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„Junge Freiheit“: False friends


15 Nov

Rechtspostille „Junge Freiheit“: Ungefragt zitiert

Gegen falsche Freunde kann man sich schlecht wehren. Was also tun, wenn man das Richtige geschrieben hat, es aber von den Falschen zitiert wird?

So ist es mir ergangen. In der Fachzeitschrift Medienkorrespondenz habe ich einen kritischen Beitrag über die Beschäftigungsverhältnisse im Westdeutschen Rundfunk (WDR) veröffentlicht. Der löste erst größere Resonanz aus, als die Redaktion ihn zwei Wochen später auch online stellte:

Medienkorrespondenz: Machtmissbrauch mit System

Verschiedene Onlinemedien griffen meine kritischen Ausführungen über den WDR auf, zum Beispiel diese hier:

Meedia: WDR als „ganovenhafter Arbeitgeber“

DJV: Ehemaliger Freier Mitarbeiter erhebt heftige Vorwürfe

Produzentenallianz: MeToo – Außenansicht eines Freien Mitarbeiters

Digitalfernsehen.de: Öffentlich-Rechtliche – Werden Freie Mitarbeiter ausgebeutet?

Beueler Extra-Dienst: MeToo/WDR – Die Debatte ist nicht beendet

Am Wochenende flatterte ein größerer Briefumschlag mit der Post in mein Haus. Darin fand ich zwei „Belegexemplare“ der rechtsextremen Postille „Junge Freiheit“. In diesem von mir in keinster Weise unterstützten oder gutgeheißenen Braunblatt wird aus meinem Beitrag ungefragt und unautorisiert auf der Medienseite ein Satz zitiert und herausgestellt, nämlich:

„Journalistische Kompetenz spielt für eine Karriere in der öffentlich-rechtlichen Hierarchie des WDR nahezu keine Rolle“.

Selbstredend stehe ich nach wie vor zu dieser Aussage, und das aus einem guten Grund: Weil sie wahr ist. Dass die leidigen Fischer im Trüben sich in ihrem rechten Wahn an alles klammern, was ihnen selbst den Nimbus von Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit geben könnte, ändert nichts am Umstand, dass ihre Ideologie wenig Idee und noch weniger Logik enthält. Auch das blinde deutsche Rassehuhn pickt eben hin und wieder mal ein Körnchen Wahrheit. Aber es sei den nicht um Erlaubnis fragenden Zitierern ins Stammbuch geschrieben, dass zwei Stimmen noch keinen Chor ausmachen und dass ein richtiger und ein falscher Ton zusammen immer einen Misston ergeben.

Jenes Argument, man dürfe bestimmte Äußerungen nicht tun, weil man sonst Beifall von der falschen Seite erhalte, habe ich schon immer für falsch gehalten. Man kann sich gegen den falschen Beifall ebenso wenig wehren wie gegen die faulen Eier von der richtigen Seite. Beides muss man als Publizist und als Mensch mit Meinung ertragen, und es bleibt nur zu hoffen, dass am Ende etwas Wünschenswertes dabei herauskommt, nämlich ein Diskurs. Das Problem mit den Ewiggestrigen ist ja, dass sie leider nicht im Gestern geblieben sind, sondern heute leben. Dennoch würde ich jenes Bonmot Konrad Adenauers nicht unterschreiben, wo er gesagt hat: „Nehmen Sie die Menschen wie sie sind, andere gibt’s nicht.“  Nein, wir müssen sie nicht nehmen, wie sie sind: Wir können versuchen, sie zu ändern.

 

 

50 Jahre Gegenöffentlichkeit


24 Mai

Bildschirmfoto 1In der kommenden Woche jährt sich eines der einschneidenden Ereignisse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: Am 2.Juni 1967, also vor 50 Jahren, besuchte der damalige Schah von Persien Deutschland und West-Berlin. Die Ereignisse dieses Tages — Gegendemonstrationen, Polizeiaktionen und am Ende des Tages der von einem Polizisten erschossene Student Benno Ohnesorg — haben tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen. Eine dieser Spuren verlief auch in der weiteren medialen Organisation von Öffentlichkeit: Ein Konzept von „Gegenöffentlichkeit“ begann – neue kritische Verlage wurden gegründet, alternative Stadtmagazinen und auch eine Tageszeitung, die taz.

Diese taz erinnert jetzt in einer 32-seitigen Sonderausgabe unter dem Titel „Gegen den Strom“ an dieses Datum und die Entstehung neuer Formen, Öffentlichkeit herzustellen:

Dieses Datum markiert den Beginn einer bis heute geführten Debatte über „Gegenöffentlichkeit“, über die Medien, über Wahrheit und Lüge, oder, wie man heute eher formulieren würde, über Fake News und alternative Fakten, über Verschwörungstheorien, über bürgerliche Zeitungen und alternative Blätter, über die „Wahrheit“ und die Deutungshoheit über gesellschaftliche Entwicklungen.

taz-Redakteur Jan Feddersen hat sich in einem Essay Gedanken über aktuelle Formen von Gegenöffentlichkeit gemacht. Dabei geht er von der Beobachtung aus, dass heute womöglich eher politisch rechts und rechtsextrem positionierte Kräfte sich Formen der Gegenöffentlichkeit zunutze machen:

„Gegenöffentlichkeit“ – die braucht es nicht mehr nicht mehr in dem klassisch verstandenen Sinne wie vor 50 Jahren. Empörung als Reaktionsmodus auf alles, was einem in der Welt nicht passt, ist zur Disziplin der Rechten geworden, und sie wird es bleiben: Das können die echt gut. Leider. Linken stünde ein anderer Modus gut an: Coolness. Nicht Chemtrails trauen, keiner Hassbotschaft, keiner aufgeschäumten Erregung, keiner Verschwörungstheorie und auch keinen Botschaften, die die Welt als Verhängnis schildern.

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter