Radiohörer, die unbekannten Wesen

28 Aug
Foto: Dieter Schütz/Pixelio

Foto: Dieter Schütz/Pixelio

Zweimal jährlich ermittelt die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (AG MA) die Radio-Hörerzahlen. Die Zufriedenheit mit diesen Zahlen quer durch die verschiedenen konkurrierenden Radioredaktionen indes macht stutzig. Sehr schön hat das die FAZ in einem online verfügbaren Beitrag zusammengefasst:

Beispiel Bayern: Der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk reklamierte, er sei der „große Gewinner“, während sich der Privatanbieter Antenne Bayern freute, die „1-Mio.-Hörer-Marke“ geknackt zu haben als „meistgehörter Radiosender Deutschlands“. Beispiel Niedersachsen: NDR 1 (öffentlich-rechtlich) beteuerte, „seit 20 Jahren unangefochtener Marktführer“ zu sein, während FFN (privat) mit „einer durchschnittlichen Stundenreichweite von 469 000 Hörern“ seine „Spitzenreiterposition“ zu verteidigen vorgab. Beispiel Berlin: 104.6 RTL (privat) jubilierte, die „klare Nummer eins“ in der Hauptstadt abzugeben und „Hörer-Millionär“ zu sein, während Antenne Brandenburg (öffentlich-rechtlich) sich rühmte, das „erfolgreichste Radioprogramm in der Region“ darzustellen mit „217 000 Hörerinnen und Hörern in der Durchschnittsstunde“.

Problem der Radio-Hörer-Messungen ist die Methode: Während beispielsweise die Fernseheinschaltquoten mit elektronischen Messgeräten in Testhaushalten ermittelt werden, sind es bei der Radio-Media-Analyse simple Befragungen mittels Telefoninterviews. Dabei werden die Interviewpartner gefragt, welche Programme sie am Vortag mindestens eine Viertelstunde gehört haben. Schon die trügerische Erinnerung birgt statistische Fehler. So gibt die MA sensationelle durchschnittliche Hördauern an:

Montags bis freitags schalten knapp achtzig Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung in der Bundesrepublik das Radio ein, absolut rund 58 Millionen Menschen. Im Schnitt hört jeder täglich 198 Minuten Radio. So jedenfalls das Ergebnis der aktuellen Messung.

Horst Müller, Professor für Redaktionspraxis an der Hochschule Mittweida, stellt diese Zahlen in der FAZ in Frage. Seiner Meinung nach müssten die Zahlen viel geringer sein, womöglich um ein Drittel. Unterstützung erhält er durch Media-Analysen aus der Schweiz. Dort wird die Radionutzung elektronisch, mit dem sog. Radiometer, gemessen. Der durchschnittliche Deutsch-Schweizer hört demnach 123,7 Minuten täglich Radio. Das Mediennutzungsverhalten von Bundesbürgern und Deutsch-Schweizern wird nicht so unterschiedlich sein, dass eine so erhebliche Abweichung erklären würde.

Dennoch zeigen selbst die korrigierten MA-Zahlen, dass das Radio das am meisten unterschätzte Medium in Deutschland ist. In den Diskussionen um die Zukunft des Journalismus oder die Medienkrise ist von der deutschen Radiolandschaft selten die Rede. Bei Journalistenkongressen oder andren Branchentreffen sind selten Hörfunkvertreter anzutreffen oder gar als Redner zu bewundern. Dabei erfreut es sich offenbar beim Mediennutzer nach wie vor größter Beliebtheit.

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Wahlwerbung: F.D.P. und NPD sind derselbe Quark

27 Aug

FDP_NPD_QuarkIn Wahlkampfzeiten werden aus Medienpolitikern Medienproduzenten. Aufpassen sollten die parteilichen Wahlkämpfer aber, wenn sie sich allzu leichtfertig aus Stockmaterial bedienen. Eine Sequenz aus einer finnischen Quark-Werbung ist identisch auch in den Wahlkampfspots der F.D.P. und der NDP zu sehen. Was sagt das wohl über die in diesen Spots ausgedrückte Programmatik der betreffenden politischen Parteien aus? Vermutlich nicht viel. Außer vielleicht, dass es um Programmatik in  solchen Spots nicht geht. Das ist noch keine sehr originelle Einsicht. Aber die Beliebigkeit der Bilder und die Beliebigkeit der Inhalte in diesen Spots wird doch durch diesen Streich recht augenfällig. Was damit sehr wohl ausgedrückt wird, ist: Diese Parteien haben keine eigene Vision, sprich: kein eigenes Bild ihrer Politik zur Verfügung. Wähler, die nach dem Urnengang mehr als nur Quark erwarten, werden sich dann sehr wundern.

Man muss sich die Spots übrigens nicht bis zu den genannten Frames angucken. Das hat freundlicherweise Markus Beckedahl von netzpolitik.org schon übernommen und für die Authentizität gebürgt.

Nachtrag 17.17 Uhr: Erstausstrahlung des FDP-Spots ist morgen, Mittwoch, um 17:55 Uhr im ZDF. Der FDP ist das Malheur mittlerweile sehr peinlich. Bis zur Erstausstrahlung morgen schaffe man es aber nicht mehr, die Videobilder auszutauschen.

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Berufsprestige von Journalisten

27 Aug

allensbach_berufsprestige_2013bDas Allensbach-Institut für Demoskopie hat auch im Jahr 2013 seine alle zwei Jahre erscheinende Berufsprestigeskala veröffentlicht. Das Institut erfragt dabei das Ansehen bestimmter Berufsgruppen in der Bevölkerung. Journalisten schneiden dabei regelmäßig nicht sehr gut ab. Auch 2013 belegen sie, wie Berufsprestige von Journalistenschon die der vorangegangenen Befragung, den 12. Platz. Dabei hat sich ihr Prozentwert aber neuerlich verschlechtert, nämlich von 17 auf 12% Zustimmung. Noch schlechter stehen Fernsehmoderatoren: Mit 3% belegen sie den vorletzten Platz. Das ist allerdings im Vorgleich zur Vorbefragung eine kleine Verbesserung. Im Jahr 2011 belegten die Moderatoren noch den letzten Platz: In diesem Jahr wird der aber von den Bankern gehalten.

Das Design der Umfrage kann allerdings als durchaus insinuativ betrachtet werden: den 1.560 Befragten wird nämlich eine Liste von 20 Berufen präsentiert, aus denen sie fünf auswählen sollen, die besonders hoch in ihrer Gunst stehen. Es gibt in Deutschland aber 345 verschiedene Ausbildungsberufe. Selbst ein 20. Platz auf der Berufsprestigeskala könnte also für einen hochangesehenen Beruf stehen im Vergleich zu den über 320 anderen Berufen, die auf der Liste gar nicht auftauchen und womöglich viel schlechter platziert wären.

Doch auch beim Job Rated Report des amerikanischen Diensts Career Cast schneiden Journalisten nicht gut ab. Zeitungsreporter landeten 2013 weit abgeschlagen auf dem letzten Platz der „worst Jobs“, also der „schlimmsten Berufe“. Kleiner werdende Redaktionen und Budgets und die Konkurrenz des Internets hätten zu der Platzierung geführt.

Auch der US-Schauspieler Robert Redford hat Journalisten kritisiert. In einem Interview mit dem Kino-Magazin Cinema bezeichnete Redford die US-Medien als extrem tendenziös: „Die große Gefahr besteht darin, dass sich die Menschen abwenden, weil es ihnen nicht mehr gelingt, die Informationen, die auf sie einstürmen, einzuordnen und zu bewerten“. Robert Redford spielte in den 1970er Jahren an der Seite von Dustin Hoffmann einen der beiden Watergate-Aufklärer der Washington Post in dem Kinofilm „Die Unbestechlichen“. Er hat damit nicht unmaßgeblich zum damaligen hohen Ansehen des Journalistenstandes beigetragen.

 

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Das schlechteste Interview des Jahres

30 Jul

fox-news-logoDer US-amerikanische Fernsehsender Fox fällt nicht gerade durch politische Ausgewogenheit oder Umsicht bei Formulierungen auf. Jetzt hat sich aber eine Moderatorin der Fox News-Sendung einen peinlichen Auftritt erlaubt, der Rückschlüsse darauf zulässt, wie wenig journalistische Recherche oder Vorinformationen vor Interviews geschätzt sind. Anchorwoman Lauren Green interviewte live den Religionswissenschaftler und Buchautor Reza Aslan. Der hat gerade ein Buch über Jesus veröffentlicht: „Zealot: The Life and Times of Jesus of Nazareth“. Frau Green zeigte sich überrascht, dass ein gläubiger Moslem ein Buch ausgerechnet über Jesus schreibe. Autor Aslan glaubte, ihre Zweifel dadurch vertreiben zu können, dass er darauf hinwies, Professor für allgemeine Religionswissenschaft zu sein, eine Doktorarbeit über das Neue Testament geschrieben zu haben und fließend Altgriechisch verstehe, also die Sprache des Evangeliums. Indes die Fox-Fernsehjournalistin interessierte das alles überhaupt nicht. Im Gegenteil verstieg sie sich zu der Behauptung, Reza Aslan verschweige seine Zugehörigkeit zum Islam. Das klingt schon fast nach Verschwörungstheorie. Der Religionswissenschaftler konterte: „Ma’am, auf der zweiten Seite meines Buches steht, dass ich ein Muslim bin. In jedem einzelnen Interview, das ich jemals im Fernsehen oder gedruckt gegeben habe, ist erwähnt, dass ich ein Muslim bin“.

Schlecht vorbereitete Moderatoren sorgen immer mal wieder mit verpatzten Interviews für Aufmerksamkeit. Im vergangenen Jahr wurde ein Gespräch von NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten mit der Schauspielerin Katja Riemann zum Youtube-Hit. Die Schauspielerin bemerkte anschließend: „Es ist irre lustig, wenn ein Moderator zwischen den Gesprächen sich in der Kamera spiegelt und laut äußert, wie geil er aussieht …“

Für den Branchendienst Meedia handelt es sich beim Ausrutscher von Fox-Frau Lauren Green um das „peinlichste Interview des Jahres“. Bedenklich ist nicht nur die schlechte journalistische Arbeit. In einer Live-Situation gerade im hektischen News-Geschehen kann das immer mal wieder vorkommen. Aber die Nachfragen der Anchor-Frau weisen auf einen unverhohlenen Ethnozentrismus und erhebliche Vorurteile gegenüber Menschen mit anderen religiösen Ansichten hin. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Laren Green selbst „Farbige“ ist. Reza Aslan kann ganz entspannt bleiben: Nachdem die Geschichte mit dem verkorksten Fox-Interview im Internet hochkochte, kletterte seine Neuerscheinung auf Platz 2 der Bestsellerliste der New York Times.

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„Kicker“: Fußballer des Jahres als Wahlschlappe

29 Jul

Eine Panne bei der Wahl zum „Fußballer des Jahres“ führte dazu, dass nur 2,5 % der stimmberechtigten Sportjournalisten für den Abstimmungssieger Bastian Schweinsteiger stimmten. Der Herausgeber des „Kicker“, der die Wahl veranstaltet, hat den Fehler bereits eingestanden. Ab dem kommenden Jahr könnten sich die Abstimmungsmodalitäten grundsätzlich ändern.

Fußballer B. Schweinsteiger (Foto: Wikicommons)

Fußballer B. Schweinsteiger (Foto: Wikicommons)

Jedes Jahr ruft das Sportmagazin Kicker zusammen mit dem Verband deutscher Sportjournalisten (VDS) unter Deutschlands Sportjournalisten zur Wahl des Fußballers des Jahres auf. Auch der Trainer des Jahres wird gewählt. Und die Fußballerin des Jahres auch. In diesem Jahr wurde vom Kicker zum besten Kicker des Jahres Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern München gewählt. Der Geehrte zeigte sich sehr überrascht: „Das wunderte mich schon ein wenig. Denn es gab Phasen, in denen relativ kritisch über mich berichtet wurde“, zitierte das Sportblatt den Fußballer in der Vorankündigung am Sonntag.

In der gedruckten Ausgabe von Montag fehlt dieser Satz. Vielleicht mit gutem Grund, wie Focus Online nahelegt. Denn das Wahlergebnis ist alles andere als repräsentativ für die deutschen Sportjournalisten. Der VDS hat 3700 Mitglieder. Aber nur 2,5 Prozent dieser Journalisten haben für Schweinsteiger gestimmt, in Zahlen 95 Stimmberechtigte. Noch nie wurde der Ehrentitel Fußballer des Jahres von weniger Sportjournalisten vergeben, wie Focus Online vorrechnet:

Noch nie wurde ein Spieler mit engerem Ergebnis zum „Fußballer des Jahres“ gewählt, Schweinsteiger hatte mit 92 Stimmen nur fünf Vorsprung vor Teamkollege Franck Ribéry und sieben vor Thomas Müller. Und schon lange haben sich nicht mehr weniger Sportjournalisten bei der vom „Kicker“ organisierten Wahl beteiligt: In diesem Jahr waren es 527. Das ist gerade mal jeder siebte (14,2 Prozent) der rund 3700 im Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) organisierten Pressevertreter – über 37 Prozent weniger als 2012 (846) und 46 Prozent weniger als 2011 (969). Das heißt auch: Nicht mal 2,5 Prozent der VDS-Mitglieder wählten Schweinsteiger.

Schweinsteigers Wahl war also eigentlich Glückssache. „Schweinsteiger nur Zufalls-Sieger“, titelt bereits die Münchner Abendzeitung.  Josef Hackforth, der ehemalige Leiter des Lehrstuhls für Sport, Medien und Kommunikation an der Technischen Universität München und Leiter des Audi-Instituts für Sportkommunikation, hält das Wahlergebnis jedenfalls für zufällig oder beliebig, wie er Focus Online erklärt:

„Wenn der ,Kicker‘ keine Angaben darüber macht, ob an seiner Befragung ein repräsentativer Querschnitt aller Sportjournalisten teilgenommen hat, könnte man von einem willkürlichen Wahlergebnis ausgehen.“

Der Herausgeber des in Nürnberg erscheinenden Kicker gibt eine Panne bei der Abstimmung zu. Beim Versand der Abstimmungsunterlagen an die VDS-Mitglieder seien Daten durcheinander gekommen, sodass die meisten Briefe nicht angekommen seien. Aber nicht nur deswegen überlegt der Verleger, künftig die Abstimmungsmodalitäten komplett zu ändern. Die jedes Jahr zurückgehenden Zahlen der Abstimmungsteilnehmer spräche nicht für ein großes Interesse der Sportjournalisten an der Wahl. Eine User-Befragung steht allerdings nicht zur Diskussion. Stattdessen überlegt der Kicker, der die Abstimmung seit 1960 organisiert, künftig aktive Sportler zu befragen.

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Die besten aller Nachrichten

26 Jul
ZDF-Anchorman Claus Kleber (Foto: Wikimedia)

ZDF-Anchorman Claus Kleber (Foto: Wikimedia)

Was sind denn nun die besten aller Nachrichten? Vor kurzem noch trumpfte der Chef des ZDF-Heute Journals, Claus Kleber, mächtig auf. In einem Interview mit dem Wochenblatt Die Zeit ließ er kein gutes Haar am Konkurrenzprodukt der ARD, nämlich der „Tagesschau“:

Ich glaube, dass sich dieses Konzept gerade überlebt. Weil das, was diese Art von Nachrichten bietet, am ehesten ersetzt wird durch den schnellen Blick ins Internet …

Besonders die manchmal etwas spröde Form der Präsentation störte den ZDF-Anchorman bei den Mitbewerbern von der ARD. Er verstieg sich sogar dazu, die „Tagesschau“ mit dem nordkoreanischen Staatsfernsehen zu vergleichen:

Das trockene Nachrichtenablesen gibt es heutzutage nur noch um 20 Uhr und im koreanischen Fernsehen …

Die Retourkutsche erhielt Claus Kleber prompt, und zwar nicht von der angesprochenen „Tagesschau“-Redaktion, die sich höflich zurückhielt, sondern von Willi Winkler von der Süddeutschen Zeitung:

Offensichtlich hört Kleber nie Radionachrichten, und auch die „Heute“-Sendung seiner ZDF-Kollegen um 19 Uhr scheint er regelmäßig zu verpassen. (…) Claus Kleber moderiert selber zu später Stunde – und auch deshalb mit erheblich geringerem Zuschauerinteresse als bei der „Tagesschau „- das „Heute-Journalim ZDF. Die Berufsbezeichnung für diese Tätigkeit lautet gut amerikanisch Anchorman, also Ankermann, und verlangt vor allem einen Gesichtsausdruck, der beweist, dass der Vortragende die ganze Last der Welt auf seinen Schultern trägt. (…)

Besonders intrikat ist der Hinweis auf ZDF-Nachrichtensendung „Heute“. Denn die schmiert nach neuesten Forschungsergebnissen nicht nur gegenüber der „Tagesschau“ regelrecht ab. Zwar ist die „Heute“-Sendung nach einer Erhebung der Zeitschrift MediaPerspektiven hinter dem ARD-Flagschiff und „RTL aktuell“ immer noch die Nummer Drei in der Zuschauergunst.

Doch bei den jüngeren Zuschauern sieht es für Petra Gerster und Co. ganz duster aus: Im Schnitt gerade mal 470.000 Unentwegte im Alter von 14 bis 49 Jahren schalteten 2012 um 19 Uhr „heute“ ein – weit weniger als die „Tagesschau“ und „RTL aktuell“ und sogar weniger als die Nachrichtensendungen von Sat.1, Pro Sieben oder die qualitativ fragwürdigen „RTL 2 News“, die 620.000 Zuseher verbuchen konnten.

Selbst die „RTL2-News“, bei denen man Probleme hat, überhaupt noch von einem journalistischen Nachrichtenformat zu reden, haben also größeren Zuschauerzuspruch in der Altersklasse der 14- bis 49-jährigen als die ZDF-Sendung. Mit einem hat Claus Kleber da vermutlich recht: Die Zustimmungsquoten in realsozialistischen Staaten wie Nordkorea sind in der Regel höher.

Aber was sind nun die besten aller Nachrichten? Die trockene Seriosität der „Tagesschau“, die immerhin täglich mehr als 8 Mio. Zuschauer sehen? Das Infotainment auf RTL? Oder gar die ständig menschelnden und mit „Promi-News“ durchzogenen RTL2-News? Die Medienforschung sagt uns seit Jahren, dass die Informationsfunktion von Nachrichten weit hinter die Unterhaltungsfunktion und die soziale Funktion zurücktritt: Man guckt Nachrichtensendungen nicht, um als politisch bewusster Staatsbürger über die Angelegenheiten des Gemeinwesens auf dem Laufenden zu sein. Man guckt sie vielmehr, um sich beim Abendessen nicht zu sehr zu langweilen und um am nächsten Tag in der Frühstückspause mitreden zu können. Der Schweizer Schrifsteller Rolf Dobelli meint ja, gar keine Nachrichten seien die besten Nachrichten und fordert eine „Nachrichten-Diät“. Die etwas jüngeren Zuschauer (der Altersschnitt beim ZDF liegt über 60) halten sich bereits daran,  sie schalten die „heute“-Nachrichten nicht mehr an.

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Zur Sprache von Spiegel Online: Ungeschliffen, aber redegewandt

25 Jul

So ganz scheint bei Spiegel Online nicht immer Klarheit zu herrschen, wie die Sprachbeherrschung oberster Güte nun zu nennen ist. Dem FC-Bayern-Stürmer Thomas Müller werden mal “ungeschliffene” Sätze in den Mund gelegt: Das sind nach allgemeiner Ansicht grobe, rohe, wenig kunstvolle Formulierungen. Doch schon im nächsten Satz wird er dann als “redegewandt” bezeichnet, was ziemlich genau das Gegenteil meint, und das auch noch mit dem schönen Lapsus “redegewandet”:

Thomas Müller ist eigentlich ein dankbarer Gesprächspartner, seine Sätze sind oft ungeschliffen, eine Rarität im Fußballprofi-Zirkus. Doch am Mittwochabend, nach dem 2:0-Testspielsieg seines FC Bayern München gegen den FC Barcelona, gab sich selbst der redegewandete Offensivspieler in der Münchner Arena geschlagen …

Sagt vielleicht auch ein bisschen etwas über die Sprachbeherrschung bei Spiegel Online.

Bayern-Sieg gegen Barcelona: Guardiolas testet Lahm im Mittelfeld – SPIEGEL ONLINE

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Unterdrückte Nachrichten 2013

16 Jul
Wichtige Nachrichten landen oft im Papierkorb (Foto: Birgit H./Pixelio.de)

Wichtige Nachrichten landen oft im Papierkorb (Foto: Birgit H./Pixelio.de)

Die Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) hat auch in diesem Jahr wieder die 10 am meisten in deutschen Medien unterrepräsentierten Nachrichten gekürt. Hier die Auswahl:

  • 1: Wie Richter ohne Kontrolle Geld aus Prozessen verteilen
  • 2: Das Geschäft mit der Abschiebepraxis
  • 3: UN-Welternährungsprogramm ist intransparent
  • 4: Fehlende Kontrolle von Au-Pair-Agenturen in Deutschland
  • 5: Die gehörlose Generation
  • 6: E-Discovery: deutsche Unternehmensdaten für die USA
  • 7: Bonuszahlungen für Ärzte – auch bei nicht zugelassener Medikation
  • 8: Voluntourismus: Geschäfte mit  der guten Tat im Ausland
  • 9: Waffenexporte werden unzureichend kontrolliert
  • 10: Polizeiliche Demonstrationsverbote für rechtswidrig erklärt

Es kann verschiedene Gründe geben, warum ein Thema von Medien nicht aufgegriffen wird. Jury-Mitglied Christian Schicha erklärte im WDR:

So seien viele Themen zu kompliziert und erforderten zu viel Hintergrundwissen, um sie so zu veranschaulichen, dass sie vom Publikum verstanden werden. Gleichzeitig stünden Medien unter finanziellem Druck und seien deshalb gezwungen, ihr Angebot nach dem Interesse der Konsumenten zu richten. Laut Schicha hätten Redakteure auch immer weniger Zeit um kritisch zu recherchieren.

Die Süddeutsche spricht denn auch etwas poetisch von „vergessenen Nachrichten“. Der Gründer der Initiative, der Bremer Professor Peter Ludes, sieht die INA dagegen eher in der Nähe des amerikanischen „Project Censored„. Dieses Projekt verortet sich deutlich politischer und spricht unverhohlen von „Zensur“, wenn es um die Vernachlässigung von Themen in und durch die Medien geht.

Einige der von der INA ausgewählten Nachrichten haben durchaus Aufreger-Potential: Deutsche Richter haben jährlich um die 100 Mio. Euro aus Geldauflagen zu vergeben, ohne dass dies öffentlich kontrolliert würde; Lebensmittelaufkäufe des UN-Welternährungsprogramms erfolgen womöglich nicht politisch und ökologisch korrekt bei lokalen Kleinbauern, sondern bei riesigen Lebensmittelkonzernen; und amerikanische Firmen haben durch das US-amerikanische Prozessrecht mittels „e-disvovery“ die Möglichkeit, recht einfach an sensible Daten deutscher Firmen zu gelangen.

Themenvorschläge können von jedem auf der Website der Initiative eingereicht werden. Studentische Rechercheteams an sechs Hochschulstandorten recherchieren das Jahr über die Themen und überprüfen sowohl deren Relevanz als auch die Frage, ob sie tatsächlich in deutschen Medien unterprepräsentiert sind. Aus über 200 Themen werden dann ca. 30 der Jury vorgelegt.

Der Verfasser dieser Zeilen ist auch Mitglied der Jury der Initiative Nachrichtenaufklärung.

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Transparency International: Medien gelten als korrupt

10 Jul
Foto: Birgit H./Pixelio

Foto: Birgit H./Pixelio

Alle drei Jahre erhebt die Nicht-Regierungsorganisation Transparency International das „globale Korruptionsbarometer“. Dabei wird in 107 Ländern die Bevölkerung befragt, für wie korrupt sie die gesellschaftlichen Institutionen hält. In Deutschland schneiden auf einer Skala von eins (überhaupt nicht korrupt) bis fünf (höchst korrupt) Justiz (2,6), Polizei (2,7), aber auch das Bildungswesen (2,7) besonders gut ab. Wer nicht gut abschneidet, ist der Medien-Sektor. Medien werden nämlich erstmals als korrupter wahrgenommen als die Öffentliche Verwaltung oder das Parlament. Während Verwaltung und Parlament jeweils die Note 3,4 erhielten, rangieren die Medien auf dieser Skala bei 3,6. Die deutsche Vorsitzende von Transparency International findet das besorgniserregend:

Die kritische Berichterstattung durch die Medien spielt eine wichtige Rolle bei der Korruptionsbekämpfung. Es ist daher ein alarmierendes Zeichen, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die Medien zu sinken scheint. Wir brauchen eine Diskussion darüber, wie die Unabhängigkeit und Qualität der Medien langfristig gewährt werden kann.

Wichtig ist bei solchen Umfragen, festzuhalten, dass es um das Ansehen und die Meinungen in der Bevölkerung geht. Dass die Befragten Medien für korrupt halten, heißt noch nicht zwangsläufig, dass sie es auch sind.  Beispielsweise rangieren auch Nicht-Regierungsorganisationen nicht über dem Durchschnitt, sondern etwas darunter (3,0). Schlechte Noten haben auch die politischen Parteien (3,8) und die Privatwirtschaft (3,7) erhalten, die beide das Ranking im negativen Sinne anführen.

Für das Globale Korruptionsbarometer 2013 wurden 114.270 Personen in 107 Ländern befragt. Die Befragung wurde von Worldwide Independent Network/Gallup International Association (WIN/GIA), einem weltweiten Netzwerk von Meinungsforschungsunternehmen, im Auftrag von Transparency International durchgeführt. Die Feldstudien wurden von September 2012 bis März 2013 mittels persönlicher Interviews, Telefon- und Onlinebefragungen durchgeführt. In Deutschland wurden tausend Bürgerinnen und Bürger online befragt.

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ZDF heuert beim Privatfernsehen an

09 Jul

zdf_logo_onlineDas ist doch irgendwie verrückt: Da leistet man sich einen zweiten, nicht ganz billigen öffentlich-rechtlichen Sender, und was tut der? Er gibt sich alle erdenkliche Mühe, um nur nicht wie ein öffentlich-rechtlicher Sender auszusehen. Rundheraus gesagt: Das ZDF wäre gerne ein bisschen RTL. Eigentlich sogar ein bisschen mehr. Eigentlich sogar komplett.

Man kennt das ja aus dem Fußball: Der FC Bayern München möchte schließlich auch irgendwie Borussia Dortmund sein, also kauft man sich einfach die Spieler aus dem Ruhrgebiet und lässt sie künftig am Alpenrand kicken. Irgendwie so etwas müssen sich die Verantwortlichen auf dem Mainzer Lerchenberg auch gedacht haben. Mit Inka Bause, der Moderatorin des RTL-Gassenhauers „Bauer sucht Frau“ (oder muss es hier heißen: Flurbereinigungsweg-Hauer?) und mit Restaurant-Tester Christian Rach („Rach deckt auf“ und „Rach, der Restauranttester“) hat der öffentlich-rechtliche Sender nicht irgendwelche zweitrangige Knallchargen, sondern die moderativen Aushängeschilder des Kölner Privatsenders übernommen. Und es sind ja nicht die ersten: Mit dem Südtiroler Markus Lanz als omnipräsente Allzweckwaffe hat das ZDF sich bereits das Gesicht und den Redaktionschef von „Explosiv“, dem boulevardjournalistischen Flagschiff des Privatfernsehens, rangeholt. Und dessen Vorgänger war Johannes B. Kerner, der vor seinem „Coming out“ als öffentlich-rechtlicher Qualitäts-Laberer eine minderqualitative nach ihm benannte Talkshow auf einem Schmuddelsendeplatz im privatfernsehnlichen Nachmittagsprogramm inne hatte.

Dabei hat das ZDF ja eigene Gesichter hervorgebracht. Aber die schmoren auf ZDFneo oder anderen Spartenkanälen aus Mainz vor sich hin, bevor sie selbst lieber zum Privatfernsehen gehen. Auch in diesem Punkt geht es beim ZDF zu wie einem Bundesliga-Fußballverein: Da bildet man die Nachwuchskräfte im Dutzend in Regionalliga-Mannschaften aus, aber für den Profikader kauft man sich dann doch lieber die billigen Kicker aus dem Ausland.

Nur eine Frage muss das ZDF dringend beantworten: Warum soll ich ZDF gucken, wenn ich die Stars des Privatfernsehens sehen will? Dann kann ich doch gleich RTL, Sat1 & Co. glotzen. Und nur um den abgehalfterten Ex-ModeratorInnen der Privaten eine öffentlich-rechtliche Jobgarantie bis zur Rente zu geben, muss eine Gesellschaft sich kein öffentliches Rundfunkprogramm leisten. Auch wenn man Herrn Rach und Frau Bause und all den anderen nicht zu nahe treten will, muss man doch feststellen, dass ihr Wechsel zum Zweiten Deutschen Fernsehen symptomatisch dafür ist, wie heruntergekommen dieser Sender sein muss. Eigentlich schade.

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter