Ja, ich weiß: Dann ist man wieder der Miesmacher! Aber dennoch muss die Bemerkung erlaubt sein, dass die taumelnde Erregungswelle, die das Land und seine Medien ob eines Sieges der 19-jährigen Lena Meyer-Landrut bei einem Schlagerfestival erfasst hat, nicht anders denn mit seinem nach wie vor tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex erklärt werden kann: Das Ausland hat uns doch lieb, Germany twelve points! Nur gut, dass die Abiturientin bzw. ihre Produzenten den für Ausländer nahezu unaussprechlichen Nachnamen fortgelassen haben. Landshut, Landshut? War das nicht dieses von Terroristen entführte Flugzeug? Auch diese Schmach wurde mithilfe eines Satelliten ausgemerzt.
Dass die gute Lena zwar für einiges gut ist, nicht aber unbedingt fürs Singen, so etwas geht im eurovisionären Tsunami natürlich schon mal unter. Aber Miesmacher gibt es ja immer:
Ihr authentischer Gesang wird im Vorbereitung auf den Eurovision Song Contest allerdings kritisiert: „In ‚Satellite‘ und bei den meisten Songs, die sie bei Raab gesungen hat, setzt sie ihre Singstimme nicht wirklich ein. Es ist eine Art Sprechgesang“, äußerte Jane Comerford kürzlich in einem „Spiegel“-Interview. Die bekannte Gesangslehrerin und Frontfrau der Band Texas Lightning hat selbst schon Erfahrungen auf dem internationalen Parkett des ESC gemacht.
Und auch, ob Lena wirklich das bescheidene nette Mädchen ist, als das sie selbst sich in den Medien inszenieren lässt, darf in der allgemeinen nationalen Euphorie nicht gefragt werden, wiewohl die Hannoveranerin genug Anlass dazu gegeben hat, sich zu überlegen, ob sie nicht einfach nur rattenscharf auf Medienpräsenz war und ihren Exhibitionismus im Zweifel nicht nur mittels öffentlichem Sprechgesang befriedigt:
Erotische Spielchen im Wasser: Die Bilder der RTL-Fiktions-Doku „Helfen Sie mir!“ zeigen Lena Meyer-Landrut (18), wie Gott sie schuf. Doch was steckt hinter Lenas Nackt-Auftritt?
Ja, was steckt wohl dahinter? Womöglich ein Mädchen, dass so geil aufs Fernsehen ist, dass sie auch blank zieht? Natürlich nicht. Die F.A.Z. hat vorgemacht, wie die Nation diese anderen Umstände zu bewerten hat:
Es muss ein Skandal her, es braucht Sex and Crime, es muss auch die letzte jugendliche Lichtgestalt in den Dreck gezogen und mit bigotten Kommentaren überzogen werden.
In der Mediengesellschaft werden die zu „Lichtgestalten“, die im Scheinwerferkegel stehen. Die im Schatten sieht man nicht.