Archive for the ‘Zeitung’ Category

Wenn der Kölner Stadtanzeiger etwas auf dem Herzen hat


06 Sep

Der Kölner Stadtanzeiger zeigt Herz. Aber was will er damit eigentlich zeigen?

KStA vom 04.09.2012

Nun gut, es geht um Organtransplantationen, ein Thema, das gerade aufgrund aktueller Ereignisse gehörigen Nachrichtenwert besitzt. Aber keiner derer, denen momentan womöglich ungerechtfertigterweise ein Spenderorgan vorenthalten wird, sehnt sich tatsächlich nach einem plastinierten Ausstellungsstück. Was offenbar als witziger Untertitel gemeint ist, spielt in Wahrheit mit dem Entsetzen totkranker Menschen Scherz. Ein echter Herzfehler!

„Bild“ schlachtet Whitney Houston


04 Sep

Das hat Whitney Houston nun auch wieder nicht verdient. Die Bildzeitung berichtet in all ihrer Geschmackssicherheit über eine Versteigerung von Elvis-Devotionalien, zu denen offenbar auch eine Unterhose mit Gebrauchsspuren des King of Rock gehört, und bei der Gelegenheit wird auch auf andere Fanartikel-Versteigerungen hingewiesen. Um welche Teile könnte es aber gehen, wenn die Bildzeitung in einer Bilderstrecke ihrer Onlineausgabe dichtet: „Auch Teile von Whitney Hoston wurden versteigert“?

Auschnitt: Bild Online vom 04.09.2012

Steht zu hoffen, dass es sich um die Stimmbänder gehandelt hat. Und dass sie gut konserviert sind. Es heißt ja immer, „Bild“ führt die Stars zur Schlachtbank. Aber hier hat die Boulevardzeitung es wohl doch allzu wörtlich genommen.

Prisma: Wie man auf heißen Eisen Eierkuchen bäckt


10 Aug

Die Zeitschrift „Prisma“ ist ein TV-Supplement, das regionalen Tageszeitungen vornehmlich in Westdeutschland beiliegt. Damit der hautpsächliche Zweck der Anzeigenacquisition nicht allzu vordergründig rüberkommt, muss das Blatt den Anschein von Journalismus erwecken. in der aktuellen Ausgabe dieser Journalismus-Simulation geschieht dies beispielsweise durch eine Buchlobhudelei zu Dietrich Grönemeyers neuestem Gesundheits-Fanzine „Wir Besser-Esser“. Darin ist der bedenkenswerte Satz zu lesen:

Dietrich Grönemeyer macht nicht in Friede, Freude, Eierkuchen, im Gegenteil, kein heißes Eisen bleibt unangepackt.

Warum, bitte, sind denn „heiße Eisen“ das Gegenteil von Eierkuchen? Und warum sollte man heiße Eisen anpacken? Davon würde doch wohl gerade der Mediziner dringend abraten. Man kann nur raten, von bildlicher Sprache die Finger zu lassen, sonst verbrennt man sich die Füße. Und Eierkuchen gehörten unbedingt aufs heiße Eisen, dann werden sie schön rösch …

"Titanic" contra Papst: Historischer Streit?


27 Jul

Die juristische Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem in Frankfurt/Main erscheinenden Satireblatt “Titanic” verleitet die Redaktion von Spiegel Online zu schon fast historischen Phantasmagorien. Was stellen nämlich die Hamburger Redakteure fest:

Der Papst fühlte sich durch das Titelbild in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Es war das erste Mal, dass ein Papst juristisch gegen die "Titanic" vorging.

Das erste Mal, dass ein Papst gegen “Titanic” vorgeht? Kein Wunder, das Magazin wurde 1979 gegründet. Seit diesem Zeitpunkt gab es genau zwei Päpste, nämlich Johannes Paul II. und den jetzigen Amtsträger. Spiegel Online hätte genauso formulieren können: “Das erste Mal in der 2000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche geht ein Papst gegen eine deutsche Satirezeitung vor”. Das wäre bestimmt auch richtig. Auf diese Weise geht ein kleines deutsches Magazin noch in die Kirchengeschichte ein.

"Titanic"-Titelbild: Papst mit Kussmündern auf der Soutane – SPIEGEL ONLINE

Kölner Stadt-Anzeiger sieht älter aus als angenommen


23 Jul

Charlemagne_denier_Mayence_812Historiker des Kölner Stadtanzeigers haben in den Untiefen ihres Zeitungsarchivs gegraben und zwischen den längst versteinerten Überresten der “Kölnischen Zeitung” sensationelle Funde zur Regionalgeschichte des Rheinlands entdeckt:

Die Aachener Stadtgeschichte muss wohl neu geschrieben werden. Denn lange vor Karl dem Großen, viel länger als bisher angenommen, kamen die Menschen schon hierher.

Die Formulierung deutet in all ihrem Unglück darauf hin, dass die Aachener Stadtgeschichte mit Karl dem Großen (Kaiserkrönung im Jahr 800 n.Chr.) begönne. Allerdings haben, wie weiter unten im Artikel auch ganz richtig vermerkt wird, schon die Römer um die Zeitenwende in Aachen gesiedelt (und ihr ihren Namen gegeben).

Aber auch, was als eigentliche Sensation in dem Artikel verkauft wird, ist bei näherem Hinsehen keine solche: Dass schon in der Jungsteinzeit auf dem Gebiet des heutigen Aachen gesiedelt wurde, ist, wie schon im entsprechenden Wikipedia-Artikel nachzulesen ist, keine große Neuigkeit. Worin dann überhaupt der Nachrichtenwert dieses von dpa gelieferten Artikels besteht, bleibt unklar.

Stadtgeschichte: Aachen ist älter als angenommen | Kultur – Kölner Stadt-Anzeiger

BILD-Geburtstag: Dreck statt Torte


24 Jun

Bildzeitung verhöhnt Literaturnobelpreisträger

Zum 60. Geburtstag der Bildzeitung hielt ihr Chefredakteur, Kai Diekmann, Audienz und empfing zwei JournalistInnen der Tageszeitung Die Welt zum Interview. Henryk M. Broder und Andrea Seibel hatten die unehrenhafte Aufgabe, dieses Stückchen Crosspromotion als Journalismus zu tarnen, immerhin gehören Bild und Welt beide zum gleichen Axel Springer-Verlag. Man tat darum auch von Anfang nicht so, als wolle man irgendwie kritisch tun:

Weiterlesen auf:

Telepolis: Dreck statt Torte

Fußballeuropameisterschaft: Spiegel Online vergeigt deutschen Sieg


18 Jun

Bei einem Großereignis wie der Fußballeuropameisterschaft überschlagen sich die Ereignisse, da kann auch die Berichterstattung schon mal Kapriolen schlagen. Spiegel Online möchte gerne über den deutschen Sieg über Dänemark berichten (Ergebnis 2:1), aber die Windows-App von Spiegel Online bekommt Schluckauf und stellt es so dar:

Wahlprognosen: Auch Serbien muss Sterbien


22 Mai

Nicht nur hierzulande haben Wahlprognosen sowie die Journalisten, die regelmäßig über sie berichten, große Probleme. Auch im Ausland sind die Prognosen nicht wert, was die Prozente versprechen. Anders ist nicht zu verstehen, was die Süddeutsche Zeitung über die jüngsten Wahlen in Serbien zu berichten weiß:

Entgegen allen Umfragen und Prognosen hat Serbiens Oppositionsführer Tomislav Nikolic am Sonntag die Stichwahl um die Präsidentschaft gewonnen. Der 60-Jährige liege klar zwei Prozentpunkte vor dem langjährigen Amtsinhaber Boris Tadic, teilte das Zentrum für freie Wahlen, Cesid, am Abend nach Hochrechnung von 70 Prozent der abgegebenen Stimmen mit. "Die Chancen sind gering, dass sich dieser Trend noch umkehrt", analysierten die Wahlforscher.

Stichwahl – Nikolic neuer Präsident in Serbien – Politik – sueddeutsche.de

Tagesspiegel lässt Kurt Felix doppelt sterben


20 Mai

Manchmal bekommen Medien vom Tod gar nicht genug: Der Berliner “Tagesspiegel” lässt in seiner Ipad-App den kürzlich verstorbenen Schweizer TV-Entertainer Kurt Felix gleich zweimal dahinscheiden:

Felix Tagesspiegel

Möge der Liebe Gott also seiner Seele zweimal gnädig sein.

Wahlprognosen: Die Wirklichkeit ist immer besser als die Presse


11 Mai

Wahlkampfzeiten sind die Zeiten von Wahlprognosen, und die sind bei Journalisten besonders beliebt. Das Problem ist nur: Meistens stimmen sie nicht. Hier ist die Wahlprognose, die “Yougov” im Auftrag des Kölner Stadtanzeigers für die Landtagswahlen NRW am kommenden Sonntag, den 13.05., erstellt hat:

Wahlprognose NRW

Am interessantesten an diesem Umfrageergebnis sind nicht etwa die Zahlen- und Prozentwerte, sondern die Einschränkungen, die Yougov zwar auf seiner Website macht, die der Kölner Stadtanzeiger aber unlautererweise nicht mitveröffentlicht. Dort heißt es:

Für die Studie wurden von YouGov insgesamt 1.038 wahlberechtigten Bürger in NRW in dem Zeitraum vom 20.04.2012 bis zum 29.04.2012 befragt. Die Fehlertoleranz liegt zwischen 1,4 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 5%) und 3,1 Prozentpunkten (bei einem Anteilswert von 50%). Die Daten wurden mittels Online-Befragung erhoben. Die Ergebnisse sind politisch gewichtet und repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in NRW ab 18 Jahren.

Vergessen hat Yougov noch anzufügen, dass solche Umfrageergebnis nur eine Wahrscheinlichkeit von ca. 90% haben. Denn die 1.038 Befragten werden nach dem Zufalls- oder Lotterieprinzip ausgesucht. Das bedeutet, es könnte zufällig sein, dass man ausgerechnet 1.038 CDU-Anhänger (oder andere Minderheiten) erwischt. Und eine Fehlertoleranz von 3,1 Prozentpunkten besagt nichts anderes, als dass die SPD genauso gut nur 33,9% und die CDU ebenso gut 33,1 % haben könnte. Mit diesen Werten sähe das Umfrageergebnis aber dem Wahlergebnis der letzten NRW-Wahlen verflixt ähnlich:

Quelle: Wikipedia

Wie kommt’s? Wahlen folgen, wie auch andere prognostizierbare Ereignisse (z.B. das Wetter) der Regel der Persistenz: Die Wahrscheinlichkeit, dass es dieses Mal genauso ausgeht wie das letzte Mal, ist ziemlich hoch. Beim Wetter liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es heute so wird, wie es gestern war, in Mitteleuropa bei 70%. Die großräumige 3-Tages-Prognose des Deutschen Wetterdienstes kommt auch nur auf unwesentlich bessere 74% (kleinräumig erreichen Wettervorhersagen für den nächsten Tag allerdings bis zu gute 90%).

Auch in der Politik und bei Wahlentscheidungen ist das Beharrungsvermögen enorm. Man könnte das “politische Persistenz” nennen.  Deswegen war es für alle Leute, die sich gerne mit Statistik beschäftigen, nicht so überraschend, dass die FDP bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein wieder den Einzug in den Landtag schaffte. Viel überraschender war, dass wochenlang die Umfrageinstitute etwas Anderes behaupteten. Überraschend war auch nicht, dass Renate Künast von den Grünen bei den letzten Bürgerschaftswahlen in Berlin nicht Regierende Bürgermeisterin geworden ist, sondern vielmehr, dass die Wahlforscher das wochen- und monatelang vorher behaupteten. So war bei news.de zu lesen:

Eine Grüne kann Geschichte schreiben: Renate Künast könnte die erste Regierende Bürgermeisterin der Ökopartei werden. Die Berliner trauen ihr das Kunststück im Umfragehoch zu.

Für Presse und Fernsehen ist das schön, denn sie haben gleich zweimal etwas, mit dem sie Spalten und Sendezeiten füllen können. Zuerst das scheinbar so überraschende Umfrageergebnis und anschließend die völlig unerwartete Kehrtwende das Wahlvolks, wenn dann wirklich der Wahlsonntag gekommen ist. Nur dass daran weder etwas überraschend noch unerwartet ist …

Wie gehen die Prognosefirmen wie Infas, Forschungsgruppe Wahlen u.a. damit um? Sie tun das, was auch “Yougov” frank und frei zugibt: “Die Ergebnisse sind politisch gewichtet”. Veröffentlicht werden also gar nicht die Zahlen der echten Umfragen, die mit Menschen am Telefon, in Fußgängerzonen oder im Internet gemacht wurden. Die Institute rechnen sich die Ergebnisse nach selbstgewählten Kriterien zurecht. Und wenn sie schlau sind, orientieren sie sich dabei an den Wahlergebnissen der letzten Wahlen. Auf die sog. Sonntagsfrage antworten die Leute auf der Straße nämlich offenbar regelmäßig anders, als sie dann tatsächlich in der Wahlkabine entscheiden.

Wenn doch einmal etwas wirklich Ungewöhnliches passiert, wie z.B. dass ausgerechnet in Baden-Württemberg der erste grüne Ministerpräsident gewählt wird, sehen die Wahlforscher meist alt aus. Interessanterweise ist der unvorhersehbaren BaWü-Wahl ein ebenso unvorhergesehenes Wetterereignis vorangegangen, nämlich ein Tsunami in Japan, der das Kernkraftwerk Fukushima zerstört hat. Wahlen und Wetter haben offenbar wirklich  so einige Gemeinsamkeiten.

Röttgen abgeschlagen hinter Kraft – Kölner Stadt-Anzeiger

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter