publikum der FAZ Kreide zu essen und sich selbst als Vertreter von Mittelstand und Mittelklasse zu gerieren. Dabei bekennt er sich zu seinem „Populismus“, darum auch die Überschrift des Gastbeitrags: „Warum muss es Populismus sein?“ Allerdings geht er dann auf das spezifisch Populistische seiner Politik und der seiner Partei, der rechtsextremen AfD, gar nicht weiter ein. Er behauptet, der Begriff „Populismus“ sei seit 10 Jahren in der Diskussion, was nachweislich falsch ist und durch simpelste Internetrecherche falsifiziert werden kann. Der Begriff stammt aus der Antike und bezieht sich auf die Partei der Popularen, zu der beispielsweise auch Julius Caesar sich zählte. In der Moderne taucht der Begriff spätestens mit der US-amerikanischen Farmerbewegung seit den 1870er-Jahren wieder auf, die denn auch eine „People’s Party“ gründeten.

Feindbild und Verschwörungstheorie

Dann entfaltet Gauland sein heimliches Feindbild und offenbart zugleich sein unheimliches Weltbild, das einer kruden Verschwörungstheorie entstammt. Laut Gauland hat sich nämlich in den vergangenen Jahren angeblich eine neue Funktionselite gebildet, die vor allem aus Medienarbeiter/innen bestehe:

„Im Zuge der Globalisierung hat sich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine neue urbane Elite gebildet, man könnte auch von einer neuen Klasse sprechen. Zu ihr gehören Menschen aus der Wirtschaft, der Politik, dem Unterhaltungs- und Kulturbetrieb – und vor allem die neue Spezies der digitalen Informationsarbeiter“.

Diese abgehobene „globalisierte Klasse“ habe die Bindung an die Heimat verloren und lebe in einer „abgehobenen Parallelgesellschaft“. Dem gegenüber stünden zwei Gruppen von Menschen in Deutschland, nämlich die bürgerliche Mittelschicht (zu der Gauland vor allem den wirtschaftlichen Mittelstand zählt) sowie „sogenannte einfache Menschen“, die „ein Leben lang den Buckel krumm gemacht haben und heute von einer schäbigen Rente leben müssen“.

Irgendwelche empirischen Belege für seine demographischen Behauptungen bleiben bei Gauland und in der FAZ aus. Dass die von ihm so geschmähten Medienleute gerade wesentlicher Teil der bürgerlichen Mittelschicht sind und häufig als Einzelunternehmer zum wirtschaftlichen Mittelstand zählen, lässt Gauland natürlich unerwähnt. Erst recht lässt er unerwähnt, dass er und große Teile der Führungsriege seiner rechtsextremistischen Partei AfD zu genau dieser Klasse von Globalisierungsgewinnern und Medienelite gehören: Seine Kollegin im AfD-Fraktionsvorsitz, Alice Weidel, ist im schweizerischen Biel gemeldet, wo sie mit einer aus Sri Lanka stammenden Schweizer Film- und Fernsehproduzentin in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, wie man ausgerechnet in der FAZ nachlesen kann. Gauland war nicht nur Parteifunktionär der CDU, sondern auch Medienmensch und Publizist, der beispielsweise Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen“ war. Und während Gauland in der FAZ als Vertreter der Leute mit „schäbigen Renten“ auftreten darf, musste er doch unlängst zugeben, selbst gar kein Rentenkonzept zu haben.

Ein kluger Kopf?

Kommen wir zur FAZ: Schon der Rubrikentitel, unter dem Gauland in der FAZ veröffentlichen darf, ist irreführend. Wer sich „mit fremden Federn schmückt“, der macht sich Texte zu eigen, die nicht von ihm selbst stammen, sprich: er macht ein Plagiat. Will sich die FAZ den Text von Gauland zu eigen machen, sich gar mit ihm schmücken, wie man es mit Federschmuck eben gemeinhin tut? Wohl kaum. Will man sich an jene „bürgerliche Mitte“ anbiedern, die auch Gauland adressiert und die offenbar beide für ihr angestammtes Publikum halten? Da wollen wir hoffen, dass der FAZ-Leser und die FAZ-Leserin klüger sind als Gauland und die Verantwortlichen, die ihm die Spalten der FAZ geöffnet haben.

Dass FAS-Politik-Redakteur Thomas Gutschker auf den frei einsehbaren Onlineseiten der FAZ einen kritischen Kommentar zu der FAZ-Gauland-Kolumne hinterherschiebt (während der Gauland-Text nur im Bezahlbereich konsumierbar ist), macht die Sache nicht besser. Denn warum bietet eine Redaktion dem Vorsitzenden einer rechtsextremistischen Partei erst ihre Seiten und schmückt sich mit diesen „fremden Federn“, um dann eine Erwiderung hinterherzuschicken, um auf diese Weise den Gaulandtext wieder einzufangen und zu relativieren? Dies ist auch kein Beispiel für eine gepflegte Debattenkultur, denn diese Debatte ist ja selbst inszeniert und wäre gar nicht nötig, wenn die FAZ nicht sich mit den schmutzigen Federn eines auch noch selbsterklärten Rechtspopulisten schmücken würde.

Als Vater Daedalus seinem Sohn Ikarus falsche Federn angeklebt hat, hat dieser sich die Flügel verbrannt. Das war nicht sehr klug. Die FAZ kann mit ihrem Werbeslogan „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ künftig nicht mehr antreten. Denn sie war auch nicht klug.

Nachtrag 10.10.2018: Im Tagesspiegel weist der Historiker Wolfgang Benz darauf hin, dass der Gauland-Text recht deutlich die Inhalte einer Hitler-Rede aus dem November 1933 widerspiegelt.

Immer diese Flüchtlinge


18 Jul

Ich bin hier auf der Arbeit und nicht auf der Flucht!

Das geflügelte Wort lenkt das Denken (jedenfalls dort, wo noch gedacht wird) auf den gar nicht selbstverständlichen Umstand, dass wer einen Arbeitsplatz hat, nicht flüchten muss, und umgekehrt wer auf der Flucht ist, zumeist nicht arbeiten darf. Arbeit machen dagegen die Flüchtlinge, und zwar einerseits unseren Politikern und andererseits unseren Journalisten, die das Wirken und Würgen der Politik in Worte verwandeln müssen. Welche Worte sie dafür wählen, hat großen Einfluss auf die Wirkung jenes Würgens und Werkens. Es lohnt sich darum, mal etwas genauer hinzusehen.

Der Kölner Stadtanzeiger hat dazu eine Infografik veröffentlicht, die Zahlen des Flüchtlingshilfswerks UNHCR illustrieren soll:

Quelle: KStA (eig. Screenshot)

Auffällig ist die Angabe, dass von den 19,9 Mio. Menschen, die weltweit im vergangenen Jahr auf der Flucht sich befanden, 31% in Europa Aufnahme gefunden haben sollen – und damit genau so viele wie auf dem afrikanischen Kontinent. Nur wenn man sich die Grafik näher ansieht, stellt man überrascht fest, dass diese Zahl 31% nur zustande kommt, wenn man die Türkei mit zu Europa zählt. Andernfalls wären es nämlich gerade mal 14% der Flüchtlinge, die in Europa Schutz finden – eine erbärmliche Zahl, wobei „erbärmlich“ ja vom „Erbarmen“ kommt, und gerade das lässt Europa in der Flüchtlingsfrage vermissen. Darüber hinaus halten sich die Massen an Flüchtlingen, die die Türkei aufnimmt, natürlich nicht auf dem (sehr kleinen) Teil der Türkei auf, der geographisch auf dem europäischen Kontinent liegt, sondern die allermeisten sind in der Osttürkei nahe der syrischen Grenze, wo diese Flüchtlinge nämlich in der Regel auch her kommen. Andererseits zählen zu Afrika nicht diejenigen Flüchtlinge, die in „Nordafrika“ sind, sonst würde man nämlich auf einen Blick sehen, dass die mit Abstand allermeisten Flüchtlinge, die aus Afrika kommen, ihren eigenen Kontinent niemals verlassen.

Mit solchen irreführenden Zahlenjonglagen wird auch in der Politik argumentiert, wenn eine scheinbare Notwendigkeit von „Ankerzentren“, „Transferzonen“ oder „Sammellagern“ aufgezeigt werden soll oder wenn von „Asyltouristen“ die Rede ist. Hier gibt es nicht nur moralische, sondern auch völkerrechtliche Verpflichtungen, denen gerade die wohlhabenden und prosperierenden Länder der Europäischen Union (EU) sich nicht entziehen können. Der ehemalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) hat in einem Gastbeitrag in der Süddeutschen Zeitung darauf hingewiesen, dass man das Elend der Flüchtlinge nicht den Ländern des Trikonts überlassen darf:

„Wenn 500 Millionen Europäer keine fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden ‚Europa‘ wegen moralischer Insolvenz“.

Allerdings darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass besagter Norbert Blüm Regierungsmitglied jener Bundesrepublik Deutschland war, die im Jahr 1992 mit einer abgefeimten Grundgesetzänderung das Recht auf Asyl praktisch abgeschafft und dafür jene „Drittstaaten-Regelung“ eingeführt hat, auf der noch heute die vielzitierte Dublin II-Verordnung der EU basiert. Ein Binnenland wie Deutschland hat sich damit unfein aus der Affäre gezogen, denn es konnte und kann damit quasi nicht mehr in die Lage geraten, dass Asylsuchende oder andere Flüchtlinge an die Tore des Landes klopfen, weil sie ja stets schon einen „Drittstaat“ betreten haben müssen, um an die deutsche Grenze  zu gelangen. Schon damals in den 1990er-Jahren war diese Neuregelung niederträchtig und falsch, zumal der Asylartikel ja aufgrund der eigenen Flüchtlings-, Vertreibungs- und Exilgeschichte im Grundgesetz gelandet ist. Heute läuft diese Regelung darauf hinaus, dass eigentlich nur noch drei Länder „legal“ Flüchtlinge aufnehmen müssen, nämlich Italien, Griechenland und Spanien, während die anderen EU-Länder sich auf degoutante Art einen schönen Lenz machen können und sich larmoyant über die „illegalen Migranten“ echauffieren dürfen. Die genannten südeuropäischen Länder werden von der europäischen „Gemeinschaft“ im Stich gelassen, Solidarität ist anders. Wie das ganz praktisch funktionieren soll, hat im übrigen noch kein deutscher oder bayerischer Politiker erklärt: Warum auch, wenn man das Problem so einfach weg-delegieren kann. Dass in Italien aufgrund dieses internationalen Politikversagens postfaschistische und rechtsextremistische Parteien gewählt werden, darf einen nicht allzu sehr verwundern. In Deutschland muss man sie dagegen nicht wählen, wenn man die CSU hat – scheint jedenfalls die schändliche bayerische Logik zu sein.

Was hier insbesondere von bayerischen Regionalpolitikern vorgetragen wird, wenn sie von „Rücknahmeverpflichtungen“ und anderem bürokratischen Neusprech salbadern, entbehrt dabei auch noch der sachlichen Grundlage. Denn die genannten Länder würden ja sogar Flüchtlinge und Asylbewerber von der Bundesrepublik Deutschland „zurück“-nehmen (man kommt ja bei diesem Thema gar nicht darum herum, ständig „Anführungszeichen“ für die Vokabeln aus dem Wörterbuch des Unmenschen zu setzen …), allein Deutschland schickt sie gar nicht. Der Kölner Stadtanzeiger berichtet unter Verweis auf die Tageszeitung Die Welt:

„Die EU-Partner würden schon jetzt viel mehr solcher ‚Dublin-Fälle‘ zurücknehmen, als Deutschland ihnen überstelle, berichtet die Welt am Sonntag unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage. So stellte Deutschland 2018 bis Ende Mai in 9233 Fällen solche Übernahmeersuchen an Italien. Das Land stimmte auch 8421 Mal einer Rücknahme zu – überstellt wurden aber nur 1384. Sicherheitsbehörden gäben als Hauptgrund an, dass die Migranten am Rückführungstermin nicht angetroffen würden. Ähnlich sei das Verhältnis bei Spanien: Bei 1849 Übernahmeersuchen stimmte das Land 1255 Mal zu – überstellt wurden 172 Migranten“.

Viel Lärm um nichts? Das kann man nicht sagen, denn es geht nicht um „nichts“. Es geht vielmehr um beinahe „alles“, jedenfalls wenn man Moralität und Gerechtigkeit noch einen Totalitätsanspruch zubilligt.

Österreich: Fake News im Wahlkampf


10 Okt
SPÖ-Wahlplakat

SPÖ-Wahlplakat (Foto: SPÖ/Astrid Knie cc)

Fake News sind ja irgendwie gerade ein Modewort mit etwas unscharfen Begriffsrändern. Es handelt sich dabei um bewusste Falschmeldungen, die teils scherzhaft, teils aber auch zur Verfolgung einer klaren Agenda insbesondere über Social Media verbreitet werden.

Nun haben Fake News dem österreichischen Wahlkampf einen ganz neuen Spin gegeben. Hier sind es die großen Parteien, die zur Nationalratswahl antreten, selbst, die sich mit Fake News, gefaketen Internetprofilen und gefälschten Studien gegenseitig überziehen. Der Skandal ist so groß, dass die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Die politische Kultur in Wien sinkt wenige Tage vor der Parlamentswahl auf ungeahnte Tiefen“.

Zwei gefälschte Facebook-Seiten stehen im Zentrum des Konflikts. Die eine heißt „Wir für Sebastian Kurz“ und spiegelt vor, eine Fanseite des Kanzlerkandidaten der konservativen  ÖVP Sebastian Kurz zu sein. Diese Seite tat sich besonders damit hervor, rechtspopulistische Töne anzuschlagen und so zu tun, als stünde die ÖVP und ihr jugendlich wirkender Kandidat auf der ganz rechten Seite des politischen Spektrums. Die andere Facebook-Seite trug den Titel „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ und verbreitete Fake News mit rassistischem und antisemitischem G’schmäckle.

Hinter beiden Seiten aber stand nach Recherchen der österreichischen Tageszeitung Die Presse der  von der SPÖ angeheuerte israelische Wahlkampfberater Tal Silberstein. Mit beiden Seiten sollten entweder zur politischen Mitte oder eben auch zu rechtspopulistischen Ansichten neigende Wähler von einer Wahl von Kunz abgeschreckt werden. Es soll dafür sogar eine Kommunikations-Task-Force gegeben haben, die mit 500.000 Euro üppig ausgestattet war. Aufgeflogen ist der Casus, weil Silberstein im August in Israel wegen Korruptionsverdacht inhaftiert worden ist.

Gefakete Facebook-Seite

Gefakete Facebook-Seite

Aber nicht die SPÖ arbeitet mit, wie Die Presse es nennt, „Schmutzkübel-Kampagnen“ und lässt damit die Wahlchancen des amtierenden SPÖ-Kanzlers Kern ins Bodenlose sinken. Auch die ÖVP von Sebastian Kurz ist sich für „dirty campaigning“ nicht zu schade und arbeitet im Wahlkampf mit Fake-News. Eine Studie über „Islamkindergärten“ soll von Beamten des österreichischen Außenministeriums, dem Sebastian Kurz als Minister vorsteht, so frisiert worden sein, dass ihre Aussage in Teilen ins Gegenteil verkehrt wurde. Die Wiener Wochenzeitung Falter spricht von „Kurz-Leaks“ und einem „Frisier-Salon Kurz“.

Ein Hamburger für G20


10 Jul

Spiegel_HamburgerDa gibt es ja nun ein paar Kollegen, die das Spiegel-Titelbild vom vergangenen Samstag anlässlich der Ereignisse rund um den G20-Gipfel in Hamburg für nicht ganz adäquat hielten. Also, ich dagegen finde, dass es für einen ganz besonderen Sinn von Ironie spricht, ausgerechnet mit einem „Hamburger“ aufzumachen. Auch „Essen oder nicht essen?“ ist eine Schlagzeile, die kompositorisch ein verzückendes Duett mit den Themen des Gipfels einginge. Im übrigen: Wer hat sich eigentlich nicht über die laufenden Ereignisse bei SPIEGEL ONLINE kundig gemacht? Auch die Reportage gestern Abend in SPIEGEL.TV war ja durchaus nahe dran am Geschehen. Mal davon abgesehen, dass im Innenteil der Printausgabe ein Leitartikel und 12 Seiten mit Beiträgen sich mit G20 auseinandersetzen. Will also wirklich jemand behaupten, das Hamburger Nachrichtenmagazin habe sich nicht genug mit den Ereignissen in Hamburg auseinandergesetzt? Weil das Titelblatt nicht mundete?

50 Jahre Gegenöffentlichkeit


24 Mai

Bildschirmfoto 1In der kommenden Woche jährt sich eines der einschneidenden Ereignisse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Am 2.Juni 1967, also vor 50 Jahren, besuchte der damalige Schah von Persien Deutschland und West-Berlin. Die Ereignisse dieses Tages — Gegendemonstrationen, Polizeiaktionen und am Ende des Tages der von einem Polizisten erschossene Student Benno Ohnesorg — haben tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Eine dieser Spuren verlief auch in der weiteren medialen Organisation von Öffentlichkeit: Ein Konzept von „Gegenöffentlichkeit“ begann – neue kritische Verlage wurden gegründet, alternative Stadtmagazinen und auch eine Tageszeitung, die taz.

Diese taz erinnert jetzt in einer 32-seitigen Sonderausgabe unter dem Titel „Gegen den Strom“ an dieses Datum und die Entstehung neuer Formen, Öffentlichkeit herzustellen:

Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über „Gegenöffentlichkeit“, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute eher formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, über bürgerliche Zeitungen und alternative Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit über gesellschaftliche Entwicklungen.

taz-Redakteur Jan Feddersen hat sich in einem Essay Gedanken über aktuelle Formen von Gegenöffentlichkeit gemacht. Dabei geht er von der Beobachtung aus, dass heute womöglich eher politisch rechts und rechtsextrem positionierte Kräfte sich Formen der Gegenöffentlichkeit zunutze machen:

„Gegenöffentlichkeit“ – die braucht es nicht mehr nicht mehr in dem klassisch verstandenen Sinne wie vor 50 Jahren. Empörung als Reaktionsmodus auf alles, was einem in der Welt nicht passt, ist zur Disziplin der Rechten geworden, und sie wird es bleiben: Das können die echt gut. Leider. Linken stünde ein anderer Modus gut an: Coolness. Nicht Chemtrails trauen, keiner Hassbotschaft, keiner aufgeschäumten Erregung, keiner Verschwörungstheorie und auch keinen Botschaften, die die Welt als Verhängnis schildern.

Afd-Frontfrau Alice Weidel will keine „Nazi-Schlampe“ sein


03 Mai
Extra3AfD

Christian Ehring, Moderator von Extra3 (NDR)

Die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) will das NDR-Satire-Magazin Extra3 verklagen. Die beim AfD-Bundesparteitag in Köln zur neuen „Front“-Frau gewählte Alice Weidel erklärte ebendort:  „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.“ Extra2-Moderator Christian Ehring konterte darauf: „Jawohl, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht“.

Die Frankfurter Rundschau kommentiert dies, in übrigens äußerst korrektem Deutsch:

„Selten ist bisher eine Forderung der AfD in einer Sendung des öffentlich-rechtlichen Programms so mustergültig umgesetzt worden. Ehring zeigte sehr präzise, was geschieht, wenn der Sprache das als „political correctness“ verhöhnte zivilisatorische Minimum  genommen und die Diffamierung des politischen Gegners zum umgangssprachlichen Standard erklärt wird. Das entsprach einerseits  – wenn auch nur im Wortsinn – der Forderung der AfD-Politikerin, andererseits war es allerberste Aufklärung: Nichts anderes ist die Aufgabe der Satire“.

Der entsprechende Ausschnitt der Sendung lässt sich (noch) bei YouTube ansehen:

Welt: Kinder mit Philosophie gequält


06 Apr

Das ist nun aber doch unerhört, was die Tageszeitung Die Welt da aus den Bildungsuntiefen des nordrhein-westfälischen Dumping-Schulwesens zu berichten hat: Kinder, Grundschulkinder  gar, sollen zum Philosophie-Unterricht genötigt werden:

Geht es nach den Grünen in NRW, sollen sich schon Grundschulkinder demnächst mit Kant, Platon & Co. beschäftigen. Die Partei verweist auf die vielen konfessionslosen Kinder, die in dieser Zeit Freistunden haben.

Sei’s drum, dass dieser Teaser nahezu unverständlich bleibt, weil der Hinweis an den sonst bei konfessionell besser ausgestatteten Schulkindern verpflichtenden Religionsunterricht erst später im Artikel ausgebreitet wird: Dass die armen Kleinen in so zartem Alter schon mit „Kant, Platon & Co.“ gequält werden sollen, das geht nun wirklich zu weit, meint die Welt.

Bildschirmfoto 3

Dabei ist der Vorschlag vielleicht gar nicht so schlecht. Selbst die Welt kann da nur zitieren, und so doof klingt es doch gar nicht:

„Es ist wichtig, allen Kindern ein Angebot zu machen, das sich mit Sinn- und Wertefragen beschäftigt“, sagte die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Sigrid Beer. Für das Fach, das den Arbeitstitel „Philosophieren mit Kindern“ trägt, hat der Münsteraner Philosophieprofessor Klaus Blesenkemper einen Lehrplan entworfen.

Auch verschweigt die Welt, dass es auch heute schon an vielen Grundschulen in NRW Ethik-Unterricht als Ersatz für den Religionsunterricht gibt. Und Ethik ist nichts anderes als „praktische Philosophie“.

Für die Welt-Redaktion dagegen rangiert der Vorschlag, mit Kindern zu philosophieren, ungefähr auf einer Ebene mit dem legendären Veggie-Day, den die Grünen vor vier Jahren einführen wollten:

Es ist nicht das erste Mal, dass die Grünen mit einem ungewöhnlichen Vorschlag Aufsehen erregen. Bereits vor vier Jahren wollte die Partei einen verpflichtenden Veggie-Day in öffentlichen NRW-Kantinen einführen …

Dafür habe es damals viel „Hohn und Spott“ gegeben, so die Welt. Offenbar hält die Redaktion aus dem Hause Springer auch den jetzigen Vorschlag für verspottenswert. Wie sagt da der Lateiner: Si tacuisses, philosophus mansisses – Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben.

Trump, westliche Werte und Karnevalismus


11 Nov

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Am heutigen 11. im 11. beginnt in Köln der Karneval und die närrische Zeit. Manche meinen, in diesem Jahr hätte die närrische Zeit zwei Tage früher und nicht in Köln, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika begonnen. “Die Welt steht Kopf”, titelte, passend, die Tageszeitung Die Welt kompakt. Und das Boulevardblatt aus dem gleichen Hause, Bild, sprach vom “Trump-Schock”.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt mit sorgenvollem Gesichtsausdruck, Deutschland und Amerika seien durch Werte verbunden, “Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung”. (mehr …)

ZDF-Fernsehrat hat miese Quote


25 Feb
Foto: Adam Dachis/Flickr

Foto: Adam Dachis/Flickr

Die Plätze in den Rundfunkräten und Fernsehräten der öffentlich-rechtlichen Anstalten sind sehr begehrt und heiß umkämpft. Aber wenn man als Politiker einen solchen Posten ergattert hat, lässt das Interesse offenbar manchmal schlagartig nach: Nur gut zwei Drittel der 77 Mitglieder des ZDF-Fernsehrats seien im Durchschnitt bei den Plenar- und Ausschusssitzungen 2015 anwesend gewesen, wie epd Medien aktuell berichtet. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) und die ehemalige SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hätten an keinem einzigen Treffen teilgenommen, Christian Pegel, Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern, sei zu nur einer von sieben Sitzungen gekommen. Je nach Mitgliedschaft in den Ausschüssen hätten die in den Fernsehrat entsandten Personen pro Jahr bis zu 16 Termine beim ZDF. Die Mitgliedschaft sei ehrenamtlich, allerdings zahle der Sender eine monatliche Aufwandsentschädigung, Reisekosten und Sitzungsgelder.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter