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Abgefahren: Schleichwerbung in Express-Tempo


06 Nov

Schleichwerbung muss gar nicht im Schneckentempo daher kommen. Sie kann auch richtig PS-stark sein. Das beweist in der aktuellen Auto-Beilage das Kölner Boulevardblatt Express. Dass man es mit Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung nicht immer so genau nimmt, ist ja ein Kennzeichen gerade der regionalen Presse: Kopplungsgeschäfte, bei denen ein redaktioneller Beitrag daran geknüpft ist, dass gleichzeitig eine Anzeige geschaltet wird, ist ein typisches Verfahren. Aber so peinlich offensichtlich, dass man den „gekauften“ Artikel und die gekaufte Anzeige direkt nebeneinander auf eine Seite stellt, wird es doch wohl kein Zeitungsmacher sich erlauben, oder?

Doch, der Kölner Express erlaubt sich diese Peinlichkeit. Da wird ein Artikel über den neuen „Seat Leon“ auf der gleichen Seite direkt unter dem redaktionellen Beitrag lanciert:

Express_auto01

Man kennt es ja aus der Welt der Möchtegern-Promis: Wenn die Schamgrenzen erst gefallen sind, ist kein Halten mehr. Und so ist es auch bei den Möchtegern-Autojournalisten des Kölner Express. Wenn das Kopplungsgeschäft mit den Kupplungsfahrzeugen schon so gut funktioniert, möchte man doch herauskitzeln, wie weit man das bigotte Spiel treiben kann. Kann man womöglich sogar zwei „gekaufte“ Artikel mit gar zwei gekoppelten Anzeigen gleichzeitig auf ein und derselben Seite bringen?

Nein. Das erlaubt sich wirklich keiner. Und so dreist wird auch der Kölner Express nicht sein, wenn er nicht auf der Überholspur seine journalistische Glaubwürdigkeit verlieren will. Doch, so dreist ist er. „Opel Corsa“-Beitrag mit der Corsa-Werbung und „Kia cee’d“-Artikel mit der entsprechenden Kia-Werbung auf dem einen Blatt, das man beim Express nicht mehr vor den Mund nehmen will:

Express_auto03

Ach, da kracht der journalistische Anspruch vollends gegen die Wand, im Express-Tempo. Da kann man doch auch gleich eine ganze Zeitungsseite wie aus dem IKEA-Katalog daherkommen lassen…

Express_Ikea

 

Bekenntnisse: So funktioniert Sensationsjournalismus


29 Jun

Wer Einblicke in die Welt des Sensationsjournalismus gewinnen und einen echten Paparazzo im O-Ton vernehmen möchte, der kann auf der „Eines Tages“-Seite von Spiegel Online die Bekenntnisse des ehemaligen Quick-Fotografen Hanno Krusken studieren. Und die beginnen direkt mit einem freimütigen Geständnis:

Der Job eines Pressefotografen ist dem einer Prostituierten ziemlich ähnlich. Jeder der kommt und bezahlt, wird bedient. Und gerade wenn man als Fotograf versucht, im Journalismus Fuß zu fassen, macht man fast alles. (…) Der Job eines Fotoreporters war noch echtes Handwerk. Und dazu gehörte auch, im Dreck zu wühlen.

Krusken erzählt, dem Erzählgestus seines ehemaligen Auftrag- und Arbeitgebers offensichtlich nach wie vor verbunden, allerhand Räuberpistolen: Wie er die Eltern eines angeblichen „Wolfsjungen“ zu Fotos überredete („…brachte die beiden, wie von der Redaktion geheißen, in ein Hotel, um sie dem Zugriff anderer Journalistenkollegen zu entziehen“); wie er Luftaufnahmen vom Gladbecker Geiseldrama machte und damit die Polizeitaktik verriet; oder wie er, freimütig seine kriminelle Energie gestehend, illegal Kameras in einen Gerichtssaal schleuste:

Bei einer Sicherheitsfirma kaufte ich eine sogenannte Feuerzeugkamera. Die wollte ich durch die Kontrolle schmuggeln. Alternativ hatte ich mehrere Einwegkameras besorgt. Am Tag vor der Verhandlung, als der Gerichtssaal leer fotografiert werden durfte, heftete ich sie mit Doppelklebeband unter verschiedene Sitze, auf denen dann meine Textkollegen Platz nehmen sollten.
Tatsächlich kam ich tags darauf aber problemlos mit einer Zigarettenschachtel und dem falschen Feuerzeug in der Brusttasche durch die Sicherheitsschleuse. Während einer Verhandlungspause, in der die Angeklagten im Gerichtssaal bleiben durften, schnippte ich mehrmals im Vorbeigehen, so als könnte ich es nicht erwarten, mir eine Zigarette anzuzünden.

 Auch die Kommentarseiten zu dem Artikel sind aufschlussreich. So schreibt ein Holger Kreymeier:

Als ehemaliger Redakteur beim Boulevard-Fernsehen kann ich das Geschriebene nur bestätigen – menschliche Schicksale werden wir eine Beute betrachtet, die man früher als andere einfangen muss. Und wenn die Story nicht so aufregend ist, dann erfindet man einfach was dazu. So hat man damals gearbeitet – und so arbeitet man heute. Die Protagonisten und deren Probleme sind nur so lange interessant bis man seine Story im Kasten hat.

Und eine Claudia Freistein kommentiert lakonisch:

Einfach nur ekelhaft – wie kann man sich nur zu so einem Job hingeben? Sein Tun mit der Arbeit von Prostituierten zu vergleichen ist eine Beleidigung von Prostituierten.

Dass der Spiegel vom dargestellten Sensationsjournalismus nicht immer ganz meilenweit entfernt ist, zeigt nicht nur der sensationalistische Ton des Beitrags selbst („Geiselnehmer, Wolfsjungen, Mordopfer – Fotograf Hanno Krusken besorgte für „Quick“ die Bilder, die andere nicht hatten“). Auch, was Spiegel Online unter „verwandte Themen“ aufführt, macht deutlich, womit hier die Klickzahlen des eigenen Internetangebots in die Höhe getrieben werden sollen:

Screenshot: Spiegel Online

Huren und Helden, Blut und Sex, Busen und Pos: Das scheint auch für den Spiegel nicht nur zum Grenzbereich des Journalismus zu gehören. Triebhaftigkeit als Treibmittel für Klickzahlen — da spiegelt der Spiegel exakt das Thema, das Fotograf Krusken zuvor präludiert hat. „The medium is the message“, würde Marshall McLuhan da sagen.

Walter Benjamin: Von der Information zur Sensation


15 Jun

In seinem Aufsatz „Über einige Motive bei Baudelaire“ bietet der Kulturphilosoph Walter Benjamin in einem einzigen Satz eine komplette Geschichte des Journalismus:

Historisch besteht eine Konkurrenz zwischen den verschiedenen Formen der Mitteilung. In der Ablösung der älteren Relation durch die Information, der Information durch die Sensation spiegelt sich die zunehmende Verkümmerung der Erfahrung wider.

Benjamin skizziert hier den Journalismus vor allem des 19. Jahrhunderts, denn mit dem kennt er sich am besten aus. Sein berühmt-berüchtigtes „Passagenwerk“, seine Arbeiten zu Baudelaire, seine „Berliner Kindheit um 1900“: Alles Arbeiten, die seine Verwurzelung und seine Herkunft aus und im 19. Jahrhundert repräsentieren. Auch die zitierte Charakteristik in seinem Baudelaire-Aufsatz bezieht sich vornehmlich auf die französische Presselandschaft des vorvergangenen Jahrhunderts. Dennoch ist seine „Kurz“-Geschichte des Journalismus so aktuell wie furios: „Relation“ nannten sich die ersten periodisch erscheinenden Blätter anfangs des 17. Jahrhunderts, der Geburtsstunde des europäischen Pressewesens. Der Journalismus, der hier entstand, war aber noch kein informationsorientierter, sondern ein korrespondentenorientierter, der publizierte, was eben kam. Und das ware viel Buntes, wenig Überprüfbares, selten Relevantes. Erst der „literarische“ und „wissenschaftliche“ Journalismus des, aufgeklärten, 18. Jahrhunderts (gemäß jener, wiederum umstrittenen, historischen Einteilung von Baumert aus dem Jahr 1928) brachte publizistische Standards, die aus der „Relation“ eben „Information“ machte. Die technologische Entwicklung im frühen 19. Jahrhunderts, mit der Erfindung der Dampfschnellpresse und vor allem der Rotationsmaschine, machte Auflagen möglich, die eine Orientierung am Massengeschmack ihrerseits erst (wirtschaftlich) sinnfällig erscheinen ließen: die Information wird zur Sensation, der Sensationalismus wird geboren. Dass wir diesen Typus von popular paper bis heute auch mit seiner französischen Bezeichnung als Boulevardpresse bezeichnen, kommt nicht von ungefähr. Benjamin hebt aber noch auf etwas Anderes ab: Ihm geht es darum, wie Erfahrungen, ganz alltägliche Erfahrungen medial gespiegelt werden. Dabei setzt er sich insbesondere mit der, zu jener Zeit sehr aktuellen, „Lebensphilosophie“ auseinander, so allerdings, dass er sie beinahe in die Nähe des Faschismus rückt:

Man pflegt diese Vorstöße unter dem Begriff des Lebensphilosophie zu rubrizieren. Sie gingen begreiflicherweise nicht vom Dasein des Menschen in der Gesellschaft aus. Sie beriefen sich auf die Dichtung, lieber auf die Natur und zuletzt vorzugsweise auf das mythische Zeitalter. Diltheys Werk „Das Erlebnis und die Dichtung“ ist eines der frühesten in der Reihe; sie endet mit klages und mit Jung, der sich dem Faschismus verschrieben hat.

Benjamin hält dem den „echten“ Erzähler“ und seinen ganz eigenen Literaturbegriff entgegen, geschult an Bergsons Theorie der Erfahrung und an Marcel Prousts monumentalen Romanwerk „A la recherche du temps perdu“. Vielleicht ist aber Benjamins Diskreditierung der Lebensphilosophie, die er noch vor der eigenen Erfahrung des Nazi-Terrors formulierte, auch überzogen. Immerhin geht die „Lebensphilosophie“ genannte Denkschule auf keinen geringeren als Johann Wolfgang Goethe zurück …

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, Und grün des Lebens goldner Baum (Faust I, Studierzimmer)

… und hat mit Friedrich Nietzsche einen Ahnherrn, den auch die Vertreter der Frankfurter Schule, zu denen Benjamin im weiteren Kreis zu zählen ist, gerne bemühten. Und die Grundfrage, die sich in der heutigen Mediengesellschaft so dringlich stellt, wie Jahrzehnte zuvor: Müssen wir angesichts einer ausschließlich medialen Repräsentation von Wirklichkeit (Luhmann) nicht das Leben von den Medien zurückerobern? Müssen wir nicht das Leben gegen die Medien ausspielen? Brauchen wir nicht statt einer Medienphilosophie in der Tat eine neue Lebensphilosophie?

Guck mal, wer da fotografiert


17 Mai

Die Filmfestspiele in Cannes sind für alle Kamerakünstler ein Hochfest im Kulturjahr. Die Boulevardpresse dagegen stürzt sich eher auf die unvermeidlich so genannten „Stars und Sternchen“, die an der Cote d’Azur auflaufen. Wenn beide aufeinanderstoßen, Kameraleute und Filmstars, kann es schon mal kurzzeitig zu Verwirrungen kommen, wie dieses Bild zeigt, dass heute in der Münchner „tz“ zu sehen war:

Wer fotografiert hier eigentlich, wenn alle Kameramänner und Fotografen hinter dem Objekt der Begierde stehen?

Bild: Wenn der Fotograf im Bilde ist


28 Apr

Die Zeitung heißt ja nicht nur Bild, sie hat auch viele Bilder. Eines in der Ausgabe vom 13.April zeigt die Reporterin und ihren Fotografen nebst seiner Fotokamera vor der Ruine von Tschernobyl:

Preisfrage: Wie konnte der Fotograf ein Foto machen, wenn er (mit Kamera!) selbst im Bild steht? Die Antwort weiß wohl nur „Bild“.

Bild wieder mal auf Penis-Niveau


26 Sep

Dass die Bildzeitung ein penibles Blatt sei, lässt sich vor allem mit der Bevorzugung Penis-naher Themen begründen. Und dass nicht erst, seit die alternative (?) tageszeitung (taz) den Penis von Chefredakteur Kai Diekmann zum Thema und damit auch gerichtskundig gemacht hat. Jeder Vorwand, und sei er noch so nichtig oder niedrig, wird genutzt, um Geschlechtsteile jedweder Couleur zum Thema zu machen. Selbst als “Verriss” oder moralinsaure Gardinenpredigt getarnt, schafft es das Blatt, den Penis fröhliche Urständ’ feiern zu lassen. Die Rede ist hier von der heutigen Ausgabe der “Bild am Sonntag” (BamS), deren sonntäglicher Tiefsinn so tief geht, dass er bis in die Unterhosenregion reicht. Man nimmt die samstägliche Ausgabe der RTL-Fernsehsendung “Supertalent” zum Anlass, sich betroffenheitstriefend und schamtrunken über “Penis-Malerei und Busen-Karate” zu echauffieren und fragt so scheinheilig, wie die meisten Heiligen eben einmal sind:

“- wie tief geht’s noch, RTL? (…) Willkommen im tiefen Tal des Trash-Fernsehens!”

Was sich da zum Sittenrichter aufspielt, ist das Trash-Medium par excellence, und gerade die “Bild am Sonntag”, nota bene, jenes Blatt, das seinen Relaunch vor vier Jahren mit dem Slogan “mehr Bums in BamS” garnierte.

Die Bildzeitung als “moralische Instanz”?

Ist die Bildzeitung eine moralische Instanz? Selbstverständlich ist sie das, ebenso wie das pornographische Werk des Marquis de Sade oder der Autor von Mein Kampf moralische Instanzen sind. Sie alle sind in ihrer moralischen Aussage ungeheuerlich, nämlich ungeheuerlich banal. Das meint der französische Soziologe Pierre Bordieu, wenn er vom „Moralingehalt“ schreibt und Journalisten zu „Verkündern einer typisch kleinbürgerlichen Moral“ ernennt. Und der Mainzer Publizistikprofessor Hans Mathias Kepplinger stellt fest: „Die Bildzeitung ist eine der wichtigsten Quellen für moralische Urteile in der Bevölkerung“. Die Moral, die hier vertreten wird, ist die des schlecht informierten hinterwäldlerischen spießbürgerlichen Zeitgenossen, sprich: des ganz gewöhnlichen Deutschen im 21. Jahrhundert. Geschätzte 12 Millionen Menschen lesen täglich in der Bildzeitung. Man kann sie nicht alle exkulpieren und mit dem angeblich guten Sportteil herausreden. Sie haben die Bildzeitung zu dem gemacht, was sie ist, nämlich dem mächtigsten und einflussreichsten Blatt der Republik, das sich unwidersprochen „Meinungsführerschaft“ auf die Brüste schreiben darf. Bundeskanzler des rechten wie des linken Lagers haben ihre Regierungssprecher aus den Reihen der Bild-Redaktion bestellt. Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte, ohne rot zu werden, er benötige zum Regieren nur „Bild, Bams und Glotze“. Hier wird Politik vom eigenen Spitzenpersonal zwischen Schlagzeilen wie „Kniete sie vor ihm nieder und befriedigte ihn?“ und Anzeigentexten wie „Bin ich eine Schlampe weil ich immer heiß bin?“ in die Gosse gezogen. Dankenswert offen gesteht der abgewählte Bundeskanzler ein, dass dieses Land mit Sexualneid, Erpressung, Mordlust und anderen niederen Instinkten regiert wird.

Einer solchen “moralischen Instanz” ist jeder Penis recht, um das große Untenrum der gerühmten Mitte der Gesellschaft anzusprechen. Und was dem Fernsehsender RTL hier moralsüffig angekreidet wird, tut man doch andererseits gerne selbst im eigenen Web TV, nämlich mit dem Schwanz wedeln:

Bild-Video: „Supertalent“-Kandidat Tim Patch kann mit seinem Penis pinseln – Unterhaltung – Bild.de

Es gibt vielleicht kein Blatt auf der Welt, in dem der Penis so sehr der verlängerte Arm der eigenen Chefredaktion ist, wie die Bildzeitungbild_penis. Keine Behauptung ist zu bescheuert, keine Schlagzeile zu hirnverbrannt, um nicht penibel auf seine Penistauglichkeit hin gemustert zu werden. Man muss schon tief im Genitalen beheimatet sein, um etwa auf eine Überschrift zu kommen wie: “Erstes Tor mit Penis geschossen”.

Besserung oder doch wenigstens Linderung ist hier nicht in Sicht: Wer einmal moralisch so verrottet ist wie dieses Leidmedium der vielzitierten “Mitte”, der ist auch mit brachialen Kunstgriffen nicht mehr auf ein Niveau zu heben, dass er einer eventuell moralisch etwas weniger korrumpierten Bevölkerungsminderheit erträglich erschiene. Es bleibt nur jene Aufforderung, die man gerade der Sonntags-Ausgabe dieses Blattes, also der Bums-BamS, zurufen möchte: Schwanz ab zum Gebet!

Constanze Rick: Die Dame mit Unterleib


03 Aug

Foto: VOX/Bernd-Michael Maurer/glamtouch Damen ohne Unterleib waren eine Zeitlang in Zirkusshows eine Volksbelustigung, wobei zu fragen wäre, ob eine Dame, die des Unterleibs und damit wesentlicher Geschlechtsmerkmale entbehrt, überhaupt als Dame bezeichnet werden darf. Constanze Rick ist selbsterklärtermaßen Fernsehmoderatorin. Einen Unterleib hat sie, aber obenrum scheint etwas zu fehlen.

Charmant und augenzwinkernd berichtet Constanze Rick über die Neuigkeiten der Promi-Welt immer montags bis freitags sowie sonntags bei VOX.

Sie muss auch einen Unterleib haben, wie sollte sie sonst in der Sendung „prominent!“ über all die Unterleibs- und Magensthemen berichten, die ihr offensichtlich so wenig Unterleibsschmerzen machen? Aber oben! Was ist oben mit ihr los? Die Frau ist eine Moderatorin, die nicht moderiert. Denn sprechen, ja sprechen darf Constanze Rick nicht, wie auch Medienblogger Stefan Niggemeier schon vor Zeiten festgestellt hat:

Hätte Miss Piggy eine Rubrik gehabt, in der sie von ihren Begegnungen mit den anderen Reichen und Schönen berichtete, sie hätte sie genau so inszeniert: Sie hätte sich auf dem Designersofa genau so affektiert die Haare hinter die Ohren geklemmt, wichtig telefoniert, sinnierend die Hand an den Mund gelegt, beinahe etwas ins Laptop getippt, aber dann doch wieder zum Handy gegriffen.

Aber das hier ist nicht Miss Piggy, sondern Constanze Rick, langjährige Reporterin des RTL-Starmagazins „Exclusiv”, und die meint das ernst mit den affigen Posen einer „TV-Kolumnistin”.

Constanze Rick darf nicht sprechen. Zwar wird behauptet, die Off-Kommentare der beispiellos hirnverbrannten Einspielfilme würden von Frau Rick selbst kommentiert. Zumeist handelt es sich allerdings um Zweit- und Dritt-Verwertungen der RTL-Schwestersendung „Exklusiv“, bei der Frau Rick einst als Praktikantin ihre stummes Staunen erregende Karriere begonnen hat. Aber warum darf die Rick dann nie die Lippen bewegen? Und wie soll so wenig Inhalt mit so vielen Worten aus nur einem wohlfrisierten Kopf kommen? Die Hermeneutiker unter den Fernsehkritikern, hier insbesondere der Webdienst Cineastentreff.de, messen ihr zwar beinahe literarischen Rang zu:

Das Konzept der Sendung erscheint originell: Rick wird meist aus einer Alltagssituation heraus (etwa: „Beim Friseur in der Gala blätternd“) das Promi-Geschehen kommentieren. Und das geradezu „literarisch“ – aus dem Off heraus in einer Art Tagebuchform.

Aber mal ehrlich: Was die Ricks dieser Welt da produzieren, ist nicht originell und nicht Boulevardliteratur, sondern Unterleibsprosa. Und wenn Frau Ricks Unterleib besondere Fähigkeiten hat, dann die, bauchzureden, wie auch im FAZ-Fernsehblog festgestellt wurde:

Seit über drei Jahren sitzt die Promi- und Klatschexpertin Constanze Rick im Vox-Magazin „Prominent!“ herum und tippt irgendetwas in ihren Mac bevor sie aus dem Off den nächsten Beitrag ankündigt, ohne im Bild die Lippen zu bewegen, was sehr irritierend sein kann.

Für Vox-Chef Frank Hoffmann  ist Ricks erstaunliches Schweigen Ausdruck ihrer Distanz zu den eigenen Themen, die er einst als Anspruch formulierte: „Wir wollen über den Boulevard berichten, ohne ihn selbst zu betreten.“ Aber wie soll das gehen? Das wäre wie Waschen ohne Wasser. Oder wie Autofahren ohne Straße: So was kann man machen, nämlich in einer Verkehrssimulation. Und vielleicht ist Ricks „prominent!“ ja einfach eine Journalistensimulation und Constanze Rick so virtuell wie ein Avatar in „Real Life“.

Aber auch, wenn Frau Rick (was womöglich begrüßenswert ist) nicht reden darf, zu Wort meldet sie sich schon: Nämlich auf ihrer Facebook-Seite. Und hier spricht sie frank und frei aus, wozu all die Stars- und Sternchen-Formate in Fernsehen und Printmedien dienen: Zur Vermarktung nämlich. Da wirbt Frau Rick ungeschminkt für ihren Nagellack („Uslu Airlines“) oder ihren schicken Schal („Faliero Sarti“). Da hat Frau Rick ja noch ganz andere Perspektiven, gerade was den Unterleib angeht …

Constanze Rick | Facebook

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter