Archive for the ‘Zeitung’ Category

Si vis DIE ZEIT, para bellum


12 Nov

Die ZeitWas soll man von der Wochenzeitung Die Zeit eigentlich halten? Einerseits ist sie in der deutschen Presselandschaft auf weiter Flur das einzige Blatt, das ordentlich recherchierte Beiträge in erträglichem Deutsch in adäquater Länge zu Papier und damit zum Leser bringt. Andererseits erstickt man bei der Zeit beinahe selbst an dem fetten Brocken von Staatsgetragenheit, der biederseriös wie das Labellogo eines feinen Anzugherstellers nach außen getragen wird. Man könnte darüber hinwegehen. Könnte man, wenn einem nicht in Fällen wie denen, in denen es um Krieg und Frieden geht, ob der Staatsträgheit der Zeit übel würde. In der aktuellen Ausgabe (06. November 2008) beschäftigt sich Die Zeit unter der Überschrift „Wenn Soldaten töten“ mit dem Fall eines Bundeswehrsoldaten, der beim Auslandseinsatz in Afghanistan „drei Zivilisten erschossen“ hat. Schon diese Behauptung in der Unterüberschrift ist eine Verbiegung, denn in Wahrheit handelte es sich um eine Zivilistin und zwei Kinder. Nicht gerade der typische Fall von Kombattanten. Jetzt ermittelt der Staatsanwalt, und das finden einige Vertreter der Bundeswehr nicht so gut, und die Autoren (und Zivilisten) von der Zeit vielleicht auch nicht. Denn dann steht geschrieben:

„Und nicht immer wird sich sauber klären lassen, welcher Schuss gerechtfertigt war, welcher nicht, was Notwehr war, was Panik“.

So, kann man nicht? Ich finde schon, dass man kann. Oder dass man können sollte. Und wenn man es nicht kann, sollte man nicht bewaffnete Soldaten in fremde Länder schicken. Was uns die unzivilisierten Autoren der Zeit mit ihrer Behauptung sagen wollen, bleibt gänzlich unklar. Klar wird nur, dass mit solch staatstragenden Formulierungen Die Zeit auf einmal in einer Ecke steht, in die vielleicht gar nicht hinein wollte: Die von Kriegstreiberei und Säbelrasseln. Oder will man vielleicht?

Immer mehr Sprachfertigkeiten beim Kölner Stadtanzeiger


12 Nov

Wie titelt der Kölner Stadtanzeiger in seiner heutigen Ausgabe:

„Immer mehr können nicht schreiben“

Schöner noch wäre dieser Beitrag zum Immermehrismus natürlich gewesen, wenn sie getextet hätten: „Immer mehr können immer weniger schreiben“. Aber dazu müsste man halt schreiben können.

Werbung oder Wahrheit beim Kölner Stadtanzeiger


11 Nov

Saturn HansaUnd wer sich auf der Webseite des Kölner Stadtanzeigers einmal umsieht, findet unter „Medien“ auch einen Link zu einem „ksta-extra: Saturn am Hansaring„.
Was ist das nun eigentlich? Ein redaktioneller Beitrag? oder doch einfach nur bezahlte Werbung? Oder ist das beim Kölner Stadtanzeiger gar kein so großer Unterschied?

An Sprache gescheitert – Der Kölner Stadtanzeiger und die US-Wahl


06 Nov

Der Kölner Stadtanzeiger muss von der dramatischen Präsidentenwahl in den USA so beeindruckt gewesen sein, dass seine Mitarbeiter regelrecht ins Stottern gerieten. Da ist zu lesen:

„Die Lebensgeschichte einer 106-jährige [sic!] Hausfrau aus Atlanta hat Barack Obama so nachhaltig inspiriert, dass der künftige US-Präsident während seiner Siegeransprache vor Zehntausenden in Chicago und Million-en [sic!] an den TV-Geräten von ihrem Schicksal auf sie einging“.

Der Artikel auf derselben Seite über den Wahlverlierer McCain ist überschrieben mit: „An Bush gescheitert“. Dem Kölner Stadtanzeiger möchte man zurufen: „An Sprache gescheitert“.

Die Sache mit dem Wahlversprechen


04 Nov

Zeitungsjournalisten behaupten gerne und recherchieren ungerne. Interessant ist für den Kritiker darum oftmals gar nicht so sehr, was die Zeitungen schreiben, sondern was sie alles nicht schreiben. Ein Beispiel dafür ist die politische Berichterstattung über die Wirren der hessischen Landespolitik. Durchforstet man den Blätterwald, so hat man fast den Eindruck, als ginge es hier um ein Wahlversprechen, das die SPD-Kandidatin Frau Ypsilanti gegeben habe.

„Am Anfang stand das gebrochene Wahlversprechen, mit der Linken nicht zusammenzuarbeiten …“ Heidenheimer Zeitung
„Die Tatsache, dass ein Wahlversprechen gebrochen worden wäre, wenn sich Ypsilanti hätte mit den Stimmen der Linken wählen lassen …“ Gießener Allgmeine
„… haben ihre Chefin Andrea Ypsilanti genauso hinter die Fichte geführt, wie diese es mit ihren Wahlversprechen gegenüber den Bürgern Hessens tat …“ Focus

Dass allerdings das Einhalten von Wahlversprechen im allgemeinen und bei der SPD im besonderen keine Qualität ist, die bei Regierungsbildungen eine herausragende Rolle spielt, wird nicht erwähnt. Dabei müsste man so weit ja gar nicht in die Vergangenheit blicken. Vor der letzten Bundestagswahl haben die SPD und die damals schon von ihr geführten Ministerien gegen die geplante Mehrwertsteuererhöhung der CDU vehement gewettert:

„Finanz- und Wirtschaftsministerium in Berlin haben massiv die von CDU und CSU geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer kritisiert. Jeder zweite Haushalt werde darunter leiden, heißt es in einer Vorlage des Finanzministeriums.“ (Süddeutsche Zeitung vom 16.07.2005)
„Eine Anhebung der Mehrwertsteuer würde angesichts der derzeit schwachen Binnennachfrage in die falsche Richtung weisen und die sich abzeichnende wirtschaftliche Erholung gefährden“ (Wahlmanifest der SPD)

Das Ende vom Lied ist vielleicht noch bekannt: Statt der von der CDU gewünschten Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 18 % einigten sich CDU und SPD auf eine 19-%ige Mehrwertsteuer. Daran erinnert werden möchte die SPD heute nicht mehr. Und die Journalisten der deutschen Medien tun es auch nicht.

Autorenlandverschickung


30 Okt

Dann war da noch jener Artikel im Kölner Stadtanzeiger, der an die Erstausstrahlung des Hörspiels „Krieg der Welten“ von Orson Welles vor 70 Jahren erinnerte (Ausgabe vom 28. Oktober 2008). Darin heißt es unter anderem:

„Welles, dem anschließend als Wunderkind der Sprung nach New York gelang, …“

Einige Zeilen später dann:

„Welles und Howard Koch, der das Drehbuch verfasst hatte, nutzten den Wirbel jedenfalls für den Sprung nach Hollywood“.

Mal abgesehen davon, dass Hörspiele in der Regel kein „Drehbuch“ haben, liegen zwischen New York und Hollywood ca. 5.000 Kilometer. Dass dieser Beitrag „in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität zu Köln“ entstanden sein soll, reicht vermutlich auch nicht zu einem Eintrag ins Ruhmesblatt dieser Hochschule.

Wieviel ist mehr?


29 Okt

Wenn es an Steigerungsformen geht, bekommen die Leser des Kölner Stadtanzeigers ja regelmäßig jene Schweißperlen auf die Stirne, die deren Redakteure sich gespart haben. Selbst das gute alte „Viel – mehr – am meisten“ versagt vor den Sprachdefiziten des durchschnittlichen Stadtanzeiger-Mitarbeiters. In der heutigen Ausgabe wird gemeldet, dass das Land NRW 1,4 Millionen Euro durch Gebühren einnimmt, die bei Kirchenaustritten erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht hält das für gerechtfertigt, denn, so der Kölner Stadtanzeiger,

„vergleichbare Gebühren gibt es bereits in mehr als zehn Bundesländern“.

Mehr als zehn Bundesländer? Um mal ein bisschen auf die Sprünge zu helfen: Insgesamt gibt es 16 deutsche Bundesländer. Da sollte sich doch wohl herausbekommen lassen, ob nun von 11 oder von 15 Ländern die Rede ist. Oder sind mit dem „mehr“ vielleicht 10,3 oder 11,4 Bundesländer gemeint? Der Kölner Stadtanzeiger stellt einen immer wieder vor Rätsel.

Schach dem Kölner Stadtanzeiger!


22 Okt

Schach ist zugegebenermaßen ein schwieriges Spiel. Aber dass es einen Zeitungsredakteur wie Stephan Klemm vom Kölner Stadtanzeiger so durcheinanderbringt, dass er die komplette Berichterstattung über die Schach-WM im benachbarten Bonn vergeigt, lässt für die Denksportfähigkeiten seiner selbst und seiner Redaktion nichts Gutes hoffen. In der heutigen Ausgabe des Blattes (22. Oktober 2008) geht es um die Sekundanten bei dem königlichen Spiel. Und über die heisst es:

„Kramnik lässt drei von ihnen für sich überlegen, Anand hat gleich vier engagiert“.

Das Rechnen mit einfachen einstelligen Zahlen sollte nicht allzu große mathematische Fähigkeiten vom Zeitungsredakteur erwarten. Und doch sieht er sich ungeahnten Problemen gegenüber und schreibt weiter:

„Es scheint, als hätten Anands Helfer – der Usbeke Rustam Kasimdzhanow, der Däne Peter Heine Nielsen sowie Surya Shekhar Ganguly aus Indien und Radoslaw Wojtaszek aus Polen – einen heftigen Findungsvorsprung. Anand jedenfalls, der mit Peter Leko (Ungarn), Sergej Rublewsky aus Russland und dem Franzosen Laurent Fressinet zusammenarbeitet, hat Kramnik mit einer neuen Idee gleich zweimal mächtig überrascht.“

Kurze Gegenrechung (man kann auch die Finger zur Hilfe nehmen): Anand hat einmal vier und dann noch mal drei Helfer, macht zusammen sieben. Für den armen russischen Herausforderer bleibt demnach kein einziger „Sekundant“ übrig. Kein Wunder, dass er beim Titelkampf heillos zurückliegt. Oder ist der Sportredaktion des Kölner Stadtanzeigers zum einen oder anderen Sekundanten zu raten? Oder zu einem Bauernopfer? Darüber sollte man mal nachdenken.

Am Denksport scheitern


21 Okt

Der Sportteil des Kölner Stadtanzeigers wird allgemein gelobt. Nun ja, man kennt das ja von einem bestimmten anderen Revolverblatt. Mag sein, dass die Redakteure des Kölner Stadtanzeigers in einigen Sportarten wirklich gut auskennen. Schach gehört jedenfalls nicht dazu. Das Schachweltmeisterschafts-Turnier, das gerade in der Nachbarstadt Bonn zwischen dem titelverteidigenden Inder Anand und dem herausfordernden Russen Kramnik ausgetragen wrid, löst in der Redaktion des Stadtanzeigers – und damit mittelbar auch bei seinen Lesern – heilloses Durcheinander aus. Am gestrigen Montag, 20. Oktober 2008, schrieb Autor Stephan Klemm:

„Das erste Drittel des WM-Duells ist gespielt, die vierte Partie endete am Samstag im Forum der Bonner Bundeskunsthalle so wie bereits drei andere zuvor: remis“.

Für schlechte Kopfrechner: Wenn die vierte von vier Partien genauso mit „remis“, d.h. unentschieden, endete wie die drei Partien zuvor, dann bedeutet das, dass alle bisher gespielten Partien unentschieden ausgegangen sind. Umso verwunderlicher, wenn es dann weiter heißt:

„Das aber bedeutet auch, dass ein Spieler einen Sieg geschafft hat“.

Der Laie staunt, der Fachmann wundert sich. Dann wird auch noch behauptet, es stünde nun

„2,5 : 1,5 für Anand gegen seinen russischen Herausforderer Wladimir Kramnik“.

Mit der heutigen Ausgabe (21. Oktober 2008) wird die Lage am Schachbrett nicht klarer. Nun hat der indische Titelverteidiger schon zwei Partien gewonnen, und es steht geschrieben:

„… dann wich der mit Weiß spielende Titelverteidiger ab und zog den Turm auf g8“.

Die Finte, die der Schachweltmeister sich hier erlaubte, war sogar noch doller, denn in Wahrheit spielte er gar nicht Weiß, sondern Schwarz, wie man dem Spielbericht unter dem Artikel entnehmen kann. Warum eigentlich hat der Kölner Stadtanzeiger so große Probleme mit dem Schach? Es muss daran liegen, dass es sich um einen Denksport handelt. Schach matt.

Welt trifft Buch


20 Okt

Wenn in Frankfurt am Main zum Weltfest des gedruckten Worts, der Buchmesse, geblasen wird, dann bleibt es nicht aus, dass auch die Kollegen der Feuilletons anreisen und mit all ihrem Sprachvermögen ins literarische Horn tröten. Das Sprachvermögen ist allerdings häufig nicht sehr ausgeprägt und klingt, zum Beispiel im Fall der Welt am Sonntag vom 12. Oktober 2008, so:

„Bei Suhrkamp, wo Julia Zanges Roman herauskommt, erscheint so ein weiteres Mal als ein Verlagshaus, das sich auf geradezu liebenswert traditionelle Weise den Avantgardebegriffen der besten Tage des verstorbenen Siegfried Unseld verpflichtet fühlt“.

Nichts verstanden? Macht nichts, ich auch nicht. Wo Verstorbene beste Tage haben und wo man sich des Genitivs so verpflichtet fühlt und wo man die Sprache so in die Zange nimmt und wo das Wörtchen „wo“ als Relativpronomen noch ernst genommen wird, da sieht selbst die Sprachavantgarde irgendwie retro aus. Aber das macht vermutlich auch nichts.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter