Archive for the ‘Zeitung’ Category

Journalistenpreise: Nicht annehmen ist besser


15 Jan

Buettendiekmann Es scheint sich zu einer neuen Regel in der Medienwelt zu mausern, dass das Ablehnen eines Preises mittlerweile mehr zum Ruhme beiträgt als das Annehmen. Jetzt hat der Bild-Chefredakteur Kai Diekmann die Ernennung zum „Unterhaltungsjournalisten des Jahres“ durch das Medium-Magazin abgelehnt. Nicht dass er selbst als eine Art „Till Eulenspiegel für den Medienzirkus“ (Meedia), sprich: als Clown klassifiziert wird, stört ihn, sondern dass die Auszeichnung „Journalist des Jahres“ an einen Kollegen der Süddeutschen Zeitung statt an Diekmanns Bild geht. Den Preis soll nämlich Stefan Kornelius für seinen Artikel über den Raketenbeschuss zweier Tanklastzüge in Afghanistan erhalten:

Immerhin, und da hat Diekmann Recht, war es die exklusive „Bild“-Veröffentlichung eines geheimen Militärberichts, der bereits zwei Wochen vor dem „SZ“-Artikel dazu führte, dass der ehemalige Verteidigungsminister Jung als Arbeitsminister zurücktreten musste, Karl Theodor zu Guttenberg seine Auffassung zu dem Militärschlag von „angemessen“ zu „nicht angemessen“ änderte, mithin die ganze Affäre erst richtig Fahrt aufnahm.

Die Rolle des Clowns indes will Diekmann sich nicht nehmen lassen. Auf seinem eigenen Weblog tritt er in einer Videobotschaft als Büttenredner auf und mokiert sich in arg geknittelten Versen über die Preisjury.

Meedia: Wie gaga ist der Diekmann-Kult?

Vom Chefredakteur zum Tellerwäscher


12 Jan

Es geht also auch andersum: Im Zeitalter prekärer Arbeitsverhältnisse kann die individuelle Karriereplanung auch von einem Chefredakteursposten zu einem Job als Tellerwäscher führen. So geschehen dem ehemaligen Chefredakteur des anzüglichen Magazins „Penthouse“. Dies wurde jetzt aktenkundig, da Molzer in München wegen Beleidigung von Polizeibeamten vor Gericht stand. in einer fiktiven Beichte in der Herrenschmonzette schrieb sich Molzer in die Psyche eines Polizisten hinein, und das klang so:

„Ich will mal einer von denen sein, ein Zivilbulle auf Streife, ein Exemplar von einem richtigen Kotzbrocken, ein Sackgesicht, das anderen Menschen mit dämlichen Fragen die Zeit stiehlt“

Ein gar nicht fiktiver Ordnungshüter fühlte sich beleidigt und stellte Anzeige. Das Gericht verurteilte den Exjournalisten, zeigte sich bei der Strafe aber nachsichtig:

Wegen Beleidigung wurde dem mittlerweile in Wien lebenden Ex-Chefredakteur ein Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 100 Euro zugestellt. Molzer monierte die Höhe der Strafe. Er habe seinen Job als Chefredakteur abgegeben und schlage sich als Küchenhilfe in einem Wiener Restaurant durch. Er verdiene derzeit nur 300 Euro im Monat. Die Richterin minderte daraufhin die Strafe auf 40 Tagessätze à 20 Euro. Damit zahlt der Filou statt der zunächst geforderten 6.000 Euro nur noch 800 in die Kasse.

Es gäbe sicher noch mehr Chefredakteure deutscher Gazetten, denen man eine ähnliche Karriere wünschen würde. Aber welches Restaurant sollte die alle nehmen?

W&V: Kurt Molzer: Vom Chefredakteur zum Tellerwäscher

Nachlese 2: Das Lamento des Alfred Neven-Dumont


05 Jan

Und dann war da noch was: In seiner eigenen Zeitung, dem Kölner Stadtanzeiger,  durfte Alfred Neven-Dumont einen Artikel veröffentlichen, in dem er über die angebliche Zeitungskrise jammern durfte und einen beinahe genialen Plan zur Rettung verarmter Verlagshäuser und heruntergekommener Tageszeitungen vorlegte:

Frankreich macht sich darüber hinaus Sorgen und subventioniert für mehrere 100 Millionen Euro Frei-Abonnements insbesondere für junge Menschen und andere Bereiche. Weitere acht Nationen in Europa geben im Jahr bis zu 60 Millionen Euro für Pressesubventionen aus. Es ist zu fordern, dass die deutsche Politik nicht länger abseits steht und zielstrebig ein eigenes Programm auflegt.

Es ist ja nicht so, dass Alfred Neven-Dumont in den letzten Jahren nicht genug Geld verdient hätte. Immerhin so viel, dass er sich durch die Übernahme der Kölnischen Rundschau ein lokales Zeitungsmonopol schaffen konnte, um hinfort durch Übernahme erst der Frankfurter Rundschau und jüngst der Berliner Zeitung nebst diverser Beiboote sich ein bundesweites Presse-Imperium zusammenzuklauben. Wenn so jemand Staatssubventionen fordert, ist absehbar, wo sie landen werden: Im eigenen Geldbeutel, um weiter Acquisitionen zu finanzieren. Kein Wunder, dass der ärgste Feind des Alfred N.-D. das Kartellamt ist:

Aber die Politik hatte sich längst ein Instrument erdacht, das die ungeliebten Tageszeitungen in Grenzen hält: das Kartellamt. Hier wachen entschlossene Juristen, die mit Eifer und geradezu mit Fanatismus den Auftrag der Politik erfüllen und das Wachstum der Verlage in und an ihren Grenzen von vornherein unmöglich machen.

Was Geld doch aus Menschen machen kann! In diesem Fall einen Mann, der jedes Augenmaß verloren hat und seinen (wirtschaftlichen) Eigeninteressen auch seine eigene journalistische Reputation zu opfern bereit ist. Die Idee, eine unabhängige Presse auch durch Staatshilfen zu finanzieren, hat natürlich einen gewissen Charme. Aber dann sollte sie eben auch unabhängig sein. Tagespresse in Bürgerhand, Zeitungen zu Genossenschaften, dann könnte vielleicht ein Pressewesen wieder auflblühen, das (auch) durch eigene Schuld vor die Hunde gekommen ist. Aber Selbstkritik ist die Sache von Alfred Neven-Dumont nicht. Schuld sind immer die anderen:

Die zum Teil dramatische Zeitungskrise in der westlichen Welt (…) wurde hervorgerufen durch die Jugend, die sich der Elektronik zugewandt hat und sich vom gedruckten Wort abwendet.

Das kann natürlich auch am gedruckten Wort selbst liegen …

Nachdem die Anstalten des öffentlichen Rechts gebändigt sind, ist – bis auf gelegentliche Ausrutscher der Wochenzeitungen – nur noch von den Tageszeitungen eine ernsthafte kritische Haltung zu befürchten.

Der Kölner Stadtanzeiger als moralische Instanz, die als einzige noch eine „ernsthafte kritische Haltung“ an den Tag legt? Mit Verlaub, Ihro Gnaden, „kritische Haltung“ ist in Ihren Blättern etwas, weswegen man seine Stelle verliert. Sir, geben Sie Gedankenfreiheit, dann können wir auch wieder über „kritische Haltung“ reden. Ansonsten ist der Kölner Stadtanzeiger eher kritische Masse und der SuperGau, den sie auslösen kann, ist hausgemacht.

Wer erinnert sich noch an die Zeit, wo man sehnsüchtig der Sendung „Panorama“ in der ARD entgegenfieberte, genauso wie dem nächsten „Spiegel“ mit den neuesten Enthüllungen! Tempi passati.

Hat eigentlich jemals irgendein Leser dem Erscheinen einer neuen Ausgabe des Kölner Stadtanzeigers entgegengefiebert? Ich meine mit Ausnahme der Mitglieder der Herausgeberfamilie selbst, die ihre Zeitung für das willkommene Organ ihrer Selbstdarstellung in Wort und Bild halten, oder der Corpsmitglieder irgendwelcher Kölner Karnevalsgesellschaften, über die zu berichten dem Kölner Stadtanzeiger mehr Herzensangelegenheit ist als dem Londoner Guardian die Hofberichterstattung?

Das Kulturgut Zeitung ist in Gefahr – Kölner Stadt-Anzeiger

Nachlese: ARD und die Apps für Rothaarige


05 Jan

Kaum ist man mal ein paar Tage weg, schon toben an der Medienfront die Schlachten wie sonst nur am kalten Büfett. Was die Mediengemüter in der Weihnachtszeit bewegte, waren nicht so sehr die Geschenke, ihr Warenwert und ihre Umtauschmöglichkeiten, als vielmehr der Umstand, dass die ARD-Tagesschau umstandslos eine sogenannte App mit aktuellen Nachrichten fürs Apple Iphone anbieten will. Dass die Zeitungsverleger toben, weil sie jeden mit Hass verfolgen, der ihnen die Chance vermiesen will, mit wenig Inhalt viel Geld zu verdienen, ist das eine. Was in der Bildzeitung aber von einem Kommentator geschrieben wurde, ist etwas völlig anderes:

Bildrothaarig

Hier schreibt übrigens einer, der rothaariger Linkshänder ist, und als solcher fordere ich in der Tat: Richtet Apps für uns kulturelle Minderheit ein! Wir lassen uns von Bildzeitung und Konsorten nicht totschweigen! Schafft drei, vier, viele ARDs. Denn deren Prinzip ist nicht das schlechteste: Mit wenig Inhalt kein Geld zu verdienen.

Antisemitismus im Kölner Stadtanzeiger


18 Dez

Dass der Kölner Stadtanzeiger und in Sonderheit sein Lokalteil ein Revolverblatt ist, dass jemand sein (lokales) Pressemonopol schamlos zum eigenen Vorteil und zur Selbstdarstellung ausnutzt und dass die wirschaftlichen Interessen der verlegenden Familie allemal vor denen der Leser kommen, all das sei dahingestellt. Nicht hinnehmbar aber ist, was am vergangenen Dienstag im „Magazin“ des Kölner Stadtanzeigers in einer lumpigen Fernsehbesprechung gelesen werden musste:

Auf das Alte Testament möchte man wirklich keinen Glauben gründen.

Das „Magazin“ ist in dem Fall wohl das jenes Revolvers, den jedes Revolverblatt sein eigen nennt. Und das lumpige an dem Beitrag ist, dass ihn ein Lump geschrieben hat, und ein antisemitischer dazu. Denn die einzige Religion, die ausschließlich auf dem Alten Testament fußt, ist die jüdische. Und ein Satz wie der zitierte hätte auch (ohne dass ich Vergleiche dieser Art überstrapazieren möchte) dem Völkischen Beobachter zur Unehre gereicht. Was die Vertreter der anderen monotheistischen Religionen dazu sagen, die allesamt ebenfalls auf dem Alten Testament gründen, sei ihnen überlassen. Vom Verleger des Kölner Stadtanzeigers aber wäre eine Entschuldigung und entsprechende personelle Konsequenzen das mindeste. Nicht nur zur Weihnachtszeit.

Zeitungskrise


01 Dez

Ohje, schon wieder so eine schlechte Nachricht aus dem Blätterwald:

Die Zeitungskrise, die auf dem Kontinent und in Großbritannien immer mehr zu spüren ist, hat eine der ältesten englischen Wirtschaftszeitschriften erfaßt. Das Blatt — „The Statist" — mußte auf Wunsch seines Eigentümers, Cecil King, sein Erscheinen einstellen. Mit einer Auflage von wöchentlich 20 000 Exemplaren konnte diese Zeitschrift mit dem „Economist", der eine viermal so hohe Auflage hat, nicht mehr konkurrieren. Rentabilitätsschwierigkeiten haben auch die Börsenzeitschriften „Stock Exchange Gazette" und „Investors‘ Chronicle" gezwungen, Fusionsverhandlungen zu eröffnen.

Ah ja, ich sollte vielleicht noch anmerken: Diese Meldung stammt aus dem Jahr 1967. Ein Sprichwort sagt: Des Kaufmanns Gruß ist die Klage. Das gilt wohl auch für Zeitungsleute.

Wirtschaftspresse: Amerikaner in Paris | Wirtschaft | ZEIT ONLINE

Wie denkfaul sind Journalisten?


20 Nov

Ausgerechnet in einem Artikel über den Gehirnakrobaten Claude Shannon erweist sich ein Spiegel-Autor als nicht so ambitioniert, was die eigene Denkanstrengung angeht. Der Computerpionier Shannon baute in seiner Freizeit obskure Automaten, unter anderem einen Jonglier-Automaten, über den es im Spiegel heißt:

In dieser Schaffensperiode entstanden auch mehre (sic!) Jonglier-Automaten – darunter eine Maschine, die bis zu drei Bälle gleichzeitig jonglieren konnte.

„Bis zu drei Bälle gleichzeitig“? Damit fängt die Jonglierkunst in aller Regel doch überhaupt erst an. Denn mit einem oder zwei Bällen „jongliert“ man nicht, die wirft man einfach und fängt sie wieder. Eine sprachliche Jonglage war das hier jedenfalls nicht.

Bild manipuliert Arbeitslosenzahlen – und korrigiert sich


17 Nov

Die Bildzeitung hat eine krass falsche Zahl von Arbeitslosen vermeldet. Laut dem Springer-Blatt seien seit Jahresanfang bis zu 1,2 Millionen Jobs weggefallen. Diese Zahl ist aber, wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, grob falsch.

Die „Bild“-Zeitung hatte geschrieben, dass in der Industrie seit Jahresbeginn 861.000 Jobs weggefallen seien, zusammen mit dem Abbau von Leiharbeit sogar 1,2 Millionen. Dabei berief sie sich auf das Statistische Bundesamt in Wiesbaden, machte jedoch einen Fehler. Die Behörde berichtet, „Bild“ habe fälschlicherweise die absoluten Vorjahresveränderungen der Beschäftigtenzahl aller Monate von Januar bis September aufaddiert. Tatsächlich ergibt sich laut Statistischem Bundesamt in diesem Zeitraum ein Beschäftigtenabbau von nur 128.000 Personen.

Auch das Statistische Bundesamt weist in einer Pressemitteilung auf  die grobe Falschrechnung hin, die auch auf der Titelseite der heutigen Bildzeitung zu lesen war:

Richtig ist Folgendes: Im Januar 2009 waren in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes mit 50 und mehr Beschäftigten  rund 5 167 000 Personen tätig, im September 5 039 000. Daraus ergibt sich per Saldo von Januar bis September ein Beschäftigtenabbau von 128 000 Personen.

Die Zahlen wurden von zahlreichen Medien begierig weitergeplappert, so vom Focus und auch von SpiegelOnline, die ihr Versehen mittlerweile selbst bekennen. Hier zeigen sich die Schwächen eines ausschließlich auf Tempo ausgerichteten Online-Journalismus. Denn etwas Recherche oder eine Nachfrage beim Statistischen Bundesamt hätte die Panne schnell aufklären können. Ob im übrigen die Bildzeitung die richtige Quelle für Wirtschaftsnachrichten ist, sei dahingestellt.

Die New York Times geht hausieren


16 Nov

Zum ersten Mal ist in der renommierten New York Times ein Artikel erschienen, der zum größten Teil fremdfinanziert worden ist. Die kalifornische Journalistin  Lindsay Hoshaw hat eine Fotoreportage über Inseln aus Plastikmüll, die auf dem Pazifik treiben, verfasst und ließ sich ihre Recherchereise von der Non-profit-Organisation spot.us mit 6.000,- Dollar finanzieren. In seinem Blog gibt der Chefredakteur der Times, Clark Hoyt, dies unumwunden zu. Gleichzeitig verneint er die Auslegung, Times-Journalisten müssten künftig mit der Blechdose sammeln gehen, um aufwendige Recherchen zu finanzieren:

To some, this is exploitation — the mighty New York Times forcing a struggling journalist to beg with a virtual tin cup. But Hoshaw does not think so. To her, it is an opportunity she cannot pass up — a story she has long dreamed of, and a chance for a byline in The Times.

Kritiker sehen allerdings für die Zukunft des amerikanischen Journalismus schwarz, da mit der Fremdfinanzierung auch die Möglichkeit der Einflussnahme auf journalistische Inhalte möglich würde. Florian Rötzer hat in einem Beitrag für telepolis das Für und Wider zusammengefasst.

The Public Editor – One Newspaper, Many Checkbooks – Op-Ed – NYTimes.com

Stadtanzeiger: Elbe wird Rhein


11 Nov

Der Spiegel hat’s entdeckt und im „Hohlspiegel“ veröffentlicht. Aber es ist einfach zu schön, deswegen muss ich es hier einrücken: Das ist Aufbau Ost nach Ansicht des Kölner Stadtanzeigers.

ElberheinKSta.jpg

In diesem Fall (und weil heute der 11. im 11. ist), wollen wir es dem Kölner Stadtanzeiger nicht krumm nehmen. Darum ist es am Rhein so schön: Weil er einfach überall sein könnte …

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter