Archive for the ‘Zeitung’ Category

Journalist unter Fälschungsverdacht


29 Mrz

Mindestens drei Redaktionen in Deutschland haben offenbar Artikel veröffentlicht, in denen Zitate frei erfunden waren.

Nach Recherchen des Medienmagazins journalist und von MDR Sputnik hat der freie Autor Sebastian Wieschowski u.a. an Spiegel Online, den Südkurier und an Welt Online Texte verkauft, in denen sich ein Experte äußert, der womöglich gar nicht existiert, sondern vom Autor erfunden wurde. Der 25-Jährige bestreitet die Vorwürfe. Inzwischen beschäftigt der Fall die Staatsanwaltschaft.

Meedia: Erneut Journalist unter Fälschungsverdacht

Ach, der Superlativ!


25 Mrz

Solange Journalisten nur komparieren können! Die Komparation ist der sprachliche Vorgang, bei dem Adjektive gesteigert werden. Zündstufe 1 ist das Positiv, Zündstufe 2 der Komparativ und Zündstufe 3 der Superlativ. Letzterer ist natürlich die bevorzugte Komparationsform von Journalisten. Egal, um was es geht: Hauptsache Superlativ! Allerdings lassen sich beileibe nicht alle Adjektive beliebig steigern. Berühmt ist das Adjektiv „schwanger“.  Auch die Süddeutsche Zeitung greift bei den Steigerungen gerne daneben:

Und die emotional geschlossenste Gesellschaft ist noch stets die Familie.

Geschlossen ist nun mal geschlossen. Geschlossener geht nicht. Und „am geschlossensten“ erst recht nicht. Wer’s doch tut, der kommt wohin? Genau: In die Geschlossene.

"Neon" fälscht Interviews: Die Butter verriet ihn


22 Mrz

Irgendwie kommt einem die Geschichte doch unheimlich bekannt vor: Gefälschte Interviews von Stars und Semi-Stars in einem deutschen Magazin:

Ingo Mocek ist nun arbeitslos. Er hat mindestens fünf Interviews mit Musikern gefälscht. Alle erschienen in dem Magazin. Den Medienskandal veröffentlichte Neon selbst auf seiner Homepage: „In der Ausgabe 01/2010 veröffentlichte NEON ein Interview des Mitarbeiters Ingo Mocek mit der Sängerin Beyoncé Knowles. Durch Hinweise des Managements der Künstlerin sind Zweifel an der Echtheit des Interviews entstanden. Die NEON-Chefredaktion hat den Autoren mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er die Antworten der Sängerin erfunden habe. Ingo Mocek konnte diesen Vorwurf nicht ausräumen und bestätigte schließlich, dass er die Prüfinstanz der NEON-Dokumentation getäuscht und das Gespräch nicht wie von ihm vorgelegt stattgefunden hat.“

„Prüfinstanz“? Auf die Schliche kam man dem Fälscher angeblich, weil nicht alles in Butter war, was NEON abdruckte:

„Alles in Butter“ stand über dem Gespräch, Knowles sagt darin: „Butter ist in meinem Leben nicht unbedingt von zentraler Bedeutung.“ Die Frage des Managements der Sängerin, ob es sein könne, dass mit dem Text möglicherweise etwas nicht stimme, kam am Montag. Seitdem prüfte die Neon-Chefredaktion jeden von Moceks Artikeln. Auch der Autor selbst gab Hinweise. Gespräche mit Künstlern wie Christina Aguilera, Slash, Snoop Doggy Dogg und Jay-Z hatte es teilweise nicht gegeben, teilweise nicht so wie abgedruckt. „Das ist unentschuldbar“, sagte Klotzek.

Interessant an der Darstellung von NEON ist, dass gerne darauf hingewiesen wird, dass es sich beim Autor Ingo Mocek um einen freien Mitarbeiter gehandelt habe. Dass es in Presse und Fernsehen von freien Mitarbeitern nur so wimmelt und sie in der Regel mehr als 90 Prozent aller Inhalte herstellen, wird dabei geflissentlich verschwiegen. Die prekären Arbeitsverhältnisse der Journalisten haben für Verleger und Intendanten neben wirtschaftlichen offensichtlich auch noch juristische Vorteile: Man kann einer Öffentlichkeit vorgaukeln, das Medium selbst sei ja nicht verantwortlich für die Inhalte, die sie da veröffentlichen. Dieser Masche sollte man endlich das Handwerk legen: Die Verantwortung für gefälschte Veröffentlichungen tragen die Herausgeber und sonst niemand!

Erfundene „Neon“-Interviews: Die Butter verriet ihn – taz.de

Missbrauch lässt sich steigern


06 Mrz

Missbrauch lässt sich steigern. Der angemessene Umgang damit auch. So ist in der heutigen Ausgabe des Kölner Stadtanzeigers zu lesen:

Katholische Verbände fordern angemesseneren Umgang mit den Opfern

Interessanterweise findet sich die Formulierung in der Online-Ausgabe des Stadtanzeigers nicht. Mit gutem Grund: Was bedeutet ein “angemessenerer Umgang”? Dass der Umgang der Kirche mit den Verbrechen in ihren Reihen bislang schon “angemessen” war und jetzt nur noch ein bisschen “angemessener” werden muss? Nun, das ist selbst für gläubige Menschen unglaublich. Es gibt eben nur angemessen oder unangemessen – und kein weniger oder mehr angemessen. Genau so wie es nicht “ein bisschen missbraucht” gibt, sondern nur missbraucht oder nicht missbraucht. Und eine Organisation wie die katholische Kirche kann auch nicht “ein wenig ekelhaft” sein, sondern einfach nur ekelig.

Erzbistum soll Missbrauch anerkennen – Kölner Stadt-Anzeiger

IFAS: Unsinn in den Medien


05 Mrz

Jedem Medienkritiker sei die Internetseite des Instituts für angewandte Statistik aus Linz in Österreich ans Herz gelegt. Hier werden Presseartikel danach durchforstet, mit welch oft haarsträubendem statistischen Unwissen Zahlen verdreht, vertauscht oder vermurkst werden. Ein Beispiel ist diese Statistik:

Statisttik

Hier der Kommentar der österreichischen Statistiker:

Du liebe Güte! Die Anzahl der unselbstständig beschäftigten Frauen ist um 31,1 % von offenbar 1.083.562 auf 1.420.550, die der Männer um 32,7 % von 1.354.749 auf 1.797.752 gestiegen. Und die Gesamtzahl also von 2.438.311 auf 3.218.302 um … 32,0 %. Man darf doch die Prozentzahlen unter den Frauen und unter den Männern um Gottes Willen nicht einfach addieren, um auf die Prozentzahl bei allen Beschäftigten zu kommen! Bei den Arbeitslosen – der gleiche Unsinn! Mit der Rechnung würde ein Rückgang der Arbeitslosen unter den Frauen um 50 % und unter den Männern ebenfalls um 50 % einen Gesamtrückgang um – sagenhafte – 100 % bedeuten. Dann gäbe es also keine Arbeitslosen mehr?

IFAS :: Unsinn in den Medien

Bunte: Investitionen statt Investigativem


26 Feb

Bunte Was ist die Bunte überhaupt für ein Blatt: Tittenblatt ohne Titten? Dreckschleuder im Hochglanzbereich? Nullnummer mit Low Fidelity? Schon bislang hat ein anständiger Leser (d.h. ein Leser mit Anstand) dieses Blatt geflissentlich ignoriert. Jetzt aber hat dieser Tiefstapler im journalistischen Niveaugebiet auch die eigenen Standards Bambi-verdächtig unterboten. Was der Verleger Hubert Burda für investigativen Journalismus hält, hat jüngst der Stern aufgedeckt:

Die Methoden, die CMK einsetzte, gleichen denen von Privatermittlern: Bei der Aktion wurde etwa der Briefkasten von Michelle Schumann manipuliert. Nach Angaben der CMK-Insider sollte außerdem die Fußmatte von SPD-Politiker Müntefering mit einem Melder präpariert werden. Insider-Aussagen legen den Verdacht nahe, dass auf der gegenüberliegenden Seite der Wilhelmstraße zudem eine Observationswohnung angemietet wurde. Einmal wurde Michelle Schumann sogar auf der stundenlangen Zugfahrt von Berlin nach Bochum verfolgt: „Im Zug saß ich eine Reihe hinter ihr“, gibt ein CMK-Aussteiger an.

Was ist das eigentlich für ein Verständnis von „investigativem Journalismus“, das die Fa. Burda hier an den Tag legt? Dass die Ermittlung von Bikinistreifen im Intimbereich zur Wahrnehmung des journalistischen Wächteramts dringlich dazugehört, glaubt wohl außer der Bunte-Redaktion niemand. Sich dabei auf den „Ehrenkodex“ des Deutschen Presserats zu berufen, setzt der Ehrlosigkeit nur die Krone auf:

Die „Bunte“ reagierte mit einer schriftlichen Stellungnahme auf Münteferings Kritik: „Es gibt bereits seit vielen Jahren einen Ehrenkodex, der vom Deutschen Presserat erarbeitet wurde.“ Selbstverständlich halte man sich daran. Spitzenpolitiker hätten aber Vorbildfunktion, ihr Privatleben sei daher für die Öffentlichkeit von Bedeutung. „Investigativer Journalismus ist selbstverständlicher Bestandteil der Pressefreiheit.“

Artikel 1 des erwähnten Ehrenkodex verpflichtet Journalisten zur Wahrung der Menschenwürde. Davon scheint die Bunte weit entfernt. Im übrigen haben Spitzenpolitiker auch keine „Vorbildfunktion“ , sondern einen Job. Den sollen sie gut machen und sich dabei vom Journalismus auf die Finger gucken lassen. Von den Geschlechtsteilen kann dabei keine Rede sein, das ist die fatalste Verwechslung, der das Haus Burda unterliegt. Und wenn man sich tatsächlich, wie eine Stellungnahme auf der Website nahelegt, nichts vorzuwerfen hat, warum mussten dann zwei Mitarbeiter den Hut nehmen?

BUNTE hat den Inhaber der Berliner Presse- und Fotoagentur, Stefan Kießling, zu den im Stern erhobenen Vorwürfen um Auskunft gebeten. Stefan Kießling hat der BUNTE-Chefredaktion versichert, dass seine Agentur die im Stern gemutmaßten unlauteren Recherchemethoden nicht angewendet hat. Ferner erklärte er, dass er sich von zwei ehemaligen Mitarbeitern, auf die sich der Stern als Informanten beruft, im April 2009 im Streit getrennt habe.

Soviel Selbstwiderspruch gelingt wohl nur einer Redaktion, die sich vom gesunden Menschenverstand so weit entfernt hat, wie die Bunte. Uns anderen bleibt der Widerspruch und auch künftig die Maxime, die Bunte geflissentlich zu ignorieren.

stern-Enthüllung: Müntefering und Lafontaine – verfolgt und ausgespäht – Politik | STERN.DE

Höhere Mathematik im Kölner Stadt-Anzeiger


22 Feb

Beim Kölner Stadtanzeiger ist es schon höhere Mathematik, wenn eine Rechnung sich in luftiger Höhe aufmachen lässt. Oder wie ist folgende Meldung zu verstehen?

Mindestens sieben Menschen sind am Wochenende in den Alpen von Lawinen verschüttet und getötet worden – darunter auch zwei Deutsche. Die beiden Deutschen waren mit sieben anderen Skitourenfahrern am Tomülpass im Schweizer Kanton Graubünden unterwegs. Die Gruppe löste auf einer Höhe von 2400 Metern ein rund 100 Meter breites Schneebrett aus. Alle neun wurden verschüttet. Sechs konnten sich selbst befreien und Alarm auslösen.

Also: Sieben Menschen sind „verschüttet und getötet“ worden. Und zwar aus einer Gruppe von neun Alpinisten (darunter zwei Deutsche), von denen sich sechs selbst befreien konnten. Alles klar?

Schlagzeilen – Nachrichten – Kölner Stadt-Anzeiger

Amok wirklich wegen schlechter Noten?


19 Feb

Ach, was muss man oft in schlechten Zeitungen hören oder lesen! Zum Beispiel das hier:

Lehrer wegen schlechter Noten erstochen (Stuttgarter Zeitung)

Ex-Schüler ersticht Lehrer wegen schlechter Noten (Spiegel Online)

Ex-Schüler (23) ersticht Lehrer (58) wegen schlechter Noten (Bild.de)

Wegen schlechten Noten: Ex-Schüler ersticht Lehrer (Tages-Anzeiger Online)

Wirklich? Ist es eine plausible Annahme, dass schlechte Noten ein Grund dafür sind, seine Lehrer zu erstechen? Wäre dem so, dann müssten die Straßen der Republik gepflastert sein mit den Grabsteinen unserer Lehrer. Auch ich habe mich vielleicht in meiner Schullaufbahn das ein oder andere Mal über Notengebungen geärgert. Aber ich habe (und das beschwöre ich) niemals einen meiner Lehrer deswegen erstochen oder sonstwie um die Ecke gebracht. Ist es nicht vielmehr so, dass eine zunehmende Brutalisierung des Alltags, dass Killerspiele am Computer und Kriegs- und Gewaltfilme in Kino und Fernsehen die Hemmschwelle von psychisch labilen Zeitgenossen, insbesondere Jugendlichen, so weit herab gesetzt haben, dass die Tötung eines anderen Menschen zu den jederzeit denkbaren Handlungsoptionen gehört? Das wären, wenn man denn Ursachenforschung betreiben wollte, echte Kausalitäten. Aber darüber schreiben Medien natürlich nicht so gern. Denn das hat mit ihnen selbst zu tun.

Stuttgarter Zeitung: Lehrer wegen schlechter Noten erstochen

dpa: Jetzt aber richtig


26 Jan

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) will künftig nur noch richtige Agenturmeldungen veröffentlichen. Wer meint, dass sei doch eine Selbstverständlichkeit, muss sich des Vorwurfs zeihen lassen, einen etwas naiven Glauben in die deutsche Presse zu haben. Erst im vergangenen Herbst war bei der sog. Bluewater-Affaire der Agentur öffentlichkeitswirksam eine peinliche Panne unterlaufen. Und erst jüngst fiel die dpa wieder auf zwei gefälschte Pressemitteilungen herein. In der einen berichtete sie ungeprüft, der Vorsitzende der „Republikaner“ wolle sein Amt aufgeben. In der anderen wurde vermeldet, die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wolle Personen mit „aktuellem Flüchtlingshintergrund“ in ihren Stiftungsrat aufnehmen. Künftig, so dpa-Chef Wolfgang Büchner, sollten gerade überraschende Meldungen durch Anrufe und Nachfragen verifiziert werden: „Richtigkeit geht imm vor Geschwindigkeit“, verkündet der Chefredakteur. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich, denn in der Presse galt noch immer der umgekehrte Grundsatz, und das Onlinezeitalter hat diese Tendenz sogar noch verschärft. Da hat der dpa-Chef aber auch probate Mittel in der Hand, um auch in Zukunft jeden Unsinn mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Welt hinauszuposaunen:

Lasse sich eine Information nicht sofort verifizieren, müsse man auf die Berichterstattung verzichten, bis bestehende Zweifel ausgeräumt seien. Stattdessen solle häufiger von „Achtungsnotizen“ nach dem Muster „Der dpa wurde mitgeteilt, dass … Wir konnten diese Information bisher nicht überprüfen. Eine Berichterstattung folgt, sobald …“ Gebrauch gemacht werden.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich das Vorgenannte auch noch nicht überprüfen konnte. Ich muss darum davon ausgehen, dass auch in Zukunft auf den Wahrheitsgehalt von dpa-Meldungen kein Verlass ist.

DWDL.de – dpa zieht Konsequenzen aus Falsch-Meldungen

Magazinbeilagen: Postjournalistische Ranschmeisse an die Werbe-Etats


23 Jan

Was bei mir, und zwar ungelesen, zuallererst ins Papiermüll-Endlager wandert, sind die Magazinbeilagen von Zeit und Süddeutscher Zeitung. Ich bin froh, dass ich nicht der einzige bin, der diese eitlen, zeitgeist-besoffenen Biederblätter für das hält, was sie sind: Postjournalistische Ranschmeisse an die Werbeetats jener Anzeigenkunden, die für ihre Vierfarb-Makulaturen ein „gepflegtes“ Umfeld inhaltlichen Nichts‘ und höheren Blödsinns verlangen. Zwei prominente Gegen-Sprecher haben sich jetzt eingereiht. Der Medienjournalist Oliver Gehrs in seinem eigenen Blog zieht übers Zeit-Magazin her, dass es eine Freude ist:

„Während die Zeit über die vergangenen Jahre besser geworden ist – auch diese Woche wichtige, lesenswerte Artikel zum Atomendlager Asse oder zum skrupellosen Pharmakonzern Roche bringt – ist aus dem Zeit-Magazin ein recht selbstzufriedenes Blatt geworden, das in dieser Zeit nichts weiter zu bieten hat als geschmäcklerische Statements zu Mode- und Lifestylefragen.“

Und Rudolf Stumberger bei Telepolis knöpft sich das jüngste Süddeutsche Magazin vor und sieht darin die Verwirklichung vom …

… Zeitalter des „Postjournalismus“. Dies ist gekennzeichnet durch Artikel, bei denen eine Art Organentnahme vorgenommen wurde. Wir sehen zwar noch die äußere Hülle eines journalistischen Textes vor uns, aber es fehlt quasi das schlagende Herz. Derartigen Artikeln mangelt es an einem wesentlichen Moment, es fehlt die Anbindung an das grundlegende Lebensprinzip des Journalismus, eine kritische Ernsthaftigkeit. Sie wurde in Deutschland vor ungefähr zehn Jahren eingetauscht gegen eine benommen machende Beliebigkeit.

Stumberger zieht seine Schlüsse auch weit hinein in gesellschaftliche Prozesse und konstatiert:

So steht einer postjournalistischen und im Grunde hohlen Publizistik eine postkontroverse Politik gegenüber, die jahrelang mit ihrer neoliberalen Formel „Es-gibt-keine Alternative“ die Demokratie im Grunde überflüssig machte. Denn wo es keine Alternative gibt, braucht es auch keine Wahl. Die Demokratie wird hohl.

Meedia: Blattkritiker Oliver Gehrs giftet wieder

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter