Bundesprüfstelle muss Pornos rausrücken

05 Dez
Vintage Porn in Pompeii (Wikimedia)

Vintage Porn in Pompeii (Wikimedia)

Ein Sammler von 80er-Jahre-Sexfilmen hat vor Gericht erzwungen, dass die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien den seit langem vergriffenen Streifen „Heiße Träume“ kopieren muss. Geklagt hatte der Mann aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes vor dem Kölner Verwaltungsgericht, wie die FAZ berichtet:

Die Kölner Lesart des Gesetzes, das Bürgern Zugang zu amtlichen Informationen gewähren soll: Der Film über Carl Ludwigs Tagträume ist eine „amtliche Information“; sie wird „zu amtlichen Zwecken“ aufbewahrt – nämlich dazu, die Indizierung, wie im Jugendschutzgesetz vorgeschrieben, alle 25 Jahre zu überprüfen. Außerdem erlaube das Urheberrechtsgesetz ausdrücklich, eine Kopie von seit mindestens zwei Jahren vergriffenen Werken für den Privatgebrauch anzufertigen.

Die Behörde hatte sich vergeblich gegen die Kopierpflicht gewehrt. Aufgabe der Bundesprüfstelle sei es, „Kinder und Jugendliche vor sie gefährdenden Medieninhalten zu schützen, nicht die private Sammelneigung einzelner zu befriedigen“, so Corinna Bochmann, Referentin bei der Bundesprüfstelle. Man hat bereits Rechtsmittel eingelegt. „Sinn und Zweck des Gesetzes ist es, Behördenentscheidungen transparent zu machen“, erklärt die Behördensprecherin. Aus dem Ringelrein der „Heißen Träume“ lasse sich „doch gar nichts ableiten, was mit der Arbeitsweise der Bundesprüfstelle zu tun hat.“

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Neues aus der Floskelwolke

04 Dez

„Wenn die Menschheit keine Phrasen hätte, brauchte sie keine Waffen“, hat einst der Wiener Sprach- und Journalismus-Kritiker Karl Kraus geschrieben. Gerade die journalistische Sprache ist voll von Floskeln und stehenden Wendungen. Das hat häufig mit dem Zeit- und Aktualitätsdruck zu tun, unter dem journalistisch produziert wird: Ein Gemeinplatz ist da schneller aufgeschrieben als die originelle Formulierung.

Die beiden Nachrichtenjournalisten Udo Stiehl und Sebastian Pertsch haben nun im Internet die „Floskelwolke“ aufgehen lassen. Sie beschreiben ihr Projekt so:

Wer fast täglich mit Nachrichten zu tun hat, dem sind die altbekannten Formulierungen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport geläufig. Sie tauchen immer wieder auf, obwohl sie abgedroschen sind oder journalistischen Maßstäben nicht genügen. Wir Redakteure wissen das. Unser Publikum bemerkt es nur selten. Und die PR weiß das auszunutzen. (…) Wir greifen bei der Auswahl der Begriffe auf unsere Erfahrungen im Nachrichtengeschäft zurück. Anprangern wollen wir nicht. Wir möchten nur ein wenig nachdenklich machen.

Der Aufwand, den die beiden journalistischen Sprachkritiker betreiben, ist enorm. Es handelt sich um ein Beispiel für Datenjournalismus reinsten Wassers:

Wir werten die Websites nahezu aller deutschsprachigen Zeitungen, Radiosender, Fernsehsender und Magazine in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus. Die bald startenden SocialMedia-Charts der Medien von Sebastian Pertsch sind Grundlage für diese Erhebung. Für die Floskelwolke analysieren wir rund 1.600 Domains, die etwa 2.400 Medien (inklusive Ressorts) repräsentieren.

 Die Darstellung erfolgt dann tatsächlich als Wortwolke oder „Wordl“ als auch statistisch aufbereitet als täglich aktualisiertes Säulendiagramm:
Screenshot Floskelwolke

Screenshot Floskelwolke

Alle Daten lassen sich auch als csv-Datei herunterladen, um selbst seine Datenanalysen am Floskelmaterial zu betreiben.
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Fleischhauer macht Hackfleisch aus Spiegel-Image

03 Dez

spiegel01Eines muss man dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel lassen: Seit seinem Re-Design und der Einführung neuer Rubriken weiß man als Leser noch ein bisschen besser, wo das Magazin steht. Die neu eingeführten Serien sind vor allem meinungsorientierte Darstellungsformen: Ein „Leitartikel“ soll die Redaktionsmeinung widerspiegeln und eine regelmäßige Kolumne, die irgendwo zwischen Glosse und Kommentar changiert und wechselweise von Jan Fleischhauer und Jakob Augstein befüllt wird, soll offenbar irgendwie Verve ins Blatt bringen.

Nun sind bekanntermaßen meinungsorientierte Darstellungsformen unter Journalisten deutlich beliebter als unter Lesern. Die Kommentarseite der Tageszeitung ist meist die erste, die überblättert wird, und die regelmäßigen Kommentare in den ARD-Tagesthemen stellen einen der Tiefpunkte des deutschen Fernsehens dar. Das Problem bei all diesen Schreibversuchen nämlich ist: Wer eine Glosse schreiben will, muss lustig sein. Schon den Streiflicht-Autoren der Süddeutschen Zeitung gelingt das oft nur leidlich. Und wer einen Kommentar verfassen will, muss eine Meinung haben. Auch das gälte es, zu überprüfen. Was den Spiegel da geritten hat, seinen Autoren jenseits des Markenkerns des Magazins, nämlich Nachrichten, das Feld für ihre Debattier-Übungen zu überlassen, bleibt umso fraglicher, wenn man sich die Kolumne von Jan Fleischhauer in dieser Woche ansieht.

Die Spalte trägt die Rubrikenüberschrift „Der Schwarze Kanal“. Schon das ist natürlich unerträglich. „Der Schwarze Kanal“ hieß eine agitatorische Sendung in der DDR von Karl-Eduard von Schnitzler, die wie keine zweite zeigte, dass ein Unrechtsstaat auch nur Unrechtsfernsehen kann. Will der Spiegel-Autor wirklich daran anschließen? Oder was will uns der Dichter sonst mit seinem Kolumnentitel sagen? Wird es vielleicht für Kollegen Fleischhauer erst spaßig, wenn bei anderen der Spaß aufhört?

Nun, mit etwas Nachdenken käme man hier vielleicht auf eine Antwort. Doch das mit dem Denken ist ja gerade das Problem. Um einen Kommentar zu schreiben, muss man eine Meinung haben. Der Autor des „Schwarzen Kanals“ hat aber keine. Ihm reicht es, die Vorurteile und ideologischen Verbrämtheiten des politischen Lagers, das er selbst wohl für das „schwarze“ hält, zu reproduzieren. Und das klingt dann beim Thema „Rente ab 63“ im Spiegel so:

„Wie man jetzt weiß, bewerben sich für die Nahles-Rente nicht Gerüstbauer und Eisenbieger, denen vor Erschöpfung die Zange aus der Hand fällt, sondern vor allem kerngesunde Facharbeiter, die noch locker ein paar Jahre im Job durchhalten würden“.

Jeder wirkliche „Schwarze“ würde sich schämen, einen solchen sprachlichen und inhaltlichen Nonsens von sich zu geben. Weder statistisch, noch medizinisch lassen sich Fleischhauers vermeintlich starke Worte belegen. Das will er auch gar nicht, denn in Wahrheit sind seine Ungereimtheiten ja ein Vorspiel nur für den eigentlichen Schlag in Manier des „schwarzen Kanal“. Tatsächlich will sich Jan Fleischhauer den präsumtiven „Schwarzen“ andienern, die auf einen solchen Schützenhelfer vermutlich lange gewartet haben, und richtet seine leeren Geschütze darum auf das schlimmstmögliche Übel, das die Republik zu bieten hat, nämlich die SPD:

„Die SPD ist stolz darauf, Arbeiterpartei zu sein. (…) Seit Längerem schon kümmert sich die Partei eher darum, wie man sich der Arbeit entzieht oder sie so gestaltet, dass sie nur ein Übergang zwischen Phasen der Freizeit ist“.

Frucht eifrigen Nachdenkens können solche Äußerungen schwerlich sein: Selbst im neoliberalsten Elysium eines Guido „spätrömische Dekadenz“-Westerwelle würden solch peinliche Floskeln nur mit Agenten-Tinte an die Höhlenwand gekritzelt. Unwillkürlich muss ich mir den Kollegen Jan Fleischhauer als einen fettgewordenen 50er Jahre-Parvenü vorstellen, der jeden Arbeitslosen für einen Faulenzer hält und mit dem Hähnchenschenkel in der Hand über nichtstuende Studenten und sozialschmarotzende Obdachlose schwadroniert, auch wenn das beigefügte Autorenbild für einen durchaus frugaleren Typus spricht. Aber Jan Fleischhauer sollte seine markigen Sätze mal den Arbeitslosen in den strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands oder im vom Strukturwandel gebeutelten NRW erklären. Und Jan Fleischhauer sollte das Ende bedenken, das im Strukturwandel des Printjournalismus bestehen und dem schwarzen Autor in Zukunft eine Menge Freizeit bescheren könnte. Das Ende seiner Kolumne übrigens ruft dann, weil ja auch sonst nichts Vernünftiges zur Verfügung steht, höhere Mächte an:

„Vielleicht sollte man sich in Zukunft wieder mehr am Heiligen Vater orientierten: Franziskus war 76 Jahre alt, als er sein Amt antrat“.

Ich unterrichte Journalistik an einer Kölner Hochschule. Ich bringe dort Studierenden bei, dass alle journalistischen Darstellungsformen faktenorientiert sind, auch die sogenannten meinungsbasierten. Das heißt, auch Kommentare, Kritiken oder Glossen müssen einen sachlichen Kern haben und sollten überprüfbar sein. Jan Fleischhauer vom Spiegel hat sich von dieser Regel weit entfernt. Diese Regel gilt übrigens auch nur bedingt für Blogs. Man könnte also durchaus in einem Blog schreiben, dass Herr Fleischhauer ein kotzreaktionärer Kretin sei, dessen zum Himmel stinkende Papsttümelei nur geistlicher Unrat wäre und dessen verluderte Sprachalmosen Übelkeit erzeugten. Allein, ich würde so etwas niemals tun.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel war, nach einem Wort seines Gründers Rudolf Augstein, mal „im Zweifel links“. An dem Image wurde von den Spiegel-Mitarbeitern über die Jahre schon heftig gekratzt. Erinnert sei nur an die widerwärtige „Das Boot ist voll“-Metaphorik unter der Überschrift „Ansturm der Armen“ in den 1990er Jahren. Spiegel-Autor Fleischhauer will aber noch einen anderen Beweis antreten: Nicht nur, dass der Spiegel zweifelsfrei nicht „links“ ist, sondern dass unreflektierte reaktionäre Positionen in dem Magazin mittlerweile einen Stammplatz haben. Fleischhauers Kolumne alteriert mit der des Augstein-Erben Jakob, der nach wie vor „im Zweifel links“ sein möchte. Jakob Augstein muss aber überlegen, ob er sich einen Heftteil wirklich mit diesem Autor teilen will. Denn wie sagte einst sinngemäß Hajo Friedrichs: Ein Journalist soll sich mit keiner Sache gemein machen, vor allem nicht mit der schlechten.

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Rote Flora: Verdeckte Ermittlerin bedroht Pressefreiheit

30 Nov
Rote Flora in Hamburg (Foto: Wikimedia)

Rote Flora in Hamburg (Foto: Wikimedia)

Eine verdeckte Ermittlerin der Hamburger Polizei hat jahrelang die Rote Flora, das Zentrum der autonomen Szene, unterwandert. Doch die Polizistin „saß dort nicht nur in Plenarsitzungen und pflegte Liebesbeziehungen“, wie die Süddeutsche Zeitung etwas poetisch formuliert, sondern sie wirkte auch undercover beim linken Radiosender „Freier Sender Kombinat“ mit. Die Deutsche Journalisten-Union (dju) in Ver.Di sieht darin einen schweren Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit.

Warum? Ist das nicht überzogen? Ist es wohl nicht. Im Grundgesetz heißt es: „Eine Zensur findet nicht statt“. Gemeint ist damit insbesondere die Vor-Zensur. Wer etwas in Wort, Schrift oder Bild in Deutschland veröffentlichen will, muss seine Publikation vorher nicht einer staatlichen Stelle vorlegen. Genau dies aber ist undercover in Hamburg geschehen: Eine Staatsvertreterin war bei Redaktionskonferenzen und Themensitzungen dabei und hatte also schon vor der Veröffentlichung Kenntnis und Einsicht in Veröffentlichungen und konnte darauf aktiv Einfluss nehmen. Auch in Zukunft können also Redaktionen in Deutschland sich nicht sicher sein, ob nicht im Vorfeld von Veröffentlichungen Polizei und Staatsschutz verdeckt und aktiv Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen nehmen. Dies ist keinesfalls hinnehmbar. Darum müssen im Fall der Roten Flora in Hamburg schnelle und weitreichende Konsequenzen gezogen und die Verantwortlichen zu eben genau dieser gezogen werden.

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„Cinema“: Interstellarer Fehltritt

11 Nov
Aktuelles Titelblatt von "Cinema"

Aktuelles Titelblatt von „Cinema“

Kann man eine Filmkritik schreiben, ohne den entsprechenden Film überhaupt gesehen zu haben? Geht nicht, auf keinen Fall, werden Leute sagen, die wahlweise etwas von Journalismus oder von Kino oder von beidem verstehen. Kann man einen Beitrag über einen Film, den man nicht gesehen hat, sogar auf das Titelblatt einer Zeitschrift nehmen, die sich mit nichts anderem als mit Kinofilmen beschäftigt? Keineswegs, niemals, ausgeschlossen: So werden alle Freundinnen und Freunde seriöser Berichterstattung und das treue Scherflein Cineastinnen und Cineasten rufen.

Doch, die Zeitschrift „Cinema“ kann!

„Wir lieben Filme“ steht als Claim über dem Titel der Burda-Zeitschrift. So sehr lieben sie sie aber wohl doch nicht, dass sie alle Filme ansehen, über die sie schreiben. Die aktuelle Ausgabe (11/14) macht mit dem Christopher Nolan-Streifen „Interstellar“ auf. Das Plakatmotiv des Films prangt auch auf der Titelseite des Hefts. Die Seiten 14 bis 30 des Magazins beschäftigen sich mit dem Film, der in der vergangenen Woche in den deutschen Kinos angelaufen ist. Dort liest man beispielsweise:

Der dreifache Batman-Regisseur Christopher Nolan beschreibt in seinem neuen Film eine dramatische Aufbruchsutopie mit gegenwärtigen Bezügen.

Man fragt sich, woher die Redaktion das weiß. Denn im Kleingedruckten unter „Fazit“ ist zu lesen:

Der Film wurde vorab nicht gezeigt. Lesen Sie unsere Kritik zum Kinostart auf www.cinema.de

Nicht schlecht: 16 Seiten füllt die Cinema-Redaktion also (inkl. Werbung) mit Informationen über einen Film, den sie nicht kennt! Da müssen die Autorinnen und Autoren dieser Redaktion entweder sehr erfindungsreich sein und dem Science-fiction-Film aus Hollywood noch ein bisschen journalism-fiction aus Hamburg, wo die Redaktion sitzt, anfügen. Oder sie übernehmen einfach mal die PR-Texte der Agenturen, die sich um die internationale Vermarktung von „Interstellar“ kümmern.

Und ungefähr so liest sich auch der Beitrag. „Dieser Film ist das bislang ehrgeizigste Projekt von Christopher Nolan“, lässt man den Hauptdarsteller Matthew McConaughley sagen. Hat man mit dem Schauspieler selbst gesprochen? Unwahrscheinlich. Denn dann hätte man doch wohl das Ganze als Interview ins Blatt gerückt, um noch mehr Seiten zu schinden. So wie man es mit einem Interview mit dem Regisseur Nolan gemacht hat. Dieses Interview führte übrigens Scott Orlin. Der US-Amerikaner ist freier Korrespondent und arbeitet allein in Deutschland neben Cinema auch für TV Spielfilm, Pro7 und eine Reihe weiterer Medien, wie man im Internet erfahren kann. Ein exklusives Interview sieht anders aus. Und es stellt auch andere Fragen, und nicht solche, wie Scott Orlin es für „Europas größte Filmzeitschrift“ tut. Orlin erkundigt sich etwa bei Nolan: „Gibt es Filme, die Sie sich vor dem ‚Interstellar‘-Dreh noch einmal genau angesehen haben, um daraus Inspirationen zu beziehen?“ Kritisch geht anders.

Da mutet es schon fast wie postmoderne Ironie an, wenn die Cinema-Redaktion statt einer Bewertung eine „Prognose“ über die Qualität des Films abgibt: Vier von fünf Punkten für einen Film, den man nicht kennt!

Ausschnitt aus aktuellem Cinema-Heft

Ausschnitt aus aktuellem Cinema-Heft

Vielleicht werde ich mir den Film demnächst mal ansehen. Die Zeitschrift „Cinema“ werde ich mir in nächster Zeit wohl nicht mehr zulegen.

 

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Fehlender Verstand: „Sexy Selfies“ auf bild.de

30 Okt
Screenshot bild.de

Screenshot bild.de

Die Redaktion von bild.de ruft in ihrer Fotocommunity 1414 dazu auf, „sexy selfies“ von sich hochzuladen. Und das mit einer durchaus paradoxen Aufgabenstellung – O-Ton:

Du bist eine absolute Schnappschuss-Queen oder Frauenschwarm und inszenierst dich am liebsten selbst? Dann zeige uns deine Schokoladenseite und schieße uns ein Bett-Selfie, Bikini-Selfie oder Dusch-Selfie – Hauptsache sexy! Ganz wichtig ist übrigens das richtige Posieren: Brust raus, Po raus, Bauch rein und als Mann die Muskeln anspannen. Zeigt ruhig etwas Haut, aber achtet darauf, nicht zu viel zu zeigen

Den zwei Gewinnern, die von einer „Jury“ ermittelt werden, winken sage und schreibe 100,- Euro für die Selbstentblößung. Der Medien-Branchendienst turi2 urteilt, das Ergebnis lasse „am Verstand der Menschheit zweifeln“.

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Wundersame Welt der Werbung

28 Okt

Seltsame Werbung: Die Deutsche Bahn brüstet sich auf einem überdimensionalen Plakat im Kölner Hauptbahnhof damit, dass ihre Fahrgäste häufiger den Anschluss verpassen. Worin soll hier eigentlich der Werbeeffekt bestehen: Mitleid? Und warum ist ein weiblicher FC-Fan mit Fan-Schal abgebildet? Weil die Deutsche Bahn der Meinung ist, dass auch beim 1. FC Köln schon alles zu spät ist? Oder dass bahnfahrende Fußballfans sich warm anziehen müssen? Rätsel über Rätsel.

Bahnanschluss

Wie Werbung richtig geht, zeigt der schwedische Möbelbauer IKEA im Kölner Boulevardblatt Express:

Express_Ikea

Oder handelt es sich hier womöglich gar nicht um Werbung, sondern um einen redaktionellen Beitrag? Oh, wundersame Welt der öffentlichen Kommunikation.

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WDR: Stumpf in der Flugverbotzone

10 Okt

Liebe LeserInnen, liebe MitdiskutiererInnen, liebe Mitleidende!

Ich habe mich nach langem Nachdenken, vielen Gesprächen und einer für meine Verhältnisse unfassbar großen Zahl an Emails, die ich zu diesem Thema erhalten habe, entschlossen, den Blogeintrag zur Auseinandersetzung um eine ARD-„Story“ von Tim van Beveren und zu seinem Streit mit dem veranstaltenden Sender WDR und einiger seiner festangestellten Redakteure hier herunterzunehmen. Wer die Hintergründe dieser Auseinandersetzung nachlesen will, wird in diesem taz-Artikel und dieser Darstellung des Mediendienstes dwdl.de fündig. Es liegt dazu auch eine Darstellung des WDR vor. Die neueren Entwicklungen lassen sich auch in diesem dwdl-Artikel nachlesen.

Meine Entscheidung hat zwei Hintergründe: Der eine ist eine Abmahnung und die Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung durch die Anwaltskanzlei von Dr. Roman Stumpf, einem der in die Geschichte verwickelten WDR-Redakteure. Ich kann dem Folge leisten, weil es mir nicht darum ging, eine einzelne Person womöglich zu „pathologisieren“ (was mir fachlich nicht zusteht, wie ich auch explizit geschrieben habe), sondern darum aufzuzeigen, dass der WDR sich zu einem System entwickelt hat, dass in seiner Grundanlage „krank“ ist. In einem solchen System sind alle, die sich darin befinden, „Opfer“, auch wenn sie womöglich auf der anderen Seite als festangestellte Redakteure „Täter“ sind, die eine Mitverantwortung dafür tragen, wie das System konkret ausgestaltet ist. Das nennt man dann wohl Dialektik. Die „freien“ MitarbeiterInnen des WDR, die mehr als 90 % des Programms herstellen, sind in diesem System immer das schwächste Glied, obwohl sie die größte Last des Programmauftrags tragen müssen. Dass der WDR als öffentliche Anstalt, die mit öffentlichem  Geld finanziert wird (und das sind jährlich Milliardenbeträge), einer besonderen öffentlichen Kontrolle und Kritik unterzogen werden darf und muss, scheint mir auf der Hand zu liegen.

Der andere Grund ist, dass dies hier nicht meine Geschichte ist, sondern die des Kollegen Tim van Beveren. Hier ein neues Fass aufzumachen, scheint mir durchaus unangebracht und auch kontraproduktiv. Zumal die Geschichte jetzt ohnehin die juristische Dimension erreicht hat und keinen Nebenkriegsschauplatz mehr braucht. Tim van Beveren gehört dabei meine volle Solidarität, weil ich nur zu gut nachfühlen kann, was ihm widerfahren ist. Mir ist Ähnliches in mehr als einem Fall im WDR und mit seinen festangestellten RedakteurInnen geschehen. Und ich werde auch in Zukunft allen, die davon nichts hören wollen, weiter erzählen.

Der WDR hat, wie alle öffentlich-rechtlichen Sender, einen gesetzlichen Programmauftrag. Wer mit seinen eigenen Programmmachern so umspringt, entzieht sich selbst die Existenzberechtigung. Das wäre schade: nicht um Stumpf und seinen Sender, aber um all die exzellenten AutorInnen und JournalistInnen, die einfach nur ihre Arbeit machen wollen. Ein öffentliches Programm in der Hand der Programmmacher, das wäre eine ganz große Sache. Der WDR ist davon weit entfernt.

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Besser männlich, einsilbig und nicht aus Deutschland

10 Okt

Wer es mit einer Neuerscheinung auf eine Bestsellerliste bringen möchte, sollte als Autor männlichen Geschlechts sein, er  besser nicht aus Deutschland kommen und seinem Werk einen Titel geben, der aus höchstens drei Wörtern besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine statistische Auswertung von Bestsellerlisten der vergangenen fünfzehn Jahre, die Prof. Dr. Hektor Haarkötter im Rahmen eines literatur- und medienwissenschaftlichen Forschungsprojekts an der Universität Stuttgart durchgeführt hat. Untersucht wurden Belletristikbestsellerlisten des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL zwischen 2003 und 2012 sowie die Top-100-Bestsellerlisten aus dem „Amazon Bestseller-Archiv“ zwischen 1998 und 2013. Die Bestseller-Liste des SPIEGEL enthält die zwanzig meistverkauften Buchtitel, wie sie das Fachmagazin BUCHREPORT durch elektronische Abfrage der Warenwirtschaftssysteme von über 500 ausgewählten Buchhändlern ermittelt. Die Amazon-Bestenliste basiert auf den Verkaufszahlen des Onlinehändlers. Hier wurden zusätzlich die Kundenbewertungen miterhoben, um Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweit die Bewertungen anderer Leser zu Kaufentscheidungen führen können. Die Amazonliste unterscheidet, anders als der SPIEGEL, nicht nach Belletristik und Sachbuch. Insgesamt wurden über 3.600 Positionen in 19 Kategorien ausgewertet. Neben Titel und Untertitel wurde unter anderem nach Namen und Herkunft des Autors, eventueller Doppelautorschaft, Buchpreis, Verlag, Seitenzahl und Sprache gefragt. Nach dieser Erhebung wurden im Untersuchungszeitraum von den 20 meistverkauften Büchern mehr als sechzig Prozent von Männern verfasst und nur 39 Prozent von Frauen. Doppelautorenschaften spielen bei Bestsellern keine Rolle. Ein Blick auf die Top 100-Liste verschärft dieses Bild sogar noch. Danach gab es Jahre, in denen es nur 18 Prozent der von Frauen verfassten Titel auf die Bestenliste geschafft haben.

Deutsche Bestseller-Autoren? Eine Minderheit

Auch was die Nationalität der Bestsellerautoren angeht, ist das statistische Bild eindeutig: Von den 3.141 Autoren, die es im Untersuchungszeitraum unter die zwanzig meistverkauften Bücher geschafft haben, kamen nur 29 Prozent aus Deutschland. In der Top 100-Liste hielten sogar nur 27 Prozent deutsche Autoren Einzug. Den Löwenanteil machten englischsprachige Autoren mit 43 Prozent. Dabei stammten 29 Prozent der Bestsellerautoren auf dem deutschen Buchmarkt aus den USA und 14 Prozent aus Großbritannien. Wie sollte der Titel eines Bestsellers beschaffen sein? Statistisch wäre zu raten, einen Titel zu wählen, der aus maximal drei Wörtern besteht. 57 Prozent der Titel, die es unter die besten Drei geschafft haben, zählten bis zu höchstens drei Wörtern, zum Beispiel „Bis(s) zur Mittagsstunde“, „Tausend strahlende Sonnen“ oder „Neue Vahr Süd“. Ein-Wort-Titel nehmen dabei auch insgesamt den ersten Platz ein, mehr als ein Viertel aller Bestseller hat Titel, die nur aus einem Wort bestehen, zum Beispiel „Verachtung“, „Schoßgebete“ oder „Tintenherz“. An zweiter Position finden sich Zwei-Wort-Titel wie „Der Anschlag“ oder „Der Schwarm“. Titel mit neun Wörtern wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ sind auf der Bestsellerliste die große Ausnahme.

Transmediale Wirkung

Der Preis scheint bei der Platzierung auf der Bestsellerliste für die Käufer durchaus eine Rolle zu spielen. Umgekehrt scheinen die Verlage die Platzierung nicht nutzen zu können, um die Preise in ihrem Interesse nach oben verändern zu können. Der Durchschnittspreis der Top 100-Bücher liegt bei 13,40 Euro und hat sich in 15 Jahren nur um 1,22 Euro erhöht. Insgesamt haben Büchern im unteren bis mittleren Preisbereich den größten Anteil in allen Jahrgängen. Bücher auf Listenplatz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste weisen sogar im Durchschnitt den niedrigsten Preis aller Bestseller auf.
Die Kaufentscheidung für ein bestimmtes Buch hängt selbstredend nicht ausschließlich von Autor oder Titel ab. Was die Statistik aber untermauert, sind anderweitige Annahmen über die Buchmarktentwicklung, denenzufolge dieser Markt sich einerseits ständig weiter internationalisiert und andererseits in starkem Maße transmedial inszeniert wird. Die Internationalisierung wird durch den hohen Anteil nichtdeutscher Autoren und Titel auf den deutschen Bestsellerlisten belegt. Die Transmedialisierung zeigt sich auch in dem hohen Anteil von Titeln, die gleichzeitig durch Film- oder Gaming-Auswertungen Marktpräsenz aufweisen. So sind die am häufigsten in den Bestseller-Titeln der vergangenen Jahre vorkommenden Hauptwörter „Potter“, „Panem“ und „Tribute“.
Bestsellerforschung ist ein in der Literaturwissenschaft nach wie vor unterentwickeltes Arbeitsfeld, was einerseits methodische Gründe und andererseits auch mit gewissen kulturellen Vorurteilen gegenüber der „Ware“ Buch zu tun hat. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ging man davon aus, dass vor allem die literarische „Qualität“ für Kaufentscheidungen ausschlaggebend ist. Es war der der Frankfurter Schule nahestehende Soziologe Siegfried Kracauer, der in den 1920er Jahren darauf hinwies, dass der Buchverkauf mehr mit den sozialen Verhältnissen der Leser als mit dem Inhalt eines Werkes zu tun haben könnte. Die SPIEGEL-Bestsellerliste gibt es erst seit 1961. Seit unter dem Schlagwort „Digital Humanities“ auch in den Geisteswissenschaften vermehrt quantitative Methoden zum Einsatz kommen, werden auch Bestseller zum Forschungsobjekt der Literaturwissenschaft, die sich auf diese Weise zur Kommunikations- und Medienwissenschaft hin öffnet.

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Red Bull verleiht doch keine Flügel

09 Okt
Foto: Adrian Michael/Wikimedia

Foto: Adrian Michael/Wikimedia

Werbung ist der Bereich medialer Hervorbringung, bei der die Kluft zwischen hohem marktschreierischem Gestus einerseits und niedrigen Ansprüchen an Wahrheit und Wahrhaftigkeit andererseits besonders weit auseinanderklafft. Ein besonders (vor-)lautes Unternehmen bekam jetzt einen erheblichen Dämpfer: Der österreichische Brause-Hersteller Red Bull muss in den US 13 Millionen Dollar Entschädigung zahlen, weil sein süßes Getränk, anders als die Werbung behauptet, doch keine Flügel verleiht. Auf stern.de ist dazu zu lesen, ein US-Konsument habe

seit 2002 regelmäßig den Energy-Drink konsumiert, aber keinen Effekt an sich feststellen können. Red Bull wirbt durch „verleiht Flügel“ mit der leistungssteigernden Wirkung seines Drinks. Die einzelne Klage des Mannes fand schnell Mitstreiter. Der Rechtsstreit drohte zu einer Massenklage zu werden. Im Juli gab das österreichische Unternehmen klein bei und einigte sich mit den enttäuschten Kunden.

Für die Fa. Red Bull ist es gerade keine gute Zeit Eine sehr kritische TV-Dokumentation der ARD hat vor kurzem den Umgang mit Hochrisikosportlern als Werbeträgern kritisch ins Visier genommen. Und Red Bull-Ikone und Formel 1-Weltmeister Sebastian Vettel will den gleichnamigen Rennstall Richtung Ferrari verlassen. Flügellahm könnte man das nennen. Da hilft auch keine Brause.

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Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter