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Sterbende Medien: Nachruf auf MTV


07 Jan

MTV ist von uns gegangen. Der Musikspartensender, der immer irgendwie mehr sein wollte, als nur das, verdrückt sich aus dem frei empfangbaren Fernsehprogramm, und niemand verdrückt ob dieses Ereignisses eine Träne. Es ist ein stiller Abgang, was für einen lärmigen Musiksender doch auch bemerkenswert ist. Umso verwirrender ist die Eloge, die auf Zeit Online über das Ableben des Zappelkanals zu lesen ist:

Die Marke MTV ist eng verbunden mit dem Aufstieg der „kreativen Klasse„, in der Ökonom Richard Florida heute die treibende Kraft der Gesellschaft sieht: Musiker, Künstler, Designer, Programmierer. Der Popsender war ihr Leitmedium, inspirierend, stimulierend und irgendwie auch politisch richtig. Wer in den Achtzigern und Neunzigern den Nachmittag mit MTV verbrachte, trat hinterher auf die Straße und fühlte sich großartig, angefüllt mit den Nachzuckungen jenes Kribbelns, das die Halbstarken in den Fünfzigern spürten, der Kitzel der Veränderung. MTV zapfte den Geist von Trendsportarten und Street Art an und bediente sich junger Talente, die mit günstig hergestellten Animationsclips die Identität des Senders prägten.

Nein, so war es denn entschieden doch nicht. Rebellion war doch wohl nie die Synapse, auf der sich eine zum Megaplayer aufgeblähte Musikindustrie und eine völlig entpolitisierte Jugend trafen. Der reine kommerzielle Mainstream war es, und wer irgendwie einen eigenen Musikgeschmack entwickelt hat, der ließ MTV immer schon links liegen. Was MTV in der Gesellschaft bewirkt und womöglich auch eine Zeit lang durchgesetzt hat, das waren höchst fragwürdige New-Wave-Frisuren, bescheuert anmutende Leggings (in der Öffentlichkeit!) und der nicht ganz unbeachtliche Umstand, dass hinter all dem Exhibitionismus, der Inszenierung und dem Rumgehopse zu akrobatisch anmutenden „Tanz“-Schritten das Eigentliche, nämlich die Musik, völlig in den Hintergrund geriet. Der gesamte Rest war Marketing und Selbstapotheose, bis hin zur angeblich genuinen Videoästhetik, mit der man die Fernsehlandschaft befruchtet habe. Nein, nein, und nochmals nein: Living Camera, 360-Grad-Schwenks und wilde Schnitte, die auf filmischen Anschluss verzichteten, gab es schon lange vor MTV, bei Michael Ballhaus und bei vielen anderen. Was MTV daraus gemacht hat, war lediglich Kinderprogramm unter Kostendruck, bei dem die Ästhetik dadurch bestimmt war, dass man kein Geld für einen richtigen Kameramann hatte. Das setzte sich später bei VIVA fort und endete schließlich im Horror der Anrufsendungen und Klingeltönemassaker. Die Zeit schreibt:

Doch in den letzten Jahren waren auf Druck der Aktionäre nach und nach die Nischensendungen aus dem Programm verschwunden, der Sender degenerierte zu einer endlosen Aneinanderreihung von lärmenden Ankündigungen, Klingeltönen und Billigserien.

Die schlechtesten Musikvideos aller Zeiten

Die Website Inthe00s.com hat in der Zwischenzeit die Internetcommunity abstimmen lassen und die 25 schlechtesten Musikvideos ermittelt, die je auf MTV gezeigt wurden. Hier sind sie:

25. Spin Doctors „Two Princes“ (1993)
24. Hammer „Too Legit To Quit“ (1991)
23. Wilson Phillips „Hold On“ (1990)
22. Chumbawamba „Tubthumping“ (1998)
21. Billy Squier „Rock Me Tonight“ (1984)
20. 4 Non Blondes „What’s Up“ (1993)
19. Motley Crue „Without You“ (1989)
18. Snow „Informer“ (1993)
17. Paula Abdul „Rush Rush“ (1991)
16. Warrant „Heaven“ (1989) Good song, bad video
15. Crash Test Dummies „Mmm Mmm Mmm Mmm“ (1994) good song, OK video
14. Aqua „Barbie Girl“ (1997)
13. Journey „Separate Ways“ (1983)
12. Winger „Seventeen“ (1988) OK song, cheesy video
11. Wham! „Wake Me Up Before You Go Go“ (1984) OK song, bad video
10. Debbie Gibson „Electric Youth“ (1989)
9. Vanilla Ice „Ice, Ice, Baby“ (1990)
8. Milli Vanilli „Girl You Know It’s True“ (1989)
7. Gerardo „Rico Suave“ (1991)
6. Daryl Hall & John Oates „Maneater“ (1982) good song, OK video
5. Los Del Rio „Macarena“ (1996)
4. Nelson „After The Rain“ (1990)
3. Eddie Murphy featuring Michael Jackson „Whatzupwitu“ (1993)
2. Chunky A „Owww!“ (1993)
1. Don Johnson „Heartbeat“ (1986)

Nein, ich werde MTV nicht vermissen.

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