Die taz und das Rösler-Interview: Wer ist hier rassistisch?

10 Sep

taz_roesslerIn der heutigen Ausgabe der alternativen Tageszeitung „taz“ aus Berlin erscheint ein Interview mit FDP-Chef Philipp Rösler, das viele weiße Flecken hat: Es wurden nur die Fragen gedruckt, die Antworten fehlen. Warum? Im taz-Hausblog ist dazu zu lesen:

Eine Stunde lang hatten zwei taz-Redakteurinnen mit Vizekanzler Rösler über Koalitionsstreit und Steuerpolitik, aber auch über Hassmails und Rassismus, Röslers asiatische Wurzeln und Rainer Brüderles öffentliche Vergleiche zwischen Bambusrohr und deutscher Eiche gesprochen. Der FDP-Chef antwortete auf alle Fragen. Doch bei der Autorisierung hieß es: Das Interview werde nicht freigegeben, weil Rösler sein asiatisches Äußeres im Wahlkampf nicht zum Thema machen wolle.

Die Praxis des „Autorisierens“ von Politiker-Interviews ist verbreitet und heftig umstritten. Einerseits will keine Redaktion rechtlich in Schwulitäten geraten, weil eine Antwort womöglich unkorrekt wiedergegeben wurde. Andererseits nutzen Pressestellen diese Maßnahme gerne aus, um nicht nur redaktionell, sondern massiv inhaltlich in den Interviewtext einzugreifen und Antworten auf vermeintlich unangenehme Fragen stark zu verändern oder gar zu streichen.

In der Kommentarspalte des taz-Hausblogs tobt allerdings noch eine andere Debatte: Die nämlich, ob womöglich die Fragestellungen der taz-Journalistinnen selbst einen inhärenten Rassismus vorwiesen. Kreisen sie doch so stark und immer wieder nur um dieses eine Thema, die asiatische Herkunft und das entsprechende Aussehen Röslers. Die Meinung der taz-Chefredakteurin zum Thema ist hier nachzulesen.

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2 Responses

  1. Udo Stiehl sagt:

    Also ich habe mir das heute früh auch angesehen. Was das Autorisieren angeht, dürfte wohl kein Zweifel bestehen: Das hat inzwischen unerträgliche Ausmaße angenommen. Die taz ist ja nicht die erste Zeitung, die in jüngster Zeit auf den Abdruck eines Interviews verzichten (muss). Andere Zeitungen haben auch schon den Abdruck abgelehnt, nachdem das Interview völlig umgetextet zurückkam. Das ist nicht Sinn der Sache. Autorisierung sollte ursprünglich dazu dienen, unsichere Passagen abzusichern, in denen ggfls. die genannten Zahlen nochmal geklärt werden mussten.
    Was den Vorwurf des Rassismus angeht, kann ich der Auseinandersetzung nicht folgen. Das Gespräch wurde explizit zum Thema „Hass“ geführt. Kein Wunder also, dass die Fragen das widerspiegeln. Geantwortet hat Rösler offenbar auch, er hat nicht abgebrochen. Was er gesagt hat, wissen wir aber nicht und somit kann über Inhalt und Gesprächsatmosphäre nichts festgestellt werden. Aber: Seine Begründung, das Gespräch nicht freizugeben lautet, er wolle diese Debatte über sein Aussehen nicht in den Wahlkampf tragen. Daraus lese ich eher Wahlkampftaktik und wenig anderes. Wo jedoch der viel kritisierte Alltagsrassismus liegen soll, zumal nicht mal die Antworten bekannt sind, erschließt sich mir nicht. Zumal genau das ja Thema des Gesprächs sein sollte. Mit drängt sich eher der Verdacht des Guerilla-Marketings für die jüngste Twitter-Aktion #schauhin auf. Eine Vermutung ist es Wert.

  2. hektor sagt:

    Ja, guter Punkt. Das ist natürlich auch die Gefahr für die taz in dieser Form der Veröffentlichung. Wenn man nur die Fragen kennt, kennt man halt nur die halbe Wahrheit …

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