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Google News erreicht die Weltbevölkerung


27 Mrz

Google ist die erfolgreichste Suchmaschine des Internets. Aber was die Google-Entwickler im hauseigenen Produktblog an Erfolgszahlen nennen, geht dann vielleicht doch etwas zu weit:

Wir sind uns sicher, dass diese Verbesserungen Google News noch attraktiver machen und noch mehr Besucher auf Nachrichtenseiten locken werden (sechs Milliarden pro Monat, Tendenz steigend).

Sechs Milliarden Besucher? Das entspräche fast der Gesamtsumme der Weltbevölkerung, die wenigstens einmal im Monat auf die Google News-Website gehen müsste. Und dazu müsste natürlich jedes Mitglied der Weltbevölkerung auch einen Zugang zum Internet, sprich: einen Computer haben. Doch dies ist bei weitem nicht der Fall. Oder sind vielleicht doch nicht einzelne Besucher, sondern z.B. Klickzahlen gemeint? Dann könnte ich auf die Statistik erheblichen Einfluss nehmen, wenn ich schon für mich alleine monatlich eine Milliarde mal Beiträge auf Google News anklicke. Vielleicht soll es aber auch nur ein verfrühtes Osterei, engl. easteregg, sein, dass Google uns hier beschert. „Easter eggs“ heißen unter Programmierern sonst die kleinen Späßchen, die sie sinnwidrig in den Programmcode einbauen. Ein besonders hübsches hat das Googleteam uns auch zu Ostern geschenkt. Dazu muss man nur diesem Link folgen bzw. diese Rechnung ins Google-Suchfeld eingeben:

1.2+(sqrt(1-(sqrt(x^2+y^2))^2) + 1 – x^2-y^2) * (sin (10 * (x*3+y/5+7))+1/4) from -1.6 to 1.6

Geburtenrate: Zeitungsleser sterben aus


03 Aug

Baby_diving Wikimedia105 mal gibt die Google-News-Suche Treffer heraus: Thema ist die Geburtenrate, alarmierender Tenor ist “die Deutschen sterben aus”. Von Günter Grass (“Kopfgeburten”) bis Thilo Sarrazin (“Deutschland schafft sich ab”) ist das Thema einmal von links bis rechts durchdekliniert worden. Aber wenn die deutsche Presse sich darüber hermacht, kann man sicher gehen, dass nicht nur der Volkskörper, sondern auch die deutsche Sprache bedroht ist. Das Bieler Tagblatt beispielsweise schreibt:

In Deutschland leben immer weniger Kinder. Zwischen 2000 und 2010 sank die Zahl um gut zwei Millionen auf 13,1 Millionen und wird nach Angaben des Statistischen Bundesamtes weiter abnehmen.

Aus dem “Immermehrismus” wird bei der Gelegenheit der “Immerwenigerismus”. Noch doller treibt es die Markenpost. Sie titelt:

Immer weniger Kinder im kinderärmsten Land Europas

Wirklich? Wenn Deutschland eh schon das “kinderärmste Land Europas ” ist, wie können dann noch “immer weniger” Kinder geboren werden? Eigentlich müsste es doch heißen: “Immer noch die wenigsten Kinder im kinderärmsten Land”. Am wildesten treibt es allerdings der Focus. Er schreibt:

Immer weniger Deutsche wollen Kinder

Mal abgesehen, dass dies keine statistische, sondern eine psychologische Prognose ist (was weiß die Statistik schon, was die Leute “wollen”) – es müsste doch wohl heißen: “Deutsche bekommen immer weniger Kinder”. Oder vielleicht: “Deutsche und Kinder werden immer weniger”. Oder vielleicht: “Immer weniger Kinder wollen zu den Deutschen”. Eines ist jedenfalls sicher: Die Zeitungsleser werden unweigerlich aussterben. Aber das muss keine demographischen Gründe haben.

Bieler Tagblatt online

Wie Google News mal beinahe eine Airline zum Absturz brachte


27 Mai

Wenn heute Zeitungen über ihren eigenen Niedergang klagen, dann hat es vielleicht auch mit Google News zu tun. Der schnelle Zugriff auf die aktuelle Nachrichtenlage wird heute gerne über diesen Nachrichten-Suchdienst erledigt. Google stellt übrigens keine eigenen Texte ins Netz und hat auch keine journalistische Redaktion, sondern nur einen Algorithmus, der aus frei zugänglichen Internetseiten von Zeitungen und Nachrichtendiensten eine Auswahl errechnet und etwa alle 10 Minuten aktualisiert. Es existiert auch eine Archivsuche, mit der etwa in älteren Ausgaben von New York Times und Washington Post recherchiert werden kann. Doch genau deswegen kam es im Jahr 2008 zu einem folgenschweren Zwischenfall, der beinahe die amerikanische Fluggesellschaft United Airlines zum Absturz gebracht hätte, wie auf Wikipedia nachzulesen ist:

Am Sonntag dem 7. September 2008 indexierten die Computer von Google News einen Artikel aus dem Jahr 2002 von der Internetseite der Zeitung Sun-Sentinel, einer Schwesterseite der Chicago Tribune, die den Artikel eigentlich publizierte. Die Überschrift des Artikels lautete „United Airlines Files for Bankruptcy“. Die Seite beinhaltete keine Angabe zum Datum der Veröffentlichung. Nach Angaben der New York Times schickte am darauf folgenden Montagmorgen der Informationsdienstleistner Income Security Advisors, dem Nachrichtendienst Bloomberg verschiedene Artikel über Bankrott-Meldungen. Darunter wahrscheinlich auch der Artikel über die United Airlines aus dem Jahr 2002. Bloomberg übernahm die Meldung und veröffentlichte sie. Binnen weniger Minuten brach der Aktienkurs der Fluggesellschaft ein und verlor mehr als 1 Milliarde US-Dollar an Wert. Der Handel der Aktie wurde daraufhin vorübergehend ausgesetzt. Der Eintrag war nicht auf der Startseite von Google News verlinkt, konnte aber durch die Suchfunktion gefunden werden.

Google rechtfertigte sich laut einem Artikel der New York Times damit, dass sie ja nichts dafür könnten, wenn eine Zeitung einen Artikel mit keinem oder einem falschen Datum versehe. Ein Artikel der  Süddeutschen Zeitung sieht allerdings auch noch andere Kritikpunkte:

Dabei sehen Kritiker eine der Gefahren für den Journalismus bei Google. Der Konzern ziehe den Großteil der Werbegelder im Internet ab, produziere aber selbst keine Inhalte. Dessen ungeachtet setzen selbst Medienkritiker Hoffnungen auf Google: Seit die Unabhängigkeit der New York Times wieder und wieder durch Börsenspekulanten und Konkurrenten angegriffen wird, wird Google als möglicher Retter genannt: Wäre es nicht angebracht, dass die Stiftung von Google die Zeitung kauft und als gemeinnütziges Projekt weiter führt? Google ist angeblich nicht interessiert, Inhalte zu besitzen.

Aber es geht den Google-Kritikern nicht nur um Inhalte. Besäße der Internetsuchdienst eine echte Redaktion mit echten Journalisten, dann hätte der Fehler auffallen müssen: Ein schöner Beleg für die in der Journalismusforschung gerne angeführte „Gatekeeper“-Funktion von Journalisten. Es gibt auch noch eine, ebenfalls von der SZ angeführte, Pointe der ganzen Geschichte:

Die Ironie der Geschichte, die kein Mensch aktualisiert, redigiert und auf der Website veröffentlicht hat, ist laut Wall Street Journal die, dass anschließend die Aktie von United an der Börse teilweise auch ohne Zutun von Menschen verkauft wurde – Computerprogramme stoßen verlustreiche Aktien angeblich von alleine ab. Die Enthüllung und ihre Konsequenz – alles lief vollautomatisch.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter