Archive for the ‘Zeitung’ Category

Markwort verhinderte Artikel über Ribéry-Skandal


24 Aug

Dass er in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem als Journalistenschauspieler erscheint, hat Helmut Markwort sich selbst zuzuschreiben: Als Darsteller seiner selbst in einer fingierten Redaktionskonferenz des unnötigsten Wochenmagazins aller Zeiten, Focus, mit seinem grenzdebilen „Fakten, Fakten, Fakten“ lieferte er Munition jetzt schon für mehrere Generationen von Kabarettisten und Comedians. Dass der Focus mit wahrhaftigem Journalismus irgendetwas zu tun hat, kann nur der behaupten, der Journalismus allgemein für eine durch und durch verlotterte Veranstaltung hält, und wird auch hierin neuerdings von Marktwort munitioniert:

Der scheidende Focus-Chefredakteur Helmut Markwort hat einen Artikel über Sex-Skandal um Franck Ribéry verhindert. Das berichtete das Hamburger Abendblatt am Freitag unter Berufung auf Angaben von Redaktionsmitgliedern. Einem Bericht von Sueddeutsche.de zufolge hat der Burda-Verlag dies inzwischen bestätigt.

Pikant daran ist, dass Markwort auch im Aufsichtsrat des FC Bayern München sitzt, also dem Arbeitgeber von Ribéry.

Meedia: Bestätigt: Markwort verhinderte Artikel über Ribéry-Skandal

Kölner Stadt-Anzeiger erfindet den Jahrgangsroman


24 Aug

Dass gute Literatur etwas für die Feinschmecker unter den Lesern ist, hat sich in kulinarischen Kreisen ja herumgesprochen. Der Kölner Stadtanzeiger — eines der wenigen Qualitätsblätter, deren Qualität darin besteht, sich kein eigenes Feuilleton zu leisten und die Kulturberichterstattung auf die hinteren Seiten des Sportteils zu verbannen — hat nun den Jahrgangsroman erfunden. Anlässlich Philipp Meyers Debütroman „Rost“ vermeldet er:

In den USA wurde der Roman als einer der besten seines Jahrgangs gefeiert.

Wenn jetzt schon Romane einen Jahrgang haben, dann ist klar, dass die Gutenberg-Galaxie irgendwie in die Jahre gekommen ist.

Kölner Stadt-Anzeiger – ePaper

Der Bürgerkrieg in unseren Handys


23 Aug

Es gibt unter den durch das Medienzeitalter ausgelösten Depressionen auch solche, für die ein rasches Antidot nicht leicht bei der Hand ist. Da gefriert einem doch das Blut in den Adern, wenn man liest wie am vergangenen Wochenende in der F.A.Z., dass wichtige Rohstoffe für unsere schöne neue Welt aus elektronischen Gadgets mit Bürgerkrieg etwa in Afrika bezahlt wird.

Neben Blei, Kadmium und ähnlich toxischen Stoffen enthalten unsere alltäglichen Begleiter wie Mobiltelefone, Kameras und Laptops auch Metalle, die an sich unbedenklich sind: Gold, Zinn, Wolfram und Tantal. Und doch sind gerade diese die ethisch bedenklichsten, ja blutigsten, nämlich sofern sie – was für einen großen Prozentsatz zutrifft – aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammen. Bewaffnete Gruppen, von denen es nach Schätzung des Botschafters der Demokratischen Republik Kongo in den Vereinigten Staaten, Faida Midifu, etwa fünfundzwanzig gibt, darunter ugandische, ruandische und burundische Rebellengruppen sowie korrupte nationale Armee-Einheiten, zwingen die Bevölkerung unter grauenhaften Bedingungen zum Abbau der Bodenschätze, welche dann zu Schleuderpreisen auf den Weltmarkt gelangen.

Von „Bluthandys“ sprechen bereits Nichtregierungsorganisationen wie das „EnoughProject“, „Human Rights Watch“ oder „Global Witness“. Hier muss Druck vonseiten der Verbraucher auf die Hersteller ausgeübt werden wie von jenem kritischen Geist, der Apple-Chef Steve Jobs eine Email schrieb und schon nach einer Stunde per SMS Antwort von Jobs persönlich erhielt, in der davon die Rede war, dass man die Lieferanten verpflichte, „conflict few materials“ zu liefern. Doch gebe es keine Garantie, und es sei chemisch noch nicht möglich, den Ursprung der Mineralien bis zur Mine zurückzuverfolgen. Intrikat ist schon Jobs‘ stillschweigende semantische Verschiebung von „conflict free“ in „conflict few“, für die er von der Netzgemeinde bereits gehörig Prügel einstecken musste. Aber auch die Behauptung der Nichtnachweisbarkeit ist so nicht aufrechtzuerhalten:

Den „Coltan-Fingerprint“, einen forensischen Nachweis, der die Herkunft der Tantalerzkonzentrate durch Abgleich mit einer riesigen Datenbank eindeutig zu lokalisieren vermag, hat die deutsche Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in dreijähriger Arbeit entwickelt. Ebendies wurde hierzulande vor einem halben Jahr als großer Durchbruch gefeiert. Doch erklärt der zuständige Forscher Frank Melcher im Gespräch mit dieser Zeitung, die Technik sei zwar prinzipiell einsatzbereit, werde aber nicht eingesetzt.

Den ganzen Artikel gibt es bei FAZ-online zu lesen:

Krieg in Kongo: Auf der dunklen Seite der digitalen Welt – Digitales Denken – Feuilleton – FAZ.NET

Kölner Stadt-Anzeiger stolpert über Theo Albrechts Mercedes


06 Aug

Ein Mercedes steht zum Verkauf: Es ist die Limousine des kürzlich verstorbenen Aldi-Gründers Theo Albrecht. Der Verstorbene muss panische Angst vor einer neuerlichen Entführung gehabt haben, nachdem er 1971 ganze sechszehn Tage lang in der Hand von Kidnappern war. Das Fahrzeug bietet Sicherheitsstandards der Präsidentenklasse. Der Fahrbericht im Kölner Stadtanzeiger liest sich indes so:

Trotz seiner 3,5 Tonnen ist die gepanzerte Limousine mit ihrem 4,2-Liter-Motor mit 278 PS fast eine lahme Ente.

Müsste es nicht eigentlich heißen: „Trotz ihrem 4,2 Liter-Motor mit 278 PS ist die gepanzerte Limousine mit ihren 3,5 Tonnen eine lahme Ente“? Naja, bei so viel Zahlen kann man schon mal durcheinander kommen.

Theo Albrechts Mercedes wird verkauft – Kölner Stadt-Anzeiger

Bitte mehr Zeitungssterben


30 Jul

Schwarzwaelder_Bauernhaus_um_1900  Das Gespenst des Zeitungssterbens geht um in Europa. Gerade die Lokal- und Regionalzeitungen in Deutschland werden immer wieder als Argument für das Pressewesen herangezogen, um eine allem Anschein nach bewahrenswerte Zeitungskultur am Leben zu erhalten.  334 Lokal- und Regionalzeitungen werden zum Teil im Abonnement vertrieben, mit einer Gesamtauflage von 14,85 Millionen. Global denken, lokal schreiben: Das sei das rettenswerte Motto dieser Medien. Aber in welcher Sprache schreiben die Lokaljournalisten eigentlich?

Die Urlaubszeit verschaffte mir das zwiespältige Vergnügen, den Schwarzwälder Boten eine Zeitlang verfolgen zu dürfen. Da liest man dann Überschriften wie:

Der Pott Klinik gerät allzu leicht in schwere See

Bedeutet “leicht ins Schwere” zu kommen das Gleiche wie “schwerfällig ins Seichte”? Oder kommt man nur schwer in leichte See, wenn man es leichthin schwer hat? Schon diese Fragen machen einen irgendwie schwermütig. Schwer wird es auch, wenn die Redakteure des Schwarzwälder Boten sich bemühen, ganz leicht und salopp zu formulieren. Dann nämlich geschehen Sprachunfälle wie dieser:

Ein vorläufiger Stopp des umstrittenen Milliarden-Projekts Stuttgart 21 kommt für die breite Mehrheit des (…) Landtags nicht in die Tüte.

Der Stopp in der Tüte kommt so ein bisschen daher wie der Fänger im Roggen oder der Quatsch mit Soße. Vielleicht haben die Landtagsabgeordneten in Stuttgart auch nur in die Tüte gesprochen, aber dann tun sie’s immer noch auf schwäbisch und dann heißt’s “Tütle”.

Richtig spekulativ wird es sprachlich wie inhaltlich in einem Artikel über die bevorstehende Hochzeitsfeierlichkeit der Ex-Präsidententochter Chelsea Clinton. Denn da wird über die Festivitäten spekuliert, was das Zeug hält, und das sogar von leibhaftigen Spekulanten:

Spekulanten sehen bis zu 500 geladene Gäste auf der Liste.

Da steht wohl die erste börsennotierte Trauung bevor. Der Schwarzwälder Bote traut sich eben was. Im ONline-Angebot des Boten wurde diese schmissige Spekulation übrigens zwischenzeitlich getilgt: Wohl Angst vor der eigenen Traute? Bitte mehr Zeitungssterben!

Chelsea heiratet: Die Geheimakte Clinton – Schwarzwälder Bote

Italien: Wenn Journalisten zu sehr schweigen


09 Jul

Es gibt ja verschiedene gute Gründe für Journalisten, einfach mal den Mund zu halten. Nicht der schlechteste ist der, weswegen Journalisten überall in Italien heute in den Streik getreten sind. Die Zeitung, die leider nie schweigt, nämlich der Kölner Stadtanzeiger, weiß zu berichten:

Der Protest richtet sich gegen das "Maulkorbgesetz" der Mitte-Rechts-Regierung, das unter anderem drastische Strafen für Medien und Journalisten vorsieht, die "unrechtmäßig" Ermittlungsakten oder mitgeschnittene Gespräche veröffentlichen.

Nota bene, der Initiator des Gesetzes, der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, ist als Medientycoon selbst einer der größten Zeitungsherausgeber Italiens. Auch Berlusconi schweigt leider nie. Stattdessen formuliert er ein Gesetz nach dem anderen, das, für Außenstehende offensichtlich, nur den einzigen Zweck hat, ihn selbst, seine mutmaßlich nicht immer sauberen Gesetze und seine ebenfalls mutmaßlich kriminellen Verbindungen beispielsweise zur organisierten Kriminalität zu decken.

Der Widerstand der Journalisten reicht von rechtsliberal bis links. So wollen sich Zeitungen wie "Corriere della Sera", "la Stampa" und "La Repubblica" an dem Protest beteiligen. Ihrer Ansicht nach ist der Gesetzentwurf, der den Senat schon passiert hat und Ende Juli von der Abgeordnetenkammer behandelt werden soll, nicht hinnehmbar. Vor einer Woche hatten in Rom bereits Tausende von Journalisten, Kulturschaffenden und Oppositionellen gegen das Gesetz demonstriert. Dazu hatte der Journalistenverband FNSI aufgerufen, der auch den "Informations-Blackout" organisiert.

Das Maulkorb-Gesetz verneint das Bürgerrecht auf Information An Berlusconi verzweifeln heißt an Italien verzweifeln. Denn des Cavaliere Regierungsgebahren erinnert doch zu sehr an das Geschäftsgebahren jener ehrenwerten Männer, in deren Würgegriff Italien in weiten Landesteilen zu einer heruntergekommenen, unregierbaren und korrupten Weltgegend verkommen ist. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Berlusconi demokratisch gewählter Ministerpräsident jenes Landes ist, das mit der Seele zu suchen wir Deutschen immer noch nicht lassen können. “Demokratisch” versteht sich in jenen engen Grenzen, die das Amalgam aus Wirtschaftspower und Medienmacht zieht, die sich Berlusconi auf mutmaßlich nicht völlig saubere Weise verschafft hat. Diese Mutmaßungen jedenfalls legt nicht zuletzt er selbst mit seinen immer bizarreren Gesetzesinitiativen sehr nahe. Ein Mann mit sauberer Weste hätte solche Gesetze nicht nötig. Und was den Journalistenstreik angeht: Ein Tag ohne Tageszeitung muss kein schlechter Tag sein.

Il senso del silenzio – Repubblica.it

Kölner Stadtanzeiger: Der Druck wächst


21 Jun

Der Druck wächst. Aber vielleicht nicht der Druck innerhalb der FDP, wie der Kölner Stadtanzeiger heute behauptet, sondern der Druck im Kessel jener Dampfmaschine, die einige Redakteure statt eines Gehirns im Oberstübchen haben. Wie sonst könnte in der Kölner Gazette folgendes zu lesen sein:

Kritik an Guido Westerwelles Doppelrolle in Hessen

Der Mann hat zwar alles mögliche, zum Beispiel (wie man in Köln sagt) den Ratsch im Kappes, aber eine Doppelrolle in Hessen ist von Herrn Westerwelle bislang nicht bekannt.

Defizite nicht nur monetär


21 Jun

_Stadtanzeiger_Defizit Wenn Journalisten, wie zum Beispiel die vom Kölner Stadtanzeiger, rechnen sollen, wird aus höherer Mathematik gerne niedere. Am Wochenende berichtete das Blatt unter der Überschrift „Die Stadt Köln – ein armer Milliardär“ über das angebliche Haushaltsdefizit der Stadt. Aber wie so oft bei der Lektüre dieser Zeitung muss der Leser vor allem eines, nämlich sich wundern. Da ist beispielsweise in der Unterüberschrift zu lesen:

Finanzloch: Im Etat fehlen 464 Millionen Euro

In der direkt daneben stehenden Grafik ist eine einfache Einnahme-Ausgaben-Rechnung abgedruckt. Demnach stehen städtischen Einnahmen in Höhe 3,084 Mrd. Euro Ausgaben in Höhe von 3,186 Mrd. Euro gegenüber. Das macht summa summarum ein Minus von 102 Mio. Euro. Das ist eine erhebliche Menge Geld, die da dem Stadtsäckel fehlt. Aber es sind bei weitem nicht die 464 Mio. Euro, die der Stadtanzeiger behauptet. Sollte es sein, dass sich da irgend jemand verrechnet hat?

Sport ist (Wörter-) Mord


18 Jun

Wenn Fußballweltmeisterschaft ist, dann ist auch die Hochzeit der Sportreporter. Für die Sprache ist das nicht immer gut. Hier nur ein oder zwei Beispiele von vielen:

Fast pausenlos lief der brasilianische Coach an der Seitenlinie unterwegs, um neue Anweisungen zu geben – ohne Erfolg.
(Kölner Stadtanzeiger)

Ohne Erfolg war hier auch der Reporter, was nicht die Ball-, aber doch die Sprachbeherrschung angeht. Aber es geht auch so:

Beim Studium der Zeitlupe stellte sich heraus, dass der Elfmeter unberechtigt war, weil dem Foul von Khune durch eine Abseitsstellung vorausging.
(Kölner Stadtanzeiger)

Nein, so geht es auch nicht. Und seit wann müssen Zeitlupen eigentlich „studiert“ werden?

Problematisch ist auch, wenn Sport auf Wissenschaft trifft. So ist lobend hervorzuheben, dass in diesen fußballverrückten Tagen die Basketballmeisterschaft von Bamberg nicht völlig untergeht. Aber was muss man lesen:

Aber die von Chris Fleming trainierten Brose Baskets setzten das Gesetz der Serie fort: In der Bundesliga-Geschichte setzte sich im Entschiedungsspiel bisher immer der Gastgeber durch.
(Kölner Stadtanzeiger)

So argumentieren Sportreporter ja gerne, und darum werden ständig Datenbanken, Statistiken und Zahlenwerke bemüht. Jedoch, dieses sog. „Gesetz der Serie'“ ist natürlich aller Wahrscheinlichkeit nach purer Blödsinn. Zwar hat der Wiener Naturforscher Paul Kammerer ein Buch mit nämlichem Titel verfasst, dass angeblich auch von Freud, Jung und Einstein goutiert wurde:

Er behauptete, eine Serie sei die gesetzmäßige Wiederholung gleicher oder ähnlicher Ereignisse, die nicht durch dieselbe Ursache verknüpft worden sein können (von „sinnvollen Zufällen“ sprach später sein Biograph Arthur Koestler). Kammerer wollte damit beweisen, das sich in sogenannten „Zufällen“ ein universelles Naturgesetz manifestiert, das unabhängig von bekannten physikalischen Kausalprinzipien wirkt.

Was wissenschaftstheoretisch allerdings dahinter steckt, ist das „Induktionproblem„, das erstmals ausführlich vom britischen Philosophen David Hume thematisiert wurde. Demzufolge lässt sich aus der regelmäßigen Wiederkehr eines Ereignisses in der Vergangenheit nicht auf dessen Wiederkehr in der Zukunft schließen. Ein Grund übrigens, warum man selten aus Erfahrung klug wird. Das gilt übrigens auch und vor allem für Sportreporter.

Anti-Medien-Blog

Praktische Erdkunde im Kölner Stadtanzeiger


08 Jun

Zeitungen wollen Orientierung bieten. Wo aber befinde ich mich, wenn ich das hier lese:

Der von Frankreich gebaute erste Europäische Druckwasserreaktor weltweit in Finnland verzögert sich erneut um ein halbes Jahr.

Oder ist es der erste finnische Reaktor weltweit in Europa? Oder ist es es der erste weltweite Reaktor aus Finnland in Frankreich? Oder ist ein französischer Finne der erste weltweite Europäer, der als Reaktor dient? Man kann bei diesen Zeitungen schon ganz schön durcheinander kommen.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter