Archive for the ‘Zeitung’ Category

Ein Auge werfen


03 Mai

Der Kölner Stadtanzeiger hat als echtes Revolverblatt wieder einmal ein Auge auf die Polizei geworfen. Diesmal geht es um eine Polizistin, die selbst nicht nur schöne Augen macht, sondern auch ein zusätzliches hat: Eine Fahrradpolizistin mit Videoausrüstung.

Stephanie Schleifer ist Kölns erste Video-Fahrradpolizistin und wird es zunächst auch bleiben.

Auf den Gebrauch der deutschen Sprache hätte man in der Redaktion des Stadtanzeigers allerdings auch ein Auge werfen können. Wenn Frau Schleifer nämlich „Kölns erste Video-Fahrradpolizistin“ ist, dann wird sie es nicht „zunächst“ bleiben, sondern auf immer und ewig. Jede weitere mit Video ausgestattete Amtsperson wird bestenfalls die zweite, dritte usf. sein können. Doch wie soll man das der Redaktion erklären: Sie bleibt eben die blinde unter den Einäugigen …

Immer mehr Immermehrismus


27 Apr

In Zeitungen wie dem Kölner Stadtanzeiger findet man immer mehr Immermehrismus. Zum Beispiel hier:

Wer für das Alter finanziell ausreichend vorsorgen will, muss seinen Einsatz immer mehr erhöhen.

Wer für das Hier und Jetzt sprachlich vorsorgen will, der kann auch sparen: Zum Beispiel die Floskel "Immer mehr". Wer nur finanziell vorsorgen muss, der sollte seinen "Einsatz erhöhen". Das reicht vollkommen.

Anhand des Kölner Stadtanzeigers


22 Apr

Es kommt ja immer wieder ziemlich dicke, wenn man den Kölner Stadtanzeiger liest. Jetzt muss man auch noch vernehmen, dass Deutschland über sich hinauswächst:

Die Deutschen werden immer größer und breiter. Das hat die im Auftrag der Bekleidungs- und Automobilindustrie erstellte Reihenmessung „SizeGermany“ ergeben.

Es wurden aber nicht nur Reihen vermessen, sondern veritable Deutsche:

Für die Studie wurden seit Juli 2007 bundesweit rund 13 400 Frauen, Männer und Kinder zwischen sechs und 87 Jahren anhand von 3-D-Bodyscannern vermessen.

Anhand von Bodyscannern wurden wir also vermessen. Das ist doch wirklich ganz schön vermessen, jedenfalls was den Gebrauch des Präpositionalausdrucks „anhand von“ angeht. Steht zu hoffen, dass man sich nicht vermessen hat.

„Sex, Macht und Politik“


20 Apr

„Sex, Macht und Politik“: So nennt sich ein Weblog von Bettina Röhl auf der Website der Tageszeitung Die Welt. Die Autorin ist Tocher von Ulrike Meinhof. Das ist hier zu erwähnen, weil sie es selbst nicht unterlässt. Da hat jemand sein Lebensthema gefunden: Im Leben von jemand anderem. So muss man wohl feststellen, wenn man etwa ihr Interview mit M. Reich-Ranicki liest, in dem es besonders darum geht, wie Ulrike Meinhof einmal eben denselben interviewte. Lässt schon der Rubrikentitel, der kaum je einhalten kann, was er verspricht, schlimmes vermuten, so kommt es beim Hineinlesen nur noch schlimmer. So ist zu lesen:

Bis in Harald Schmidts Unterschichten hinein ist Literatur ein Begriff geworden, der über Jahrhunderte einer dünnen Schicht des Bildungsbürgertums weitestgehend vorbehalten war.

Was soll der Satz eigentlich sagen? Ist das noch deutsch? Oder ist es schon die Sprache gerade jener „Unterschichten“, deren Literaturbegriff (so sie überhaupt einen hat) schwuppdiwupp schon wieder enteignet wurde, und zwar seit Jahrhunderten von einer dünnen Schicht Bildungsbürger. Und egal ob dünne oder dicke Bildungsbürger, diese Schicht gibt es zwar noch gar nicht jahrundertelang und auch ihr Literaturbegriff ist ein ziemlich junger, aber das kann ja der Autorin schnuppe sein. Was sagen will: Ulrike Meinhof konnte vermutlich besser schreiben.

Wie man sich beim Stadtanzeiger so ausdrückt


20 Apr

Nachrichten, die keine sind: Da titelt der Kölner Stadtanzeiger in seiner heutigen Ausgabe:

Wahlkampfbeginn der SPD in Berlin

Und unter dieser Überschrift ist zu lesen:

Die Parteiführung stellt sich geschlossen hinter das Wahlprogramm ihres Kanzlerkandidaten

Nicht sonderlich überraschend. Eine Nachricht wäre es wert gewesen, wenn die Parteiführung es nicht getan hätte. Blättern wir noch ein bisschen weiter in dem Blatt:

… dem Lied von der Erde ließ das Gürzenich-Orchester unter Markus Stenz in der Kölner Philharmonie jetzt eine bewegende, eindringliche Interpretation zuteil werden, die die rechte MItte hielt …

Wo liegt die eigentlich genau, die „rechte Mitte“?

Neues von der Wortspielfront


17 Apr

Kürzlich noch konnte man hoffen, der Kölner Stadtanzeiger würde im Zuge überraschender Selbsterkenntnis aus dem schweren Gewässer der Wortspiele sich zurückziehen. Allein, der Wörtersee zieht die Blattmacher an wie die Insektenfalle die Motten. Als Bildunterschrift in der gestrigen Ausgabe war zu lesen:

Gas ist zu teuer, besagt eine Studie und gießt damit Öl ins Feuer der Preisdiskussion.

Wer mit Öl kocht, braucht natürlich keinen Gaszähler. Aber der Stadtanzeiger kocht, was die Sprachsuppe angeht, doch eher mit Wasser. Kleine Preisfrage nebenbei: Was geschieht, wenn man Öl ins Feuer kippt? Es geht aus.

Life of Klinsmann


14 Apr

Ist es wirklich „die schlimmste Entgleisung, die es in den deutschen Medien jemals gegeben hat“, wie der Pressesprecher des FC Bayern München, Markus Hörwick, behauptete? Die links-alternative tageszeitung hatte auf dem Titelblatt ihrer Samstagsausgabe Jürgen Klinsmann ans Kreuz genagelt, begleitet von einem Songvers aus dem Monty Python-Klassiker „Life of Brian“: „Always look on the bright side of life“. Nach den blamablen Niederlagen von Klinsmanns hochbezahlter Fußballmannschaft gegen Wolfsburg und gegen Barcelona mag der Trainer allerdings eher Kopf-, als Kreuzschmerzen gehabt haben. Entgleisungen in den Medien sehen jedoch anders aus:

Es lässt sich wohl kaum als „Ausrutscher“ rechtfertigen, wenn zum Beispiel der Volksmusikmoderator Karl Moik Italiener im laufenden ARD-Programm als „Spaghettifresser“ bezeichnen darf. Wenn der Quizmoderator Frank Elstner zum dunkelhäutigen Schlagersänger Roberto Blanco sagen darf: „Sei jetzt ruhig, sonst kommst Du zurück in den Busch“. Wenn die Boulevard-Moderatorin Birgit Schrowange einen Beitrag über Behinderte mit den Worten ansagt: „Es gibt Menschen, die sind so hässlich, dass sie froh sein können, sich selber nie auf der Straße zu begegnen. Wie ein 50-jähriger, der wohl zu den beeindruckendsten Naturkatastrophen unter den Schönheitsidealen gehört“. (aus: Abschalten. Das Anti-Medien-Buch)

Das sind schon eher veritable Entgleisungen. Dagegen ist ein taz-Titelblatt, das satirisch mit den messianischen Erwartungen spielt, die mit der Ankunft Jürgen Klinsmanns beim FC Bayern verbunden waren, doch eher harmlos. Und passend zum Osterfest sollten die Kontrahenten sich, bittschön, die Hände reichen zum Friedensgruß. Naja, wenn sie nicht vernagelt sind …

Die Letzten werden die Vorletzten sein


06 Apr

Mathematik ist definitiv eine der Stärken des Kölner Stadtanzeigers. Zum Beispiel im viel gelobten Sportteil dieser Zeitung:

Dass Magath seinen angeblich unterbezahlten Ersatztorwart André Lenz in der letzten Minute zwecks Erlangung einer Einsatzprämie noch in der vorletzten Minute einwechselte …

Was heißt da, die Ersten werden die Letzten sein?

Erdkunde-Unterricht im Stadtanzeiger


06 Apr

Da sage noch einer, man lerne nichts, wenn man die Zeitung lese! Zum Beispiel den Kölner Stadtanzeiger am vergangenen Wochenende:

Die Welt ist aus amerikanischer Sicht deutlich größer als „Old Europe“.

Wer hätte das gedacht …

Kein Drama


02 Apr

Wenn ein Wirtschaftsthema es auf die Titelseite der Bildzeitung schaffte, dann muss es schon sehr dramatisch zugehen. Heute berichten die fetten Balken am Zeitungskiosk vom Einbruch im Maschinenbausektor.

„Ausgerechnet Deutschlands Vorzeigebranche Maschinenbau (970000 Jobs) schockte mit katastrophalen Zahlen: Im Februar brach den Firmen jeder 2. Auftrag weg – stärkster Einbruch seit über 50 Jahren!“

In der entsprechenden dpa-Meldung liest sich das freilich etwas anders. Zwar verzeichnet die Branche im Februar einen Auftragsrückgang von 49%, jedoch:

„Nach einer historisch einmaligen Halbierung der Auftragseingänge im Februar erwarten die deutschen Maschinenbauer für das Gesamtjahr inzwischen einen Produktionseinbruch von 10 bis 20 Prozent.“

Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind weit weniger dramatisch, als die Schwarzmaler der Bildzeitung Glauben machen wollen:

„Trotz der jüngsten Absatzeinbrüche halten die Maschinenbauer an ihren Mitarbeitern fest. „Es gibt keine nennenswerten Einschnitte bei den Stammbelegschaften“, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.“

So lässt sich eben auch durch Weglassen Stimmung und Politik machen.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter