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Lanz: Tiefpunkt des Journalismus?


29 Feb

Markus Lanz ist ein Fernsehmoderator, der sich gerne vor Publikum bekochen lässt („Lanz kocht“) und eine nicht weiter beachtenswerte Talksendung im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) moderiert („Markus Lanz“). In der jüngsten Ausgabe dieser Sendung trat der bundesdeutsche Wirtschaftsminister auf, um aus seiner Sicht zu erzählen, wie es zur Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidentenkandidaten kam. Dem Medienkritiker der F.A.Z., Michael Hanfeld, hat das überhaupt nicht gefallen, und er hat dazu grimmige Worte gefunden:

Gemeinsam ziehen sie eine Show ab, die den „tiefsten Tiefpunkt“ (Rudi Völler) des deutschen Journalismus und den Marianengraben politischer Wahrhaftigkeit markiert. Es ist ein sagenhaftes Theater, Rösler gibt den Parzival, der den Gral endlich gefunden hat, ins Narrenkleid ist derweil der steigbügelhaltende Moderator Lanz gerückt.

Denn bei ihm wird das Machtkalkül zum gespielten Witz. Er redet so süß über „die Angela“ und „den Philipp“, dass einem schlecht wird. Erst fasst Rösler Lanz am Arm, wie Gauck es mit ihm gemacht habe, dann Lanz „den Philipp“. „Jetzt mal ehrlich,“ sagt der Markus dann, „die Angela“, die „ham Sie doch über den Tisch gezogen.“ Über den Tisch gezogen werden an diesem Abend aber alle, die diese Sendung sehen. Denn es wird ihnen eine Heldengeschichte erzählt, die von vorn bis hinten nicht stimmt. Hintergründe und Handlungsmaximen werden hier in ihr Gegenteil verkehrt.

Die süffisante Analyse ist vermutlich zutreffend, aber eine Frage stellt sich doch: Wenn Hanfeld die Talkshow „Markus Lanz“ — oder jedenfalls diese spezielle Ausgabe — als „Ende des Journalismus“ und, Rudi Völler zitierend, als „tiefsten Tiefpunkt“ bezeichnet, geht er davon aus, dass es sich überhaupt um Journalismus handle. Und dem wäre vielleicht zu widersprechen.

Ist Markus Lanz überhaupt ein Journalist? Er hat seit 1992 ein zweijähriges Volontariat bei Radio Hamburg absolviert, also eine journalistische Ausbildung genossen. Danach wechselte er aber umgehend ins Moderatorenfach, ursprünglich als Nachrichtenmoderator bei RTL Nord. Diesen Job verdankte er aber vermutlich nicht so sehr seiner journalistischen Qualifikation, sondern seiner anderen hervorstechenden Eigenschaft: Markus Lanz sieht aus, wie er aussieht — eine Mischung aus beliebter Schwiegersohn und Gebrauchtwarenhändler, der ideale Kleiderständer für nicht allzu überteuerte Herrenmode, kurz: ein Robert Redford für Wenigerbetuchte. Gegen diese Eigenschaft des Fernsehprodukts Lanz ist im Prinzip nichts einzuwenden, immerhin ist Fernsehen ein visuelles Medium. Und sie brachte Lanz das ein, was im betreffenden Wikipedia-Artikel als sein „Durchbruch“ angesehen wird, obwohl es eigentlich schon der „tiefste Tiefpunkt“ ist: Er wird Moderator der RTL-Sendung „Explosiv“. Den Journalismus hat er da längst verlassen, auch wenn die Bezeichnung „Redaktionsleiter“ fälscherlicherweise auf eine journalistische Tätigkeit hindeutet. Sendungen wie „Explosiv“ sind Unterhaltungsware, deren Informationswert gegenüber dem Unterhaltungsanspruch vernachlässigenswert ist. Aus diesem Grund wurde Lanz dann auch im Jahr 2008 vom ZDF abgeworben: Ein völlig entpolitisiertes Stück Seife, das in den Auswürfen des Boulevards sattelfest ist. In diesem Beritt hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen eben trotz aller nachhaltigen Bemühungen noch nicht genug eigene Kavallerie hervorgebracht und muss sich in den Niederungen des Privatfernsehens mit Reitlehrern wie Markus Lanz versorgen. Wie praktisch alle anderen öffentlich-rechtlichen Talkshows auch ist die Sendung „Markus Lanz“ ein Politiksurrogat, eine Journalismus-Simulation, die darüber hinwegtäuschen soll, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender das nicht mehr zu bieten haben, wofür sie bezahlt werden: meinungsstarken, recherchetiefen und mutigen Politjournalismus.

Es wäre Michael Hanfeld von der F.A.Z. also doch zu widersprechen: Lanz ist nicht das „Ende des Journalismus“, sondern dessen Ersatzhandlung. Aber das ist vielleicht noch schlimmer.

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