Der Herbstmeister der Statistik

10 Dez

fc koelnEndlich haben wir ihn gefunden, den Herbstmeister der Statistik! Lange war das Rennen ja offen, aber nun hat sich aus dem Heer der journalistischen Publikationen, für die Zahlen und Statistik nur das Herbstlaub im grünen Garten des storytelling sind, ein Favorit herausgemendelt. And the winner is: The Kölner Stadtanzeiger!

Nun ist es ja, wenigstens aus Kölner Sicht, sehr erfreulich, dass der Erste Fußballclub Köln zum Ende der Hinrunde Tabellenführer der 2. Fußballbundesliga ist und sich darum den inoffiziellen Titel des „Herbstmeisters“ ans Revers heften darf. Aber tatsächlich kann sich kein Fußballclub für diesen Pseudotitel etwas kaufen. Er ist reines Journalistenfutter, um irgend etwas zu schreiben zu haben. Auch wenn das die Fußballreporter des Kölner Stadtanzeigers anders sehen:

Zumindest statistisch betrachtet  hat der Herbsttitel einen gewissen Wert. In den vergangenen 18 Jahren stieg der Hinrundensieger 14 Mal auf. Somit ist der Frust, mit 33 Zählern den angestrebten Schnitt von zwei Punkten pro Spiel knapp verpasst zu   haben, überschaubar.

Selbst wenn der sog. Herbstmeister in den vergangenen 18 Jahren vierzigmal aufgestiegen wäre, würde das über den zukünftigen Verlauf der aktuellen Spielzeit statistisch rein gar nichts aussagen. Voraussagen über zukünftige Ereignisse alleine rechnerisch aus einer Serie in der Vergangenheit herzuleiten, ist ein unzulässiger Schluss. Wenn die Spieler des 1. FC Köln am Ende der Saison tatsächlich aufsteigen sollten, dann weil sie gut Fußball gespielt haben und nicht weil sie gut in Mathe sind. Auch ob eine Mannschaft nun einen Schnitt von zwei Zählern pro Spiel ergattern konnte oder nicht, ist reine Pseudoinformation, aus der nichts folgt. Was soll schließlich der Hinweis, Torschütze Ujah habe „731 Minuten ohne Torerfolg“ erzielt? Nach der den Sportreportern eigenen Mathe-Logik hätte es dann doch dieses Tor gar nicht geben dürfen: Denn wer 731 Minuten kein Tor schießt, der dürfte demzufolge in der 732. Minute auch kein Tor schießen.

Überlassen wir das Fazit dem Manager des 1. FC Köln, Jörg Schmadtke, der es überaus präzise auf den Punkt gebracht hat: „„Das ist okay, aber am Stammtisch wichtiger. Das hat keinerlei Bedeutung. Wichtig ist, was im Mai ist“.

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Beinahe-Journalismus

08 Dez

Knapp vorbei ist auch daneben: Diese im alltäglichen Leben, im Sport und anderen Kleinigkeiten zählende Regel findet sich im Journalismus aufgehoben. Eine Story kann man schließlich aus allem machen, also auch aus nichts. Das hat sich auch der Nahost-Korrespondent der F.A.Z. gedacht, als er etwas, das nicht passiert ist, zum Thema seines Beitrags machte:

Ausschnitt: F.A.Z.-Online

Ausschnitt: F.A.Z.-Online

Eine amerikanische Sängerin namens Jennifer Grout hätte beinahe bei „Arabs got Talent“, der arabischen Variante der auch in Deutschland unter dem Titel „Supertalent“ bekannten Fernsehshow, gewonnen. „Hätte beinahe“: Hat sie nämlich nicht. So kann man natürlich eine Zeitung auch füllen, indem man über all das berichtet, was „beinahe“ passiert wäre! Beinahe hätte ich im Lotto gewonnen. Beinahe hätte die SPD die Bundestagswahlen gewonnen. Beinahe hätte es junge Hunde, Plumpudding oder goldene Taler geregnet. Im Journalismus scheint das eine gar nicht so selten vorkommende Stilfigur zu sein. Pardon, von Journalismus sollten wir hier vielleicht nicht reden: Es ist Beinahe-Journalismus.

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Tagesschau-Pannen

27 Nov

Die ARD-Tagesschau gilt als Inbegriff des seriösen Journalismus. Doch auch in dieser Sendung passieren mitunter lustige Pannen:

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Sportberichte vom Roboter: Automatischer Journalismus

27 Nov

Ein sehr schöner Beitrag über automatisierten Journalismus aus der ZDF-Reihe Elektrischer Reporter:

Hier wird auch über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen gesprochen und die Zukunftsfähigkeit des Modells betrachtet. Wahrlich der „elektrische Reporter“.

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Essen fotografieren verboten!

15 Nov
Foto: T. Reckmann/Pixelio

Foto: T. Reckmann/Pixelio

Fotos von leckeren Gerichten und hübsch angerichteten Tellern sind auf Instagram, Facebook & Co. der Renner. Food-Fotos sind aber nicht immer gern gesehen. Gastwirte zum Beispiel dürfen das Fotografieren ihrer auf Teller dekorierten Speisen verbieten. Denn der Gastwirt hat in seinem Restaurant das Hausrecht und hat darum auch das Sagen, was Bild- oder Ton-Aufnahmen in seiner Lokalität angeht. Der Nachrichtenkanal N24 zitiert die Rechtsanwältin Astrid Auer-Reinsdorff:

Er ist der Hausherr und kann bestimmen, wie sich der Gast zu verhalten hat.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltsvereins (DAV) weist allerdings darauf hin, dass das Fotoverbot selbstverständlich nicht gelte, wenn man sich Essen nach Hause liefern lasse. Speisen vom Bringdienst dürfen in den eigenen vier Wänden fotografiert und diese Bilder auch auf Bewertungsportalen, im eigenen Blog oder in den sozialen Netzwerken publiziert werden.

Ein Urheberrecht auf Speise-Kreationen haben wiederum Starköche, da sie „einzigartige Kreationen“ hervorbrächten. Bilder solcher Spitzen-Mahlzeiten dürften also auch jenseits des Hausrechts nicht im Internet veröffentlicht werden. In Berlin soll zwischenzeitlich ein Gastwirt ein Schild in seinem Lokal aufgehängt haben:

Bitte hier im Restaurant das Essen nicht instagrammen!

Na denn, guten Appetit!

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Borussia Dortmund: Fankatalog vertauscht schwarz-gelb

14 Nov

schwarzgelb1Blöd gelaufen: Im neuen Fankatalog des Fußballvereins Borussia Dortmund wurde bei der Fotoauswahl offenbar nicht die nötige Sorgfalt walten gelassen. Auf einer Abbildung wird eine Tribüne voll mit Fans in den Farben schwarz-gelb gezeigt. Allerdings zeigt das Foto gerade nicht die berühmte „Wand“ im Dortmunder Stadion, sondern in Wahrheit Bayern-München-Fans, die ihre eigene Stadt hochleben lassen. Denn die Farben der bayerischen Landeshauptstadt München sind ebenfalls schwarz-gelb. Die Münchener Fanvereinigung Club Nr. 12 äußert süffisant:

Wir danken Borussia Dortmund für die Würdigung unserer Choreografie im Februar. Sie hat den Verantwortlichen so gefallen, dass man sie als eigene Choreo ausgibt und im aktuellen Katalog abdruckt.

Auf Twitter äußert sich „Lisas Welt“:

 Eine Bayern-Choreo im BVB-Fankatalog – das ist das Quadruple.

Die Aufnahme wurde beim Pokalspiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund aufgenommen.

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Schweiz: Verhaftung wegen Kontakt zu Journalisten

08 Nov

ZRICH_~223 MitarbeiterInnen der Universität Zürich wurden von der Kantonspolizei einvernommen, zwei Personen wurden inhaftiert. Ihr einziges Vergehen: Sie hatten Email-Kontakt zu Journalisten.

Die Universität Zürich hat einen neuen Rektor. Es ist der bekannte Kommunikationswissenschaftler Ottfried Jarren, und er wird dieses Amt interimsweise ausführen. Und einen Kommunikationsexperten hat die Uni Zürich auch dringend nötig. Der Amtsvorgänger Fischer ist am Donnerstag von seinem Amt zurückgetreten. Der Rücktritt steht in Zusammenhang mit dem Fall Mörgeli, der die akademische und politische Welt der Schweiz seit geraumer Zeit in Atem hält. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen in dieser Sache umfassten offenbar auch die gezielte Auswertung des Email- und Datenverkehrs im Computernetzwerk der Uni Zürich. Kritiker sprechen von Rasterfahndung und auch der Schweizer Datenschutzbeauftragte hat Bedenken angemeldet. Die polizeilichen Vorladungen und Verhaftungen lassen nach Ansicht des Züricher Tagesanzeigers “jede Verhältnismäßigkeit vermissen”.

Christoph Mörgeli ist nicht nur als Professor für Medizingeschichte und als Kurator des Medizinhistorischen Museums Angestellter der Uni Zürich, er ist als bekannter Abgeordneter der rechtspopulistischen SVP durch viele Fernsehauftritte auch über akademische Kreise hinaus in der Schweiz bekannt. Eine Untersuchung hatte allerdings ergeben, dass Mörgeli über sein politisches Mandat seine Hochschulaufgaben offenbar etwas schludern ließ:

Vor allem Museum und Objektsammlung zeigten sich in einem beklagenswerten Zustand: fehlerhaft, veraltet, nicht auf dem Stand der Forschung, seit Jahrzehnten nicht professionell betreut. Nicht einmal die Grundreinigung sei geregelt.

Noch einen weiteren Vorwurf musste Mörgeli sich gefallen lassen: Wie der Schweizer Tagesanzeiger und das Schweizer Fernsehen berichteten, soll Mörgeli Doktorarbeiten durchgewunken haben. Die Affäre führte zur Entlassung Mörgelis im September 2012.

Damit ist der Skandal aber nicht am Ende, sondern fängt erst richtig an. Die Uni Zürich strengt nämlich staatsanwaltliche Ermittlungen gegen das mutmaßliche Informationsleck an, durch das die Informationen der internen Begutachtungen an die Presse lanciert worden sein sollen. Der zuständige Staatsanwalt allerdings ist ein Parteifreund des SVP-Politikers Mörgeli. Der Email- und Datenverkehr der Uni Zürich wird von den Ermittlungsbehörden gescannt und 23 Unimitarbeiter werden von der Polizei vorgeladen einzig aus dem Grund, dass von ihren Email-Accounts aus Nachrichten mit Verlagshäusern und Medienkonzernen getauscht wurden. Dass in den meisten Fällen schlicht Univeranstaltungen an die Veranstaltungsserviceredaktionen gemeldet wurden, spielte dabei keine Rolle.

Zwei Personen wurden gar für eine Nacht inhaftiert, weil sie Emailkontakt zu Journalisten hatten: Professorin Iris Ritzmann und ihr Ehemann, die beide auch am medizinhistorischen Institut arbeiteten. Angeblich soll die Professorin das “Amtsgeheimnis” verletzt haben. Auch ihr wurde von der Uni Zürich gekündigt, und darüber hinaus sollte sie für ein Jahr ihr Gehalt zurückzahlen und ihren Professorinnen-Titel verlieren. Dabei ist die Beweislage Frau Ritzmann ausgesprochen dünn, wie die F.A.Z. feststellt:

Sie selbst räumt ein, im Kontakt mit dem betreffenden Journalisten des „Tagesanzeigers“ gestanden und falsche Informationen, die er hatte, korrigiert zu haben. Dazu habe sie ihm ein Passwort zur Studentenplattform der Universität weitergegeben: 25.000 Studierende haben ein solches, um ihre Kursunterlagen einsehen zu können. Welche Geheimnisse dadurch berührt sind, ist unerfindlich.

200 Wissenschaftler haben gegen die Entlassung der angesehenen Wissenschaftlerin protestiert. Aufgrund des öffentlichen Drucks ist nun der Rektor der Uni Zürich zurückgetreten.

Die F.A.Z., die bislang als einziges bundesdeutsches Medium den Skandal aus dem Nachbarland aufgegriffen hat, fasst einen Teil des Skandalons so zusammen:

Dass eine Universität die Unschuldsvermutung für eines ihrer Mitglieder missachtet, das Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen wurde, ist ein starkes Stück. Dass sie es gegenüber einer Person tut, die nachweislich den Ruf ihres Instituts in Zeiten aufrechterhalten hat, in denen er durch den gefährdet war, der jetzt zum moralischen Nutznießer dieses Vorgehens wird, ist niederträchtig. Dass die Universität Zürich der Staatsanwaltschaft freiwillig einräumte, den gesamten E-Mail-Verkehr der Hochschule auf Pressekontakte hin abzusuchen, nur weil ein Gutachten, das kurz darauf jeder lesen konnte, weitergegeben wurde, ist geeignet, ihren Ruf als Ort freien Austauschs dauerhaft zu beschädigen.

In Gefahr ist aber nicht nur der Ruf einer wissenschaftlichen Einrichtung als “Ort des freien Austauschs”. Es geht in dem Fall auch um die Pressefreiheit in einem Land, das sich bei anderer Gelegenheit als älteste Demokratie Europas bezeichnen lässt. Denn die, offenbar auch politisch motivierten, Ermittlungen dienten nicht nur der Verfolgung eines mehr als fraglichen Delikts, sondern auch der Einschüchterung von Whistleblowern, die einen wirklichen Skandal an die Öffentlichkeit gebracht haben. Professorin Ritzmann, wenn sie denn überhaupt der gesuchte Whistleblower ist, hat das typische Schicksal einer Kassandra-Ruferin erlitten: Bestraft wird die, die den Skandal verkündet. Das ist nicht nur, was den akademischen Betrieb der Uni Zürich, sondern auch, was die staatlichen Stellen und Ermittlungsbehörden angeht, für einen demokratischen Rechtsstaat sehr bedenklich.

Dass die deutschen Medien mit einer einzigen Ausnahme diesen Fall nicht aufgreifen, ist darum unverständlich. Denn die internationale Tragweite ist in Zeiten von Snowden und Wikileaks enorm. Pressefreiheit heißt auch Schutz von Quellen. Und Skandale öffentlich machen darf nirgendwo auf der Welt strafbar sein.

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Abhöraffäre: Altbundeskanzler meets Kafka

05 Nov

Bundesarchiv_B_145_Bild-F048646-0033,_Dortmund,_SPD-Parteitag,_Helmut_SchmidtAltbundeskanzler Helmut Schmidt genießt in der Bundesrepublik Deutschland allerhöchstes Ansehen: Eine Universität und ein Journalistenpreis sind nach ihm benannt, er steht im Ruf, auszusprechen, „was andere oft nicht zu denken wagen“. Dafür hat er ein ideales Forum, denn schon seit 1983 ist er Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. In der äußert der Tabakpropagandist Schmidt sich gerne hin und wieder „auf eine Zigarette“ oder gibt mehr oder weniger staatstragende Kommentare von sich.

So auch in der jüngsten Zeit-Ausgabe zur Abhöraffäre. Da gibt der ehemalige Bundesverteidigungsminister, Hamburger Innensenator sowie Bundeskanzler Einschätzungen zum besten, die gerade in Anbetracht der imposanten Ämter, die er in seiner Karriere innehatte, stutzig machen. Er bezeichnet Geheimdienste nämlich insgesamt als „überflüssige Dienste“. Schon als junger MdB habe Schmidt den BND und dessen Gründer Reinhard Gehlen kennengelernt und dabei gewisse Vorurteile gegen die Organisation gebildet:

Später wurde ich in Hamburg Innensenator und damit zugleich Chef des Verfassungsschutzes in der Hansestadt. In dieser Zeit wurde aus meinem Vorurteil gegenüber den Geheimdiensten ein endgültiges Urteil.

Er habe sich auch in seiner Zeit als Bundeskanzler nicht um den Geheimdienst geschert:

Deshalb habe ich mir später als Regierungschef niemals einen Bericht des BND vorlegen lassen.

Doch wenn Helmut Schmidt als Chef der Exekutive und ausführendes Organ der Staatsgewalt die Dienste seiner Zuträger BND nicht goutierte und nicht in Anspruch nahm, warum hat er seine politische Macht dann nicht genutzt und diese offensichtlich völlig nutzlose staatliche Organisationseinheit abgeschafft? Schmidt schreibt in dem Zeit-Artikel noch etwas Bemerkenswertes. Er äußert nämlich den Verdacht, dass die Dossiers seines eigenen Geheimdienstes gar nicht auf objektiven Erkenntnissen, sondern auf den privaten politischen Ansichten von dessen Mitarbeitern beruhe – ein beunruhigender Gedanke:

Ich wusste, die Einschätzung des Geheimdienstes beruhte zum Teil auf dem Abhören von Telefonen, manchmal auf Indizien und oft auf Eindrücken, die stark gefärbt waren durch die politische Präferenz des Berichtenden.

Wes Geistes diese politischen Präferenzen gewesen sein werden, kann jeder erahnen, der weiß, dass der BND-Gründer Gehlen vormals SS-Mann war, seine Mitarbeiter aus seiner ehemaligen Kameradschaft rekrutierte und etwa den Kriegsverbrechern Eichmann und Brunner zur Flucht verhalf und damit der gerechten Strafverfolgung entzog.

Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat also eine staatliche Organisation erhalten, die offenbar nur l’art pour l’art betrieb, dabei aber illegal vorging („Jedermann weiß, dass die Auslandsgeheimdienste in aller Welt Dinge treiben, die nach dem dort geltenden Gesetz verboten sind“), vermutlich verfassungsfeindlich war und ausschließlich nutzlose Papiere erstellte, die nur der Förderung der eigenen (rechtslastigen) politischen Ansichten diente. Kurzum: Ein deutscher Kanzler hat zugesehen, wie unter seiner Regierung ein kafkaesker „zweiter Staat“ sich bildete, der ja auch im Rahmen der NSU-Ermittlungen vom Ausland sehr kritisch registriert wurde. Wenn Helmut Schmidt diese Bekenntnisse ernst meint, muss er sich fragen lassen, ob er gegen seinen Amtseid verstoßen hat, in dem er gelobte, Schaden von der Bundesrepublik abzuhalten. Und sein Plädoyer für mehr Gelassenheit kann man auch lesen als Bestätigung all derjenigen Leute, die heute die Abschaffung solcher Dienste fordern.

 

 

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Wieviel Sport gucken Zuschauer im TV?

24 Okt

ARD_TatortkostenJa, wieviel Menschen gucken Sport im Fernsehen? Und wieviel Sport läuft da eigentlich? Und was kostet der Spaß? Das sind Fragen, auf die es künftig Auskunft geben soll im Rahmen einer neuen Transparenz-Offensive der ARD. Aber das eine sind die Zahlen, die veröffentlicht werden. Das andere ist, was JournalistInnen daraus machen. Zum Beispiel die Medienexperten des Fachdienstes DWDL. Die interessierten sich dafür, wieviel Sport eigentlich in der ARD geguckt wird und welche Sportarten dabei besonders gut abschneiden. Das Ergebnis ihrer Recherche klang dann so:

Knapp 20 Prozent der Zeit, die ein Zuschauer Das Erste sah, entfiel dabei auf den Sport. Dass der Fußball den größten Anteil an der Sportberichterstattung einnimmt, ist wenig überraschend: Von 444 Stunden Live-Sport im Jahr 2012 entfielen immerhin 97 Stunden auf den Fußball. Die Wintersport-Berichterstattung machte 158 Stunden aus, für die sonstigen Sportarten blieben 188 Stunden übrig.

Wenn Fußball 97 Stunden in der ARD lief und Wintersport 158 Stunden, was hat dann den größten Anteil? Jedenfalls nicht der Fußball, wie DWDL behauptet. Zählt man alle Stundenlängen der Übertragungen der hier genannten Sportarten zusammen, kommt man übrigens auch nicht auf die angeführte Gesamtzahl von 444 Stunden. Vielmehr ist eine Stunde abhanden gekommen. Oder sie dreht eine Strafrunde beim Biathlon.

Also: Neue Kosten-Transparenz bei der ARD, dafür weniger Zahlen-Transparenz bei DWDL.

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Buchmesse warum?

15 Okt

Am Wochenende ist also die Frankfurter Buchmesse wieder einmal erfolgreich zu Ende gegangen. Entgegen dem Lamento der vergangenen Jahre, all den Abgesängen auf das Medium Buch, wurde in diesem Jahr zarte Hoffnungsstimmung verbreitet. So sind die Umsatzzahlen des stationären Buchhandels erstmals wieder leicht gestiegen.

Die Lust am Buch scheint indes ungebrochen: Jedenfalls was das Bücherschreiben angeht. An die 280 tausend Besucherinnen kamen nach Frankfurt, um sich die über 90 tausend (deutschen!) Neuerscheinungen anzusehen. Die Zahl der neu herausgebrachten Bücher in Deutschland ist damit seit Jahren gleichbleibend hoch — trotz aller Unkenrufe. Ob all diese Bücher auch gelesen werden, ist eine andere Frage. Denn die Werbebudgets der Verlage konzentrieren sich, auch das seit Jahren, auf einige wenige besonders umsatz- und gewinnversprechende Titel.

Dass E-Book war wieder einmal großes Thema auf der Messe. Aber wann wird eigentlich mehr daraus als nur ein Thema? Ich sprach mit „meiner“ Lektorin bei der sympathischen „Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt“. Sie berichtete, dass sich während ihrer Messetage genau ein einziger (!) Besucher für E-Books interessiert habe. Schlecht für die Wälder, gut für den Buchhandel: Bücher wird es auch im kommenden Jahr auf totem Holz, vulgo: Papier geben.

Dass Aufmerksamkeit bei einer solchen Messe das heikelstes Gut ist, kann man immer wieder an den Werbeslogans und -Maßnahmen beobachten. Einen eigenartigen Trend auf dem Buchmarkt scheine ich festgestellt zu haben: Buchautoren nehmen sich vermehrt der ganz großen Themen an. Sie versuchen sich, aus der einen oder anderen Perspektive, am großen Warum. Zwar ist die Kausalität in der Philosophie schon vor hundert Jahren beerdigt worden. Doch das ficht unsere Schriftsteller nicht an:

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Ja, warum verhält sich das alles nur so? Warum schreiben Leute solche Bücher? Und sind die Gründe vielleicht immer dieselben? Ist also der Grund, warum es die Welt nicht gibt, womöglich derselbe wie der, warum wir Menschen töten und uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen? Das werde ich bei nächster Gelegenheit mal einen Bananenkrümmer fragen.

 

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter