Er schrieb, philosophierte und spekulierte nicht nur über Medien, er war auch selbst in einem fast altertümlichen Sinne ein Medium, ein spiritistisches nämlich: Der Medienwissenschaftler Friedrich Kittler ist im Alter von 68 Jahren gestorben. In der deutschen Wissenschaftsszene war er ein Unikum, vielleicht sogar ein “Genie”, wenn dieser Begriff nicht gerade kürzlich erst in Verruf geraten wäre. Der Einschätzung der Wochenzeitung “Die Zeit” ist wenig hinzuzufügen:
In der deutschen Geisteslandschaft gab es einen Namen, der wie kein zweiter sich eignete, geraunt statt einfach dahingesprochen zu werden: Friedrich Kittler. Der Literaturwissenschaftler und Medientheoretiker war der Prototyp des Professors, den die Fachwissenschaft fürchtet und verfolgt, das große Publikum aber umso mehr liebt. Leichtfüßig überschritt er die Grenzen seines Faches und breitete dabei ein stupendes Wissen aus, das über die Antike, die Musik, Mathematik, Literatur bis hin zu konkreten Gegenständen wie E-Gitarren, Plattenrillen, Projektoren und Papier reichte.
Ich selbst habe Friedrich Kittler bei einer Tagung im Münchner Gasteig im Jahr 1992 kennen- und schätzen gelernt. Ich habe mir damals bei der Gelegenheit seine zwei hauptsächlichen Schriften gekauft und halte sie in meiner Bibliothek bis heute in Ehren, nämlich die “Aufschreibesysteme” und “Grammophon Film Typewriter”. Dass ich heute selbst als Medienwissenschaftler tätig bin, hat nicht wenig mit dieser Begegnung und der Lektüre zu tun. Seltsame Koinzidenzen: Mein eigener Doktorvater, Horst Turk, war zusammen mit Kittler Assistent an der Uni Freiburg. Zusammen haben sie 1977 den einflussreichen Aufsatzband “Urszenen. Literaturwissenschaft und Diskursanalyse” herausgegeben (der eigentümlicherweise in der Literaturliste seines Wikipedia-Eintrags fehlt). Wie kaum jemand anderes hat Friedrich Kittler es geschafft, Medienapologet und Medienkritiker gleichzeitig zu sein.
Wenn das Ripl’sche Gesetz womöglich doch stimmt, wonach Medien nicht sterben, sondern sich lediglich komplementär ergänzen, dann wird auch das Medium Kittler uns nicht verlassen haben. Vielleicht hat es einfach andere Aufgaben übernommen. Was könnte man ihm wohl hinterherrufen? Womöglich dieses: “So Long, and Thanks For All the Fish!”
Zum Tod Friedrich Kittlers: Medien sind die Kinder des Krieges | Kultur | ZEIT ONLINE