Posts Tagged ‘Kultur’

Filmklassiker sterben aus


12 Jun

„Luke, ich bin dein Vater!“ Dieser Satz, den Darth Vader im berühmten Star Wars-Film „Das Imperium schlägt zurück“ spricht, ist längst sprichwörtlich geworden. Auch andere Zitate aus legendären Kinofilmen sind längst in den Volksmund übergegangen und zählen zum kollektiven kulturellen Gedächtnis: „“Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann“ („Der Pate“), „nach Hause telefonieren“ („E.T.“) oder „Es kann nur einen geben“ („Highlander“).

Doch den Filmklassikern droht der Tod aus Altersschwäche. Denn niemand will sie mehr zeigen. Darauf weist die Süddeutsche Zeitung in einem längeren Artikel hin:

Die ARD strahlte in ihrem ersten Programm im Jahr 2016 nur noch sieben Klassiker des US-amerikanischen Films aus – im Jahr 2000 waren es noch 122 gewesen. Die Gattung erodiert gleichermaßen in den dritten Programmen (15 gegenüber 633), und im ZDF fiel die Zahl solcher Filme im untersuchten Zeitraum von 37 auf zehn.

Auch Netflix, Amazon Prime und die vielen anderen Film-Streaming-Dienste im Internet werben zwar gerne mit Szenenbildern aus Filmklassikern, gezeigt und geguckt werden aber offenbar vor allem Eigenproduktionen und Serien. Was damit verloren geht, ist kulturelles Wissen, das auch zum Kit einer (Medien-) Gesellschaft gehört.

Spielfilme am Sonntagvormittag, einst üblich, sind Unterhaltungssendungen gewichen; die ZDF-Matinee etwa wurde vom Fernsehgarten verdrängt, mit 32 Jahren selbst schon auf dem Weg zum Klassiker. Um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit, gibt es zwar jede Menge Spielfilme – die das Fernsehen aber am liebsten selbst produziert, um so präzise wie möglich den aktuellen Publikumsgeschmack zu treffen.

Die Nutzer/innen der Streamingdienste stecken ebenso in einer Filterblase, wie es die Nutzer/innen der großen Sozialen Netzwerke á la Facebook tun. Ihr Videokonsum basiert häufig auf einer Empfehlungskultur, die gerade die großen (älteren) Kulturleistungen ausschließt. In der aktuellen Aufmerksamkeitsökonomie hat die schrille Neuproduktion immer die Nase vorn gegenüber künstlerisch wertvollen Klassikern des europäischen und amerikanischen Films. Schwarz-weiß-Filme haben nahezu vollständig ausgedient. Für den guten alten Film gilt nicht mehr, was „Terminator“ noch zu sagen wusste: „Hasta la vista, Baby!“

Spiegel Online: Wenn aus Edelfedern Zauselkrausel werden


23 Mai

Früher war ja, wer im Feuilleton schreiben durfte, schon von Amts wegen eine edle Feder: Schließlich musste man das Wort Feuilleton richtig aussprechen und korrekt schreiben können, das schuf die nötigen Zugangshürden. Wer heute etwa Romane oder Erzählbände rezensiert, der muss so wenig noch von der Schönheit der Sprache verstehen wie diejenigen, die ebenjene Werke heute schreiben. Zum Beispiel ein Peter Henning bei Spiegel Online, der den Erzählband „Trieb“ des Kölner Journalisten (!) Jochen Rausch besprechen darf:

Rausch, der 2008 mit dem Debütroman „Restlicht“ debütierte …

Wir vermuten, dies war das Rezensionsdebüt des debütierenden Rezensenten. Murksig geht’s weiter im Blätterwald leidender Rezensionsrezensenten:

Nach vollbrachter Lektüre seiner Storys, die sich lesen lassen wie ein lustvolles Blättern im Katalog menschlicher Fehlbarkeit …

Wie liest man denn wohl ein „lustvolles Blättern“? Und ist der „Katalog menschlicher Fehlbarkeit“ etwa so dick wie der Otto-Katalog (der übrigens nicht witzig ist, obwohl er Otto heißt!), auf dass man in ihm überhaupt blättern könne? Und wieviele schmückende Adjektive darf eigentlich ein kritisierender Kritiker benutzen, der beim fatalen Objekt seiner rezensierenden Zuneigung ansonsten trockene „Schnörkellosigkeit“ zum allesüberbietenden Qualitätsmerkmal macht? Vielleicht so viele wie in dem geschätzt 10 Zeilen lang Satz, in dem zwei Protagonisten einer Kurzgeschichte

geradezu schicksalhaft und mit am Ende tödlicher Zwangsläufigkeit aufeinander zustreben, dann hat Rauschs subtiler Trieb-Reigen seinen finster-faszinierenden Höhepunkt erreicht.

Es fehlt dann natürlich, wie bei allen Rezensionsanfängern, das unvermeidbare Name-Dropping nicht, um die eigene Kritikerbelesenheit auch ja zur Schau zu stellen, und auch die furiose Conclusio am Ende darf nicht fehlen. Sie lautet:

Endlich zeigt ein Hiesiger, wie variabel und mitreißend die erzählerische Kurzstrecke sein kann. Er tut es schnörkellos und ohne ein Gramm Fett. Dabei in der Machart fast amerikanisch, und doch mit Blick auf deutsche Verhältnisse. Lesen Sie Jochen Rausch. Es wird Sie umhauen. Versprochen!

Ja, das ist wirklich geschehen! Es hat mich umgehauen! Aber nicht das Buch von Jochen Rausch. Das ist vielleicht sogar ganz gut. Wer weiß?

„ZDFkultur“ für Leute ohne Kultur


17 Mai

Ein Bouquet ist etwas, das in die Nase geht. Beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) hat man eher den Eindruck, dass es die Nase voll hat. Voll von seinen Satelliten-Spartenkanälen. In schneller Folge widmet das ZDF sein bestehendes Bouquet um und gründet neue Spartensender, die die hergebrachten ersetzen. Aus dem ZDF-Dokukanal war schon vor einer kleinen Weile ZDFneo geworden. Und jetzt wird aus dem ZDF-Theaterkanal das Programm ZDFkultur. Wobei, so genau möchte man es mit der Kultur nicht nehmen, wie der Verantwortliche Daniel Fiedler zu berichten weiß:

Kultur im Fernsehen klingt immer so, als ob ich ganz gebildet sein muss, um das nutzen zu dürfen. Da sagen wir: Das ist Quatsch. Es gibt heute keine Trennung mehr zwischen der so genannten populären Kultur und der Hochkultur. Menschen gehen heute in die Oper und danach in einen Club, das ist völlig selbstverständlich. Wir setzen nebeneinander eine Wagner-Theateraufführung und jede Menge Popmusik. Wiederum daneben gibt es jede Menge Videospiele und Gaming. So breit ist unser Kulturbegriff, so breit stellen wir den auf. In der Nutzung der Zuschauer im Leben ist der eben so breit. Warum soll er nicht auch im Fernsehen so breit sein?

Das ZDF sieht keine Abgrenzungsprobleme zu ZDFneo oder zu 3sat, dem Kulturprogramm, zu dem das ZDF auch immer noch den Bärenanteil beiträgt. Andere sehen, wie die „B.Z.“, deutlich größere:

Am Sonnabend geht der nächste Kanal aus Mainz an den Start. Dabei wird der Digitalsender ZDFkultur nur eine zweite Version des 2009 gestarteten ZDFneo sein.

Man fragt sich auch, wozu die Spartenkanäle eigentlich dienen. Immerhin kosten sie, worauf auch die „B.Z.“ hinweist, richtig Geld:

In diesem Jahr lässt sich das ZDF den neuen Sender 12 Millionen Euro, im kommenden 18 Millionen Euro kosten. Und löst dafür den ZDFtheaterkanal auf, der im Jahr 2009 lediglich 7,3 Millionen Euro kostete und ein Schattendasein fristete. Doch statt das Geld einfach zugunsten des Gebührenzahlers einzusparen, leisten sich die Mainzer einen ZDFneo-Klon.

Das ZDF, das im Rufe eines „Rentnersenders“ steht, will sein Programm verjüngen. Ob das mit einer Abschiebung jugend- und jüngerenrelevanter Themen und Inhalte ins Quotennirwana von Satellitenablegern gelingen wird, scheint fraglich. Zumal, wenn man mit zwei verschiedenen Kanälen und sehr ähnlichen Inhalten ein sehr ähnliches Publikum ansprechen will und sich dadurch gegenseitig kannibalisiert:

Beide Sender sollen sich an ein jüngeres, nahezu identisches Publikum richten. ZDFkultur soll 20- bis 40-jährige Zuschauer begeistern, ZDFneo 25- bis 49-Jährige.

Und dann gibt es ja auch noch den „ZDFinfokanal“. Was wird eigentlich aus dem? Die Zielgruppe der 15- bis 35-jährigen wäre noch frei.

BILD-Leserbeirat: Keine Meinung ist ja auch keine


13 Mai

Was bei anderen Zeitungen innovativ oder fortschrittlich ist, das ist bei der Bildzeitung aus dem Springerverlag bestenfalls gerissen oder clever. So auch der sog. Bild-Leserbeirat. Unter dem Motto “Wir sagen Bild die Meinung!” hat die Zeitung

aus mehr als 3000 Bewerbern jetzt 32 neue Mitglieder ausgewählt, die mithelfen wollen, damit BILD noch besser wird.

Aus Sicht von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ist allein das schon ein eigenartiges Diktum, geht jener doch davon aus, dass Bild ohnehin kaum noch zu verbessern ist. Und so hat man denn für den hauseigenen Leserbeirat auch solche Leute zum Meinung-Geigen aquiriert, die garantiert keine haben. Oder wenn, dann die richtige. Zum Beispiel Sandra Raeven-Staud (38), Hausfrau aus Emmerich:

Sandra Raeven-Staud (38), Hausfrau aus Emmerich (NRW):
„Das Seite-1-Girl wird jetzt viel anspruchsvoller fotografiert, das hatten wir uns gewünscht. Der Ratgeber zu einem vermeintlich schwierigen Thema wie ,Männergesundheit‘ war sehr informativ. Mehr davon!“

Das ist vermutlich der neue Bild-Feminismus, für den auch Alice Schwarzer sich auf Werbeplakate und ins Blatt rücken lässt. Steifvorlagen für Männer dürfen schon sein, sie müssen aber “anspruchsvoller fotografiert” werden. Dann wird auch aus einem Gossenblatt eine “anspruchsvolle” Zeitung, findet auch

Regina Klau (66), Rentnerin aus Bremen:
„Ich lese BILD viel intensiver als früher und bin begeistert. BILD hat sich sehr zum Positiven verändert. Mich begeistern vor allem die vielen Kulturstücke. Bei meinen Freunden werbe ich oft für die neue BILD.“

Früher las man die Bildzeitung noch wegen des “guten Sportteils”, heute wegen der “vielen Kulturstücke”. Wenn das nicht mal ein Kunststück ist …

BILD-Leserbeirat – Diese Frauen sagen BILD ihre Meinung – News Inland – Bild.de

Anti-Medien-Blog

Die journalistische Notfallpraxis im Web von Hektor Haarkötter