Archive for the ‘Zeitung’ Category

Die "ZEIT" für Frankensteins


01 Jun

Ein Schöpfungsakt
Wissenschaftler erzeugten Zellen mit synthetischem Erbgut.

So überschrieb die Wochenzeitung Die Zeit ihren Aufmacher im dieswöchentlichen Wissens-Teil, was auch den Aufmacher für die Gesamtausgabe dieser Woche hergab. Kämpft man sich durch viele viele Zeilen Text nebst einiger kindischer Infografiken, liest man als letzte Zeilen des Artikels:

Venter habe kein neues Leben erfunden, urteilt der Nobelpreisträger David Baltimore, „er hat es nachgemacht“. Bislang ist Homo Faber nur ein Homo Plagiator und das Leben noch ein Geheimnis.

Wie denn nun? Und das als Aufmacher?

ZEIT ONLINE | Nachrichten, Hintergründe und Debatten

Lena Meyer-Landrut: Erste Todesopfer


31 Mai

Statistik1 Der Grandpix-Sieg der 19-jährigen Abiturientin Lena Meyer-Landrut hat erste Todesopfer gefordert. So etwa vermeldet der Kölner Stadtanzeiger:

14,69 Millionen Fernsehzuschauer in Deutschland schauten sich am Samstagabend den Sieg der 19-Jährigen beim Eurovision Song Contest in Oslo live im Fernsehen an, wie die ARD am Sonntag mitteilte. Dies entsprach einem Marktanteil von 49,1 Prozent

14 Millionen Zuschauer sind also praktisch die Hälfte der deutschen Bevölkerung. Das bedeutet nach Adam Riese, dass in Deutschland summa summarum knappe 30 Mio. Menschen leben. Kolportiert wurden uns aber doch stets über 80 Mio. Einwohner? Wo sind die anderen 50 Millionen hin? Herzinfarkt vor dem Fernsehgerät? Totgesungen? Ins Grab gegrölt? Oder von den Medienredakteuren des Kölner Stadtanzeigers hingemeuchelt?

Oder soll den Medienzahlen des Stadtanzeigers eine andere Berechnungsgrundlage zugrunde liegen? Welche könnte das sein? Die Zahl der Haushalte in Deutschland kann es nicht sein, denn die beträgt 39,6 Millionen —  also weit mehr als die knapp 30 Millionen, die von der Quotenstatistik genannt werden. Die Zahl der Fernsehgeräte kann es auch nicht sein, die liegt laut statistischem Bundesamt bei rund 55 Millionen Geräten. Wahrscheinlich ist es vielmehr so, wie auch der EPD Mediendienst heute in einer Glosse mutmaßt, dass bei Fernsehquoten den Medienjournalisten alle mathematischen Sicherungen durchbrennen und sie zu „Quotenidioten“ werden:

Immer mehr gleichen sich die täglichen Quotenmeldungen der Sportberichterstattung an. Dass gleich mehrere Filme an einem Tag „Tagessieger“ werden oder gar „Gold“ holen können, liegt daran, dass es auch bei den Marktanteilen unterschiedliche Disziplinen gibt: Die Aufführung der „Fantastic Four – Rise of the Silver Surfer“ hatte am Sonntagabend die meisten Zuschauer in der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen. Der „Tatort“ wiederum war beim Gesamtpublikum ab drei Jahren am erfolgreichsten.

Die Quotenberichte sind die Meldungen von der täglichen Medienfront. Sie künden davon, wer am Vorabend die Schlacht um das Publikum gewonnen hat. Und die Quotenberichterstatter in den Onlinemedien überbieten sich in der Blumigkeit der Metaphern, wenn es gilt, einen Erfolg oder Misserfolg zu beschreiben. So sind erfolgreiche Sendungen mindestens „ein großer Hit“, oder sie „räumen so richtig ab“. War die Quote dagegen schlecht, war der Film ein „Reinfall“.

Zahlen suggerieren Objektivität. Auch deswegen sürzen sich Journalisten so gern auf sie. Doch ihre Einschätzung ist wie immer eine Frage der Perspektive: Ein Marktanteil von zehn Prozent kann für den einen Quotenmelder enttäuschend sein, während der andere von „sagenhaften 9,8 Prozent“ schreibt.

Auch andere Sicherungen sind nach dem Schlager-Sieg nicht mehr sicher, zum Beispiel sprachliche. Jedenfalls beim Kölner Stadtanzeiger, der schreibt:

EWelcher Ort ist der geeignetste für die größte TV-Unterhaltungsshow der Welt?

Und welcher Ort ist der am meisten geeignetste für katastrophale Sprachpannen? Da ist sicherlich der Kölner Stadtanzeiger am meisten geeignetst.

Lena beschert der ARD eine Rekord-Quote – Kölner Stadt-Anzeiger

Kalter Kaffee beim Kölner Stadt-Anzeiger


25 Mai

Espressomaschine Dass von Journalisten man nichts geschenkt bekommt, außer man vergilt es ihnen durch eine Gegenleistung, ist eine so altbekannte Regel, dass es nicht anders sein kann, als dass sie auch für den Kölner Stadtanzeiger gelte. Der nämlich lässt durch seine Reporterin Susanne Hengesbach Kaffee an unschuldige Passanten verteilen, nur um an eine Story zu kommen:

Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zum Kaffee einlädt?

Ja, was erzählen sie denn? Und vor allem: Was trinken sie denn? Die Einladung zu einem Kaffee, gerade in deutschen Großstädten, birgt so viele Fallstricke gerade auch sprachlicher Art, dass es an ein Wunder grenzte, wenn nicht ausgerechnet der Kölner Stadtanzeiger auch hinein tappen würde. Und siehe da:

Nachdem er seine Latte Macchiato bestellt hat, erzählt er mir, dass er momentan mit der Planung eines Studios beschäftigt ist.

Darauf sollte man doch als Reporterin gefasst sein: Die Leute lassen sich eben nicht mehr Filterkaffee in Kännchen servieren, sondern diesen ganzen neumodischen Kram — con letsche, Café Olé oder eben auch die berüchtigte Latte. So viel Recherche sollte darum einer Reporterin zuzutrauen sein, dass es korrekterweise „der Latte“ zu heißen habe. Denn dass im Italienischen die Milch („latte“) männlich konju- oder dekliniert wird, wäre, wenn es noch eines Beweises bedürfte, auch aus dem Adjektiv „macchiato“ mit seinem End-„o“ zu schließen, müsste eine weibliche Latte doch“macchiata“ sein, was auch Stadtanzeiger-Redakteurinnen mit rudimentären Latein-Kenntnissen sich zusammenreimen könnten, sofern das Erlernen kultivierter Sprachen noch zum Portfolio von Stadtanzeiger-Redakteuren gehörte. Sollte es sich, wie man allfällig mutmaßen könnte, um eine der berühmten Freud’schen Fehlleistungen handeln, die Leute bei der italienischen Kaffee-Spezialität an nichts als eine gute deutsche „Latte“ denken lässt, ist der Lapsus nicht kleiner, denn gerade diese, die Latte, sollte doch eigentlich männlichen Geschlechts sein, was ganz nebenbei die feministische Linguistik in große Schwulitäten bringt. Aber lassen wir fürderhin diese Quisquilien und beschäftigen wir uns weiter mit dem genannten Artikel im Kölner Stadtanzeiger. Was darin steht, hat ein eifriger Kommentator im Internet-Angebot des Kölner Stadtanzeigers sehr schön auf den Punkt gebracht und bedarf keiner Ergänzung:

24.05.2010 | 22.10 Uhr | RainerHohn
Das liest sich so flüssig und spannend wie der Aufsatz einer Fünftklässlerin zum Thema: „Was ich in den Sommerferien erlebt habe“.

Großvater Schulz lebt jetzt zufrieden – Kölner Stadt-Anzeiger

Abschalten mal anders


20 Mai

Von wegen: alle wollen immer unbedingt ins Fernsehen. Dem Drang auf die Mattscheibe haben die Protestler in Griechenland jetzt eine klare Absage erteilt. Es haben nämlich, wie n-tv berichtet,

zur Abwendung des Staatsbankrotts landesweite Streiks der Ärzte und der Journalisten begonnen. In Krankenhäusern wurden alle Sprechstunden abgesagt. Nur dringende Fälle wurden behandelt. Seit 5.00 Uhr gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr.

Und es kommt sogar noch besser:

Als Folge des Streiks wird es am Freitag keine Zeitungen geben. Auch die nationale Nachrichtenagentur ANA wird für 24 Stunden bestreikt.

Dass auf diese Weise von den Streiks und Protesten niemand erfahren kann, haben die Demonstranten vielleicht nicht ausreichend bedacht. Oder wollen sie einfach das Elend nicht mehr sehen, dass sich ihnen täglich via TV darstellt? Auch in Bangkok richtet sich der Protest nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen das Fernsehen. Warum wohl? Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet:

Sie steckten gegen 20 Gebäude in Brand, darunter (…) den Sitz eines Fernsehsenders, in dem rund 100 Menschen eingeschlossen wurden. Sie mussten laut örtlichen Medien von Helikoptern gerettet werden.

War es kritische Solidarität oder schlicht Schadenfreude, dass "örtliche Medien” den Vorfall aufgegriffen haben? Und vor allem: Waren auch Deutsche unter den Opfern?

Keine Nachrichten und Zeitung: Streik lähmt Griechenland – n-tv.de

Zeit zu verkaufen


17 Mai

Zeitmagazin_Fuchs  Journalismus und Käuflichkeit, das ist nicht erst seit den Invektiven Kraus’scher Provenienz ein Dauerthema. Aber auch im Krisengebiet journalistischer Selbstverschleuderung sind immer wieder Überraschungen zu erleben. So überwältigt einen das Zeitmagazin, die hirnlose Anhangdrüse der auf ihre Seriosität bedachten Wochenzeitung Die Zeit, schon auf ihrem aktuellen Titelblatt mit einem Doppelausverkauf, der einem die Spucke frommer Denkungsart raubt. In einer nur mit höchster Chuzpe zu bewerkstelligenden Doppelvermarktungsstrategie wird gleichzeitig für einen Hollywood-Puppenfilm und für aktuelle Gutbetuchten-Uhrenmode Werbung gemacht.

Im besten Film des Frühjahrs für Kinder und Erwachsene, „Der fantastische Mr. Fox“, spielen Puppen die Hauptrolle – auch in diesem Uhren- und Schmuckheft.

Schon wenn Journalisten den Superlativ auspacken, ist äußerste Vorsicht geboten, denn es ist der sichere Hinweis darauf, dass hier Geld geflossen ist. Der Urheber dieser Überbewertung, Zeit-Autor Jürgen von Rutenberg, fällt sonst nicht weiter durch Filmkritiken auf, die ihn befleissigen würden, solche Urteile zu fällen: Zumal Anfang Mai, wenn das Frühjahr noch gar nicht recht begonnen hat (das mag natürlich in Los Angeles ganz anders aussehen, das Frühjahr meine ich). Dass die folgenden Bildstrecken (Puppen, die absurde Zusammenstellungen von Uhren und Schmuck zur Schau stellen) das nicht weiter verhohlene Ambiente für Anzeigenkunden vom Schlage TagHeuer, Chronoswiss oder Breitling darstellen und dass es kaum ein Zufall sein wird, wenn eine der Puppen-Uhren-Collagen exakt das Modell präsentiert, mit dem auf der Rückseite des Magazins ganzseitig die Fa. Rolex wirbt, treibt offenbar den Zeitmagazin-Redakteuren die Schamesröte nicht ins Gesicht. Und wenn doch, wird diese leidvolle Erfahrung durch das ein oder andere zeitmäßige Präsent der Uhrenindustrie vermutlich wieder ausgeglichen. Schon schade, wie sehr der sogenannte Qualitätsjournalismus vor die Hunde kommen kann.

Gespräch mit Wes Anderson: Der fantastische Mr. Anderson | Lebensart | ZEIT ONLINE

Wahl in NRW: Klare Mehrheiten?


29 Apr

Endlich hat eine Zeitung mal das, was sie sich so sehr wünscht. In unserem Fall die Süddeutsche Zeitung aus München, und sie sieht klare Mehrheiten bei der NRW-Landtagswahl. Jedenfalls was Umfragen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angeht:

Und es gibt sie doch, die klare Mehrheit im Lande Nordrhein-Westfalen: Stolze 76 Prozent des Publikums in der Wahlarena 2010 wollten noch vor der Landtagswahl am 9. Mai wissen, welche Koalition die Spitzenkandidaten der fünf Parteien eingehen möchten. Ist Rot-Rot-Grün machbar? Passen Union und Grüne zusammen? Oder gibt es eine große Koalition?

Mal ganz davon abgesehen, dass das Publikum einer Fernsehsendung vermutlich nicht die repräsentativste Auswahl der Gesellschaft darstellt, war allerdings die Frage, die dieses Publikum von den Politjournalisten des Westdeutschen Rundfunks gestellt bekam, in hohem Maße insinuierend:

Sollen Parteien vor der Wahl sagen, mit wem sie zusammenarbeiten wollen?
Oder sollen sie sich erst nach der Wahl festlegen?

WDRWahlumfrage

Jeder halbwegs mit Gehirn gesegnete Zuschauer hätte auf diese Frage mit „vorher“ geantwortet. Um den Geisteszustand derer, die mit „nachher“ geantwortet haben, muss man sich bei dieser Form der Fragestellung schon Gedanken machen. Man hätte natürlich auch ganz anders fragen können, zum Beispiel so:

  • Sollen die Parteien schon vor der Wahl alle wichtigen Fragen unter sich ausbaldowern?
  • Oder sollen sie sich nach der Wahl dem Wählervotum beugen?

Ich wäre sehr interessiert gewesen, wie das Publikum dann entschieden hätte. Aber die Vermutung ist nicht ganz abwegig, dass es dafür gewesen wäre, die Landtagswahlen in NRW nicht von vornherein für völlig nutzlos zu erklären, sondern dem Wähler auch ein ganz kleines bisschen Autonomie und Entscheidungskompetenz zuzugestehen. Aber was wollen Journalisten damit schon anfangen?

Wahl in NRW: Elefantenrunde – Rot-grüne Sirenen gegen Rüttgers – Politik – sueddeutsche.de

Ein Bischof tritt zurück: Auch der Kölner Stadt-Anzeiger merkt’s


22 Apr

Auch der Kölner Stadtanzeiger hat mitbekommen, dass der Augsburger Skandalbischof Mixa seinen Rücktritt eingereicht hat. Die Meldung ist ihm sogar den Aufmacher auf Seite 1 der heutigen Ausgabe wert:

Bischof Mixa bietet Rücktritt an

Am Ende des Aufmacherartikels wird sogar auf einen weiterführenden Artikel auf Seite 3 als „Thema des Tages“ hingewiesen. Allerdings: Dort auf Seite 3 geht es gar nicht um den Rücktritt. Offenbar war der Tagesthemen-Artikel geschrieben worden, bevor der Rücktritt bekannt wurde. Stattdessen geht es darum, dass alle möglichen berufenen und unberufenen Leute Herrn Mixa auffordern, sein Amt zeitweise ruhen zu lassen oder ein „Bußschweigen“ einzulegen. n einem Einspalter wird sogar noch raisonniert, ob der Papst den Bischof entlassen müsse. All dies ist durch die neue Nachrichtenlage widerlegt. Ehrlich wäre gewesen, wenn der Stadtanzeiger auf Seite 1 geschrieben hätte: Die veralteten Artikel auf Seite 3 müssen Sie nicht mehr lesen. Sie können sie, wie den ehemaligen Bischof, ad acta legen.

Erleichterung über Mixas Rücktritt – Kölner Stadt-Anzeiger

Das Kreuz mit der Kirche


20 Apr

Wenn man doch zwischen den zeilen schreiben könnte! Neulich im Kölner Stadtanzeiger:

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat zur Solidarität mit Papst Benedikt XVI. aufgerufen. Das anfängliche „Hosianna“ sei inzwischen einem weitgehenden „Kreuziget ihn!“ gewichen, …

Was denn sonst? Aber da wollte er doch immer hin!

… kritisierte er am Sonntag in seiner Predigt anlässlich der Papstwahl, die sich zum fünften Mal jährt. „Wir haben einen Papst unter dem Kreuz“, betonte der Erzbischof im Kölner Dom.

Das ist doch der richtige Aufenthaltsort, oder?

 Kirchenhasser.de

die ZEIT der Leser?


06 Apr

Jahrhunderte gibt es schon Zeitungen. Aber jetzt erst, erst jetzt  ist eine auf die Idee gekommen, sie für ihre Leser zu machen! Wow! Autos für Autofahrer gibt es schließlich auch schon eine Weile, Lebensmittel für Fresssäcke, Luft für Atmer. Aber eine Zeitung für Leser, darauf muss man erst mal kommen! In unserem Fall war es Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. Na gut, eigentlich meinte er keine „Zeit für Leser“, sondern eine „Zeit für Schreiber“, denn die zahlenden Leser sollen ihr Blatt nun selber füllen. Selbstredend nicht mit den Inhalten, die ihnen Spaß machen — soviel Zutrauen haben die Sachwalter der Zeit in ihre Leser denn auch nicht! — , sondern mit dem, was die Redakteure der Zeit von ihren Lesern gerne lesen möchten:

Leser bitten DIE ZEIT, einem Prominenten (Politiker, Star, Sportler…) schöne Grüße zu bestellen: Vom persönlichen Rat über die Stilkritik bis zum politischen Einspruch. Aber kurz, knapp, pointiert: Maximal 3 Sätze oder 500 Zeichen.

Ach so, Platz ist für die Leser der Zeit auch nicht: Maximal 500 Zeichen. Dann vielleicht doch lieber Zeichensprache?

ZEIT-Leser dichten gern. Auf der „ZEIT der Leser“ allerdings sind vor allem Haikus gefragt: Ein dreizeiliges Gedicht mit fünf, sieben und fünf Silben pro Zeile. Und unbedingt zu einem aktuellen Thema.(…)

Bei der Gerichtsverhandlung, in der Vorlesung, während des Telefonats, in der stinklangweiligen Konferenz: Gekritzelt wird immer. Wir bitten die Leser, uns ihre schönsten Kritzeleien zu zeigen und zu erzählen, wie und wann sie entstanden sind.

Stinklangweilige Konferenzen? Ja, so stellt man sich die Zeit vor. Besonders wenn einer der Herausgeber das Wort ergreift. Das Ganze verpackt in ein Layout, das wir zu Schülerzeitungszeiten kaum gruseliger hinbekommen hätten, so als ob der Einsatz von Schmuckschriften seit Etablierung von Desktop Publishing selbst in Vereinsblättchen nicht unter drei Tänzchen mit der Gattin des Vereinsvorsitzenden bestraft würde. Soll wohl lustig sein? Ach so, wirklich. O-Ton Chefredakteur:

Die Idee zu „Die Zeit der Leser“ ist noch älter und kommt aus den 80er Jahren. Ich hatte damals etwas Vergleichbares in einer italienischen Satire-Zeitschrift gesehen; das hat mich nachhaltig fasziniert. Die hatten auch eine Rubrik, die wir bei der Zeit natürlich nicht machen können: Sie haben das Protokoll eines abgehörten Telefongesprächs abgedruckt. Bei der Lektüre dieser Seite wurde mir klar, welch unfassbaren Reichtum es in der Welt der Leser gibt.

Welch unfassbarer Reichtum in der Welt der Leser: Ihre Abhörprotokolle direkt im Anschluss an die zweite neue Rubrik „Glauben und Zweifeln“! Fehlt nur noch das „Aufstöhnen der Woche“, „Meine schönsten Popel“ und „Briefe über Deutschland“. Halt, nein, die gibt es natürlich: Ein 68-jähriger Friedrich Engels oder Engelke oder so darf seinem Stiefsohn Julian, 30 („Umweltberater aus Montreal“) im „wöchentlichen Wechsel“ schreiben. Ein Wechsel war früher ein Schuldschein, und entsprechend dürftig ist, was der gute Engels oder Engelke zu schreiben hat. Naja, über Deutschland, an den Umweltberater, in Montreal, wen wundert’s? Schon Marx und Engels warnten ja vor Leuten, die andere Leute als „Mommy“ bezeichneten und selbst ihre Briefe mit „Dein Rich“ unterschrieben. Ganz ehrlich, man möchte vom Zweifeln abfallen.

Was ist die ZEIT der Leser? « ZEIT der Leser « ZEIT ONLINE Blogs

Enthüllungen im Kölner Stadtanzeiger


30 Mrz

Was ist ein Turm, der von einem Baugerüst vollständig verhüllt ist? Landläufig würde man annehmen, er sei nicht mehr zu sehen. Nicht so im Kölner Stadtanzeiger. Da ist der Turm weithin sichtbar:

Weithin sichtbar ist der Kirchturm von St. Severin eingerüstet …

Naja, es ist ja der Kirchturm mit dem Clown im Fenster, da darf man sich so einen Scherz vielleicht erlauben. Andererseits findet man im Kölner Stadtanzeiger ja auch erfreuliche sprachliche Petitessen. Zum Beispiel diese:

Nein, es ist sehr gut möglich, dass der klassische Musikbetrieb über kurz oder lang auf dem Aussterbeetat steht.

Auf dem Aussterbeetat stehen? Oder liegen? Nein wirklich, die Formulierung habe ich vorher noch nicht gehört. Aber muss ja nichts heißen …

Schlagzeilen – Nachrichten – Kölner Stadt-Anzeiger

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter